OGH 8Ob13/21a

OGH8Ob13/21a3.8.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. (FH) T* P*, vertreten durch die Lugger / Bankler Rechtsanwälte GesbR in Wien, gegen die beklagte Partei N* e.U. *, vertreten durch Mag. Hermann Gaar, Rechtsanwalt in Hartberg, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei H* GmbH, *, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen (restlich) 12.154,94 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 20. November 2020, GZ 2 R 173/20h‑58, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 25. August 2020, GZ 23 Cg 2/19h‑53, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132611

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.434,06 EUR (darin 239,01 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zweiter Instanz und die mit 2.609,41 EUR (darin 172,55 EUR USt und 1.574,10 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Verfahrenskosten dritter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger beauftragte den Beklagten, einen eingetragenen Unternehmer, für sein gerade errichtetes Einfamilienhaus mit der Lieferung und Montage von – von einer Drittfirma (H*) hergestellten – Türen und Fenstern (wofür der Kläger 21.553,30 EUR zahlte) sowie von – von der Nebenintervenientin hergestellten und von ihr dem Beklagten gelieferten – Sonnen- und Insektenschutzrollos (wofür er 12.154,94 EUR zahlte).

[2] Der Kläger begehrte in erster Instanz zuletzt zum einen gestützt auf Wandlung des Vertrags hinsichtlich der Rollos die Rückzahlung des Kaufpreises von 12.154,94 EUR samt 4 % Zinsen seit 20. 10. 2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Rollos. Der Sonnen- und Insektenschutz sei mangelhaft, weil sich Gelsen, Wanzen, Fliegen und diverses anderes Ungeziefer ungehindert über die Fenster Zugang ins Hausinnere verschaffen würden, als wäre der teure Insektenschutz gar nicht vorhanden. Der Beklagte habe jegliche Verbesserung verweigert. Bei der Insektenabwehr habe es sich schon aufgrund der Bezeichnung „Insektenschutzrollo“ um eine schlüssig zugesicherte Eigenschaft gehandelt. Er habe zudem aufgrund der Werbeaussagen der Nebenintervenientin als Herstellerin der Insektenschutzrollos („kompromisslosester Insektenschutz im Sortiment von H*“; „Schutz für höchste Ansprüche“; „vollständig abdichten“) die Abwehr bzw Verhinderung des Eindringens von Insekten erwarten dürfen.

[3] Zum anderen begehrte der Kläger wegen Undichtheit der Fenster 5.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 17. 12. 2016 an Preisminderung. Weiters begehrte er 394,52 EUR samt 4 % Zinsen seit 3. 7. 2020 als Ersatz der Kosten für eine – im Zuge der Befundaufnahme durch den Sachverständigen zerstörte – Fensterbank (144,52 EUR) sowie als pauschalen Aufwandersatz (250 EUR). Letztlich begehrte er festzustellen, dass der Beklagte „für die Kosten der Fassadenreinigung infolge des Ausbaues des mangelhaften Insektenschutzrollos zwecks Einbaues eines neuen funktionsfähigen Insektenschutzes eines anderen Herstellers haftet“.

[4] Der Beklagte bestritt das Klagebegehren. Hinsichtlich der Rollos brachte er vor, einen funktionstüchtigen und den Richtlinien entsprechenden Insekten- und Sonnenschutz geliefert und dem Stand der Technik entsprechend montiert zu haben. Eine bestimmte Eigenschaft desselben sei nicht ausdrücklich bedungen, ausverhandelt oder bestellt worden. Eine gänzliche Abwehr von Insekten sei nicht möglich und könne vom Kläger nicht gefordert werden. Die Wandlung sei nicht gerechtfertigt, weil der allenfalls vorliegende Mangel bloß geringfügig sei. Sie wäre auch unverhältnismäßig, weil für die Herstellung der Dichtheit des Insektenschutzes ein Aufwand in der Höhe von lediglich 1.500 EUR erforderlich wäre, das „Herausnehmen des Insekten- und Sonnenschutzes“ aber zur Zerstörung des Systems und zu einem Fassadenschaden führte und die dafür anfallenden Kosten in keiner Relation zum geringfügigen Eindringen von kriechendem Insekt stünden. Es sei möglich, dass Insektenschutzsystem gegen ein anderes auszutauschen. Sollte sich das gelieferte Insektenschutzsystem als mangelhaft erweisen, hätte der Kläger nur einen Anspruch auf dessen Austausch bzw eine diesbezügliche Wandlung, nicht aber auf Austausch des Sonnenschutzsystems oder eine diesbezügliche Wandlung. Er müsse sich bei Erfolg seines Wandlungsbegehrens zudem ein Benützungsentgelt von 300 EUR pro Monat anrechnen lassen, weshalb für den bisherigen Zeitraum von Oktober 2017 bis März 2019 eine Gegenforderung von 5.400 EUR eingewendet werde. Unter Hinweis auf einen ihm im Fall der Mangelhaftigkeit der Rollos gegenüber der Nebenintervenientin zustehenden Regressanspruch verkündete der Beklagte dieser den Streit.

[5] Die Nebenintervenientin stellte außer Streit, dem Beklagten die Rollos geliefert zu haben. Sie erstattete im Wesentlichen ein dem Vorbringen des Beklagten entsprechendes Sach- und Rechtsvorbringen. Ergänzend brachte sie vor, nach der Befundaufnahme durch den Sachverständigen dem Kläger angeboten zu haben, den im Rahmen der Befundaufnahme festgestellten Spalt mit einer zusätzlichen Bürstendichtung kostenlos abzudichten, was dieser aber abgelehnt habe.

