OGH 5Ob223/19h

OGH5Ob223/19h20.2.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. G*, 2. Mag. J*, beide *, und 3. A*, alle vertreten durch Mag. Harald Stockinger, öffentlicher Notar in Wien, wegen Einverleibung eines Vorkaufsrechts, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Oktober 2019, AZ 47 R 258/19t, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 13. August 2019, TZ 2434/2019, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127834

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

An der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft ist seit 8. 1. 2019 zu TZ 4112/2018 Wohnungseigentum begründet. Es gibt 42 Wohneinheiten und 20 Kraftfahrzeug‑Abstellplätze, an denen jeweils Wohnungseigentum begründet ist. Erst‑ und Zweitantragsteller sind als Eigentümerpartner Wohnungseigentümer der Wohnung 7 sowie des Kraftfahrzeug‑Abstellplatzes 5. Zugunsten der Drittantragstellerin ist Wohnungseigentum (unter anderem) am Kraftfahrzeug‑Abstellplatz 4 eingetragen.

Die Antragsteller begehrten die Einverleibung des Vorkaufsrechts gemäß den §§ 1072 ff ABGB ob des Kraftfahrzeug‑Abstellplatzes 4 zugunsten der Erst‑ und Zweitantragsteller. Die vorgelegte Vereinbarung vom 20. 5. 2019 (Grundbuchsurkunde) hielt unter anderem Folgendes fest:

Die Drittantragstellerin hat auf der Liegenschaft eine Wohnhausanlage durch gewerblich befugte Unternehmen errichtet. Die Wohnhausanlage verfügt über 42 Wohneinheiten und eine Garage mit insgesamt 20 KFZ‑Stellplätzen. Erst‑ und Zweitantragsteller beabsichtigen als Käufer der Wohnung 7 und des KFZ‑Stellplatzes 5, den KFZ‑Stellplatz 4 zu erwerben. Die Vertragsparteien treffen diese Vereinbarung, weil aufgrund der Beschränkung des § 5 Abs 2 WEG der Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags erst nach Ablauf von drei Jahren ab Begründung des Wohnungseigentums möglich ist.

Die Vertragsparteien verpflichten sich, ehestmöglich nach Ablauf von drei Jahren ab Begründung des Wohnungseigentums einen Kaufvertrag in grundbuchsfähiger Form über den KFZ‑Stellplatz 4 abzuschließen, wobei der Kaufpreis bereits heute mit 20.000 EUR festgelegt wird. Die Übergabe bzw die Übernahme des Kaufgegenstandes in den Besitz und Genuss der Käufer, gleichzeitig mit Übergang von Gefahr und Zufall, erfolgt nicht vor Unterfertigung des grundbuchsfähigen Kaufvertrags durch sämtliche Vertragsparteien. Vereinbarungsgemäß sind die Käufer allerdings schon ab Unterfertigung dieser Vereinbarung berechtigt, den Kaufgegenstand widmungsgemäß zu benützen. Die Verkäuferin räumt ihnen daher diese Befugnis ein, und sichert ihnen zu, für die ausschließlich ungestörte Benützungsmöglichkeit Sorge zu tragen. Die Käufer haben für die Benützung kein Entgelt zu entrichten, jedoch haben sie die auf den Kaufgegenstand entfallenden Betriebskosten zu tragen. Zur Sicherung dieser Vereinbarung unterfertigt die Verkäuferin unter anderem ein Grundbuchsgesuch zur Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung des Kaufgegenstands. Zur weiteren Absicherung dieser Vereinbarung räumt die Verkäuferin den Käufern über ihren Wunsch das Vorkaufsrecht im Sinne der Bestimmungen der §§ 1072 ff ABGB am Kaufgegenstand ein und die Käufer nehmen diese Rechtseinräumung an.

 

Das Erstgericht wies das Grundbuchsgesuch ab. Es äußerte im Sinn des § 94 Abs 1 GBG Bedenken an der Vereinbarkeit des Vorkaufsrechts mit der in § 5 Abs 2 WEG geregelten Beschränkung des Erwerbs von Wohnungseigentum an Kraftfahrzeug‑Abstellplätzen. Künftige Erwerber von Bedarfsobjekten könnten den Kraftfahrzeug‑Abstellplatz nur erwerben, wenn die Vorkaufsberechtigten auf ihr Recht verzichten. Die Einräumung des Vorkaufsrechts deute auf eine Umgehung des § 5 Abs 2 WEG hin.

Das Rekursgericht teilte diese Bedenken und gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Die Parteien beabsichtigten, die Beschränkung des § 5 Abs 2 WEG durch die Vereinbarung zu umgehen. Der Revisionsrekurs wurde mangels gesicherter Rechtsprechung, ob § 5 Abs 2 WEG der Einverleibung eines Vorkaufsrechts entgegenstehe, zugelassen.

