OGH 1Ob292/98t

OGH1Ob292/98t27.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz G*****, vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Franz G*****, vertreten durch Dr. Reinhard Junghuber, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung, Einwilligung und Wiederherstellung (Streitwert 100.000 S) infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichts Salzburg als Rekursgerichts vom 25. August 1998, GZ 54 R 323/98h-9, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Bezirksgerichts Salzburg vom 15. Juli 1998, GZ 13 Cg 1263/98p-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der Kläger - die vormalige Zweitklägerin zog ihre Klage unter Anspruchsverzicht zurück (ON 10) - begehrte, festzustellen, daß ihm und „allen künftigen Eigentümern“ seiner Liegenschaft die Dienstbarkeit der Wasserableitung über die benachbarte Liegenschaft des Beklagten zustehe, weshalb der Beklagte schuldig sei, in die „grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit“ einzuwilligen und einen von ihm unterbrochenen Kanalstrang wiederherzustellen. Er beantragte ferner die grundbücherliche Anmerkung dieser Klage auf der Liegenschaft des Beklagen und brachte vor, es sei „von der Klärgrube und einer das Oberflächenwasser sammelnden Gitterrinne“ seines Hauses „seit unvordenklichen Zeiten, zumindest aber 100 Jahren, ein Kanalstrang über die benachbarte Liegenschaft des Beklagten in den dort angrenzenden Bach“ verlaufen. Sein Sohn, der Beklagte, habe an der Nachbarliegenschaft aufgrund des Übergabsvertrags vom 23. März 1983 Eigentum erworben und den Kanalstrang im März 1997 unterbrochen. Deshalb komme es auf seiner Liegenschaft immer wieder zum Wasserrückstau. Dem Eigentumserwerb des Beklagten liege eine Grundstücksteilung zugrunde, wodurch eine unverbücherte „Grunddienstbarkeit hinsichtlich des Kanalstrangs“ auf dessen Liegenschaft als dienendem Gut entstanden sei.

Das Erstgericht gab dem Antrag auf Klageanmerkung statt.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands „insgesamt 260.000 S“ nicht übersteige, ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu und erwog in rechtlicher Hinsicht, eine Streitanmerkung sei gemäß § 70 GBG zulässig, wenn „die Zuerkennung eines dinglichen Rechtes“ infolge Ersitzung Prozeßgegenstand sei. In diesem Fall setze die Erwirkung einer Klageanmerkung - als Ausnahme von § 61 Abs 1 GBG - die Verletzung des Klägers in einem bücherlichen Recht nicht voraus. „Offenkundige“ Dienstbarkeiten könnten aufgrund einer Grundstücksteilung entstehen. Solche beruhten auf einem stärkeren Recht als bloßer Ersitzungsbesitz, weshalb das Erstgericht die beantragte Klageanmerkung in analoger Anwendung des § 70 GBG zutreffend bewilligt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 61 Abs 1 GBG setzt die Streitanmerkung eine Behauptung des Klägers voraus, durch eine Einverleibung in einem dinglichen Recht oder in einem Recht, das einem dinglichen kraft besonderer Bestimmungen gleichzuhalten ist, verletzt worden zu sein (NZ 1996, 347 [Hoyer]; EvBl 1990/105; NZ 1990, 100; SZ 58/71; SZ 44/38). Danach muß für den Kläger, soweit es an einer Verwirklichung des Ausnahmetatbestands gemäß § 70 GBG fehlt, bereits ein derartiges Recht einverleibt gewesen sein (NZ 1990, 263). Wird also die Feststellung und Einverleibung eines bisher nicht eingetragenen dinglichen Rechts - wie hier - begehrt, kommt eine Streitanmerkung gemäß § 61 Abs 1 GBG nicht in Betracht. In dieser gesetzlichen Bestimmung findet sich daher für den Anmerkungsantrag des Klägers keine analogiefähige Grundlage. Zu prüfen ist jedoch, ob den Entscheidungen der Vorinstanzen § 70 GBG als taugliche Stütze dient.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß Klageanmerkungen nur zulässig sind, soweit sie das Grundbuchsgesetz oder ein anderes Gesetz, das auch deren Rechtswirkungen festlegt, vorsieht (1 Ob 397/97g; NZ 1996, 347 [Hoyer]; NZ 1995, 31; NZ 1990, 100; SZ 16/188; RZ 1936, 96). Das schließt zwar einen Analogieschluß nicht aus, schränkt einen solchen jedoch auf Klagen ein, deren Anspruchsgrund und Wirkung einem Klagetypus entsprechen, der einer Streitanmerkung zugänglich ist (NZ 1996, 347 [Hoyer]; NZ 1995, 31). Voraussetzung jeder Analogiebildung ist aber jedenfalls eine planwidrige Unvollständigkeit der Rechtsordnung, die die Ursache für eine nicht gewollte Gesetzeslücke bildet. Das bloß rechtspolitisch Erwünschte vermag der ergänzenden Rechtsfindung durch Analogiebildung dagegen nicht als ausreichende Grundlage zu dienen (NZ 1996, 347 [Hoyer]; F. Bydlinski in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 7 mwN).

Bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, entsteht nach herrschender Ansicht eine Dienstbarkeit auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung. Dabei wird angenommen, daß der mittels des Übertragungsakts tatsächlich geschaffene Zustand der Natur einer Dienstbarkeit entspricht und die Dienstbarkeit somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht, weil im Zweifel anzunehmen ist, daß ein bestehender Zustand aufrecht bleiben und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll (1 Ob 58/97d; SZ 57/38 [grundlegend] = NZ 1987, 22 [Hofmeister]; JBl 1989, 751; SZ 49/31; SZ 36/92; SZ 34/128 ua; Kiendl-Wendner in Schwimann, ABGB2 Rz 3 zu § 480 sowie Rz 6 und 7 zu § 481; Klang in Klang 2 II 551; Petrasch in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 480; aM Koziol/Welser, Grundriß II10 168). Im Zeitpunkt der Übereignung des dienenden Grundstücks müssen Anlagen - so etwa ein Abwasserkanal (MietSlg 32.030 [Regenrinne und Abwasserkanal]) - vorhanden sein, die den Zweck des Dienens offenkundig machten. Der Erwerber der dienenden Liegenschaft muß somit die bisher faktisch bestehende Dienstbarkeit entweder gekannt haben oder er hätte sie wegen ihrer Offenkundigkeit zumindest kennen müssen (1 Ob 58/97d; SZ 36/92 ua). Dieses Ergebnis ist als Auslegungsregel anzusehen, weil Vertragsparteien auch anderes ausdrücklich oder schlüssig vereinbaren können; so ist es denkbar, daß das Entstehen einer Dienstbarkeit ungeachtet des Bestehens von Anlagen, die das zurückbehaltene Grundstück als ein dem veräußerten dienendes oder umgekehrt erkennen lassen, durch Vereinbarung ausgeschlossen wird. Das ist aber nicht die Regel (1 Ob 58/97d; JBl 1989, 721).

Eine derartige, dem Beklagten bei Abschluß des Übergabsvertrags vom 23. März 1983 bekannte Anlage (Kanalstrang) auf seiner Liegenschaft wird hier behauptet. Kann nun eine Streitanmerkung gemäß § 70 GBG selbst im Falle eines Klagebegehrens auf „Zuerkennung eines dinglichen Rechtes“ wegen Ersitzung bewilligt werden, so führt ein Größenschluß als Mittel der Analogiebildung (F. Bydlinski in Rummel aaO Rz 3 und 6 zu § 7; Posch in Schwimann aaO Rz 15 zu § 7) zum Ergebnis, daß dieselbe Rechtsfolge auch für den noch gewichtigeren Fall einer schon durch Grundstücksteilung entstandenen offenkundigen Dienstbarkeit gelten muß, was vom Rekursgericht zutreffend erkannt wurde. Damit entspricht aber auch die Klage auf Einwilligung in die Verbücherung einer nach dem Klagevorbringen offenkundigen, jedoch vom Eigentümer des dienenden Guts bestrittenen Dienstbarkeit in Anspruchsgrund und Wirkung einem Klagetypus, der - entgegen der Ansicht des Beklagten - einer Streitanmerkung zugänglich ist.

Nicht zu folgen ist ferner der Meinung des Beklagten, die Verbücherung einer „außerbücherlichen Dienstbarkeit“ könne nicht begehrt werden. Durch die Verbücherung einer im streitigen Verfahren geklärten offenkundigen Dienstbarkeit wird im Grundbuch schließlich die „wirkliche Rechtslage“ im Sinne des § 136 Abs 1 GBG ersichtlich gemacht. Wohl deshalb läßt die ständige Rechtsprechung auch die Klage auf Einverleibung einer offenkundigen Dienstbarkeit ohne weiteres zu (SZ 57/38 [siehe das dortige Klagebegehren]; SZ 34/128 mwN; SZ 9/137).

Soweit der Beklagte überdies rügt, der Anmerkungsbeschluß beziehe sich auch auf die vormalige Zweitklägerin, stimmt das mit dem Akteninhalt nicht überein, ergibt sich doch daraus, daß jene Entscheidung nur im Verhältnis des vormaligen Erstklägers und des Beklagten erging (siehe ON 3 samt der angehefteten Ausfertigung des Anmerkungsbeschlusses).

Dem Revisionsrekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

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