[6] Das Erstgericht erkannte die Klageforderung als mit 14.013,40 EUR (darin: 12.154,94 EUR Rückzahlung Kaufpreis Rollos, 1.463,94 EUR Preisminderung für Fenster und 394,52 EUR Schadenersatz für Fensterbank) und die Gegenforderung als mit 700 EUR zu Recht bestehend (Spruchpunkt I.) und den Beklagten schuldig, dem Kläger 11.454,94 EUR samt 4 % Zinsen seit 22. 1. 2019 Zug um Zug gegen Rückgabe der Sonnen- und Insektenschutzrollos (Spruchpunkt II.1.) sowie 1.858,48 EUR samt 4 % Zinsen aus 1.463,96 EUR seit 22. 1. 2019 und 4 % Zinsen aus 394,52 EUR seit 4. 7. 2020 binnen 14 Tagen zu zahlen (Spruchpunkt II.2.). Das Begehren, der Beklagte sei zur Zahlung eines weiteren Betrags von 3.536,04 EUR schuldig, das Zinsenmehrbegehren und das Begehren festzustellen, dass der Beklagte für die Kosten der Fassadenreinigung infolge des Ausbaus des mangelhaften Insektenschutzrollos zwecks Einbaus eines neuen funktionsfähigen Insektenschutzes eines anderen Herstellers hafte, wurden abgewiesen (Spruchpunkt II.3.). Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten dazu, dem Kläger die unter einem bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz zu ersetzen (Spruchpunkt II.4.).

[7] Soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz stellte das Erstgericht im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

[8] Der Kläger und seine Lebensgefährtin entschlossen sich, ein Einfamilienhaus als Eigenheim zu errichten. Der Kläger stieß auf einen ihm zusagenden Fensterhersteller und nach Suche nach lokalen Vertriebspartnern auf den Beklagten. Bei der ersten Kontaktaufnahme mit diesem ging es zunächst um den Einbau der Fenster, bei einem weiteren Gespräch um die Errichtung eines Sonnen- und Insektenschutzes. Der Kläger und seine Lebensgefährtin hatten sich bereits davor über verschiedene Produkte und Hersteller informiert und beabsichtigten bereits konkret, einen kombinierten einheitlichen Bauteil, welcher fest mit der Fassade verbunden und auf diese abgestimmt wird, als Sonnen- und Insektenschutz zu verwenden. Dem Kläger kam es dabei darauf an, dass es sich um ein einheitliches Produkt handelt und nicht auf den Sonnenschutz bloß der Insektenschutz als Vorbauteil aufgesetzt wird. Hinsichtlich der Ausführungsart favorisierte er mit seiner Lebensgefährtin einen Raffstore. Diese Vorstellungen teilte er dem Beklagten mit.

[9] Der Beklagte führte ausschließlich Produkte der Nebenintervenientin, zu deren Vorstellung er deren – für Sonnen- und Insektenschutzanlagen gesonderte – Kataloge verwendete. Der Kläger sah sich den Katalog für Insektenschutzanlagen, ein Hochglanzmagazin, vor der Entscheidung durch. In diesem wurden mit Beispielbildern und Skizzen die unterschiedlichen Arten von Insektenschutzsystemen der Nebenintervenientin präsentiert. Der Katalog war neben dem guten Eindruck, welchen er von der Nebenintervenientin hatte, entscheidend für die Produktwahl des Klägers. Im Katalog wurden nach Insektenschutzrahmen und -plissees auch Insektenschutzrollos präsentiert, dies mit folgender Produktbeschreibung: „Schutz für höchste Ansprüche. Das Insektenschutzrollo ist der kompromissloseste Insektenschutz im Sortiment von H*. Führungsschienen, Kassette und Schlussstab sind mit integrierten Bürsten ausgestattet, die das Rollo vollständig abdichten. Der Federzugantrieb ermöglicht ein schnelles Öffnen und Schließen des Rollos und kann aufgrund einer eingebauten Rücklaufbremse dennoch nicht hochschnellen. Die Kassettengröße ist mit 43 x 52 mm sehr kompakt und passt in jede Fensterleibung. Das Rollo ist bis zu einer Höhe von 2500 mm erhältlich. Das ist Insektenschutz für höchste Ansprüche.“

[10] Bei seiner Auswahl zeigte der Kläger auf das zuletzt beschriebene Insektenschutzrollo. Vom Beklagten wurden dem Kläger gegenüber keine Hinweise darauf gemacht, welches unterschiedliche Ausmaß an Insektenabwehr mit den unterschiedlichen Modellen verbunden ist. Der Beklagte besprach mit dem Kläger weder die konkrete Einbauvariante des Insektenschutzes noch erklärte er ihm, welche unterschiedlichen Möglichkeiten dazu bestehen. Es erfolgte auch keine Aufklärung, dass durch den verwendeten Insektenschutz lediglich eine weitgehende Abwehr von Fluginsekten, insbesondere Hautflüglern, erzielt werden kann, nicht aber ein wirksamer Schutz gegenüber Kriechinsekten.

[11] Mit Datum 27. 1. 2016 legte der Beklagte dem Kläger ein Angebot für Türen, Fenster der Marke H*, den Sonnen- und Insektenschutz der Nebenintervenientin sowie Einbau und Montage der Elemente nach ÖNORM. Er hatte zur Erfüllung des Auftrags des Klägers über den Sonnen- und Insektenschutz bei der Nebenintervenientin ein Angebot eingeholt und dazu seiner Kontaktperson bei der Nebenintervenientin mitgeteilt, dass ein kombiniertes einheitliches System als Raffstore und Insektenschutz gewünscht sei. Das von der Nebenintervenientin erstellte Angebot lag jenem des Beklagten an den Kläger zu Grunde. Im Angebot der Nebenintervenientin war die Beschreibung „Insektenschutzrollo *“ enthalten, das auch in deren Werbeprospekt angeführt war. Auf Basis dieses Angebots beauftragte der Kläger letztlich den Beklagten mit der Lieferung und Montage der Fenster sowie des Sonnen- und Insektenschutzes.

[12] Im Zeitraum September/Oktober 2017 erfolgte die Lieferung und Montage der Sonnen- und Insektenschutzrollos durch den Beklagten. Der Kläger zahlte den ihm hierfür vom Beklagten verrechneten Betrag von 12.154,94 EUR brutto.

