OGH 5Ob228/22y

OGH5Ob228/22y29.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. M*, 2. A*, vertreten durch Mag. Armin Windhager, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin G* reg. GenmbH, *, vertreten durch Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 14 Abs 1 (und § 16 Abs 1) iVm § 22 Abs 1 Z 7 und Z 10 WGG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 6. Oktober 2022, GZ 7 R 96/22f‑62, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Tulln vom 7. Juli 2022, GZ 2 MSch 4/20a‑56, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00228.22Y.0829.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Antragsteller sind Mieter einer Wohnung in einer von der Antragsgegnerin – einer gemeinnützigen Bauvereinigung – errichteten Wohnhausanlage. Die Antragsgegnerin errichtete in drei Bauabschnitten Wohnhäuser samt gemeinschaftlicher Anlagen und Fahrzeugabstellplätzen. Die Wohnung der Antragsteller befindet sich in dem im ersten Bauabschnitt errichteten Wohnhaus.

[2] Gegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung der Kostenverteilung für das Jahr 2017. Die Antragsgegnerin legte der Abrechnung einen Aufteilungsschlüssel zugrunde, der auf dem von ihr 2016 eingeholten Gutachten eines Sachverständigen über die Nutzwerte beruht (idF: Nutzwertgutachten 2016). In diesem Gutachten sind die Abstellplätze 21–47 nicht bewertet, sondern als Allgemeinflächen ausgewiesen.

[3] Der von den Antragstellern am 4. 6. 2012 abgeschlossene Nutzungsvertrag unterliegt dem WGG. Darin ist vereinbart, dass die Aufteilung der Gesamtkosten grundsätzlich nach dem Verhältnis des Nutzwerts des Nutzungsgegenstands zum Nutzwert aller in Bestand oder sonstige Nutzung gegebenen oder hierzu geeigneten Wohnungen, Wohnräume und sonstigen Räumlichkeiten der Baulichkeit erfolgt (Punkt V.1.). Unter Hinweis auf § 16 Abs 5 Z 1 WGG wurde festgehalten, dass unter anderem die Aufteilung der Betriebskosten, öffentlichen Abgaben und Kosten der Gemeinschaftsanlagen (Waschküche, Grünanlagen, Garage, KFZ‑Abstellplätze ua) zwischen den Mietern nach dem Verhältnis der Nutzwerte der einzelnen Nutzungsgegenstände zum Nutzwert aller Nutzungsgegenstände erfolgt (Punkt V.2.b). Nach Punkt V.2.a) erfolgt die Aufteilung der Finanzierung der Baukosten nach § 14 Abs 1 Z 1 bis 3 WGG demgegenüber nach dem Verhältnis der Nutzflächen. Punkt II. des Vertrags (Nutzungsgegenstand) nennt die Nutzfläche und den (vorläufigen) Nutzwert der von den Antragstellern gemieteten Wohnung und enthält den Hinweis, dass diese Angabe auf einem vorläufigen Nutzwertgutachten vom 3. 4. 2010 beruht (idF: Nutzwertgutachen 2010). In diesem Gutachen sind die KFZ‑Abstellplätze 21–47 als solche berücksichtigt und bewertet.

[4] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Frage nach dem Verteilungsschlüssel für die Jahresabrechnung 2017.

[5] Die Antragsteller begehren (sinngemäß), den Aufteilungsschlüsel für die Jahresabrechnung 2017 so festzusetzen, wie er in einem vorangegangenen Verfahren vor dem Erstgericht festgestellt wurde, und erhoben gegen die Abrechnung inhaltlich Einwendungen. Sie machen zum Aufteilungsschlüssel geltend, die Antragsgegnerin sei ohne gesetzliche Grundlage von dem im Nutzungsvertrag vereinbarten Aufteilungsschlüssel abgegangen; eine schriftliche Vereinbarung aller Mieter für ein Abgehen vom ursprünglich vereinbarten Schlüssel liege nicht vor.