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist zur Klarstellung zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Nach § 5 Abs 2 WEG kann Wohnungseigentum an einem Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug bis zum Ablauf von drei Jahren nach Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft nur von einer Person oder Eigentümerpartnerschaft erworben werden, der Wohnungseigentum an einer Wohnung oder einem selbständigen Geschäftsraum der Liegenschaft (Bedarfsobjekte) zukommt; dabei kann ein Wohnungseigentümer mehrerer Bedarfsobjekte schon während der dreijährigen Frist eine entsprechende Mehrzahl von Abstellplätzen erwerben. Darüber hinaus kann der Wohnungseigentümer eines Bedarfsobjekts während der dreijährigen Frist mehrere Abstellplätze nur erwerben, soweit die Zahl der auf der Liegenschaft vorhandenen und als Wohnungseigentumsobjekte gewidmeten Abstellplätze die Zahl der Bedarfsobjekte übersteigt; bei der Berechnung der überzähligen Abstellplätze ist der schriftlich erklärte Verzicht eines Wohnungseigentümers auf den ihm vorzubehaltenden Abstellplatz zu berücksichtigen. Nach Ablauf der dreijährigen Frist können auch andere Personen Wohnungseigentum an einem Abstellplatz erwerben.

1.2 Mit diesen Erwerbsbeschränkungen setzte der Gesetzgeber des WEG 2002 (BGBl I 2002/70 idF BGBl I 2002/114) das Ziel um, den auf der Liegenschaft „wohnenden“ (oder geschäftlich tätigen) Wohnungseigentümern beim Erwerb von Kraftfahrzeug‑Abstellplätzen Vorrang einzuräumen. Dazu wählte er die Konstruktion einer Wartefrist und beschränkte für eine Frist von drei Jahren ab erstmaliger Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft den Erwerb von selbständigem Wohnungseigentum an einem Kraftfahrzeug‑Abstellplatz in zweifacher Hinsicht: Erstens sind liegenschaftsfremde Personen vom Erwerb ausgeschlossen, zweitens können Wohnungseigentümer eines oder mehrerer Bedarfsobjekte nur die entsprechende Anzahl von Abstellplätzen erwerben (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP  40).

2.1 Die Erst‑ und Zweitantragsteller könnten als Eigentümerpartner nur eines Bedarfsobjekts nach § 5 Abs 2 WEG innerhalb der dreijährigen Frist, die zum Zeitpunkt der Einbringung des Grundbuchsgesuchs noch nicht abgelaufen war, keinen zweiten Kraftfahrzeug‑Abstellplatz erwerben. Diese Beschränkung ist ihnen und der Drittantragstellerin bewusst, wie eindeutig aus dem Text der vorgelegten Grundbuchsurkunde über die Einräumung eines Vorkaufsrechts hervorgeht. Sie vertreten im Revisionsrekurs die Auffassung, dass § 5 Abs 2 WEG einen Wohnungseigentumsorganisator nicht dazu verpflichte, bestimmten Personen einen Stellplatz zum Kauf anzubieten. Es müsse daher möglich sein, einem Interessenten Stellplätze vorzubehalten und nach Ablauf der Wartefrist einen entsprechenden Kaufvertrag abzuschließen, insbesondere dann, wenn unklar sei, ob die zukünftigen Käufer der noch verfügbaren Wohnungen noch Interesse am Kauf eines Stellplatzes haben. § 5 Abs 2 WEG beschränke darüber hinaus nach seinem Wortlaut nur den Erwerb von Stellplätzen, nicht aber die Einräumung weiterer Rechte.

2.2 Diese Argumentation überzeugt nicht.

3.1 Die Beschränkungen des ersten und zweiten Satzes des § 5 Abs 2 WEG gelten nicht für denjenigen Wohnungseigentumsorganisator, der im Wohnungseigentumsvertrag als Hauptverantwortlicher für die Wohnungseigentumsbegründung und den Abverkauf der Wohnungseigentumsobjekte bezeichnet ist; dies kann je Liegenschaft nur eine einzige Person sein (§ 5 Abs 2 letzter Satz WEG idF der WRN 2006). Ob die Drittantragstellerin unter diese Begriffsdefiniton des „operativ tätigen Wohnungseigentumsorganisators“ (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 5 WEG Rz 16b) fällt, steht nicht fest, ist jedoch nicht relevant für das Ergebnis.

3.2 Die Erwerbsbeschränkungen des § 5 Abs 2 Satz 1 und 2 WEG gelten nach der jüngeren Rechtsprechung nämlich sowohl für die erstmalige (konstitutive) Begründung von Wohnungseigentum als auch für derivative Erwerbsvorgänge innerhalb der Dreijahresfrist (5 Ob 124/13s = wobl 2014/40 [Hausmann]; 5 Ob 126/13k; 5 Ob 19/19h je mwN; RIS‑Justiz RS0129132). Innerhalb der dreijährigen Wartefrist ist es zulässig, an „überzähligen“ Kraftfahrzeug‑Stellplätzen zugunsten des hauptverantwortlichen Wohnungseigentumsorganisators Wohnungseigentum zu begründen, auch wenn diesem sonst selbst kein selbständiges Wohnungseigentum an der Liegenschaft zukommt (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch 4 § 5 WEG Rz 16b; A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch 4, § 58 WEG Rz 3). Der nachfolgende Verkauf durch den Wohnungseigentumsorganisator unterliegt jedoch den Einschränkungen des § 5 Abs 2 Satz 1 und 2 WEG. Wenn die Revisionsrekurswerber in diesem Zusammenhang auf den Verzicht zahlreicher Wohnungseigentümer auf ihnen zustehende Abstellplätze verweisen, verstoßen sie gegen das im Grundbuchsverfahren geltende Neuerungsverbot (§ 122 Abs 2 GBG).