[13] Der Kläger bezog mit seiner Familie im Frühjahr 2018 das Haus. Spätestens im Frühsommer 2018 bemerkten er und seine Lebensgefährtin, dass es Insekten trotz geschlossenen Insektenschutzes möglich ist, in den Zwischenraum zwischen dem Insektenschutzgitter und dem Fenster, sohin bei geöffnetem Fenster in den Wohnraum einzudringen. Dies betrifft nicht nur Kriechinsekten, sondern auch Hautflügler, wie Fliegen und Gelsen. Insbesondere bei Witterungsverhältnissen, wo noch keine hohe Lufttemperatur erreicht wird, (richtig:) aber der Sonnenschein Hauswände stark erwärmt, (richtig:) weshalb sich Insekten vermehrt auf diesen niederlassen, kommt es zu einer besonderen Häufung des Eindringens von Insekten über das Insektenschutzrollo in den Zwischenraum zum Fenster. Dabei handelt es sich nicht bloß um vereinzelt eindringende, sondern regelmäßig – witterungsabhängig – um eine größere Zahl von Insekten.

[14] Beim gegenständlichen System handelt es sich um eine Systemkombination, bei der das Insektenschutzrollo im Raffstorekasten integriert ist. Unabhängig vom Insektenschutz kann der Sicht- und Sonnenschutz betätigt und genutzt werden. Ebenso kann das Insektenschutzrollo unabhängig vom Sicht- und Sonnenschutz betätigt und genutzt werden. Gegenseitige Beeinträchtigungen sind nicht vorhanden.

[15] Aufgrund der Konstruktion des Systems befindet sich im oberen Bereich des Kastens zwischen der Oberkante der Führungsschiene bis zur Welle des Insektenschutzrollos ein Spalt zwischen dem Rollo und der Rück- bzw Seitenwand des Raffstorekastens. Bei dem System ist eine Abdichtung zwischen der Rückwand des Raffstorekastens und dem Insektenschutzgewebe nicht vorgesehen. Technisch wäre durch die Vorsehung einer Abdichtung durch eine Bürstendichtung zwischen den Führungsschienen eine Abdeckung des Spalts möglich, wodurch das Eindringen von Insekten über diesen ca 8 bis 10 mm großen Spalt hintangehalten werden kann. Derzeit können über diesen Spalt zwischen der Rückwand des Raffstorekastens und dem Insektenschutzgewebe Insekten ungehindert in den Kasten eindringen.

[16] Beim Insektenschutzrollo handelt es sich um einen beweglichen Insektenschutz, welcher im Regelfall mit Bürstendichtungen umlaufend abgedichtet wird. Im Fertigungsprozess ist vom Hersteller auf die Positionierung der Welle im Kasten und die damit bei Betätigung bedingte veränderte Lage des Insektenschutzgewebes im Kasten bzw der Führungsschiene Bedacht zu nehmen. Nach der Richtlinie TR121 des Bundesverbandes Rollläden + Sonnenschutz e.V. (Ausgabe 09/2014) dient der Insektenschutz in erster Linie dazu, Fluginsekten von außen abzuhalten. Der größte Schutz wird dabei bei Hautflüglern (zB Fliegen, Gelsen, Wespen) erreicht, da diese aufgrund ihres filigranen Körperbaus den Widerstand der Bürstendichtungen nicht überwinden können. Fluginsekten mit Panzer (zB Marienkäfer) oder Käfer können jedoch durch ihren robusteren Körperbau den Widerstand der Bürstendichtungen überwinden. Ein gänzlicher Schutz ist somit systemtechnisch nicht möglich.

[17] Aufgrund des Spalts von ca 8 bis 10 mm zwischen der Rückwand des Raffstorekastens und dem Insektenschutzgewebe ist Insekten das ungehinderte Eindringen möglich. Dadurch ist ein Schutz vor Hautflüglern nicht gegeben. Der Insektenschutz ist wirkungslos. Die Anforderungen der Richtlinie TR121 in Bezug auf Hautflügler werden nicht erfüllt.

[18] Beim vorhandenen System kann systembedingt kein gesondertes Insektenschutzrollo mit eigenem Gehäuse montiert werden. Es besteht die Möglichkeit, an der Kastenrückwand eine Bürstendichtung mit Halteprofil anzubringen. Damit kann die Dichtheit zwischen Raffstorekasten und dem Insektenschutzrollo sichergestellt werden, ohne dass eine Beschädigung an der Fassade oder eine Demontage des Sonnenschutzes notwendig wird. Optional wäre auch die Nachrüstung eines Insektenschutzspannrahmens möglich. Beim System besteht die Möglichkeit, das Insektenschutzrollo aus dem Kasten zu demontieren. Die Führungsschienen des Insektenschutzrollos können dabei in der Führungsschiene des Raffstores belassen werden. Schäden an der Fassade sind dabei nicht zu erwarten.

[19] Für die Nachrüstung des Dichtprofils im Raffstorekasten sind Kosten von 1.571,01 EUR zu erwarten. Für die bloße Demontage der Insektenschutzrollos unter Belassung des Sonnenschutzes entstehen Kosten von 714,54 EUR. Der Marktpreis der gegenständlichen Insektenschutzrollos beträgt 997,50 EUR.

[20] Die Montage der Raffstores wurde entsprechend den Herstellerangaben durch den Beklagten vorgenommen. Ein Fehler ist dabei nicht unterlaufen. Bei der bloßen Demontage der Insektenschutzrollos sind keine Schäden an der Fassade zu erwarten. Bei einer Demontage der Raffstorekästen sind Schäden an der Fassade zu erwarten. Dadurch ist eine Nachbesserung der gesamten Fassade erforderlich. Sofern die Fassade nur im Bereich der Raffstorekästen geputzt und anschließend die gesamte Fassade neu gestrichen wird, beliefen sich die Kosten für eine Fassadefläche von ca 350 m² dazu auf brutto 10.800 EUR. Bei dieser Variante kann optisch nicht ausgeschlossen werden, dass Unterschiede in der Putzstruktur (Körnung) auftreten. Sofern die gesamte Fassade neu geputzt würde – wodurch optische Unterschiede nicht auftreten sollten – beliefen sich die Kosten auf brutto 20.400 EUR. Hinzu kämen noch die Kosten der Demontagearbeiten der Raffstores, mögliche Gerüstkosten für die Demontage sowie Anschlussarbeiten des Elektrikers.

