OGH 4Ob141/21w

OGH4Ob141/21w23.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi,MMag. Matzka, Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH, *, vertreten durch die CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. o* GmbH und 2. M* GmbH, beide vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung und Zahlung (Stufenklage nach Art XLII EGZPO), Auskunftserteilung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 54.000 EUR), über die ordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. April 2021, GZ 4 R 152/20g‑20, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 4. September 2020, GZ 58 Cg 51/19m‑15, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00141.21W.0223.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.Die Urteile der Vorinstanzen, die in Ansehung der unangefochten gebliebenen Abweisung des Auskunftsbegehrens über Empfänger der Ausschnitte und Videos (Pkt 5.b des ursprünglichen Klagebegehrens) unberührt bleiben, werden teilweise dahin abgeändert, dass die Entscheidung – unter Einschluss des unangefochtenen und des bestätigten Ausspruchs – als Teilurteil insgesamt wie folgt lautet:

„1. Das Klagebegehren, die beklagten Parteien seien schuldig, der klagenden Partei über die Quellen sowie Empfänger der Aufnahmen und Mitschnitte der Darbietung des Theaterstücks '*', das am * bei der klagenden Partei unter der Regie von * Premiere gefeiert habe, Auskunft zu erteilen, und dabei insbesondere Angabe zu machen über:

a. Name und Anschrift der Person, die die genannte Darbietung auf Bild- oder Schallträgern, insbesondere als Fotografien und Video, festgehalten habe,

b. Name, Anschrift, Auflage und/oder Domain jener Medien, in/auf denen die Aufnahmen und Mitschnitte der genannten Darbietung der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden seien,

und zwar jeweils unter der Angabe, um welche Aufnahmen und Mitschnitte der oben genannten Darbietung es sich dabei konkret gehandelt habe,

wird abgewiesen.

2. Die beklagten Parteien sind schuldig, binnen 14 Tagen der klagenden Partei über sämtliche Benutzungshandlungen der Aufnahmen und Mitschnitte der in Punkt 1. dieses Urteils genannten Darbietung und die dadurch lukrierten Umsätze Rechnung zu legen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.“

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin betreibt ein Theater; sie hat jegliche Foto-, Bild-, Film- und Tonaufnahmen während ihrer Vorstellungen ohne vorherige Genehmigung der Theaterdirektion untersagt. Die Klägerin schließt Verträge mit Medienunternehmen ab, in denen sie das Recht zur Bildberichterstattung an Theateraufführungen einräumt. Die dafür zu leistenden Lizenzgebühren hängen unter anderem vom Umfang der Übertragung, dem Werk und dem geographischen Raum der Verbreitung ab.

[2] Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der Website *.at, die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin der periodischen Druckwerke „*“ und „*“. Im Medienkonzern, dem die Beklagten angehören, werden Inhalte zwischen den Redaktionen der einzelnen Medienunternehmen weitergegeben. Es gibt einen Chefredakteur für den Medienkonzern, der bestimmt, ob und auf welche Weise die Inhalte in den Medien der einzelnen Medienunternehmen (Print, Online, Radio, Fernsehen) veröffentlicht werden.

[3] Die Beklagten veröffentlichten in ihren Medien an mehreren aufeinander folgenden Tagen diverse Bearbeitungen und Fotoausschnitte eines von der Klägerin nicht genehmigten Live-Mitschnittes einer unstrittig von dieser tags zuvor veranstalteten – wegen seiner schon im Vorfeld erwarteten und in den Medien der Beklagten erörterten Regieeinfälle öffentliche Aufmerksamkeit erregenden – Premierenvorstellung eines sexuelle Freizügigkeit auf der Bühne zeigenden Theaterstücks. Mitarbeiter der Erst- oder der Zweitbeklagten gaben den Mitschnitt oder daraus erstellte Lichtbilder und Videobeiträge auch an Dritte weiter.

[4] Die Beklagten zahlten 120 EUR an die Klägerin.

