European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128999
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Beklagten haben es aufgrund des – vom Berufungsgericht bestätigten – erstgerichtlichen Urteils zu unterlassen, ohne Zustimmung der Klägerin Fernsehshows, deren Urheberrechteinhaberin sie ist, zu senden, im Internet zur Verfügung zu stellen und/oder zu vervielfältigen, insbesondere diese Folgen im Wege des Live-Streamings über das Internet zu senden und/oder zeitversetzt zu senden und/oder abrufbar zu machen und/oder auf Servern zu vervielfältigen.
Das Berufungsgericht bestätigte den klagsstattgebenden Teil des erstgerichtlichen Urteils weiters in Ansehung eines Urteilsveröffentlichungsbegehrens sowie auch des Rechnungslegungsbegehrens, über die durch Verletzungshandlungen erzielten Umsätze unter Vorweisung der Belege und unter Bekanntgabe der Anzahl der Abonnenten, Dauer und Kosten der Abonnements sowie Zugriffszahlen Rechnung zu legen und die Richtigkeit der Rechnungslegung durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Hingegen hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil über das Begehren, die Beklagten seien schuldig, der Klägerin angemessenes Entgelt zu zahlen, wobei die genaue Bezifferung nach Vorliegen der Rechnungslegung vorgenommen werde, wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot des § 226 Abs 1 ZPO ersatzlos auf: Bei einer Stufenklage sei über das Zahlungsbegehren erst nach Rechtskraft des Teilurteils über die Rechnungslegung zu entscheiden.
Die Beklagten zeigen in ihrer außerordentlichen Revision gegen den klagsstattgebenden Teil des Berufungsurteils keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision bekämpft formell zwar die gesamte Klagsstattgebung, ist jedoch inhaltlich nur gegen die Entscheidung über das Rechnungslegungsbegehren ausgeführt. Die rechtliche Überprüfung des Berufungsurteils hat daher nur zu diesem (selbstständigen) Anspruch zu erfolgen (vgl RIS‑Justiz RS0043338 [insb T20]).
2.1. Bei einer Stufenklage nach Art XLII EGZPO darf das Begehren auf Zahlung mit dem Rechnungslegungsbegehren verbunden werden, obwohl die Höhe des zu zahlenden Betrags erst nach erfolgter Rechnungslegung feststeht. Der Kläger darf hier ausnahmsweise die Bezifferung der Geldsumme vorläufig unterlassen und braucht sie erst nachzuholen, sobald die Rechnungslegung erfolgt bzw das zu fällende Urteil auf Rechnungslegung vollstreckt ist (4 Ob 243/17i). Durch Art XLII EGZPO wird daher der Grundsatz des § 226 Abs 1 ZPO durchbrochen, wonach die Klage ein bestimmtes (und im Falle eines Leistungsbegehrens auch vollstreckbares) Begehren enthalten muss (RS0034987).
2.2. Das Gericht hat das Verfahren über den Rechnungslegungsanspruch vom Verfahren über den Leistungsanspruch getrennt zu führen (RS0035069), somit zuerst ausschließlich über die Rechnungslegung zu verhandeln und (stattgebendenfalls) darüber mit Teilurteil zu entscheiden. Erst nach dessen Rechtskraft hat der Kläger aufgrund der Ergebnisse der Rechnungslegung sein Leistungsbegehren durch zahlenmäßige Angabe des Klagsbetrags zu ergänzen. Das Gericht hat sodann das Verfahren über den Leistungsanspruch durchzuführen und mit Endurteil über das Zahlungsbegehren zu entscheiden. Es besteht somit grundsätzlich ein Verbot der gleichzeitigen Entscheidung über Manifestations- und Zahlungsbegehren (4 Ob 243/17i mwN).
2.3. Zwar sind bei einer Stufenklage die Grundlagen des Zahlungsbegehrens (nur) insoweit zu prüfen, als sie sich mit den Grundlagen der Rechnungslegungspflicht decken (RS0034978 [insb T2]). Wird ein Klagebegehren auf eidliche Angabe des Vermögens, mit der ein noch unbestimmtes Leistungsbegehren nach Art XLII Abs 3 EGZPO verbunden war (Stufenklage), abgewiesen, ist gleichzeitig auch der für sich allein unzulässige unbestimmte Leistungsanspruch abzuweisen (RS0035113 [T1]). Es sind also jene Grundlagen (Vorfragen), die beide Ansprüche betreffen, bereits bei der Erledigung des Rechnungslegungsbegehrens (mit bindender Wirkung für das Zahlungsbegehren) zu prüfen (4 Ob 243/17i mwN).
Da aber über das Leistungsbegehren erst nach Rechtskraft der Entscheidung über das Manifestationsbegehren zu entscheiden ist, liegt im Fall, dass nicht nur über dieses, sondern auch über das unbestimmte Leistungsbegehren stattgebend entschieden wurde, ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 226 Abs 1 ZPO und somit ein Verfahrensmangel vor; der Ausspruch über dieses Leistungsbegehren ist ersatzlos aufzuheben (5 Ob 245/05y; RS0035079 [T1] = RS0035069 [T3]).