[6] Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, im Nutzungsvertrag sei ausdrücklich festgehalten, dass der vereinbarte Aufteilungsschlüssel auf einem vorläufigen Gutachten über die Nutzwerte beruhe. Durch die Fertigstellung von Bauwerken und Einholung eines endgültigen Nutzwertgutachtens könne sich eine Veränderung des Verteilungsschlüssels ergeben. Die Antragsteller seien durch das neue Nutzwertgutachten besser gestellt.

[7] Das Erstgericht sprach aus, dass der Verteilungsschlüssel für die Jahresabrechnung 2017 sowie die prozentuellen Anteile der einzelnen Nutzungsobjekte [...] hinsichtlich der Betriebs‑, Lift‑ und Verwaltungskosten auf Basis der Gesamtnutzwerte laut dem Nutzwertgutachten […] 2016 unter Hinzurechnung der Stellplätze laut diesem Nutzwertgutachten, insbesondere hinsichtlich des Objekts der Antragsteller [...] samt Garagenstellplatz Nr [...] mit einem Nutzwert von gesamt 122 (Wohnung 114 und Garage 8), (gemeint:) festzulegen ist (Spruchpunkt 1), und trug der Antragsgegnerin auf, binnen einer bestimmten Frist eine korrekte Abrechnung für das Jahr 2017 zu legen (Spruchpunkt 3). Darüber hinaus sprach es (rechtskräftig) aus, dass einzelne Positionen der Abrechnung 2017 zu entfallen hätten. Zu den anderen inhaltlichen Einwendungen der Antragsteller äußerte sich das Erstgericht nicht.

[8] Das Rekursgericht hob die Entscheidung des Erstgerichts in seinen Spruchpunkten 1 und 3 auf, trug diesem insoweit die Ergänzung des Verfahrens auf und ließ den Revisionsrekurs zu. Mit Teilsachbeschluss bestätigte es zudem die (implizite) Abweisung der inhaltlichen Einwendungen der Antragsteller gegen die Abrechnung zu einem bestimmten Thema. Zu seinem Aufhebungsbeschluss führte es aus, bereits in einem von den Parteien geführten Vorverfahren sei klargestellt worden, dass die vereinbarte Aufteilung der Betriebskosten, öffentlichen Abgaben und Kosten der Gemeinschaftsanlage zwischen den Mietern nach dem Verhältnis der Nutzwerte der einzelnen Nutzungsgegenstände zum Nutzwert aller Nutzungsgegenstände zulässig sei. Die Antragsgegnerin begründe die Einholung des Nutzwertgutachtens 2016 mit der Fertigstellung der Bauabschnitte und dem Hinweis im Nutzungsvertrag, dass das dort zugrunde gelegte Gutachten lediglich ein „vorläufiges“ sei. § 16 Abs 5 Z 2 WGG sehe vor, dass bei der Berechnung nach Nutzwerten (§ 16 Abs 3 leg cit) die Nutzwerte neu festzusetzen seien, wenn eine Abweichung von mehr als 5 % vorliege. Sei dies der Fall, ändere sich der Aufteilungsschlüssel bereits mit der Neufestsetzung. Diese Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Von der Antragstellerin sei aber lediglich unsubstanziiert auf die Fertigstellung von Bauwerken bzw die Umwidmung einer Ordination in eine Wohnung und Änderungen von Gartenflächen verwiesen worden, was keine Beurteilung erlaube, ob Änderungen von mehr als 5 % vorlägen, die eine Neufestlegung der Nutzwerte rechtfertigen könnten. Auch fehle jede Erklärung, warum im Nutzwertgutachen 2016 die KFZ‑Stellplätze 21–47 nicht mehr bewertet, sondern als Allgemeinflächen ausgewiesen worden seien. Diese Umstände werde das Erstgericht mit der Antragsgegnerin zu erörtern und gegebenenfalls entsprechende Feststellungen zu treffen haben. Nicht nachvollziehbar sei die Bezugnahme auf die Bestimmung in Punkt II.2. Dass sich die Nutzfläche des Nutzungsgegenstands der Antragsteller geändert hätte, sei nicht Gegenstand des Verfahrens, sondern die behauptete Veränderung der Gesamtnutzwerte. Aus dieser vertraglichen Regelung sei für die Frage der Zulässigkeit der Berücksichtigung des Nutzwertgutachtens 2016 daher nichts zu gewinnen. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht daher nachvollziehbar festzustellen haben, welche Nutzwerte dem Aufteilungsschlüssel zugrunde zu legen seien, und ausgehend davon die übrigen (noch nicht rechtskräftig erledigten) inhaltlichen Einwendungen der Antragsteller gegen die Jahresabrechnung 2017 zu prüfen haben.