[5] Die Klägerin begehrte zusammengefasst

– von beiden Beklagten, es zu unterlassen, Lichtbilder, Fotos oder audiovisuelle Inhalte von Theateraufführungen der Klägerin, insbesondere des konkreten Theaterstücks herzustellen, öffentlich zu verbreiten, zu vervielfältigen, zur Verfügung zu stellen (Pkt 1);

– von der Erstbeklagten, Mitschnitte und Aufnahmen von ihrer Website zu entfernen (Pkt 2);

– von der Zweitbeklagten, die Tageszeitungsausgaben von Verkaufsständen sowie Fotos und Videos von allen ihren Social-Media-Kanälen zu entfernen (Pkt 3);

– von beiden Beklagten, Unterlagen, Dokumente und Datenträger mit Aufnahmen und Mitschnitten zu vernichten und dies nachzuweisen (Pkt 4);

– von beiden Beklagten (Pkt 5),

a. über die Quellen und Empfänger der Aufnahmen und Mitschnitte Auskunft zu erteilen, insbesondere über Namen und Adressen der Hersteller der Fotos und Videos, sowie

b. Namen, Anschriften, Auflage und/oder Domain jener Medien, in denen die Aufnahmen und Mitschnitte der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden;

– von beiden Beklagten, über Benützungshandlungen der Aufnahmen und Mitschnitte sowie dadurch lukrierte Umsätze Rechnung zu legen (Pkt 6);

– von beiden Beklagten, ziffernmäßig erst nach Rechnungslegung zu Pkt 6 festzusetzenden Schadenersatz zu leisten (Pkt 7);

– von beiden Beklagten, den klagsstattgebenden Urteilsspruch in ihren Medien zu veröffentlichen (Pkte 8, 9).

[6] Die Beklagten boten vorerst einen Teilvergleich in Ansehung des Unterlassungsbegehrens zu Pkt 1 an und brachten im Übrigen vor, sie hätten die inkriminierte Berichterstattung bereits offline gestellt und nicht weiter verbreitet (Pkte 2, 3). Zur Vernichtung (Pkt 4) seien sie ebenso wenig verpflichtet wie zur Auskunftserteilung (Pkt 5.a), welcher sie die Berufung auf das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG entgegenhielten. Eine Weitergabe (Pkt 5.b) sei nicht erfolgt. Sie hätten über die Benützungshandlungen bereits ausreichend Auskunft gegeben (Pkt 6) und angemessenen Schadenersatz von 120 EUR bezahlt (Pkt 7). Die Begehren auf Urteilsveröffentlichung bestünden nicht zu Recht (Pkte 8, 9).

[7] Im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens schlossen die Parteien einen Teilvergleich über Unterlassungs-, Beseitigungs- und Vernichtungsbegehren (Pkte 1–4), in dem sie auch die Veröffentlichung des Vergleichs über das Unterlassungsbegehren (Pkt 1) in diversen Medien der Beklagten vereinbarten.

[8] Das Erstgericht (das bereits vor Abschluss des Teilvergleichs antragsgemäß eine einstweilige Verfügung in Ansehung des Unterlassungs- und der Beseitigungsbegehren [Pkte 1–3] erlassen hatte) fasste über beide Auskunftsbegehren (Pkte 5.a, 5.b) und über das Rechnungslegungsbegehren (Pkt 6) ein klagsstattgebendes Teilurteil.

[9] Weder dem Rechnungslegungsbegehren nach § 87a UrhG noch dem Auskunftsbegehren nach § 87b UrhG stünde ein Recht der Beklagten zur Werknutzung entgegen.