3.3 Nach § 5 Abs 3 Satz 1 WEG wird das Wohnungseigentum durch die Einverleibung in das Grundbuch erworben. Die Lehre versteht den Begriff „Erwerb“ in dieser Bestimmung allein als konstitutive, erstmalige Begründung von Wohnungseigentum (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch 4 § 5 WEG Rz 19; Würth/Zingher/Konvanyi, Miet‑ und Wohnrecht II23 § 5 WEG Rz 2; nicht differenzierend hingegen Pittl in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo WohnrechtII [2019] § 5 WEG Rz 4). Bei einem derivativen Erwerb von Miteigentumsanteilen verbunden mit dem Wohnungseigentumsrecht als dingliches Recht im Sinn der Legaldefiniton des § 2 Abs 1 Satz 1 WEG gibt es keine Besonderheiten. Der Erwerb eines bestehenden, bereits im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentumsobjekts bedarf schon nach allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen der Einverleibung im Grundbuch (§ 431 ABGB).

3.4 Der derivative Erwerbsvorgang (Kauf eines bereits existierenden Wohnungseigentumsobjekts) ist erst mit der grundbücherlichen Einverleibung abgeschlossen. Die Erwerbsbeschränkungen in § 5 Abs 2 WEG verbieten jedenfalls die Einverleibung des Wohnungseigentums an einem „nicht zustehenden“ Kraftfahrzeug-Abstellplatz in einem Rang, der zeitlich vor dem Ablauf der Wartefrist liegt.

3.5 Ein Vorkaufsrecht nach § 1072 ABGB räumt dem Berechtigten das Gestaltungsrecht ein, ein Vertragsverhältnis durch einseitige Erklärung ohne Mitwirkung des Vertragspartners zu begründen (RS0123147; Apathy/Perner in KBB5 § 1072 ABGB Rz 1). Das Vorkaufsrecht beschränkt den Verpflichteten nicht in seiner Freiheit, die Sache überhaupt zu verkaufen (RS0020222). Übt aber der Berechtigte sein Vorkaufsrecht aus, entsteht zwischen ihm und dem Verpflichteten ein Kaufvertrag, der inhaltlich mit dem „Drittvertrag“ übereinstimmt (RS0020174). Ein verbüchertes Vorkaufsrecht wirkt als Veräußerungsverbot, das von Amts wegen als Eintragungshindernis wahrzunehmen ist (RS0020201). Das Grundbuchsgericht darf die Einverleibung des Eigentumsrechts eines Dritten nur bewilligen, wenn a) eindeutig gar kein Vorkaufsfall vorliegt, b) der Vorkaufsberechtigte zustimmt oder c) urkundlich nachgewiesen wird, dass dem Vorkaufsberechtigten die Liegenschaft zum Kauf angeboten wurde und er von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hat (5 Ob 28/19g mwN).

3.6 Kauft ein Wohnungseigentümer (Wohnungseigentumsbewerber) eines Bedarfsobjekts zusätzlich mit einem Vorkaufsrecht belastete Miteigentumsanteile verbunden mit Wohnungseigentum an einem Kraftfahrzeug‑Abstellplatz, ist eine Einverleibung seines Rechts an diesem Abstellplatz nur zulässig, wenn er die Zustimmung oder den Verzicht des Vorkaufsberechtigten nachweist. Damit wird eindeutig die in § 5 Abs 2 Satz 1 und 2 WEG 2002 beabsichtigte Verteilungsgerechtigkeit beeinträchtigt. Wohnungseigentümer oder liegenschaftsfremde Personen, die sich einen (zusätzlichen) Kraftfahrzeug‑Abstellplatz durch ein intabuliertes Vorkaufsrecht sichern wollen, können verhindern, dass andere Wohnungseigentümer von Bedarfsobjekten Wohnungseigentum an einem Kraftfahrzeug-Abstellplatz nach den Kriterien des § 5 Abs 2 WEG erwerben können.

4. Ein Grundbuchsgesuch ist nach § 94 Abs 1 GBG abzuweisen, wenn berechtigte Bedenken bestehen, dass ein Umgehungsgeschäft vorliegt (5 Ob 1083/91 = RS0060551). Die Vorinstanzen haben hier die Einverleibung des Vorkaufsrechts zu Recht abgelehnt.

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