OGH 3Ob104/20w

OGH3Ob104/20w10.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Roch und Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Stefulaals weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Rechtsanwälte Gruber Partnerschaft KG in Wien, gegen die beklagte Partei F*, vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 67.511,20 EUR sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 18. März 2020, GZ 38 R 261/19t-105, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E130345

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Strittig ist im vorliegenden Verfahren primär, ob dem Kläger für mehrere Jahre Zinsminderung gebührt, die vor allem mit der gesperrten Gasversorgung der Wohnung und der daraus folgenden Unbeheizbarkeit begründet wird, aber auch mit der Unbenützbarkeit des WC und fehlender Stromversorgung. Daneben verlangte der Kläger für dieselben Monate frustrierte Gas- und Stromkosten und machte auch Schadenersatzansprüche geltend.

[2] Das Erstgericht gewährte die Zinsminderung zur Gänze und sprach die begehrten Gas- und Stromkosten zu, wies jedoch das auf Schadenersatz gestützte Begehren rechtskräftig ab.

[3] Das Berufungsgericht reduzierte die Zinsminderung sowohl auf die kalte Jahreszeit als auch der Höhe nach. Die durch die schadhafte, den vom Vermieter stillgelegten Kamin ersetzende Poterie in der Wohnung verursachte Unbeheizbarkeit des vorderen Teils der Wohnung und die deshalb verfügte Sperre der Gaszufuhr, die zur Unbeheizbarkeit der gesamten Wohnung geführt habe, sei der Sphäre des Vermieters zuzuordnen und führe zur Zinsminderung. Ab dem Zeitpunkt, als die Wiederinbetriebnahme der Gasanlage an der Undichtheit der seinerzeit vom Mieter in der Wohnung verlegten Gasleitungen gescheitert sei und dies die erneute Sperre der Gaszufuhr und Unmöglichkeit der Beheizung in der bisherigen Form zu Folge gehabt habe, sei dies jedoch der Sphäre des Mieters zuzuordnen und rechtfertige deshalb keine Zinsminderung. Dass der Vermieter nach §§ 3, 6 MRG zur Instandsetzung der Gasinnenleitungen verpflichtet worden sei, bedeute nicht automatisch, dass die Undichtheit der Leitungen die Zinsminderung zur Folge habe, weil es auf unterschiedliche Kriterien ankomme. Für jene Monate, in denen das Fehlen der Beheizbarkeit nur des vorderen Teils der Wohnung der Sphäre des Vermieters zuzurechnen sei, erachtete das Berufungsgericht eine Zinsminderung von 25 % als angemessen, sofern dies zur Unbeheizbarkeit der gesamten Wohnung geführt habe, jedoch von 100 %; dies ebenso für die Dauer der Unbenützbarkeit des WC und der fehlenden Stromversorgung. Es wies auch die begehrten Gas- und Stromkosten ab.

[4] Beide Parteien erhoben außerordentliche Revisionen, zeigen damit jedoch keine erheblichen Rechtsfragen auf, weshalb sie als unzulässig zurückzuweisen sind. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

[5] I. Zur außerordentlichen Revision des Klägers:

[6] I.1. Der wiederholte Hinweis des Klägers darauf, dass die Sperre der Gaszufuhr auch die Warmwasseraufbereitung beeinträchtigt und das Kochen verhindert habe, womit er erkennbar die Ausdehnung der Zinsminderung auf das gesamte Jahr erreichen will, stellt keine gesetzmäßige Ausführung einer Rechtsrüge dar, weil jede Auseinandersetzung mit den Argumenten des Berufungsgerichts (Warmwasser im zweiten Badezimmer; kein Kochen mit Gas bei Anmietung) fehlt (RIS‑Justiz RS0043603). Das gilt ebenso für die Bekämpfung der Abweisung der Gas- und Stromkosten.

[7] I.2. Eine Beschränkung der Zinsminderung auf die übliche Heizperiode hat der Oberste Gerichtshof schon als gerechtfertigt angesehen (4 Ob 2130/96f). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt nicht vor.

