OGH 5Ob154/19m

OGH5Ob154/19m22.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. D*, 2. D*, ebenda, beide vertreten durch Breitenfeld Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Beseitigung, Wiederherstellung und Unterlassung (Streitwert 30.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 10.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Juni 2019, GZ 12 R 95/18f‑51, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. August 2018, GZ 12 Cg 14/17t‑45, in der Hauptsache bestätigt und im Kostenpunkt abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126571

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind jeweils Miteigentümer einer Liegenschaft in Wien verbunden mit Wohnungseigentum des Klägers an der Wohnung Top 5 und der Beklagten an Top 13. Der Kläger erhielt seine Wohnung Ende 2015 von seinen Eltern geschenkt. Die Wohnung der Beklagten liegt im Dachgeschoss, von ihr führt eine Treppe auf das darüber gelegene Flachdach, auf dem sich eine zur Wohnung gehörende Terrasse befindet. Dort errichteten die Beklagten im Jahr 2000 einen Wintergarten, der auch rechtskräftig baubehördlich bewilligt wurde. Der Wintergartenerrichtung hatten rund 60 % der damaligen Mit‑ und Wohnungseigentümer zugestimmt, unter anderem die Eltern des Klägers hatten sich allerdings mehrfach ausdrücklich dagegen ausgesprochen.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr das Begehren des Klägers, den Vorzustand der Dachterrasse der Wohnung der Beklagten durch Entfernung des Wintergartens wiederherzustellen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren insoweit statt.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten in der Hauptsache nicht Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil im Kostenpunkt ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision zu, weil die Frage, ob die Errichtung eines von der Straße nicht einsehbaren Wintergartens auf einer zum Wohnungseigentumsobjekt gehörenden Dachterrasse als genehmigungsbedürftig im Sinn des § 16 Abs 2 WEG 2002 anzusehen sei oder ob dem auf Beseitigung in Anspruch genommenen Wohnungseigentümer der Beweis durch Sachverständige offenstehe, dass die Errichtung des Wintergartens weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Klägers noch eine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge habe, einer Klärung durch den Obersten Gerichtshof bedürfe.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin, dass die Klage auch insoweit abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Außerdem wendet er sich im Rahmen der Revisionsbeantwortung gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts und beantragt deren Abänderung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0042963) kann eine in zweiter Instanz verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich das Berufungsgericht mit einem geltend gemachten Mangel zu Unrecht nicht befasst hat (RS0043144) oder die Mängelrüge auf vom Akteninhalt abweichender Grundlage erledigt (RS0043092 [T1], RS0043166). Nur dann wäre das Berufungsverfahren selbst mangelhaft (RS0043086). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor:

1.2. Das Berufungsgericht hat sich mit dem Verfahrensmangel, der in der Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Baufach zu den in der Zulassungsbegründung genannten Beweisthemen liegen soll, befasst und diesen verneint. Die Negativfeststellung des Erstgerichts zur Frage der Kausalität des Wintergartens für Wassereintritte hat es als rechtlich nicht relevant nicht übernommen. Damit hat es den Verfahrensmangel auf einer durch die Aktenlage gedeckten Grundlage verneint. Seine Auffassung, für die Beurteilung der Genehmigungsbedürftigkeit der Änderung sei nicht ausschlaggebend, ob die Errichtung des Wintergartens tatsächlich zu einer Schädigung des Hauses geführt hatte, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Fachsenats. Die Frage dieser allfälligen Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens kann daher – entgegen der aus der Zulassungsbegründung hervorleuchtenden Auffassung – nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden.

2.1. Zum Änderungsbegriff des § 16 WEG 2002 liegt gesicherte Rechtsprechung vor. Dieser Begriff ist weit auszulegen, schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit‑ und Wohnungseigentümer verpflichtet den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung der anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, handelt er in unerlaubter Eigenmacht, daher rechtswidrig und kann im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung, gegebenenfalls auch zur Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden (RS0083156; jüngst 5 Ob 246/18i = immo aktuell 2019/35 [Höllwerth]). Nicht genehmigungsbedürftig sind nur bagatellhafte Umgestaltungen (RS0109247) wie etwa das Einschlagen von Nägeln und das Anbohren von Wänden innerhalb eines Wohnungseigentumsobjekts (vgl 5 Ob 50/02t) oder die Errichtung eines Maschendrahtzauns und einer Terrassenfläche aus Betonplatten in einem Hausgarten (5 Ob 25/13g), nicht hingegen die Vorverlegung der Außenwand eines Hauses bis an den Vorderrand einer Loggia (5 Ob 258/06m), die Montage eines Klimageräts an der Fassade (5 Ob 204/13f) oder die Zusammenlegung von zwei Zimmern im Dachgeschoss zu einer Kleinwohnung samt Abbruch einer Trennwand sowie Einbau von WC, Bad und drei Dachfenstern (5 Ob 248/18h). Der Streitrichter hat im Konfliktfall ausschließlich über die Genehmigungsbedürftigkeit, nicht hingegen über die Genehmigungsfähigkeit infolge des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 16 Abs 2 WEG und damit über die Verpflichtung zur Duldung einer Änderung zu entscheiden (RS0083156 [T3, T5, T6]).