[10] Mit dem Auskunftsrecht des Rechtsinhabers nach § 87b Abs 2 UrhG werde die EU‑Rechtsdurchsetzungs‑RL 2004/48/EG umgesetzt, nach deren Art 8 dem Kläger wegen der Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag hin das Recht gewährt werden solle, Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzten, vom Verletzer und/oder jeder anderen Person zu verlangen; diese Bestimmungen würden andere gesetzliche Bestimmungen, die den Schutz der Vertraulichkeit von Informationsquellen regelten, nicht berühren. Das Recht nach § 31 MedienG, unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis die Aussage vor Gericht zu verweigern, stehe ausschließlich Zeugen zu; die Partei eines Zivilprozesses könne die Aussage nicht unter (allgemeinem) Hinweis lediglich auf das Redaktionsgeheimnis verweigern. Auch das Umgehungsverbot nach § 31 Abs 2 MedienG reiche grundsätzlich nur so weit, wie auch Schutz nach § 31 Abs 1 MedienG bestehe. Dem Auskunftsbegehren der Klägerin stehe daher das Redaktionsgeheimnis nicht entgegen. Da entgegen dem Vorbringen der Beklagten die Aufnahmen und Mitschnitte an Dritte weitergegeben worden wären, seien diese damit zur Auskunft auch über die Empfänger verpflichtet.

[11] Auch das Rechnungslegungsbegehren nach § 86 Abs 1 Z 2 UrhG bestehe zu Recht. Nach der Sachlage sei klar, dass das nach § 273 ZPO und nicht nur nach dem Umsatz zu bemessende angemessene Entgelt jedenfalls 120 EUR übersteige und die Zahlung dieses Betrags nicht schuldbefreiend gewesen sei.

[12] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung teilweise dahin ab, dass es das Auskunftsbegehren über Empfänger der Ausschnitte und Videos (Pkt 5.b) abwies, im Übrigen (Pkte 5.a, 6) aber die Klagsstattgebung bestätigte.

[13] Es begründete die Klagsstattgebung zum Auskunftsbegehren damit, dass § 87b Abs 2 UrhG dem klagenden Rechteinhaber einen solchen Anspruch gegenüber dem Verletzer über Ursprung und Vertriebswege der im konkreten Fall rechtsverletzenden Ware oder Dienstleistung gewähre. Der Antrag müsse die Verhältnismäßigkeit wahren und dürfe nicht unverhältnismäßig im Vergleich zur Schwere der Verletzung sein und nicht gegen gesetzliche Verschwiegenheitspflichten verstoßen. Den Beklagten stehe die Berufung auf das Redaktionsgeheimnis aufgrund ihrer Inanspruchnahme als Prozessparteien schon grundsätzlich nicht zu. Der Schutz des Redaktionsgeheimnisses begründe auch keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht, sondern höchstens ein Recht auf Verschwiegenheit, das dem Auskunftsanspruch nach § 87b UrhG nicht entgegenstehe, sondern nur im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Auskunftsanspruchs Berücksichtigung finden könnte. Konkrete Umstände, die den Auskunftsanspruch unverhältnismäßig machten, hätten die Beklagten allerdings nicht behauptet; solche seien auch nicht ersichtlich. Insbesondere sei ein Missbrauch des Auskunftsanspruchs durch die Klägerin zur nicht gerechtfertigten Ausforschung von Konkurrenten nicht zu befürchten; es sei im Gegenteil das nachvollziehbare und schützenswerte Anliegen der Klägerin, den Hersteller der ursprünglichen Aufnahmen auch zum Schutz der darauf abgebildeten Darsteller zu kennen. Im Hinblick auf die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft über die Quellen der Aufnahmen und Mitschnitte, insbesondere durch Bekanntgabe des Namens und der Anschrift desjenigen, der die Darbietung auf Bild- oder Schallträgern, insbesondere als Fotografien und Videos, festgehalten habe, sei das Klagebegehren auch ausreichend bestimmt, da damit klar umschrieben und durch den Zusatz „insbesondere“ verdeutlicht sei, dass sich die Auskunftspflicht zwar auf die Person des Herstellers der Aufnahmen beziehe, darauf aber nicht beschränke, sondern alle Personen beinhalte, die an der Weitergabe der Aufnahmen an die Beklagten beteiligt gewesen seien.

