Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die (Zwischen‑)Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten haben:
„Die Anträge der Antragsgegnerin, es werde festgestellt, dass
1. zwischen den Streitteilen im gegenständlichen Verfahren wegen § 22 Abs 1 Z 6, Z 10 und Z 11 WGG, Überprüfung der Angemessenheit a) des vereinbarten oder begehrten Preises oder Entgelts, b) des Anteils an den Betriebskosten und laufenden Abgaben, des Anteils an den Auslagen für die Verwaltung, des Anteils an den angemessenen Aufwendungen für die Hausbetreuung und des Anteils an den besonderen Aufwendungen sowie c) der Richtigkeit des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags und Rückzahlung und auch in Hinkunft auf das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen alle Vorschreibungskomponenten und damit die Abrechnung für die Wohnung G*****gasse 31/4/11 in G***** dem WGG 1940 und der dazugehörigen Durchführungsverordnung vom 23. 7. 1940 (WGGDV) unterliegen;
2. im gegenständlichen Rechtsstreit und auch im zukünftigen Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen die auf vormals EZ 696 und EZ 233 der KG *****, nunmehr EZ 233 der KG ***** befindliche Wohnhausanlage, bestehend aus den Grundstücksadressen G*****gasse 27, 29 und 31 bzw V*****gasse 11, 13, 15 und 17, *****, GST‑NR 256/8, 256/13 und .217, seit ihrer Errichtung eine wirtschaftliche Einheit bildet, dies im Sinn des WGG 1940, und demgemäß sämtliche Vorschreibungskomponenten auch diesbezüglich dem WGG 1940 und der dazugehörigen Durchführungsverordnung vom 23. 7. 1940 zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (WGGDV) unterliegen,
werden abgewiesen."
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Die Antragsgegnerin (eine gemeinnützige Bauvereinigung) ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 233 GB *****. Am 21. 12. 2005 war dieser EZ 233 die vormalige EZ 696 mit den Häusern G*****, G*****gasse 27, 29 und 31 der EZ 233 im Grundbuch zugeschrieben und die EZ 696 gelöscht worden. Auf der Liegenschaft EZ 233 GB ***** befinden sich seither die von der Antragsgegnerin im Auftrag der Stadt G***** vor 1. 1. 1980 errichteten Gebäude G*****, V*****gasse 11, 13, 15 und 17 (auf EZ 233) und G*****, G*****gasse 27, 29 und 31 (aus EZ 696). Die Antragsgegnerin hatte „das gesamte Bauvorhaben" auf Basis „eines Projekts" und einer Förderungszusicherung errichtet, wobei auf den Liegenschaften EZ 233 und EZ 696 Simultanhypotheken einverleibt wurden. Die Anlage hat eine gemeinsame Tiefgarage unterhalb eines gemeinsamen Innenhofs (mit Grünanlage, Kinderspielplatz und Gästeparkplätzen), der sich über die beiden (vormaligen) Liegenschaften erstreckt.
Die Antragsteller sind Mieter der Wohnung G*****, G*****gasse 31/4/11. Sie haben diese Wohnung am 1. 12. 1979 bezogen; auch die übrigen Wohnungen dieser Anlage wurden vor 1. 1. 1980 bezogen.
Die Antragsteller begehren betreffend die von ihnen gemietete Wohnung die Überprüfung des angemessenen Nutzungsentgelts (§ 22 Abs 1 Z 6 WGG), des Anteils an den Bewirtschaftungskosten (§ 22 Abs 1 Z 10 WGG) und der „Richtigkeit" des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags sowie Rückzahlung (§ 22 Abs 1 Z 11 WGG). Die Antragsgegnerin rechne die insgesamt 7 Häuser gemeinsam ab und verstoße damit gegen „Bestimmungen des WGG und des MRG". Nach Ansicht der Antragsteller müsste jedes der sieben Häuser selbstständig abgerechnet werden.
Die Antragsgegnerin beantragte Abweisung der Begehren mit der wesentlichen Begründung, die auf den vormaligen Liegenschaften EZ 233 und EZ 696 errichteten Gebäude bildeten eine wirtschaftliche und rechtliche Einheit („grundstücksüberschreitende" Bebauung), weshalb die gesamte Anlage als eine einheitlich abzurechnende Baulichkeit anzusehen sei.
Die Antragsgegnerin stellte weiters die aus dem Spruch ersichtlichen Anträge auf Feststellung.