[21] Nachdem der Kläger das vermehrte Eindringen von Insekten bemerkte, versuchte er zunächst selbst, einen Fehler bei der Konstruktion zu finden. Dabei stieß er selbst auf das Vorhandensein des Spalts. Er teilte dem Beklagten in einem Telefonat diesen Umstand mit und ersuchte ihn eine Verbesserung vorzunehmen. Der Beklagte teilte dem Kläger mit, dass man nichts machen könne und dies dem System entspreche, er jedoch bei der Nebenintervenientin rückfragen werde. Über Rückfrage bei der Nebenintervenientin erhielt der Beklagte die Auskunft, dass es sich um die korrekte Ausführung des Produkts und um keinen Mangel handle. Es folgte ein unmittelbarer persönlicher Kontakt zwischen dem Kläger und dem damaligen Gebietsleiter der Nebenintervenientin S* H*. Bei einem Treffen schilderte der Kläger das Problem unter Vorlage von Lichtbildern. S* H* teilte ihm mit, dass es sich um eine für das verwendete Modell übliche Eigenschaft handle.

[22] Am 25. 10. 2018 verfasste der Kläger eine E-Mail an den Beklagten, wies dabei auf die Zwecklosigkeit des verbauten Insektenschutzes hin und forderte zu einem Austausch der Schienen auf. Unter Setzung einer Frist von 10 Tagen für eine Rückantwort kündigte er an, andernfalls den Vertrag wandeln zu wollen. Auch nach Ablehnung einer Verbesserung durch die Nebenintervenientin ersuchte der Kläger mit E-Mail vom 30. 11. 2018 den Beklagten, in dem er auf die abschlägige Antwort der Nebenintervenientin hinwies und fragte „Wie geht es auf deiner Seite weiter?“, um eine Verbesserung durch den Beklagten. Eine Reaktion des Beklagten erfolgte nicht.

[23] Bei der Befundaufnahme im gegenständlichen Verfahren durch den Sachverständigen war für die Nebenintervenientin ihr Mitarbeiter I* vor Ort. Dieser vertrat dort die Auffassung, dass aufgrund der Ausführung des Modells ein Mangel nicht vorliege, sondern das Modell entsprechend dem Angebot der Nebenintervenientin geliefert worden sei. Nach Vorliegen der Einschätzung des Sachverständigen nach der Befundaufnahme war die Nebenintervenientin bereit, die vom Sachverständigen vorgeschlagene Variante der Nachrüstung des Insektenschutzsystems durch Anbringung einer Dichtungsbürste im Freiraum zwischen der Raffstorerückwand und dem Insektenschutzgewebe (richtig:) vorzunehmen. Der Kläger hat zwischenzeitig das Vertrauen in den Beklagten und die Nebenintervenientin verloren und lässt eine Verbesserung durch die Nebenintervenientin nun nicht mehr zu. Der Kläger ist bereit, die erforderlichen Arbeiten für die Demontage der Raffstorekästen im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des Vertrags zuzulassen.

[24] Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich im Wesentlichen dahin, dass das von der Beklagten gelieferte Sonnen- und Insektenschutzsystem bereits deshalb mangelhaft sei, weil es nicht den gewöhnlich erwarteten Eigenschaften eines Insektenschutzsystems genüge. Der Mangel sei nicht geringfügig. Aus der leichten Behebbarkeit des Mangels sei nicht auf dessen Geringfügigkeit zu schließen. Hinzu komme, dass der Beklagte eine zweite Chance zur Vertragserfüllung gehabt, von dieser aber nicht Gebrauch gemacht habe, weshalb er nicht schutzwürdig sei. Auch habe der Beklagte aufgrund der ihm bekannten dauerhaften Verbindung der Rollos mit der Fassade nicht davon überrascht sein können, dass bei Wandlung des Vertrags hohe Mangelfolgeschäden einzutreten drohten. Weil das System als Einheit erworben worden und es für den Beklagten erkennbar gewesen sei, dass für den Kläger die Anlage nur als Sonnenschutz nicht von Interesse sei, betreffe die Wandlung das gesamte Sonnen- und Insektenschutzsystem.

[25] Hinsichtlich des Zuspruchs von 1.858,48 EUR (betreffend Preisminderung Fenster und Schadenersatz für Fensterbank) samt Zinsen sowie seines abweisenden Teiles erwuchs das Ersturteil in Rechtskraft.

[26] Das Berufungsgericht änderte über die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Berufung des Beklagten das Ersturteil – soweit es noch nicht in Rechtskraft erwachsen war – im gänzlich klageabweisenden Sinne ab. Es stufte in Bezug auf den Sonnen- und Insektenschutz den Mangel als geringfügig iSd § 932 Abs 4 ABGB ein. Dies begründete es damit, dass mit einem Verbesserungsaufwand von knapp 1.600 EUR der vertragsgemäße Zustand, nämlich ein ausreichender Insektenschutz, herstellbar wäre, die Nebenintervenientin sich bereit erklärt habe, die Verbesserung durchzuführen, und bei Entfernung des Sonnen- und Insektenschutzes ein immenser Aufwand entstünde. Aber selbst wenn man konzedierte, dass der Mangel nicht geringfügig, sondern durchaus erheblich sei, wäre das Wandlungsbegehren als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, weil das Interesse des Beklagten an der Verbesserung jenes des Klägers an der Wandlung krass überwiege.

[27] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass dem Fall die Eignung zukomme, die Rechtsprechung betreffend die Qualifikation eines Mangels als nicht geringfügig iSd § 932 Abs 4 ABGB weiter zu entwickeln, und seine Entscheidung allenfalls auch der einschlägigen Rechtsprechung widersprechen könnte, sei doch der gegebene Mangel insofern nicht geringfügig, als er den wesentlichen, weil eindeutig vereinbarten Insektenschutz nicht erfülle.