[9] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Bauvereinigung ein nachträglich eingeholtes abweichendes Nutzwertgutachten (im Anwendungsbereich des WGG) der Jahresabrechnung zugrunde legen könne, noch nicht Stellung genommen habe.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der von den Antragstellern beantwortete Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zur Klarstellung zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

[11] In ihrem Revisionsrekurs macht die Antragsgegnerin – zusammengefasst – geltend, zwischen ihr und den Nutzungsberechtigten sei ein abweichender Verteilungsschlüssel festgelegt worden, weswegen es entgegen der Ansicht des Rekursgerichts auf die Voraussetzungen nach § 16 Abs 5 Z 2 WGG nicht ankomme; die Heranziehung der Nutzwerte laut Gutachten 2016 sei von der Vereinbarung gedeckt. Die Antragsteller seien dadurch, dass dem Aufteilungsschlüssel das Nutzwertgutachten 2016 zugrunde gelegt worden sei, nicht schlechter gestellt. Ihnen fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis an der begehrten Feststellung; durch die Entscheidung des Erstgerichts seien sie nicht beschwert gewesen.

1. Verfahrensrechtliches:

[12] 1.1. Nach § 22 Abs 4 WGG gelten in den in § 22 Abs 1 WGG angeführten Verfahren die allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen mit den in § 37 Abs 2, Abs 2a, Abs 3 Z 1, 6, 8 bis 17, 19 und 20 und Abs 4 sowie in den §§ 38 bis 40 MRG und den folgend in § 22 Abs 4 WGG genannten Besonderheiten.

[13] 1.2. Für den Revisionsrekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss (§ 64 AußStrG), mit dem – wie hier – ein Sachbeschluss aufgehoben wurde, gilt § 37 Abs 3 Z 16 MRG. Danach beträgt die Revisionsrekursfrist vier Wochen. Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist daher entgegen dem Standpunkt der Antragsteller in ihrer Revisionsrekursbeantwortung rechtzeitig.

[14] 1.3. Nach § 37 Abs 3 Z 11 MRG kann jede Partei während des Verfahrens erster Instanz beantragen, dass ein im Verfahren strittiges Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über den Antrag ganz oder zum Teil abhängt, in dem über den Hauptantrag ergehenden Sachbeschluss oder in einem demselben vorausgehenden Zwischensachbeschluss festgestellt werde, sofern die Wirkung einer solchen Feststellungsentscheidung über jene der Entscheidung über den Hauptantrag hinausgeht und auch für die beantragte Feststellung das Verfahren nach § 37 MRG zulässig ist.

[15] 1.4. Die Entscheidung des Rekursgerichts – soweit sie Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist – hat einen solchen Antrag zum Gegenstand, weil damit über die rechtliche Grundlage für den Aufteilungsschlüssel (Nutzwerte nach dem Gutachten 2010 oder jenen nach dem Nutzwertgutachten 2016) abgesprochen werden soll, und dieser maßgeblich für die Verteilung der Bewirtschaftungskosten ist. Die Antragsteller bezogen dieses Begehren auch nicht bloß auf das „Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen“ (vgl dazu 5 Ob 58/08b). Die Zulässigkeit dieses Antrags ist im Verfahren auch nicht weiter strittig.

