European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124973
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Eine solche Rechtsfrage zeigt die Revisionswerberin im Hinblick auf die im Folgenden dargestellte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (auch) zum Schicksal eines Mietverhältnisses im Fall des Todes des Mieters, den Voraussetzungen für eine Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG und die (materiell- und verfahrensrechtliche) Stellung des nach § 14 Abs 3 MRG Eintrittsberechtigten nicht auf.
1.1. Der Tod einer der Vertragspartner allein führt nicht zur Beendigung des Bestandvertrags. § 1116a Satz 1 ABGB und § 14 Abs 1 MRG normieren ausdrücklich die sich bereits aus § 531 ABGB ergebende Vererblichkeit der Bestandnehmer- und Bestandgeberposition (5 Ob 258/08i).
1.2. Im Fall des Todes des Mieters muss danach unterschieden werden, ob Eintrittsberechtigte nach § 14 Abs 3 MRG vorhanden sind oder nicht: Ist ersteres der Fall, sehen § 14 Abs 2 und 3 MRG eine kraft Gesetzes eintretende Sonderrechtsnachfolge von Todes wegen in das Hauptmietverhältnis über eine Wohnung beim Tod des Hauptmieters vor, welche die allgemeine Erbfolge ausschließt (RIS‑Justiz RS0069664; RS0012202 [T7]). Dieser Eintritt in die Hauptmietrechte erfolgt kraft Gesetzes unabhängig von einer Erklärung des Eintretenden (RS0103062; RS0068257). Fehlt es an eintrittsberechtigten Personen oder wollen diese das Mietverhältnis nicht fortsetzen oder fällt das Mietverhältnis gar nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung, wird das Mietverhältnis zunächst mit der Verlassenschaft, nach der Einantwortung mit dem Erben fortgesetzt (RS0021167 [T5]; RS0021182). Der Eintritt der Erben in den Bestandvertrag vollzieht sich ex lege und bedarf keiner Erklärung (RS0021167 [T8, T11]). Für die Wohnungsmiete gilt in diesen Fällen, dass der Vermieter ein den gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen unterliegendes Bestandverhältnis gemäß § 30 Abs 2 Z 5 MRG kündigen kann; das ändert jedoch nichts daran, dass der Mietvertrag bis zu dessen Kündigung fortbesteht (RS0103727).
1.3. Zusammenfassend ergibt sich also, dass der Tod des Mieters entweder zum Eintritt bestimmter Personen oder zum Übergang des Mietrechts auf die Verlassenschaft oder den/die Erben führt und erst eine Kündigung den Bestandvertrag beendet (5 Ob 258/08i).
2.1. Das Mietverhältnis kann nur gegenüber dem jeweiligen Mieter aufgekündigt werden. Dem Eintrittsberechtigten iSd § 14 Abs 3 MRG, der dem Aufkündigungsverfahren gegen die Verlassenschaft beigetreten ist, kommt (nur) die Stellung eines einfachen Nebenintervenienten zu (1 Ob 148/16w; 8 Ob 71/14w mwN; RS0035603). Er kann im Aufkündigungsverfahren daher nur Einwendungen erheben, die das Rechtsverhältnis der Hauptpartei zum Gegner betreffen, nicht aber Einwendungen kraft eigenen Rechts (1 Ob 148/16w; 8 Ob 71/14w; RS0035474). Insofern und aufgrund der begrenzten Wirkungen des materiell rechtskräftigen Urteils auf den einfachen Nebenintervenienten ist die Aufkündigung der Verlassenschaft gemäß § 30 Abs 2 Z 5 MRG im Fall des Todes des bisherigen Mieters nicht geeignet, das Rechtsverhältnis zwischen dem Vermieter und dem unter Berufung auf seine Eintrittsberechtigung gemäß § 14 Abs 3 MRG Einschreitenden zu klären (9 Ob 12/15b; 2 Ob 607/92; vgl auch RS0000921).
2.2. Dieser Umstand ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass die behauptete Sonderrechtsnachfolge nach § 14 Abs 2 MRG im Verfahren über eine Aufkündigung nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG nicht zu prüfen ist. Mit dem Hinweis auf seine Eintrittsberechtigung bestreitet der Nebenintervenient nämlich die mangelnde Passivlegitimation der beklagten Hauptpartei und das Vorliegen des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 5 MRG. Er erhebt damit Einwendungen, die das Rechtsverhältnis der Hauptpartei zum Gegner betreffen (vgl 8 Ob 71/14w).
2.3. Analoges gilt für die von der Nebenintervenientin in diesem Verfahren aufgestellten Behauptungen, (nur) ihr komme infolge des konkludenten Abschlusses eines eigenen Mietvertrags Mieterstellung zu und die Vermieterin habe auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes durch nicht gehörige Einleitung und Fortsetzung des Verfahrens schlüssig verzichtet.
