European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00225.20Z.1221.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Ob eine Adoption dem Wohl des Kindes dient und ob die verweigerte Zustimmung gemäß § 195 Abs 3 ABGB zu ersetzen ist, weil kein gerechtfertigter Grund für die Verweigerung vorliegt, hat das Gericht aufgrund der Verfahrensergebnisse nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0086536).
[2] 1.2. Die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Frage, was unter dem Ausdruck „gerechtfertigte Gründe“ in § 195 Abs 3 ABGB zu verstehen ist, lassen sich dahin zusammenfassen, dass die gesetzlichen Bestimmungen sicherstellen sollen, dass keine Adoption gegen die wohlbegründete Meinung der Person zustande kommt, die durch die Adoption in ihren Rechten tiefgreifend betroffen wird. Dem Kindeswohl entsprechende, in der Familie des Annehmenden bestehende bessere, der Entwicklung des Kindes förderliche Lebensverhältnisse sind nicht der alleinige oder auch nur überwiegende Gesichtspunkt, die Verweigerung der Zustimmung als nicht gerechtfertigt anzusehen (RS0048798 [T4]). Im Zweifel ist die Weigerung als gerechtfertigt zu betrachten (RS0008581 [T5]). Der bloße Wunsch des leiblichen Elternteils um Kontakte und Bindung zu seinem Kind ist zwar kein absolut gerechtfertigter Weigerungsgrund, die Adoption muss aber für das Kind geradezu notwendig sein (2 Ob 239/09z mwN; RS0048903 [T2, T3]); die Interessen des Kindes an der Adoption müssen eindeutig dominieren (4 Ob 149/10f mwN).
[3] 1.3. Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein klarer Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm – hier der Auslegung der „gerechtfertigten Gründe“ – korrigiert werden müsste (RS0086536 [T2]; vgl RS0044088). Das ist nicht der Fall.
[4] 2.1. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Außerstreitverfahrens erster Instanz kann keinen Revisionsrekursgrund bilden, sofern eine Durchbrechung dieses Grundsatzes aus Gründen des Kindeswohls nicht erforderlich ist (RS0050037 [T1]). Das Rekursgericht verneinte die Relevanz der unterlassenen Anhörung der Wahlkinder, die zwischen 9 und 12 Jahre alt sind, sowie ihrer obsorgeberechtigten Mutter, der mütterlichen Großmutter sowie des Wahlvaters. Auch im Revisionsrekurs wird nicht konkret dargelegt, inwiefern die Einvernahme dieser Personen von Entscheidungsrelevanz für die Auffassung der Vorinstanzen wäre, die Verweigerung der Zustimmung des leiblichen Vaters zur Adoption sei berechtigt. Wenn der Wahlvater auf sein Gedächtnisprotokoll vom 4. 3. 2009 verweist, ist diesem gerade die Bitte seiner Ehefrau und Mutter der Kinder, ihren ältesten Sohn in diesem Zusammenhang nicht mit einer Aussage bei Gericht zu belasten, zu entnehmen.
[5] 2.2. Die Möglichkeit einer Stellungnahme zu den Ausführungen des leiblichen Vaters in seiner Rekursbeantwortung ist im AußStrG nicht vorgesehen. Das Unterbleiben der – mittlerweile entsprechend § 48 Abs 3 AußStrG nachgeholten – Zustellung der Rekursbeantwortung an den Rechtsmittelwerber kann den von ihm in diesem Zusammenhang behaupteten Verfahrensmangel schon deshalb nicht begründen.