[14] Zum Rechnungslegungsbegehren führte das Berufungsgericht aus, es könne nur zur Vorbereitung der nach §§ 86 f UrhG gebührenden Ansprüche gestellt werden und sei nur berechtigt, soweit die Zahlungsansprüche, zu deren Bezifferung es diene, aus dem Vorbringen des Klägers und dem festgestellten Sachverhalt zumindest dem Grunde nach abzuleiten seien. Aus dem Zweck jeder Rechnungslegungspflicht, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Ansprüche gegen den Verpflichteten feststellen und geltend machen zu können, ergebe sich auch der Umfang der Verpflichtung zur Auskunftserteilung bzw Rechnungslegung. Da eine Rechnungslegung ohne Belege nicht überprüfbar sei, habe die ordnungsgemäße Rechnungslegung auch die Vorlage von Belegen zu umfassen, es sei denn, der Verletzer behaupte die Unmöglichkeit einer Belegvorlage. Die Klägerin habe sich unter anderem ausdrücklich auf die ihr gegen die Beklagten zustehenden Ansprüche auf angemessenes Entgelt nach § 86 UrhG sowie Schadenersatz gemäß § 87 UrhG gestützt. Da der Anspruch auf angemessenes Entgelt grundsätzlich nur die unbefugte Benutzung der Darbietung (der Theateraufführung) auf eine nach § 72 UrhG dem Veranstalter vorbehaltene Verwertungsart voraussetze, lasse sich dessen Berechtigung dem Grunde nach bereits aus der Behauptung der konkreten, vom Erstgericht auch festgestellten und von den Beklagten nicht in Abrede gestellten Eingriffshandlungen ableiten. Hindernisse, die der Bekanntgabe von Umsatzzahlen als mögliche Bezugsgröße für die Ermittlung eines angemessenen Entgelts entgegenstünden, hätten die Beklagten nicht behauptet. Da § 87a Abs 1 UrhG bei Anordnung der Rechnungslegungspflicht nicht auf die Zumutbarkeit für den Verpflichteten abstelle, wäre der Anspruch im Übrigen nur bei – hier nicht vorliegender – rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung zu verneinen. Von den Beklagten bereits erteilte Auskünfte hätten noch keine Erfüllung der Rechnungslegungspflicht bewirkt. Zudem sei nicht vorweg im Verfahren über die Rechnungslegung zu prüfen, ob ein dem Grunde nach berechtigter Zahlungsanspruch bereits erfüllt worden sei.

[15] Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand als 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob ein Medieninhaber den Schutz des Redaktionsgeheimnisses nach § 31 MedienG in einem Verfahren auf Erteilung einer Auskunft nach § 87b Abs 2 UrhG in Anspruch nehmen könne.

[16] Während die Abweisung des Auskunftsbegehrens über Empfänger der Ausschnitte und Videos (Pkt 5.b) unangefochten blieb, richtet sich gegen die Klagsstattgebung die ordentliche Revision beider Beklagter mit dem Antrag, auch das Auskunfts- und das Rechnungslegungsbegehren (Pkte 5.a, 6) abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[17] Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist teilweise auch berechtigt.

1. Zum Auskunftsanspruch:

[19] Die Beklagten führen zusammengefasst ins Treffen, sie könnten sich sehr wohl auf § 31 MedienG berufen, da es keinen Unterschied machen könne, ob jemand als Zeuge oder als Partei einvernommen werde. Beim Auskunftsanspruch nach § 87b UrhG müsse die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden, wobei hier das den Beklagten durch Art 10 EMRK abgesicherte Recht auf Verschwiegenheit zu berücksichtigen sei. Das Redaktionsgeheimnis sei primär ein Zugeständnis an die in einem demokratischen Staatswesen als unverzichtbar anerkannte öffentliche Aufgabe der Medien und dürfe nicht durch Umgehung „ausgehebelt“ werden. Das Auskunftsbegehren sei zudem unbestimmt.

[20] 1.1. Die beweisrechtliche Problematik, inwieweit ein Zeuge oder (auch) eine Partei in einem gerichtlichen Verfahren berechtigt ist, die Aussage unter Berufung auf § 31 MedienG zu verweigern (dazu RS0067778; vgl Rami in WK2 § 31 MedienG [2019] Rz 6 und 12 ff mwN; Rassi, Zwei Fragen zur Mitwirkung und Geheimhaltung beim Personenbeweis im Zivilprozess, JBl 2016, 685 [694]), ist von der hier zu klärenden Frage zu unterscheiden, ob das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG dem geltend gemachten materiell‑rechtlichen Anspruch auf Auskunft entgegensteht.