[16] 1.5. Zum Verfahren nach § 22 Abs 1 Z 10 WGG vertritt der Fachsenat in ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0083730) die Auffassung, dass allen Mietern und Nutzungsberechtigten gemäß § 22 Abs 4 Z 2 WGG Parteistellung zukommt. Einem Verfahren nach § 22 Abs 1 Z 10 WGG auf Feststellung der Höhe einzelner Betriebskostenposten und der Qualifikation als solche müssen daher gemäß § 22 Abs 4 Z 1 WGG auch nicht antragstellende Mieter zugezogen werden (zuletzt 5 Ob 120/22s). Das gilt insbesondere, wenn der Verteilungsschlüssel zum Gegenstand eines Antrags nach § 37 Abs 3 Z 11 MRG gemacht wird (RS0069913).

[17] Dieser Rechtslage hat das Erstgericht entsprochen, indem es den verfahrenseinleitenden Antrag, den erstinstanzlichen Sachbeschluss und die Rekursentscheidung den übrigen Nutzungsberechtigten durch Hausanschlag zugestellt hat. Die übrigen Nutzungsberechtigten haben sich am Verfahren nicht beteiligt.

[18] 1.6. Eine bindende Festlegung von Verteilungsgrundsätzen ist ihrer Natur nach nicht bloß auf einzelne Beteiligte beschränkt, sondern erfasst alle davon betroffenen Nutzungsberechtigten, weil die Abrechnung und Verteilung von Aufwendungen nicht gegenüber einzelnen Betroffenen nach unterschiedlichen Grundsätzen vorgenommen werden kann (vgl dazu 5 Ob 58/08b). Damit ist es aber ohne Bedeutung, ob die Anwendung des richtigen Aufteilungsschlüssels (hier: der richtigen Nutzwerte) für den einzelnen Nutzungsberechtigten rechnerisch zu einem Vorteil führt. Dass, wie die Antragsgegnerin behauptet, die Antragsteller durch die Anwendung der Nutzwerte laut dem Gutachten 2016 auf den Verteilungsschlüssel keinen Nachteil erleiden, bedeutet daher nicht, dass sie durch die Entscheidung des Erstgerichts nicht (auch) materiell beschwert waren (vgl dazu RS0041868; RS0006497). Damit kann auch keine Rede davon sein, dass ihnen ein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung (dazu RS0041746; RS0043815) gefehlt hätte, was zur Zurückweisung ihres Rekurses führen hätte müssen (RS0041868 [T14, T15]).

2. Zum Aufteilungsschlüssel:

[19] 2.1. Ausgangspunkt ist § 16 Abs 1 WGG. Danach bestimmt sich der Anteil eines Miet‑ oder sonstigen Nutzungsgegenstands und damit die Aufteilung sämtlicher Kosten des Hauses nach dem Verhältnis der Nutzfläche des Miet‑ oder sonstigen Nutzungsgegenstands zur Nutzfläche aller in Bestand oder Nutzung gegebenen oder hiezu geeigneten Wohnungen, Wohnräume und sonstigen Räumlichkeiten des Hauses.