[8] Soweit der Kläger meint, der Entscheidung 9 Ob 57/08k wäre Anderes zu entnehmen, ist ihm nicht zu folgen. In dieser Entscheidung wird nur ausgesagt, die Brauchbarkeit des Bestandobjekts sei dem Mieter, soweit ihn selbst keine Erhaltungspflicht treffe, für die gesamte Dauer der Bestandzeit mit dem Druckmittel der Mietzinsminderung zu gewährleisten. Damit soll nur ausgedrückt werden, dass Mietzinsminderung für die gesamte Dauer der Bestandzeit eintritt, sofern die Brauchbarkeit des Bestandobjekts bis zum Ende der Bestandzeit beeinträchtigt ist. Eine Aussage, dass Zinsminderung auch in Zeiträumen bestehe, in denen der Mangel des Bestandobjekts zu keiner Gebrauchsbeeinträchtigung führt, kann dem zitierten Satz jedoch nicht unterstellt werden (vgl 2 Ob 165/13y).

[9] I.3. Gegen den Auftrag zur Durchführung von Erhaltungsarbeiten stehen dem Vermieter nur Einwendungen zu, die sich aus den gesetzlichen Regelungen über die Erhaltungspflicht nach § 3 MRG ableiten lassen (RS0117706). Auch Fragen der Verursachung und des Verschuldens sind in einem Verfahren zur Durchsetzung der Erhaltungspflicht des Vermieters betreffend allgemeine Teile des Hauses nach § 3 Abs 2 Z 1 MRG grundsätzlich nicht zu prüfen (RS0069992 [T7], RS0069294 [T1]). Für die Frage der gesetzlichen Erhaltungspflicht des Vermieters nach § 3 Abs 2 Z 1 und 2 MRG und deren Durchsetzung ist es grundsätzlich nicht maßgeblich, ob die zu erhaltenden Gebäudeteile und Einrichtungen vom Vermieter geschaffen wurden oder von einem Mieter (5 Ob 122/17b mwN).

[10] Dem gegenüber gilt § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB über die Zinsminderung – als von § 3 MRG unberührt – auch im Vollanwendungsbereich des MRG (5 Ob 17/09z; RS0124632). Dafür kommt es aber auf Umstände an, die bei der Beurteilung nach § 3 Abs 2 MRG unberücksichtigt bleiben müssen. So normiert § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB ausdrücklich, dass Zinsminderung nicht eintritt, wenn der Mangel vom Bestandnehmer verschuldet wurde. Nach der Rechtsprechung entfällt die Zinsminderung auch dann, wenn der Bestandnehmer die Gebrauchsbeeinträchtigung zu vertreten hat, insbesondere den Mangel selbst (rechtswidrig) verursacht hat, ohne seine Schuldlosigkeit zu beweisen (5 Ob 658/89 = RS0021331).

[11] Da somit für die Beurteilung nach § 3 Abs 2 MRG zahlreiche Kriterien unbeachtlich sind, denen Bedeutung für die Zinsminderung nach § 1096 ABGB zukommt, erweist sich die Schlussfolgerung des Klägers, die Zinsminderung sei zwingende Folge der Bejahung der Erhaltungspflicht nach §§ 3, 6 MRG, als unzutreffend.

[12] I.4. Mit der weiteren entscheidungsrelevanten Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Undichtheit der von Mieterseite verlegten Gasleitungen und die dadurch verursachte Sperre der Gaszufuhr falle in die Sphäre des Klägers und rechtfertige deshalb keine Zinsminderung, setzt sich die Revision weder auseinander noch tritt sie ihr entgegen.