Das Erstgericht gab mit Zwischensachbeschluss beiden Feststellungsanträgen statt, wobei es deren Präjudizialität für die Hauptansprüche sowie eine über die Entscheidung in der Hauptsache hinausgehende Rechtskraftwirkung und in der Sache das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit der Anlage bejahte.
Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Sachbeschluss dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Auf den Mietvertrag der Antragsteller fänden gemäß § 39 Abs 8 Z 1 WGG 1979 dessen § 14 Abs 1 Z 1, 2 und 8 sowie § 16 Abs 1 über die Verhältnismäßigkeit nach Nutzflächen keine Anwendung, weil dieser Vertrag eine Baulichkeit betreffe, die vor dem Inkrafttreten der Bestimmungen des WGG 1979 (vom 1. 1. 1980) erstmalig bezogen worden sei. Da die Übergangsbestimmung des § 39 Abs 8 WGG 1979 durch das MRG unberührt geblieben sei (RIS‑Justiz RS0083864; wobl 1988, 72), seien § 7 Abs 2 des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (WGG 1940) und § 11 Abs 3 erster bis dritter Satz der Verordnung zur Durchführung dieses Gesetzes (WGGDV 1940) weiter anzuwenden, sodass anstelle der „Verhältnismäßigkeit nach Nutzflächen" (§ 39 Abs 8 Z 1 WGG 1979) die „Verhältnismäßigkeit nach Wohnflächen" maßgeblich sei (RIS‑Justiz RS0083869; wobl 1988, 72). Durch die Übergangsvorschriften in § 39 WGG 1979 sollte vermieden werden, dass gemeinnützige Bauvereinigungen ihre nach dem WGG 1940 und den dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen kalkulierten Baulichkeiten ab Inkrafttreten des WGG 1979 auch dann nach den neuen Bestimmungen abrechnen müssten, wenn die alten und neuen Preisbildungsvorschriften nicht harmonieren (MietSlg 44.693/29). Da unter einer „Baulichkeit" im Sinn des WGG 1979 die Gesamtheit aller Bauvorhaben auf einem oder mehreren Grundbuchskörpern zu verstehen sei (RIS‑Justiz RS0110802 [T2]) und es nicht auf grundbuchsrechtliche Überlegungen oder auf den allgemeinen Sprachgebrauch („Haus", „Gebäude"), sondern auf ein einheitlich hergestelltes und finanziertes Bauvorhaben ankomme (Würth/Zingher/Kovanyi21, vor § 13 WGG Rz 3), könne es keinem Zweifel unterliegen, dass die in Rede stehende, als ein Bauprojekt mit einer Förderungszusicherung, mit einer gemeinsamen Tiefgarage, einem gemeinsamen Innenhof mit Grünanlage, Kinderspielplatz und Gästeparkplätzen errichtete Wohnhausanlage als wirtschaftliche Einheit im Sinn des WGG anzusehen sei, würden doch gemäß § 39 Abs 11 WGG 1979 unter bestimmten Voraussetzungen sogar zu unterschiedlichen Zeitpunkten errichtete Baulichkeiten als eine wirtschaftliche Einheit betrachtet. Das Erstgericht habe den Antrag auf Zwischenfeststellung auch zu Recht als zulässig erachtet, zumal die Verteilungsregel für das Nutzungsentgelt und die Bewirtschaftungskosten (nach Nutzfläche oder nach „Wohnfläche") für die Entscheidung in der Hauptsache präjudiziell sei und in ihrer Wirkung auch über den konkreten Rechtsstreit hinausgehe. Gleiches gelte für die Beurteilung, ob mehrere Gebäude eine wirtschaftliche Einheit bildeten.
Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 10.000 EUR und der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu lösen gewesen seien.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Abweisung der Zwischenfeststellungsanträge. Hilfsweise stellen die Antragsteller einen Aufhebungsantrag und regen an, dem Verfassungsgerichtshof „die Verfassungsmäßigkeit der Ausnahmebestimmungen des § 39 Abs 8 und 11 WGG 1979 zur Prüfung vorzulegen".