2.2. Von diesen Rechtsprechungsgrundsätzen sind die Vorinstanzen nicht abgewichen. Die Errichtung des Wintergartens auf der Dachterrasse nicht als bloß bagatellhafte Umgestaltung zu werten, hält sich in dem von der Judikatur vorgegebenen Rahmen und ist daher keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Auch wenn das Berufungsgericht die Feststellung über die Mitursächlichkeit des Wintergartens für Schäden am Haus selbst nicht übernahm, ging es – der Rechtsprechung des Fachsenats (vgl RS0083122; RS0083334) entsprechend – davon aus, dass die Dachterrasse des Hauses als Teil der „Außenhaut“ des Gebäudes und damit im Licht des § 16 Abs 2 Z 2 WEG als allgemeiner Teil der Liegenschaft anzusehen ist. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn dieser Bereich an in Sondernutzung stehende Flächen angrenzt (RS0083122 [T6]). Die an der Außenseite des Hauses befestigte Flugdachkonstruktion auf einer zu einem Wohnungseigentumsobjekt gehörenden Terrasse betrifft daher ebenso einen Bestandteil der Außenhaut (5 Ob 97/09i) wie die auf Stützen einer Balkonüberdachung sowie auf einem außerhalb eines Fensters befindlichen Rollladengehäuse montierte Überwachungskamera (2 Ob 35/13f). Die Wertung der Dachterrasse als Teil der Außenhaut und – daraus folgend – die Inanspruchnahme (auch) allgemeiner Teile des Hauses durch Errichtung des Wintergartens zieht die Revision letztlich auch nicht mehr in Zweifel.

3.1. Die Auslegung von (konkludenten) Willenserklärungen im Einzelfall ist vom Obersten Gerichtshof – von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen – grundsätzlich nicht zu überprüfen (RS0042555 [T11, T16, T18]). Eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zeigen die Revisionswerber nicht auf:

3.2. Nach den Feststellungen verweigerten– unter anderem – die Eltern des Klägers von Anfang an ihre Zustimmung zur Errichtung des Wintergartens ausdrücklich mit der Bemerkung, sie seien streng dagegen und würden nie im Leben zustimmen. Nach dem Sachverhalt bezog sich diese Ablehnung nicht nur auf den Termin, als die Erst‑ oder der Zweitbeklagte persönlich bei ihnen um Zustimmung ersuchten, sondern wurde in weiterer Folge bei Hausversammlungen aufrechterhalten. Wenn die Vorinstanzen dem Umstand, dass keiner der Wohnungseigentümer gegen die bereits im Jahr 2002 erteilte Baubewilligung ein Rechtsmittel erhob, nicht den Erklärungsinhalt zumaßen, sie hätten ohne jeglichen vernünftigen Zweifel (§ 863 ABGB) damit kundgetan, dieser Änderung ihre Zustimmung (doch) zu erteilen, begegnet dies keinen Bedenken im Einzelfall.

4. Die Frage der Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer spielt für die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit des Wintergartens keine Rolle; denkbar ist ja, dass der Errichtung des Wintergartens durch andere Wohnungseigentümer – aus welchen Gründen auch immer – alle übrigen die Zustimmung erteilten oder aber insoweit ein Genehmigungsbeschluss des Außerstreitgerichts vorliegt. Auch insoweit ist eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu erkennen.

5. Damit war die Revision zurückzuweisen.

6.1. Da der Kläger auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, steht ihm Kostenersatz nach §§ 41, 50 ZPO zu. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist aber tatsächlich nur mehr ein Streitwert von 10.000 EUR, zumal die Auffassung des Berufungsgerichts, die insgesamt ursprünglich drei Begehren seien im Zweifel mangels getrennter Bewertung durch den Kläger je zu einem Drittel des Gesamtstreitwerts von 30.000 EUR, somit mit jeweils 10.000 EUR zu bewerten, keinen Bedenken begegnet (vgl Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 2.38). Die Revisionsbeantwortung ist daher nur auf Basis von 10.000 EUR zu honorieren.

6.2. Soweit die Revisionsbeantwortung versucht, die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts in Zweifel zu ziehen, ist ihr entgegenzuhalten, dass Fragen der Kostenentscheidung des Verfahrens zweiter Instanz grundsätzlich nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können (RS0044228), im Kostenpunkt entscheidet die zweite Instanz endgültig (RS0044233).

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