[6] 3.1. Die Vorinstanzen sind – nach Darlegung der Grundsätze zu 1.2. – zum Schluss gekommen, dass der Vater, dessen Aufenthaltsbewilligung nach dem Akteninhalt jährlich verlängert wird (ON 3, AS 11) und der nach dem Inhalt des seinen Asylantrag abweisenden Bescheids des Bundesasylamts liberianischer Staatsangehöriger ist, weiterhin Interesse daran zeigt, seine Kinder zu sehen, auch wenn das Kontaktrecht zwischen ihm und den Kindern mit Beschluss seit 2019 bis auf weiteres ausgesetzt ist, weil er es nicht geschafft hatte, die Kontakte verlässlich einzuhalten; er sagte immer wieder kurzfristig Termine ab, was mit großer Enttäuschung für die Kinder verbunden war. Trotz seiner Haftstrafen – zuletzt befand sich der Vater im April 2013 in Strafhaft, ein Jahr vor Scheidung der Ehe mit der Mutter der gemeinsamen Kinder – bestehe zwischen ihm und den Kindern eine Eltern‑Kind‑Beziehung. Die durchgeführten begleiteten Kontakte seien durchaus positiv verlaufen. Dass der Vater in weiterer Folge die begleiteten Kontakte nicht kontinuierlich ausgeübt habe, sodass diese letztlich ausgesetzt hätten werden müssen, reiche für die Annahme einer fehlenden sittlichen Rechtfertigung seiner Weigerung nicht aus, zumal dafür auch kulturelle und wirtschaftliche Gründe eine Rolle gespielt haben könnten. Zudem verliere der leibliche Vater bei Ersetzung seiner Zustimmung und pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung des Adoptionsvertrags endgültig seine Aufenthaltsberechtigung in Österreich und würde nach Liberia abgeschoben werden. Damit würde der mittlerweile ohnehin kaum mehr „vorhandene Faden“ zwischen den Kindern und ihm „gänzlich abreißen“. Die Kinder werden sich in den kommenden Jahren mit ihrer Herkunft und auch der ihres Vaters beschäftigen; ihnen wäre im Falle einer Abschiebung nach Afrika faktisch jede Möglichkeit (einer Auseinandersetzung) entzogen.
[7] Dass die Vorinstanzen auf Basis der zum Entscheidungszeitpunkt des Erstgerichts gegebenen Sachlage von gerechtfertigten Gründen der Weigerung des leiblichen Vaters, der Adoption zuzustimmen, ausgingen, bildet keine klare Fehlbeurteilung oder Ermessensüberschreitung, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre.
[8] 3.2. Der Vater leistet(e) mangels finanzieller Möglichkeiten trotz „gelegentlicher Jobs“ bislang keinen Unterhalt für die Kinder, die Unterhaltsvorschüsse beziehen. Wenn der Revisionsrekurswerber daraus unter Behauptung einer „grundsätzlichen Leistungsfähigkeit“ eine gröbliche Verletzung der Unterhaltsverpflichtung und damit das Fehlen eines gerechtfertigten Grundes für die Weigerung des Vaters ableiten möchte, ist er darauf hinzuweisen, dass zwar eine schuldhafte Pflichtverletzung des Elternteils gegenüber dem Kind (bei der Pflege und Erziehung oder der Unterhaltsgewährung), wodurch das Kindeswohl gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, im Regelfall die Verweigerung der Zustimmung als nicht gerechtfertigt erscheinen ließe (2 Ob 239/09z mwN). Wenn das Rekursgericht aber aufgrund der befristeten Aufenthaltstitel des Vaters und mangels finanzieller Möglichkeiten keine solche schuldhafte Pflichtverletzung gesehen hat, erscheint dies nicht korrekturbedürftig.
[9] Der Revisionsrekurswerber verweist darauf, dass der Vater zu den Kindern bis November 2018 Kontakt hatte. Das nunmehr ausgesetzte Kontaktrecht ist auf die Enttäuschung der Kinder infolge der Unzuverlässigkeit des Vaters bei seinen zuvor begleitet bewilligten Besuchskontakten zurückzuführen, zeigt aber nicht auf Dauer ein mangelndes Interesse am Kontakt zu seinen Kindern auf. Seine strafgerichtlichen Verurteilungen liegen jedenfalls schon 8 Jahre zurück, ohne dass die Vater‑Kind‑Beziehungen darunter gelitten haben.
[10] Die Kinder leben gemeinsam mit der Mutter im Familienverband mit dem Revisionsrekurswerber und entwickelten zu diesem eine enge emotionale Bindung. Auch der Adoptionswerber (seit 2015 Ehemann der Mutter) entwickelte entsprechende Gefühle und betreut die Kinder auch intensiv. Wenn er betont, der leibliche Vater bleibe nach der Adoption weiterhin der biologische Vater, so ist auch er nicht daran gehindert, selbst ohne Adoption weiterhin eine liebevolle Beziehung zu den in seinen Familienverband integrierten und seinen Familiennamen tragenden Kindern zu unterhalten (2 Ob 239/09z). Dem Rechtsmittelwerber ist zwar zuzugestehen, dass er eine gute Beziehung zu den Kindern hat und der leibliche Vater nicht dem Idealbild eines pflichtbewussten, rechtschaffenen Elternteils entspricht, doch ist die Annahme, dass es die derzeitigen Umstände noch nicht rechtfertigen, von dessen ungerechtfertigter Weigerung auszugehen, nicht korrekturbedürftig.
[11] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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