2.4. Soweit daher die Revision argumentiert, das Rechnungslegungsbegehren diene der Vorbereitung der Ansprüche nach §§ 86 f UrhG, ein Anspruch nach § 86 UrhG existiere nicht mehr, das Rechnungslegungsbegehren sei deshalb unschlüssig und das Urteil wäre insofern aufzuheben, übersieht sie, dass hier das Zahlungsbegehren nicht als dem Grunde nach unbegründet abgewiesen, sondern das Urteil darüber – im Einklang mit der oben dargelegten Rechtsprechung – als verfrüht und unbestimmt (weil vor Rechtskraft der stattgebenden Entscheidung über die Rechnungslegung und vor Konkretisierung des Leistungsbegehrens [RS0108687] ergangen) aufgehoben wurde. Die fehlende Berechtigung des Manifestationsbegehrens – wie die Revision meint – ist daraus nicht ableitbar.
3. Die Beklagten führen noch ins Treffen, ihre Kunden würden ein Pauschalentgelt bezahlen und hätten auch andere Sendungen als die der Klägerin abrufen können. Es stelle sich daher die Frage, anhand welcher Berechnungsmethode der Anteil der Sendungen der Klägerin ermittelt und darüber Rechnung gelegt werden solle. Ein Anteil oder Prozentsatz einzelner Sendungen könne nicht aufgeschlüsselt bzw dargelegt werden, und es könne kein nach Anteilen oder Prozentsätzen genauer Geldbetrag ermittelt werden. Das Rechnungslegungsbegehren sei deshalb den Beklagten unmöglich und unschlüssig.
Auch damit zeigen die Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage auf:
3.1. Im Allgemeinen besteht der Zweck der Rechnungslegung darin, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, die Grundlage seiner Zahlungsansprüche gegen den Beklagten zu ermitteln, um ein Leistungsbegehren beziffern zu können (RS0019529 [T4, T6]), weshalb sich ein allfälliger Zahlungsanspruch aus der begehrten Rechnungslegung ableiten lassen muss (4 Ob 120/17a mwN; vgl dagegen 4 Ob 11/07g). Ein Rechnungslegungsbegehren ist jedenfalls soweit berechtigt, soweit die Zahlungsansprüche, zu deren Bezifferung es dient, aus dem Vorbringen des Klägers und dem festgestellten Sachverhalt zumindest dem Grunde nach abzuleiten sind (vgl RS0124718).
3.2. Ordnet der Gesetzgeber ausdrücklich eine Rechnungslegungspflicht für bestimmte Fälle an, ohne auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung durch den Berechtigten oder die Zumutbarkeit für den Verpflichteten abzustellen, so ist der Anspruch nur bei rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung zu verneinen (RS0066874 [T1]). Eine solche ist weder ersichtlich noch haben sich die Beklagten darauf berufen.
Zudem wurden sie verpflichtet, über die durch Verletzungshandlungen erzielten Umsätze unter Vorweisung der Belege und unter Bekanntgabe der Anzahl der Abonnenten, Dauer und Kosten der Abonnements sowie Zugriffszahlen Rechnung zu legen, nicht jedoch – wie die Revision vermeint – über einen „Anteil der Sendungen der Klägerin“. Sie haben in erster Instanz auch sonst nicht vorgebracht, dass ihnen die Erfüllung des Rechnungslegungsbegehrens unmöglich wäre, sodass dieser erst im Rechtsmittelverfahren aufgestellte Einwand unbeachtlich ist.
3.3. Soweit in der Revision auf die Ermittlung eines „nach Anteilen oder Prozentsätzen genauen Geldbetrags“ Bezug genommen wird, betrifft dies die Höhe des angemessenen Entgelts. Der Anspruch nach § 86 UrhG ist ein bereicherungsrechtlicher Verwendungsanspruch iSd § 1041 ABGB (4 Ob 163/09p mwN; RS0021397 [T2]; RS0108478 [T6]), für dessen Bemessung von der Entgelthöhe bei im Voraus eingeholter Werknutzungsbewilligung auszugehen ist (4 Ob 118/15d). Letztlich ist dabei darauf abzustellen, was redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten, und damit darauf, welche Nutzung tatsächlich erfolgt, weil auszuschließen ist, dass redliche und vernünftige Parteien ein Entgelt vereinbaren, das einen Nutzen abgilt, der gar nicht entstehen kann (vgl 4 Ob 36/05f [zu § 150 Abs 1 PatG], wonach sich das angemessene Entgelt regelmäßig nach dem Wert der Nutzung des Patents richtet und damit einer angemessenen Lizenzgebühr gleichzusetzen ist). Warum in diesem Lichte das Rechnungslegungsbegehren unschlüssig sein sollte, ist nicht ersichtlich. Welche sonstigen Aspekte dazu führen sollten, dass das Manifestationsbegehren für die Durchsetzung des Zahlungsanspruchs offenbar ohne Relevanz wäre (vgl 4 Ob 120/17a), ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht konkret aufgezeigt.
4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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