[28] Gegen das Berufungsurteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene rechtzeitige Revision des Klägers mit einem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungs-, hilfsweise einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

[29] Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben, die Nebenintervenientin, diese zurückzuweisen, hilfsweise ihr den Erfolg zu versagen.

[30] Die Revision ist zulässig, weil – wie auch vom Kläger in der Revision jedenfalls im Ergebnis zutreffend aufgezeigt – das Berufungsgericht bei der Einstufung des Mangels am Sonnen- und Insektenschutz als nicht geringfügig von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen und zudem seine Bejahung der Rechtsmissbräuchlichkeit des Wandlungsbegehrens korrekturbedürftig ist. Die Revision ist demnach auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[31] 1. Nach der werkvertragsrechtlichen Vorschrift des § 1167 ABGB kommen bei Mängeln des Werks die für entgeltliche Verträge überhaupt geltenden Bestimmungen (§§ 922 bis 933b ABGB) zur Anwendung. Hinsichtlich gewisser gewährleistungsrechtlicher Fragen ist zwar von Relevanz, ob es sich um einen Werk- oder Kaufvertrag handelt (vgl Schopper in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1167 ABGB Rz 3; M. Bydlinski in KBB6 § 1167 Rz 2), sie betreffen aber nicht den vorliegenden Fall. Maßgeblich für dessen Entscheidung ist die gleichermaßen für Werk- und Kaufverträge geltende Vorschrift des § 932 ABGB über die Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Mangels (vgl Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 932 Rz 1 und 3). Damit kann offen bleiben, ob der Vertrag der Parteien über einen Sonnen- und Insektenschutz als Kauf- oder Werkvertrag einzustufen wäre. Allein wegen der bereits von den Vorinstanzen – auch bei der Sachverhaltsfeststellung – und den Prozessbeteiligten gebrauchten Terminologie wird im Folgenden von einem Kauf(‑vertrag) gesprochen.

[32] 2. Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, leistet Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäfts oder der getroffenen Vereinbarung gemäß verwendet werden kann (§ 922 Abs 1 ABGB). Der Übernehmer kann wegen eines Mangels die Verbesserung (Nachbesserung oder Nachtrag des Fehlenden), den Austausch der Sache, eine angemessene Minderung des Entgelts (Preisminderung) oder die Aufhebung des Vertrags (Wandlung) fordern (§ 932 Abs 1 ABGB). Zunächst kann der Übernehmer nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich ist oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Ob dies der Fall ist, richtet sich auch nach dem Wert der mangelfreien Sache, der Schwere des Mangels und den mit der anderen Abhilfe für den Übernehmer verbundenen Unannehmlichkeiten (§ 932 Abs 2 ABGB). Sind sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden, so hat der Übernehmer das Recht auf Preisminderung oder, wenn es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt, das Recht auf Wandlung. Dasselbe gilt, wenn der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt, wenn diese Abhilfen für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen unzumutbar sind (§ 932 Abs 4 ABGB).

[33] 3. Das Vorliegen eines Mangels des Sonnen- und Insektenschutzes aufgrund Eindringens von Insekten durch einen Spalt wurde von den Vorinstanzen bejaht. Die Richtigkeit dessen wird im Revisionsverfahren zu Recht nicht in Abrede gestellt.

[34] 4. Der Übernehmer kann Preisminderung oder Wandlung begehren, wenn der Übergeber zu Unrecht ernsthaft und endgültig die Verbesserung der mangelhaften Leistung verweigert, mag es auch aus der irrigen Ansicht geschehen, es bestehe gar keine Nacherfüllungspflicht (8 Ob 145/10x [Pkt 1.]; 1 Ob 124/17t [Pkt 3.]; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 932 Rz 300; Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 932 Rz 51).

[35] Der Beklagte hat in diesem Sinne die Verbesserung verweigert. Er hat dem vorprozessual mehrfach geäußerten Verbesserungswunsch des Klägers nicht entsprochen, sondern (selbst noch im Prozess) den irrigen Standpunkt eingenommen, der Sonnen- und Insektenschutz wäre mangelfrei. Somit ist der Kläger grundsätzlich berechtigt, Wandlung oder Preisminderung zu begehren. Die – auch erst während des Prozesses hervorgetretene – Verbesserungsbereitschaft der Nebenintervenientin vermag an der Verbesserungsverweigerung des Beklagten nichts zu ändern.

[36] 5. Das dem Kläger gemäß § 932 Abs 4 ABGB zustehende Recht zur Wandlung des Vertrags steht unter der Voraussetzung, dass es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt (Punkt 6.) und dass kein Rechtsmissbrauch vorliegt (Punkt 7.). Davon gehen auch alle Prozessbeteiligten im Revisionsverfahren aus.

[37] 6. Bei der Prüfung, ob ein die Wandlung ausschließender geringfügiger Mangel iSd § 932 Abs 4 ABGB vorliegt, ist eine auf den konkreten Vertrag und die Umstände des Einzelfalls bezogene objektive Abwägung der Interessen der Vertragspartner vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0119978; 5 Ob 42/17p [Pkt 4.]). Bei der Interessenabwägung sind sowohl die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der Aufhebung des Vertrags im Hinblick auf die damit verbundenen Folgen für die Parteien, aber auch die „Schwere“ des Mangels zu berücksichtigen (RS0119978 [T5]). Die Behebbarkeit des Mangels und ein allfälliger geringer Behebungsaufwand sind für die Beurteilung der Geringfügigkeit des Mangels nicht allein ausschlaggebend, es kommt ihnen aber im Rahmen der Interessenabwägung Bedeutung zu (RS0119978 [T8], [T9]; 8 Ob 92/15k [Pkt 2.] = ecolex 2016/332 [Melcher]).