Die Antragsgegnerin erstattete eine ihr freigestellte Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Vorinstanzen im gegebenen Zusammenhang die Voraussetzungen für einen Zwischenantrag auf Feststellung verkannt habe; der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
1. Gemäß § 22 Abs 4 WGG gelten in den in § 22 Abs 1 WGG angeführten Verfahren die allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen mit den in § 37 Abs 2, Abs 2a, Abs 3 Z 1, 6, 8 bis 17, 19 und 20 und Abs 4 sowie in den §§ 38 bis 40 MRG und den folgend in § 22 Abs 4 WGG genannten Besonderheiten. Nach § 37 Abs 3 Z 11 MRG kann jede Partei während des Verfahrens erster Instanz beantragen, dass ein im Verfahren strittiges Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über den Antrag ganz oder zum Teil abhängt, in dem über den Hauptantrag ergehenden Sachbeschluss oder in einem demselben vorausgehenden Zwischensachbeschluss festgestellt werde, sofern die Wirkung einer solchen Feststellungsentscheidung über jene der Entscheidung über den Hauptantrag hinausgeht und auch für die beantragte Feststellung das Verfahren nach § 37 MRG zulässig ist.
2. Die Entscheidungen der Vorinstanzen haben Zwischenfeststellungsanträge zum Gegenstand, in denen inhaltlich bindend auch für die Zukunft die rechtliche Grundlage insbesondere für den Schlüssel (Nutzfläche/Wohnfläche) und die maßgebliche Einheit bei Verteilung der Bewirtschaftungskosten (gesamte Wohnhausanlage oder einzelne Einheiten) festgelegt werden soll. Die von den Vorinstanzen bejahte Präjudizialität der Entscheidung dieser Fragen für die Beurteilung der Hauptanträge und deren über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende Wirkung im Sinn des § 37 Abs 3 Z 11 MRG (iVm § 22 Abs 4 WGG) für das Verhältnis zwischen den Parteien wird von den Antragstellern im Grunde nicht bezweifelt.
3. Die Antragsgegnerin und die Vorinstanzen haben allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit den vorliegenden Feststellungsanträgen Verteilungsgrundsätze festgelegt werden sollen. Eine bindende Festlegung von Verteilungsgrundsätzen kann sich aber schon ihrer Natur nach nicht bloß auf einzelne Beteiligte beschränken, sondern muss alle davon betroffenen Objekte erfassen und kann daher auch nicht ohne die Einbeziehung der dadurch in ihren Interessen unmittelbar berührten Mieter und Nutzungsberechtigten erfolgen (vgl RIS‑Justiz RS0069855; 5 Ob 23/01w = wobl 2003/84, 179 = MietSlg 54.372 = immolex 2002/92, 229; vgl auch § 22 Abs 4 Z 1 und 6 WGG), kann doch die Abrechnung und Verteilung von Aufwendungen nicht gegenüber einzelnen Betroffenen nach unterschiedlichen Grundsätzen vorgenommen werden.
4. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass die von der Antragsgegnerin erhobenen Feststellungsanträge deshalb verfehlt und daher abzuweisen sind, weil sie sich ausdrücklich nur auf das „Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen" beziehen, was für die Festlegung von Verteilungsgrundsätzen für eine ganze Wohnanlage ausgeschlossen ist. Diese Verkennung der Bedeutung von Verteilungsgrundsätzen stellt eine unrichtige rechtliche Beurteilung dar (vgl 5 Ob 23/01w = wobl 2003/84, 179 = MietSlg 54.372 = immolex 2002/92, 229; 5 Ob 87/89 = wobl 1990/6, 13 [Würth] = MietSlg 41.381), die folglich aufzugreifen war, auch wenn sie von den Antragstellern nicht geltend gemacht wurde. Schon aus diesem Grund erweist sich der Revisionsrekurs im Ergebnis im Sinn der Abweisung der Feststellungsanträge als berechtigt, ohne dass auf die im Revisionsrekurs aufgeworfenen Fragen einzugehen gewesen wäre. Sollte die Antragsgegnerin künftig gleichartige Feststellungsanträge stellen, die sich nicht bloß auf das „Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen" beschränken, dann wird zu berücksichtigen sein, dass in einem solchen Fall alle anderen Mietern oder sonstigen Nutzungsberechtigten in das Verfahren einzubeziehen sein werden, deren Interessen durch eine stattgebende Entscheidung über diese Anträge unmittelbar berührt werden könnten (§ 22 Abs 4 Z 1 WGG).
5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 2. Satz AußStrG (iVm § 37 Abs 3 MRG), § 37 Abs 3 Z 17 MRG (iVm § 22 Abs 4 WGG). Die nach § 37 Abs 3 Z 17 MRG maßgeblichen Billigkeitserwägungen können erst in dem die Sache erledigenden Sachbeschluss angestellt werden.
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