[20] 2.2. Dieser Verteilungsschlüssel ist zwar als Regelfall formuliert. Die im Gesetz normierten Durchbrechungen des Nutzflächenschlüssels lassen ihn jedoch nur als subsidiären Verteilungsschlüssel erscheinen (5 Ob 135/14k mwN; Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer, Miet‑ und Wohnrecht23, § 16 WGG Rz 2). So ermöglicht § 16 Abs 3 WGG der Bauvereinigung, den Anteil des einzelnen Mieters oder Nutzungsberechtigten an den Gesamtkosten abweichend von der Regelung des Abs 1 auch im Verhältnis des Nutzwerts iSd § 2 Abs 8 WEG 2002 des Miet‑ oder Nutzungsgegenstands zur Summe der Nutzwerte aller Miet- oder sonstigen Nutzungsgegenstände festzulegen. In diesem Fall ist der Nutzwert auf Antrag der Bauvereinigung durch das Gericht festzusetzen. Es gelten dann die Bestimmungen der §§ 8 bis 10 WEG (§ 16 Abs 4 WGG).

[21] 2.3. Von einem Aufteilungsschlüssel nach den Abs 1 und 3 des § 16 WGG kann nur unter den Voraussetzungen des § 16 Abs 5 WGG abgegangen werden. Diese Bestimmung schützt die Mieter und Nutzungsberechtigten vor einseitigen Änderungen eines bereits festgelegten Verteilungsschlüssels (5 Ob 135/14k [Pkt 8.]). Das Abweichen von einem danach festgelegten Verteilungsschlüssel ist nur durch eine schriftliche Vereinbarung zwischen der Bauvereinigung und allen Mietern und Nutzungsberechtigten (Z 1) oder im Fall der Festlegung eines Nutzwertschlüssels nach § 16 Abs 3 WGG durch Entscheidung des Gerichts zulässig, wenn sich der Anteil durch Vorgänge, die einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen, oder durch Veränderung der Zuschläge oder Abstriche für werterhöhende oder wertvermindernde Unterschiede um mindestens 5 % geändert hat (Z 2).

[22] 2.4. In der in einem Verfahren zwischen den selben Parteien ergangenen Entscheidung zu 5 Ob 144/17p hat der Fachsenat unter Bezugnahme auf die herrschende Lehre (Würth/Zingher/Kovanyi/Etzersdorfer aaO § 16 Rz 7 mwN; Rudnigger in Illedits, Wohnrecht4 § 16 WGG Rz 7) und dem diesbezüglich unmissverständlichen Gesetzeswortlaut bereits ausgesprochen, dass eine schriftliche Vereinbarung zwischen der gemeinnützigen Bauvereinigung und allen Mietern bzw Nutzungsberechtigten iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG sowohl den subsidiär geltenden Nutzflächen- als auch den von der gemeinnützigen Bauvereinigung – einseitig – gewählten Nutzwertschlüssel durchbreche. Die Bauvereinigung könne daher (auch) von Anfang an einen abweichenden Schlüssel (iSd § 16 Abs 5 Z 1 WGG) bewirken, von diesem jedoch nicht mehr einseitig abgehen. Ohne Vereinbarung mit den Mietern darf sie auch nicht nutzwertrelevante Bestandsobjekte einseitig zu Allgemeinflächen umwidmen und damit den Verteilungsschlüssel verändern (5 Ob 135/14k; Rudnigger aaO Rz 7).

2.5. Daraus folgt:

[23] 2.5.1. Im Verfahren ist nicht strittig, dass der Verteilung der Aufwendungen eine (zulässige: RS0113520) (Summen‑)Vereinbarung nach § 16 Abs 5 Z 1 WGG zugrunde liegt. Danach erfolgt die Aufteilung sämtlicher Kosten des Hauses nach dem Verhältnis der Nutzwerte der einzelnen Nutzungsgegenstände zum Nutzwert aller Nutzungsgegenstände. Der Vertrag enthält dazu in den Punktes V.1. und V.2.b) jedoch unterschiedliche Formulierungen der Verteilungsschlüssel („sonstige Räumlichkeiten der Baulichkeit“ im Gegensatz zum Begriff „Nutzungsgegenstand“ [dazu näher 5 Ob 144/17p, Pkt 2.3]). Dass dafür nicht zwingend ein gerichtliches Nutzwertgutachen einzuholen war, ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und wurde bereits zu 5 Ob 144/17p klargestellt. Die Parteien haben dieser Vereinbarung das in II.1. des Vertrags als „vorläufig“ bezeichnete Nutzwertgutachen 2010 zugrunde gelegt.