[38] Bei der Frage, wie weit bei der Beurteilung des Gewichts des Mangels auf subjektive und/oder objektive Elemente abzustellen ist, ist zu differenzieren. Die subjektive Einstellung des Übernehmers – seine Motive bzw der von ihm verfolgte Zweck – muss unbeachtet bleiben, so weit diese dem Übergeber bei Abschluss des Vertrags nicht erkennbar war. War hingegen der mit dem Erwerb vom Übernehmer angestrebte Zweck bzw sein Motiv bei Vertragsabschluss erkennbar, ist bei der vorzunehmenden Interessenabwägung neben dem objektiven Gewicht des Mangels auch der deklarierte Erwerbszweck mitzuberücksichtigen (RS0119978 [T1]).

[39] Das Fehlen einer ausdrücklich vereinbarten („besonders bedungenen“) Eigenschaft ist grundsätzlich so bedeutsam, dass nicht mehr von einer Geringfügigkeit des Mangels gesprochen werden kann (RS0120610; 2 Ob 78/15g [Pkt 2.5.]; 8 Ob 92/15k [Pkt 2.]; P. Bydlinski in KBB6 § 932 Rz 19; Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 932 Rz 82). Eine ausdrücklich vereinbarte Eigenschaft liegt dann vor, wenn der Käufer ausdrücklich oder zumindest schlüssig ein besonderes Interesse an gerade dieser Eigenschaft deutlich gemacht hat (RS0120610 [T6] = 8 Ob 92/15k). Es kommt dabei nicht darauf an, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte (2 Ob 78/15g [Pkt 2.1.]).

[40] 6.1. Es ist damit zunächst zu beurteilen, ob eine (zumindest konkludent) zugesicherte Eigenschaft vorliegt, weil diesfalls das Vorliegen des entsprechenden Mangels regelmäßig bereits zur Verneinung der Geringfügigkeit führt (vgl Melcher, Glosse zu 8 Ob 92/15k in ecolex 2016/332):

[41] Dass ein Insektenschutzrollo Insekten vom Eindringen in das Haus abhält, ist die gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft (§ 922 ABGB) eines solchen (vgl 2 Ob 78/15g [Pkt 2.2.] zur Funktionsfähigkeit und Betriebsbereitschaft einer Heutrocknungsanlage). Wenn sich – wie hier geschehen – der Kläger für ein bestimmtes Insektenschutzrollo entscheidet und im Verkaufsgespräch auf dieses ohne weiteres verweist, so hat er keinen Willen, sich etwas Besonderes zusichern zu lassen, wie auch der Verkäufer, der lediglich die vom Käufer getroffene Auswahl zur Kenntnis nimmt, keinen Willen hat, etwas Besonderes zuzusichern (vgl P. Bydlinski, Glosse zu 9 Ob 50/10h in JBl 2011, 42 [43 Pkt 5. aE]). Es kann auch nicht gesagt werden, dass der Kläger hier iSv RS0120610 [T6] ein besonderes Interesse an einer bestimmten Eigenschaft deutlich gemacht hätte; indem er insoweit auf das von ihm gewählte Insektenschutzrollo verwies, teilte er doch hierdurch dem Beklagten allein mit, für welches Insektenschutzrollo er sich entschieden hatte. Von einer zugesicherten Eigenschaft kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. In Anbetracht dessen erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage der Berechtigung der in der Literatur daran geäußerten Kritik, dass die Rechtsprechung bei einem eine zugesicherte Eigenschaft betreffenden Mangel ohne Weiteres dessen Geringfügigkeit verneint (vgl Melcher aaO).

[42] 6.2. Dass das vom Kläger erworbene Sonnen- und Insektenschutzsystem vor dem Eindringen von Insekten schützt ist daher allein eine gewöhnlich vorausgesetzte – und von den Parteien mangels einer gegenteiligen Abrede konkludent mitvereinbarte (P. Bydlinski in KBB6 § 922 Rz 9) – Eigenschaft desselben iSd § 922 ABGB. Betrifft der Mangel eine solche, ist aufgrund der bereits erläuterten Interessenabwägung (siehe Pkt 6.) zu beurteilen, ob ein die Wandlung ausschließender geringfügiger Mangel iSd § 932 Abs 4 ABGB vorliegt:

[43] 6.2.1. Dem Berufungsgericht ist zunächst darin beizupflichten, dass der Umstand, dass sich der Mangel um knapp 1.600 EUR beheben ließe, grundsätzlich für dessen Geringfügigkeit sprechen könnte. Es wird nämlich judiziert, dass die Behebbarkeit des Mangels und ein allfälliger geringer Behebungsaufwand für die Beurteilung der Geringfügigkeit des Mangels zwar nicht allein ausschlaggebend, aber doch eben Indizien für dieselbe sind (vgl RS0119978 [T8, T9]), und auch gelehrt, „dass bei leichter Behebbarkeit [...] die Unzumutbarkeit vollständiger Vertragsbeseitigung mit Händen zu greifen ist“ (P. Bydlinski, Neues zum neuen Gewährleistungsrecht, JBl 2005, 681 [688 in FN 61]).

[44] Auch unter jenen Stimmen in der Literatur, die bei Behebbarkeit des Mangels grundsätzlich ohne weiteres dessen Geringfügigkeit annehmen (etwa Bollenberger, Das neue Wahlrecht zwischen Wandlung und Minderung, RdW 2002/636 [715]), wird aber die Ansicht vertreten, dass in besonderen Fällen dennoch ein nicht geringfügiger Mangel vorliegen kann, so „wenn sich der Übergeber sowohl weigert, die Verbesserung durchzuführen, als auch einen angemessenen Teilbetrag des bereits vollständig erhaltenen Entgelts zurückzuzahlen, sodass der Übernehmer die Reparatur vorfinanzieren müsste“ (P. Bydlinski, JBl 2005, 688 [in FN 61]). In eine ähnliche Richtung geht zumindest im Ergebnis auch die die Richtigkeit der Ableitung der Geringfügigkeit des Mangels bloß aus seiner leichten Behebbarkeit bestreitende Gegenansicht in der Literatur, nach der man für den Ausschluss der Wandlung wegen leichter Behebbarkeit auch deren Problemlosigkeit für den Übernehmer verlangen müsse (Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 932 Rz 115, 118 f).