3.1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG liegt vor, wenn die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen (§ 14 Abs 3 MRG) dienen. Nach § 14 Abs 3 MRG sind unter anderem Verwandte in gerader Linie eintrittsberechtigt, sofern diese Personen ein dringendes Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Für das Wirksamwerden der Sonderrechtsnachfolge nach § 14 Abs 2 MRG ist es erforderlich, dass im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters alle diese gesetzlichen Eintrittsvoraussetzungen vorliegen (4 Ob 16/18h). Mit der Behauptung und dem Beweis des Vorliegens aller Eintrittsvoraussetzungen gemäß § 14 Abs 3 MRG ist derjenige belastet, der behauptet, eintrittsberechtigt zu sein, oder der vorbringt, dass der vom Vermieter geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG wegen einer eintrittsberechtigten Person nicht verwirklicht sei (4 Ob 16/18h; RS0107852).
3.2. Gemeinsamer Haushalt iSd § 14 Abs 3 MRG setzt ein auf Dauer berechnetes gemeinsames Wohnen und Wirtschaften voraus (RS0069741 [T2]); der Angehörige muss seinen Lebensschwerpunkt in der aufgekündigten Wohnung haben (RS0068296 [T12, T14, T15]).
3.3. Bei der Frage, ob die Voraussetzungen eines gemeinsamen Haushalts iSd § 14 Abs 3 MRG (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) vorliegen, handelt es sich um eine solche des Einzelfalls (RS0043702). Eine solche Beurteilung kann daher nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen, wenn dem Berufungsgericht eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Das ist hier nicht der Fall. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Nebenintervenientin zwar ihren Vater gemeinsam mit einer Pflegerin gepflegt und dabei auch den Haushalt für ihn geführt, dabei aber in der aufgekündigten Wohnung nicht genächtigt, sondern ständig mit ihrer Mutter, ihren drei Töchtern und ihrem Mann in einer (anderen) Mietwohnung gewohnt. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass daher kein gemeinsamer Haushalt der Nebenintervenientin mit ihrem verstorbenen Vater bestanden habe, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl RS0069754).
3.4. Mangels gemeinsamer Haushaltsführung kommt es auf das dringende Wohnbedürfnis der Nebenintervenientin an der aufgekündigten Wohnung nicht mehr an (3 Ob 164/18s).
4.1. Die Vorschreibung bzw unbeanstandete Annahme eines bezahlten Entgelts für die dem anderen eingeräumte Benützung von Räumen durch längere Zeit kann zwar grundsätzlich zu einem konkludenten Abschluss eines Bestandverhältnisses führen (RS0082191 [T1]). Ob – wie von der Nebenintervenientin in diesem Verfahren behauptet – durch die Annahme von Mietzinsen schlüssig ein Mietvertrag zustande gekommen ist, hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (4 Ob 52/13w; RS0081754).
4.2. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann allein aus dem Umstand, dass die Nebenintervenientin nach dem Tod ihres Vaters die Bestandzinse für das aufgekündigte Objekt bezahlt und die Klägerin diese angenommen hat, nicht mit der dafür notwendigen Sicherheit darauf geschlossen werden, dass die Klägerin mit der Nebenintervenientin einen Bestandvertrag über diese Wohnung schließen habe wollen. Zwischen der Nebenintervenientin und Vertretern der Klägerin hätten nämlich Gespräche wegen eines „allfälligen Mietrechtseintritts“ stattgefunden, der von der Klägerin jedoch bestritten bzw verweigert worden sei. In dieser Beurteilung liegt unabhängig von der Intensität dieser Gespräche keine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung.
5.1. Der Grundsatz, dass Auflösungs- und Kündigungsgründe ohne unnötigen Aufschub geltend zu machen sind (RS0014427), muss unter dem Blickwinkel eines nachträglichen schlüssigen Verzichts auf einen Auflösungs- oder Kündigungsgrund geprüft werden (3 Ob 186/17z; RS0014427 [T5]).
5.2. Als Behauptung eines solchen Verzichts ist auch der Einwand der Nebenintervenientin zu verstehen, die Klägerin habe das Verfahren zufolge eines erst rund fünf Monate nach Ablauf der Ruhensfrist gestellten Fortsetzungsantrags nicht gehörig fortgesetzt. Die Unterlassung der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens ist kein eigener selbständiger Verjährungsgrund. Die gehörige Fortsetzung ist vielmehr eine Voraussetzung für die durch die Einbringung der Klage grundsätzlich bewirkte Unterbrechung einer allfälligen – im vorliegenden Fall nicht im Raum stehenden – Verjährung (RS0034573).
5.3. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein schlüssiger Verzicht auf ein Recht vorliegt, ist besondere Zurückhaltung und Vorsicht geboten. Er darf immer nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist (RS0014190, RS0014229). Im Zweifel ist ein konkludenter Verzicht des Vermieters auf das Kündigungsrecht nicht anzunehmen (RS0014416 [T2]). Ob nach den Umständen des Einzelfalls ein Verzicht anzunehmen ist oder nicht, ist im Regelfall – und auch hier – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0107199).
6. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
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