[24] 2.5.2. Das Vorliegen einer einseitigen Festlegung des Aufteilungsschlüssels iSd § 16 Abs 3 WGG wird auch nicht behauptet. Für ein Vorgehen nach § 16 Abs 5 Z 2 (Abänderung des Aufteilungsschlüssels durch gerichtliche Entscheidung) besteht damit kein Raum. Eine analoge Anwendung der dort genannten Kriterien, die die Bauvereinigung oder einen Mieter bzw sonst Nutzungsberechtigten zur Antragstellung nach dieser Gesetzesstelle berechtigen, kommt mangels einer planwidrigen Lücke (dazu RS0008866) im Fall einer schriftlichen Vereinbarung über den Aufteilungsschlüssel nicht in Betracht. Wollte man diese Kriterien, wie das Rekursgericht, auch in einem solchen Fall heranziehen, hätte es die Bauvereinigung stets in der Hand, etwa durch Umwidmungen, im Ergebnis eine einseitige Abänderung des vereinbarten Verteilungsschlüssels zu bewirken. Die Ansicht des Rekursgerichts, dass die Bauvereinigung das Nutzwertgutachten 2016 dem Aufteilungsschlüssel für die Betriebskosten des Jahres 2017 zugrunde legen könne, wenn die von ihr (nicht näher konkretisiert) behaupteten Fertigstellungen von Bauwerken oder Umwidmungen im Verhältnis zum Nutzwertgutachten 2010 eine Abweichung von mehr als 5 % ergeben, ist daher abzulehnen. Die von ihm in seinem Aufhebungsbeschluss aufgetragenen Erörterungen erübrigen sich daher.

[25] 2.6. Die Antragsgegnerin macht geltend, in den Nutzungsverträgen sei darauf hingewiesen worden, dass das Nutzwertgutachten 2010 ein bloß „vorläufiges“ sei, was impliziere, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein endgültiges Gutachten eingeholt werden müsse, und beruft sich damit im Ergebnis auf eine Vorwegzustimmung der Mieter und sonst Nutzungsberechtigten zu einer Abänderung des nach § 16 Abs 5 Z 1 WGG vereinbarten Aufteilungsschlüssels. Damit spricht die Antragstellerin Fragen der Vertragsauslegung an, denen regelmäßig keine Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zukommt (dazu allgemein: RS0042936; RS0042776).

[26] 2.6.1. Auszugehen ist davon, dass der Vereinbarung über den Aufteilungsschlüssel das Nutzwertgutachten 2010 zugrunde lag. Es ist damit Bestandteil des allseitigen Konsenses über die abweichende Vereinbarung der Aufteilung der Kosten gemäß § 16 Abs 5 Z 1 WGG. In Punkt II.1. des Nutzungsvertrags wird dieses zwar in einem Klammerausdruck erwähnt und festgehalten, dass es sich um ein „vorläufiges Nutzwertgutachen“ handle. In dieser Vertragsbestimmung werden aber nur der Nutzungsgegenstand beschrieben und die Nutzfläche sowie die (vorläufigen) Nutzwerte des Nutzungsobjekts genannt. Ein Bezug auf den Aufteilungsschlüssel findet sich in diesem Zusammenhang nicht.

[27] 2.6.2. Der Antragsgegnerin ist darin zuzustimmen, dass die Bezeichnung „vorläufig“ nahelegt, dass es sich noch nicht um das endgültige Gutachten über die Nutzwerte handeln muss. Daraus ist aber nicht zu schließen, dass in jedem Fall zwingend ein weiteres (endgültiges) Gutachten erforderlich ist. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn es in der Bauausführung zu Abweichungen von den Bauplänen oder Umwidmungen kommt, also Umstände vorliegen, die jeweils der Sphäre der Bauvereinigung zuzurechnen und für die Vertragspartner regelmäßig nicht vorhersehbar sind. Allein aus der Bezeichnung des Nutzwertgutachtens als „vorläufig“ kann daher weder auf eine vorweggenommene Zustimmung noch auf eine Vereinbarung über die Verpflichtung zur Zustimmung zu einer Abänderung des vereinbarten Verteilungsschlüssels geschlossen werden.

[28] 2.6.3. Welche Auswirkungen ein „endgültiges“ Gutachten über die Nutzwerte auf den nach § 16 Abs 5 Z 1 WGG in Punkt V. des Nutzungsvertrags vereinbarten Aufteilungsschlüssels haben sollte, lässt sich der Nutzungsvereinbarung nicht entnehmen. Es findet sich weder ein Hinweis, unter welchen Voraussetzungen die Einholung eines – dann allenfalls als „endgültig“ anzusehenden – Gutachtens erforderlich sein soll, noch, dass ein solches Gutachten zu einer Abänderung der Vereinbarung führen kann und sich die Nutzungsberechtigten damit einverstanden erklären. Damit ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Rekursgericht zum Ergebnis gelangte, dass die Vereinbarung keine Rückschlüsse auf eine (summierte) Vorwegzustimmung der Mieter dahin erlaubt, dass ein von der Antragstellerin zu einem späteren Zeitpunkt eingeholtes Nutzwertgutachten dem Aufteilungsschlüssel zugrunde gelegt werden und die Vereinbarung nach § 16 Abs 5 Z 1 WGG abändern soll. Mangels jeglicher Schranken im Nutzungsvertrag hätte die gegenteilige Ansicht der Antragsgegnerin zur Folge, dass sie es in der Hand hätte, den Aufteilungsschlüssel einseitig – etwa durch Umwidmungen und Einholung von Nutzwertgutachten – in jede Richtung und damit für die Nutzungsberechtigten in unabsehbarer Weise abzuändern.

3. Ergebnis:

[29] Die vom Rekursgericht in seinem Aufhebungs-beschluss für erforderlich erachtete Abklärung, ob Abweichungen von mehr als 5 % (iSd § 16 Abs 5 Z 2 WGG) vorliegen, beruht auf einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht. Die von ihm dazu aufgetragenen Erörterungen erübrigen sich daher. Dennoch kann der Oberste Gerichtshof über das Feststellungsbegehren der Antragsteller nicht entscheiden (dazu § 70 Abs 2 AußStrG; RS0123359). Die bindende Festlegung des Aufteilungsschlüssels darf nur für alle davon betroffenen Nutzungsobjekte erfolgen (dazu oben Punkt 1.6.). Die erforderliche Feststellung der Nutzwerte aller Mietgegenstände muss daher auch ihren spruchgemäßen Niederschlag in der in Rechtskraft erwachsenden Feststellung finden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Nutzer anderer Objekte sich am Verfahren auch formell als Partei beteiligten (RS0069855). Feststellungen dazu fehlen jeweils, sodass es im Ergebnis bei der vom Rekursgericht ausgesprochenen Aufhebung der Entscheidung des Erstgerichts auch hinsichtlich dessen Spruchpunkt 1. zu bleiben hat.

[30] Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht, ausgehend von einem Aufteilungsschlüssel, dem die Nutzwerte nach dem Gutachten 2010 zugrunde liegen, auch die vom Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts erfassten, noch offenen Einwendungen der Antragsteller gegen die Jahresabrechnung 2017 zu behandeln haben. Insoweit greift die Antragsgegnerin die Entscheidung des Rekursgerichts nicht an, sodass der Oberste Gerichtshof darauf auch nicht einzugehen hat.

[31] 4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 22 Abs 4 iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG.

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