[45] Im vorliegenden Fall bestritt der Beklagte selbst im Prozess noch das Vorliegen eines Mangels und bot dem Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Verbesserung an. Lediglich die Nebenintervenientin tat dies nach Vorliegen der „Einschätzung“ des Sachverständigen nach der Befundaufnahme. Das Berufungsgericht führte diese Verbesserungsbereitschaft der Nebenintervenientin als einen Grund für die Geringfügigkeit des Mangels an. Bei der Nebenintervenientin handelt es sich aber im Verhältnis zum Kläger um eine Dritte, weil es zwischen ihnen keine Rechtsbeziehung gibt. Ließe der Kläger eine Verbesserung durch die Nebenintervenientin vornehmen und käme es dabei zu Problemen, etwa zu einer Beschädigung der Rollos oder der Hauswand, wäre die Verantwortlichkeit dafür prima facie unklar, weil unklar wäre, auf welcher Grundlage die Nebenintervenientin eigentlich tätig wurde (vgl Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 932 Rz 119). Die Verbesserungsbereitschaft der Nebenintervenientin vermag daher die fehlende Verbesserungsbereitschaft des Beklagten und dessen Unterlassen, dem Kläger die Finanzierung der Verbesserung durch einen (qualifizierten) Dritten anzubieten, nicht auszugleichen. Anders als im Fall 9 Ob 46/14a, wo es um einen Aufwand von nur 220 EUR für eine von einer jeden KFZ-Werkstätte durchführbare Reparatur ging, was 3,6 % des dortigen Kaufpreises von 6.100 EUR entsprach, stellt hier die Notwendigkeit, dass der Kläger 1.571,01 EUR und damit 12,93 % des Kaufpreises von 12.154,94 EUR für die Reparatur vorstrecken müsste, einen nicht zu vernachlässigenden Aspekt dar. Es kann gerade nicht von einer (wirtschaftlich zumutbaren und insofern) leicht möglichen bzw für den Kläger unproblematischen Reparatur ausgegangen werden. Aus dem Umstand, dass sich der Mangel mit knapp 1.600 EUR beseitigen ließe, kann im vorliegenden Fall daher nicht dessen Geringfügigkeit iSd § 932 Abs 4 ABGB abgeleitet werden.

[46] 6.2.2. Es verbleibt als möglicher Grund für die Annahme der Geringfügigkeit des Mangels der Gesichtspunkt, dass die Aufhebung des Vertrags (Wandlung) durch den damit einhergehenden Abbau der Rollos Schäden an der Fassade erwarten ließe, deren Sanierung rund 20.000 EUR kosten könnte, wofür nach übereinstimmender – nicht zu korrigierender – Ansicht der Prozessbeteiligten und der Vorinstanzen der Beklagte aufzukommen hätte. Das Berufungsgericht vertritt angesichts dessen erkennbar die Ansicht, eine Wandlung sei dem Beklagten nicht zumutbar, und stuft zur Vermeidung dessen den Mangel als geringfügig ein. Diese Betrachtung des Berufungsgerichts vermag darin eine Stütze zu finden, dass nach der Rechtsprechung bei der – für die Beurteilung der Geringfügigkeit des Mangels verlangten – Interessenabwägung unter anderem die Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit der Aufhebung des Vertrags im Hinblick auf die damit verbundenen Folgen für die Parteien zu berücksichtigen sind (RS0119978 [T5]).

[47] 6.2.2.1. Gegen diese – auf dem Satz „Das Wandlungsrecht wird dem Übernehmer […] dann nicht zustehen, wenn die Auflösung des Vertrags angesichts des geltend gemachten Mangels unverhältnismäßig wäre.“ in den ErläutRV 422 BlgNR 21. GP  19 beruhende – Rechtsprechung wird seit jeher in der Literatur eingewendet, sie zäume das Pferd gleichsam vom Schwanz her auf (so Kletečka, Der geringfügige Mangel, RdW 2003/537 [612]; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 932 Rz 131), es liege eine petitio principii vor (so Wilhelm, Ein ganz normales Mangel-Auto, ecolex 2006, 1). Die Rechtsprechung gehe nicht von der Schwere des Mangels aus, sondern von der schwerwiegenden Sanktion Wandlung. Im Gegensatz dazu habe sich die Sanktion nach der Schwere des Mangels zu richten und nicht die Schwere des Mangels nach der Sanktion. Ein nicht geringfügiger Mangel dürfe nicht zwecks Vermeidung der Sanktion Wandlung zum geringfügigen deklariert werden. Habe sich der Übergeber wirksam zur Leistung verpflichtet, so habe er die einschlägigen Sanktionen zu tragen, ob sie nun seine Interessen beeinträchtigen oder nicht. Stehe fest, dass ein Mangel nicht geringfügig sei, so habe der Übergeber die einschlägigen Nachteile – so auch die der Wandlung – zu tragen, wenn sie ihn noch so schwer bedrückten. Die dem Übergeber unerwünschten Folgen einer Wandlung legitimierten nicht dazu, einen Mangel als geringfügigen zu bewerten (Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 932 Rz 131 f; vgl auch Buchleitner, Gewährleistung und Irrtum [2018] 65).