[21] 1.2. In der Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass eine Berufung auf das Redaktionsgeheimnis auch dem materiell‑rechtlichen Auskunftsanspruch nach § 18 Abs 4 ECG entgegengehalten werden kann (vgl 6 Ob 156/19p mwN). Eine Berufung auf das Redaktionsgeheimnis ist demnach auch außerhalb des eigentlichen Anwendungsbereichs des § 31 Abs 1 MedienG möglich, was auch mit dem Umgehungsverbot des § 31 Abs 2 MedienG korrespondiert. Umso mehr gilt dies für § 87b Abs 2 UrhG, zumal diese Bestimmung im Gegensatz zu § 18 Abs 4 ECG ausdrücklich gesetzliche Verschwiegenheitspflichten erwähnt, die gegen einen Auskunftsanspruch eingewendet werden können.

[22] 1.3. Der Oberste Gerichtshof hat zum Anwendungsbereich des § 31 Abs 1 MedienG im Zusammenhang mit einem materiell‑rechtlichen Auskunftsanspruch bereits ausgesprochen, dass Informationen, die eine der in dieser Bestimmung genannten Personen gewinnt, ohne dass sie dieser im Hinblick auf ihre Tätigkeit von jemandem bewusst zugänglich gemacht wurden, nicht als vom Redaktionsgeheimnis geschützte Mitteilungen zu qualifizieren sind; für solche bedarf es zumindest irgendeiner Tätigkeit/Kontrolle/Kenntnisnahme eines Medienmitarbeiters, die als journalistische Kontrolle und Bearbeitung verstanden werden kann, damit der Schutz des § 31 MedienG – und damit der Schutz der wichtigen Kontroll- und Aufklärungsfunktion der Medien als „public watchdog“ und ihrer Fähigkeit, genaue und zuverlässige Informationen zu liefern (und als Voraussetzung dessen, ihren Informanten wirksam Vertraulichkeit zuzusichern) – in Anspruch genommen werden kann (vgl 6 Ob 133/13x mwN; RS0129334).

[23] 1.4. Dem entspricht die Rechtsprechung des EGMR zu Art 10 EMRK, dass der Schutz journalistischer Quellen eine der Grundvoraussetzungen der Pressefreiheit ist. Ohne einen solchen Schutz könnten Informanten davor zurückschrecken, die Presse dabei zu unterstützen, die Öffentlichkeit über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu informieren. Die wesentliche Funktion der Presse als „public watchdog“ könnte untergraben und ihre Fähigkeit, genaue und verlässliche Informationen zu liefern, beeinträchtigt werden. Angesichts der Bedeutung des Schutzes journalistischer Quellen für die Pressefreiheit und die potenziell abschreckende Wirkung (chilling effect), die eine Anordnung der Offenlegung einer Quelle für die Ausübung dieser Freiheit hat, kann eine solche Maßnahme nur mit Art 10 MRK vereinbar sein, wenn sie durch ein dringendes Erfordernis des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist (vgl RS0126501, RS0125986, RS0123667).

[24] 1.5. Eine verfassungskonforme Interpretation (vgl RS0112021) des § 31 MedienG gebietet es daher, die Anwendung dieser Bestimmung bei einem materiell‑rechtlichen Auskunftsanspruch nur dann auszuschließen, wenn unter den besonderen Umständen des Falls kein Erfordernis daran überwiegt, dass ein Medium seiner Aufgabe nachkommt, die Öffentlichkeit über Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu informieren und von ihm journalistisch erlangte Informationen im Sinne des Quellen- und Informantenschutzes nicht preisgeben zu müssen (vgl EGMR 6. 10. 2020, Bsw 35.449/14, Jecker vs. CH, NLMR 2020, 354; 15. 12. 2009, Bsw 821/03, Financial Times vs. VK; RS0127477).

[25] 1.6.1. Dies steht auch mit § 87b Abs 2 UrhG im Einklang, welcher eine Verhältnismäßigkeitsprüfung anordnet, die zwar nach den Materalien zur UrhG‑Nov 2003, BGBl I 2003/32, der rechtsmissbräuchlichen Ausforschung von Konkurrenten begegnen soll (ErläutRV 40 BlgNR 22. GP  43), nach ihrem Wortlaut auf einen solchen Zweck allerdings nicht beschränkt ist.

[26] 1.6.2. Eine solche umfassendere Interessenabwägung kann sich auch auf das Unionsrecht stützen, weil auch für den materiell‑rechtlichen (vgl Rassi, Kooperation und Geheimnisschutz bei Beweisschwierigkeiten im Zivilprozess [2020] Rz 446) Auskunftsanspruch des Art 8 Abs 1 Durchsetzungs‑RL 2004/48/EG die Verhältnismäßigkeit als Voraussetzung eines Auskunftsbegehrens normiert ist (vgl Schachter in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 87b UrhG [1. 4. 2017, rdb.at] Rz 20). Nach der – von der Klägerin selbst ins Treffen geführten – Rechtsprechung des EuGH (16. 7. 2015, C‑580/13 ,Coty Germany) soll die Durchsetzungs‑RL 2004/48/EG die Erfordernisse des Schutzes verschiedener Grundrechte miteinander in Einklang bringen und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen durch die Rechtsordnung der Union und die GRC geschützten Grundrechten sicherstellen (vgl C‑580/13 Rn 33 f). Daher ist Art 8 Abs 3 lit e Durchsetzungs‑RL 2004/48/EG dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift wie der im EuGH-Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die es einem Bankinstitut unbegrenzt und bedingungslos gestattet, eine Auskunft nach Art 8 Abs 1 Buchst c Durchsetzungs‑RL 2004/48/EG über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis zu verweigern, weil dadurch kein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen in der Durchsetzungs‑RL 2004/48/EG gegeneinander abgewogenen Grundrechten gewährleistet wird (vgl C‑580/13 insb Rn 33, 41; Schachter in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 87b UrhG [1. 4. 2017, rdb.at] Rz 27 ff [insb 30]; Rassi, Kooperation Rz 449).

[27] 1.7. Im Lichte dieser Erwägungen ist es daher geboten, die Interessen der Klägerin und das den Beklagten zugute kommende, auf Art 10 EMRK fußende öffentliche Interesse gegeneinander abzuwägen. Diese Abwägung fällt letztlich zu Lasten der Klägerin aus:

[28] 1.7.1. Dieser ist zwar zuzugestehen, dass mit der unerlaubten Herstellung von Videos in ihr Grundrecht auf Eigentum, das auch Immaterialgüterrechte umfasst (vgl RS0113323 [T2]), eingegriffen wurde und damit ihr legitimes Interesse am Schutz ihres geistigen Eigentums zu berücksichtigen ist.

[29] Offensichtlich ist auch, dass ihr die Bekanntgabe des unmittelbaren Herstellers es ermöglichen würde, einerseits die ihr gegen diesen zustehenden Ansprüche zu verfolgen, und andererseits eine allfällige weitere Verbreitung des Materials durch diesen vorab zu unterbinden, was ohne die begehrte Auskunft offenkundig ungleich schwieriger ist.

[30] Weiters ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit der ohne Zustimmung der auf der Bühne Agierenden angefertigten heimlichen Aufzeichnung unter anderem von auf der Bühne gezeigten sexuellen Handlungen sowie deren Wiedergabe und Abbildung ein schwerwiegender Eingriff in das Recht der Akteure nach § 78 UrhG erfolgte (vgl RS0118402; 6 Ob 14/16a); ein Interesse, diese an den von ihr beschäftigten Schauspielern begangene Rechtsverletzung zu unterbinden, kann der Klägerin nicht abgesprochen werden. Zudem ist die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Urhebers bei der Abwägung zwar kein entscheidender, aber doch wichtiger von mehreren Faktoren bei der Beurteilung eines fairen Interessenausgleichs (vgl EGMR 22. 11. 2012, Bsw 39315/06, Telegraaf Media Nederland Landelijke Media BV ua vs. NL = RS0126501 [T4]).

[31] 1.7.2. Dem steht primär der Umstand gegenüber, dass die Beklagten über das Theaterstück der Klägerin journalistisch (im oben Pkt 1.3 dargelegten Mindestsinne) berichteten und dies mit den illegal angefertigten Videoausschnitten und daraus hergestellten Bearbeitungen und Fotoausschnitten illustrierten. Es kommt daher die grundsätzliche Bedeutung des journalistischen Quellenschutzes zum Tragen, der auch nicht relativiert wird, wenn die konkrete Berichterstattung reißerisch und auf bloße Neugier und Sensationslust eines Teils des Publikums spekulierend gestaltet ist.

[32] Im vorliegenden Fall haben sich die Beklagten dem Unterlassungs-, Beseitigungs- und Vernichtungsanspruch der Klägerin durch Abschluss eines diesbezüglichen (Teil‑)Vergleichs bereits unterworfen. Der in Veröffentlichung und Verbreitung liegende Rechtsbruch der Beklagten selbst und die ihnen dadurch – dem Zuweisungsgehalt des Leistungsschutzrechts zuwider und daher zu Unrecht – zugute gekommene Aufmerksamkeit von Medienkonsumenten (vgl zur Relevanz der Art der Präsentation durch das Medium EGMR 19. 1. 2016, Bsw 49085/07, Görmüs ua vs. TR, Rn 68) wird darüber hinaus durch die der Klägerin nach §§ 86 f UrhG zustehenden Ansprüche ausgeglichen (vgl 4 Ob 81/17s und 4 Ob 7/19m [zum unzulässigen Bildzitat]; zur Rechnungslegung siehe unten Pkt 2.), ohne dass es dazu der Bekanntgabe des Herstellers des Videos bedarf.

[33] Auch dass der Klägerin selbst unmittelbarer Schaden insofern entstanden wäre, als der Absatz ihrer eigenen Produkte behindert würde, ist mangels Behauptung, selbst ein Video von dem Theaterstück angefertigt zu haben, zu vertreiben oder andere Verwertungen zu planen, nicht ersichtlich.

[34] Dass es tatsächlich weitere Veröffentlichungen des rechtswidrig erstellten Videomaterials gäbe, hat die Klägerin nicht behauptet und ist auch nicht hervorgekommen; das die Weitergabe von den Beklagten an Dritte betreffende Auskunftsbegehren nach ursprünglich Pkt 5.b des Urteilsbegehrens ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.

[35] 1.7.3. In einer Gesamtabwägung gelangt der erkennende Senat zur Ansicht, dass das den Beklagten zugute kommende, in der Verfassung wurzelnde öffentliche Interesse an der Geheimhaltung von journalistischen Quellen im vorliegenden Einzelfall das Auskunftsinteresse der Klägerin überwiegt.

[36] 1.8. Das Begehren der Klägerin, von den Beklagten Namen und Anschrift des unmittelbaren Herstellers des Videos ihrer Aufführung zu erfahren, ist daher nicht berechtigt.

2. Zur Rechnungslegung:

[37] Die Revision führt zusammengefasst aus, die Klägerin habe nicht vorgebracht, inwieweit die Beklagten konkret zur Leistung, Schadenersatz oder Herausgabe des Gewinns oder zur Beseitigung verpflichtet sein sollten. Über allgemein sämtliche Benutzungshandlungen der Aufnahmen und Mitschnitte der Theateraufführung und die dadurch lukrierten Umsätze Auskunft erteilen zu müssen, überschreite das für einen Hilfsanspruch zum Rechnungslegungsanspruch notwendige Ausmaß. Außerdem hätten die Beklagten durch die Benutzungshandlungen der Aufnahmen und Mitschnitte keine Umsätze erzielt. Lichtbilder seien im Blattinneren erschienen und hätten nicht zum Kauf des jeweiligen Exemplars beigetragen. Für den von der Erstbeklagten abrufbar gehaltenen und 5.700‑mal aufgerufen Videoclip seien jeweils Werbespots geschalten gewesen, für den sie einen Tausenderkontaktpreis von 15 EUR lukriert habe; mit diesen Auskünften und der erfolgten Zahlung von 120 EUR Schadenersatz bestünden keine weiteren Ansprüche.

[38] 2.1. Das pauschale Bekämpfen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ohne Auseinandersetzung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung genügt den Anforderungen an eine Revision nicht (RS0043654 [T12]). Bereits das Berufungsgericht hat die ihm vorliegenden, nunmehr in der Revision bloß wiederholten Einwände der Beklagten umfassend und zutreffend beantwortet, worauf somit verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

[39] 2.2. Ergänzend ist hervorzuheben, dass die Klägerin ihre Ansprüche auf angemessenes Entgelt nach § 86 UrhG sowie Schadenersatz gemäß § 87 UrhG für die – unstrittig ohne jede Rechtfertigung erfolgten – Eingriffe in ihre Leistungsschutzrechte nach § 72 UrhG gestützt hat. Der Anspruch nach § 86 UrhG ist ein bereicherungsrechtlicher Verwendungsanspruch iSd § 1041 ABGB, für dessen Bemessung von der Entgelthöhe bei im Voraus eingeholter Werknutzungsbewilligung auszugehen ist; dabei ist letztlich darauf abzustellen, was redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten, und damit darauf, welche Nutzung tatsächlich erfolgt (vgl 4 Ob 72/20x mwN). Auf die Frage der Zumutbarkeit kommt es nicht an, weil im Fall, dass der Gesetzgeber – wie hier in § 87a UrhG für die Ansprüche nach §§ 86 f UrhG – ausdrücklich eine Rechnungslegungspflicht anordnet, ohne auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung durch den Berechtigten oder die Zumutbarkeit für den Verpflichteten abzustellen, der Anspruch nur bei rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung zu verneinen ist (RS0066874 [T1]).

[40] Worin ein solcher Rechtsmissbrauch hier liegen sollte, ist weiterhin weder konkret behauptet noch ersichtlich, ebenso wenig ist behauptet oder erkennbar, warum erzielte Umsätze für Ansprüche der Klägerin, die sich an Vereinbarungen redlicher und vernünftiger Parteien zur Entgelthöhe bei im Voraus eingeholter Werknutzungsbewilligung (vgl 4 Ob 118/15d) zu orientieren haben, von vornherein keine Rolle spielen oder welche Hindernisse der Bekanntgabe der erzielten Umsätze entgegenstehen sollten. Von einer Erfüllung der Ansprüche und damit einem Wegfall des Rechnungslegungsanspruchs kann daher keine Rede sein. Rechtliche Feststellungsmängel liegen in diesem Zusammenhang nicht vor.

[41] 3. Zusammengefasst war daher der Revision teilweise dahin Folge zu geben, dass das Auskunftsbegehren zur Gänze abzuweisen, die Verpflichtung der Beklagten zur Rechnungslegung aber zu bestätigen war.

[42] 4.1. Einem Urteilsspruch ist eine klare und deutliche, auch vom Begehren abweichende Fassung zu geben, sofern diese in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im Wesentlichen mit seinem Begehren deckt (vgl RS0039357, RS0041254).

[43] 4.2. Da Pkt 5 des ursprünglichen Klagebegehrens nunmehr zur Gänze abzuweisen ist, war der durch den Obersten Gerichtshof neu zu fassende nunmehrige Pkt 1 des Spruchs an die ursprüngliche Fassung des Klagebegehrens anzupassen.

[44] 4.3. Pkt 5 und Pkt 6 des ursprünglichen Klagebegehrens hatten auf den Wortlaut des Pkt 1 des ursprünglichen Klagebegehrens verwiesen, in dem die fragliche Theatervorstellung konkret bezeichnet worden war. Da Pkt 1 des ursprünglichen Klagebegehrens nicht Gegenstand dieser Entscheidung ist, war der neu zu fassende Spruch in seinem Pkt 1 durch ausdrückliche Nennung der Aufführung und in Pkt 2 durch Verweisung darauf ebenfalls zu verdeutlichen.

[45] 5. Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 4 ZPO.

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