[13] II. Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:

[14] II.1. Mit seinem Ansinnen, der Kläger könne „spätestens“ nach Sanierung der Elektroinstallation mit Oktober 2013 (für die Zeit davor steht ohnehin fest, dass wegen deren desolaten Zustands ein Beheizen mit Strom nicht möglich war) auf eine Beheizung mit Strom verwiesen werden, übersieht der Beklagte Folgendes: Nach dem Inhalt des von ihm selbst in der Revision ins Treffen geführten Sachbeschlusses vom 29. Oktober 2018, der nach der einvernehmlichen Verlesung in erster Instanz als unstrittig gilt und im Revisionsverfahren verwertet werden kann (RS0121557 [T2, T4, T5 und T9]), müsste für eine Beheizung mit einer Elektroheizung ein eigener Stromkreis geschaffen und geprüft werden, ob die notwendige Anschlussleistung zur Verfügung steht. Dass dies bei Schluss der Verhandlung bereits umgesetzt war, behauptet weder die Revision noch steht dies fest. Ist aber demnach eine Beheizung mit Strom nach wie vor nicht möglich, kommt schon deshalb die Verweisung des Klägers darauf nicht in Betracht. Unerheblich ist daher auch die – vom Beklagten ohnehin unzulässig bekämpfte (RS0042903 [T4]) – Feststellung, eine Elektroheizung wäre nicht zielführend.

[15] II.2. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der stillgelegte Kamin, der Ausfall der als Ersatz errichteten Poterie, das dadurch bedingte Heiz- und Betriebsverbot sowie die durch die schadhafte Poterie verursachte Sperre der Gaszufuhr ab September 2011 seien der Sphäre des Beklagten als Vermieter zuzuordnen, tritt der Beklagte nicht entgegen; er beruft sich hingegen auf den Sachbeschluss vom 29. Oktober 2018. Auch wenn der Beklagte damit wegen technischer Unmöglichkeit nicht zur Wiederherstellung des Kaminanschlusses im vorderen Teil der Wohnung verpflichtet wurde, stellt die in seine Sphäre fallende Stilllegung des Kamins, der für die schon bei Anmietung vorgesehene Beheizung mit Einzelöfen (auch des vorderen Teils der Wohnung) notwendig war, eine Gebrauchsbeeinträchtigung dar, die – ungeachtet der Unmöglichkeit der Wiederherstellung des Kamins – zur Zinsminderung führt (Pesek in Schwimann/Kodek ABGB4 § 1096 Rz 101 und 105; Riss in Kletečka/Schauer ABGB-ON1.02 § 1096 Rz 27; Pletzer in GeKo Wohnrecht I § 1096 ABGB Rz 132). Schließlich besteht der Zweck des § 1096 Abs 1 Satz 1 ABGB ua darin, die durch eine Gebrauchsbeeinträchtigung gestörte subjektive Äquivalenz zwischen den wechselseitigen Leistungen wiederherzustellen (Pesek in Schwimann/Kodek ABGB4 § 1096 Rz 100; Riss wobl 2016/35 [Anm]).

[16] II.3. Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich nach dem Grad und der Dauer der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts (RS0021324), was nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und damit regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufwirft (RS0021324 [T3]; RS0108260 [T2]). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist nicht erkennbar.

[17] Die zeitlich nicht zugeordnete Kritik an der vom Berufungsgericht vorgenommenen Zinsminderung „für bloß einen fehlenden Kaminanschluss“ betrifft erkennbar den Zeitraum ab Oktober 2013.

[18] Der Beklagte entfernt sich allerdings unzulässig vom festgestellten Sachverhalt, weil er zu Unrecht unterstellt (s Punkt 1.), der Kläger hätte mit Strom heizen können (RS0043312 [T14]). Auch der Vorwurf eines Widerspruchs in der Begründung des Berufungsgerichts ist unzutreffend. Es erachtete nämlich mit Hinweis auf den fehlenden Ersatz des stillgelegten Kamins (= Unbeheizbarkeit des vorderen Teils der Wohnung) eine Zinsminderung von 25 % „weiterhin“ für angemessen, was der nicht korrekturbedürftigen Beurteilung für die Monate März und April 2011, in denen dieselbe Situation bestand, entspricht.

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