[48] 6.2.2.2. Diese Kritik betrifft in erster Linie die Qualität der Gesetzesmaterialien. Ihr kann insofern eine gewisse Berechtigung nicht abgesprochen werden. Die Stichhaltigkeit der Kritik relativiert sich aber dadurch, dass es nichtsdestoweniger ganz deutlich Wille des Gesetzgebers war, dem Übernehmer die Wandlung zu versagen, wenn die Vertragsauflösung angesichts des geltend gemachten Mangels unverhältnismäßig wäre. Zumal die zitierte Erläuterung des historischen Gesetzgebers ausdrücklich zur Geringfügigkeit des Mangels erging, entspricht es seinem Willen, bei Beurteilung dessen, ob Geringfügigkeit des Mangels vorliegt, die Rechtsfolgen einer Wandlung mit ins Kalkül zu ziehen. Dieses Verständnis von Geringfügigkeit des Mangels verlässt auch nicht den äußersten Wortsinn des Gesetzesbegriffs „geringfügige[r] Mangel“ in § 932 Abs 4 ABGB (vgl RS0008799; Posch in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 6 Rz 17 mwN). Dass der Gesetzgeber das Pferd von hinten aufzäumt bzw Rechtsfolge (Wandlung) und Tatbestand (geringfügiger Mangel) vermischt, mag sein, ändert aber nichts an seinem – von den Gerichten zu respektierenden – Willen, mehr Beweglichkeit in das System der Gewährleistung zu bringen (so Wilhelm, ecolex 2006, 1) und als Argument für eine die Wandlung ausschließende Geringfügigkeit des Mangels auch jenes zu akzeptieren, dass die Wandlung aufgrund ihrer Rechtsfolgen im konkreten Fall unverhältnismäßig wäre. Der Senat sieht daher keine Veranlassung, von der Rechtsprechung abzugehen und die Rechtsfolgen einer Wandlung bei der zur Beurteilung der Geringfügigkeit vorzunehmenden Interessenabwägung gänzlich außer Betracht zu lassen.

[49] 6.2.3. Bei der Interessenabwägung ist aber nun nicht nur jenes berechtigte und nachvollziehbare Interesse ins Kalkül zu ziehen, welches der Übergeber im Einzelfall daran haben kann, dass nicht gewandelt wird (allein jenes hat das Berufungsgericht aber in die Abwägung einbezogen), sondern auch das allenfalls berechtigte und nachvollziehbare Interesse des Übernehmers an der Wandlung (umfassende Abwägung der Interessen beider Parteien). Letzterem kommt im vorliegenden Fall – zumal der vorliegende Mangel jedenfalls ein schwerer ist, weil der Insektenschutz aufgrund des Spalts gegen Hautflügler nicht wirkt, was im Rahmen der Interessenabwägung gegen die Geringfügigkeit des Mangels spricht – entscheidendes Gewicht zu:

[50] Es darf nicht übersehen werden, dass der Kläger den Beklagten vorprozessual mehrfach um die Mangelbehebung ersuchte, dieser sie aber verweigerte und auch im Prozess die Verbesserung nicht anbot. Dass bei Verweigerung der Verbesserung durch den Veräußerer der Erwerber die sekundären Gewährleistungsbehelfe in Anspruch nehmen kann, ist eine vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung, die nicht unterlaufen werden darf. Es kann daher dem Kläger nicht entgegnet werden, er hätte auf Verbesserung klagen und diese nötigenfalls gegen den Beklagten exekutiv durchsetzen können; damit spräche man ihm contra legem das Recht zur Beschreitung der sekundären Gewährleistungsebene ab.

[51] Auch eine Ersatzvornahme der Verbesserung war dem Kläger – wie bereits erörtert – nicht zumutbar, weil der Beklagte ihm nicht anbot, die Verbesserung durch einen (qualifizierten) Dritten vorzufinanzieren.

[52] Spräche man dem Kläger nun das Recht zur Wandlung des Vertrags ab, so wäre er letztlich genötigt, sich auf Preisminderung zu beschränken. Damit zwänge man ihn, ein Produkt – wenngleich zu einem geringeren Preis – zu behalten, das er – dem Beklagten erkennbar – niemals haben wollte, nämlich einen Sonnenschutz ohne Insektenschutz (vgl RS0119978 [T1] zur Beachtlichkeit der subjektiven Einstellung des Übernehmers, nämlich seiner Motive bzw des von ihm verfolgten Zwecks; vgl weiters Kletečka, RdW 2003, 613, nach dem ein nicht geringfügiger Mangel dann vorliegt, wenn die mangelhafte Leistung für den Übernehmer nicht von Interesse ist und dies für den Übergeber bei Abschluss des Vertrags erkennbar war; iglS – jedoch negativ formulierend – Zöchling-Jud in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 932 Rz 66 f, die für die Annahme eines geringfügigen Mangels votiert, wenn der Übernehmer den Vertrag auch in Kenntnis des Mangels abgeschlossen hätte, wenn auch zu anderen Konditionen, nämlich einem geringeren Preis; iglS bereits Bollenberger, RdW 2002, 715).

[53] Der Kläger hat damit ein berechtigtes Interesse an der Wandlung des Vertrags. Ausgehend davon, dass ein Übergeber, der die Mangelbeseitigung – beharrlich –verweigert, grundsätzlich keines Schutzes bedarf (Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 932 Rz 114), fällt die Gesamtabwägung der Interessen zu dessen Lasten aus und ist der vorliegende Mangel als nicht bloß geringfügig iSd § 932 Abs 4 ABGB zu werten. Dem Kläger kommt daher das Wandlungsrecht zu.

[54] 7. Das auf Wandlung beruhende Begehren des Klägers auf Rückzahlung des geleisteten Preises gegen Rückgabe der Rollos ist entgegen dem Berufungsgericht auch nicht rechtsmissbräuchlich. Voraussetzung für Rechtsmissbrauch ist, dass zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht (zB 9 Ob 28/19m [Pkt 4.1.] mwN; Karner in KBB6 § 1295 Rz 22). Ein solches Missverhältnis liegt hier nicht vor, kann dem Kläger doch – wie bereits ausgeführt – ein berechtigtes Interesse daran, von seinem Wandlungsrecht Gebrauch zu machen, nicht abgesprochen werden.

[55] Es war daher der Revision Folge zu geben und das Ersturteil, auf dessen oben zusammengefasst wiedergegebene zutreffende Begründung ergänzend verwiesen werden kann, wiederherzustellen.

[56] Die Kostenentscheidung zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der ERV‑Zuschlag für die Berufungsbeantwortung des Klägers nach § 23a RATG beträgt nicht wie verzeichnet 4,10 EUR, sondern 2,10 EUR.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte