OGH 4Ob52/13w

OGH4Ob52/13w17.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erwin Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) Mag. M***** S*****, und 2.) I***** H*****, beide vertreten durch Mag. Alfred Witzlsteiner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. November 2012, GZ 4 R 295/12d-27, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 6. August 2012, GZ 26 C 1199/11t-21, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 818,66 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 136,44 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 26. April 2011 fand in der Wohnung, deren Vermietung die Klägerin anstrebte, eine Besprechung beider Beklagten mit dem Vormieter der Wohnung und dem Geschäftsführer der Klägerin statt, bei der sich der Geschäftsführer der Klägerin mit dem Erstbeklagten darauf einigte, dass der Mietzins so hoch bleiben sollte wie beim Vormieter. Über die Betriebskosten wurde gesprochen, der Nettomietzins sollte bei 1.900 EUR und die Betriebskosten bei 300 EUR monatlich liegen. Es kann nicht festgestellt werden, ob der Geschäftsführer der Klägerin eine Kaution wünschte und allenfalls in welcher Höhe. Ebenso wenig kann festgestellt werden, ob er ausdrücklich sagte, der Vertrag solle erst gültig sein, wenn er schriftlich abgeschlossen werde. Auch wenn der genaue Wortlaut der Gespräche nicht geklärt werden konnte, war es doch so, dass die Beklagten die Wohnung ab 1. Mai 2011 nutzen können sollten. Der Geschäftsführer der Klägerin bekam gesprächsweise mit, dass der Vormieter den Beklagten Schlüssel zur Wohnung geben werde. Der Geschäftsführer der Klägerin meinte, der Erstbeklagte solle in sein Büro kommen, dass man einen Mietvertrag aufsetze. Nicht festgestellt werden kann auch, ob der Erstbeklagte bereits am 26. April 2011 äußerte, dass für ihn noch nicht klar sei, ob seine Lebensgefährtin, er selbst, sein Bruder oder eine GmbH als Mieter auftreten werde, und zwar in einem schriftlichen Vertrag. Es gab ein Hin und Her der Vertragsentwürfe, zur Unterfertigung eines schriftlichen Mietvertrags kam es nicht.

Am 19. Mai 2011 waren beide Beklagten im Büro des Geschäftsführers der Klägerin. Der Erstbeklagte übergab dem Geschäftsführer der Klägerin 6.600 EUR in bar, die er ihm für Miete und Betriebskosten von Mai bis Juli 2011 übergab. Der Geschäftsführer der Klägerin bestätigte ihm schriftlich (in seiner Handschrift) diese Zahlung mit dem Text: „Betrifft: DG-Allee 92 EUR 6.600 Miete 05/06/07 inkl. BK erhalten am 19. 5. 2011.“ Die Zweitbeklagte erhielt noch im Mai 2011 von der Sekretärin der Klägerin einen dritten Schlüssel für die Wohnung.

Die Klägerin begehrte, die beiden Beklagten zur Räumung der gegenständlichen Wohnung zu verpflichten, weil sie diese titellos benützten. Zwar habe die Klägerin die Absicht gehabt, ein Mietverhältnis mit den Beklagten zu begründen, der Geschäftsführer der Klägerin habe den Mietvertragsabschluss aber der Unterzeichnung einer schriftlichen Vertragsurkunde vorbehalten. Da es nicht einmal zu einer Einigung gekommen sei, wer Mieter werden sollte, und keine Vertragsurkunde unterzeichnet worden sei, hätten die Beklagten keinen Rechtstitel zur Benützung der Wohnung.

Die Beklagten wendeten ein, die Wohnung aufgrund der mündlichen Vereinbarung vom 26. April 2011 um einen Pauschalmietzins von 2.200 EUR monatlich, zahlbar für drei Monate im Vorhinein, gemietet zu haben.

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab, der Geschäftsführer der Klägerin habe den Beklagten die Wohnung ab 1. Mai 2011 zur Benützung überlassen, wofür ein Mietzins von 1.900 EUR und eine Betriebskostenzahlung von 300 EUR monatlich vereinbart gewesen sei. Dadurch sei ein gültiger Mietvertrag zustande gekommen.

Das Berufungsgericht gab dem Räumungsbegehren über Berufung der Klägerin hingegen statt und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die Revision mangels Vorliegens einer über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage nicht zulässig sei. Ein mündlicher Mietvertrag sei am 26. April 2011 nicht wirksam zustande gekommen. Es sei lediglich darüber gesprochen worden, dass der Nettomietzins bei 1.900 EUR und die Betriebskosten bei 300 EUR liegen sollten. Abgesehen davon, dass damit eine ziffernmäßige Festlegung des konkret zu leistenden Mietzinses nicht erfolgt sei, hätte der Mietzins nach der weiteren Feststellung so hoch bleiben sollen wie beim Vormieter. Aus dessen Mietverträgen ergebe sich aber, dass der vom Vormieter monatlich zu leistende Mietzins einschließlich Betriebskosten 2.144 EUR netto betragen hätte. Über die weiteren Konditionen des Bestandverhältnisses (Kaution, Befristung, Wertsicherung, Betriebskostenakonto-zahlung etc) sei am 26. April 2011 überhaupt nicht gesprochen worden, auch sei die Person des Mieters (Erstbeklagter oder Zweitbeklagte oder gemeinsam) nicht festgestanden. Der Bestandvertrag sollte daher - entsprechend der auch festgestellten Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin - dadurch zustande kommen, dass der Erstbeklagte in das Büro der Klägerin komme, um dort einen Mietvertrag aufzusetzen. Mangels späterer schriftlicher Unterfertigung eines solchen Mietvertrags könne vom wirksamen Zustandekommen eines Bestandverhältnisses nicht ausgegangen werden. Die Schlüsselübergabe sei unter der Prämisse erfolgt, später komme ein schriftlicher Mietvertrag zustande; dies gelte auch für die Mietzinszahlung der Beklagten und die diesbezügliche Bestätigung des Geschäftsführers der Klägerin. Auch diese Bestätigung sei lediglich unter der Voraussetzung zu verstehen, der zu diesem Zeitpunkt noch für möglich erachtete Abschluss eines schriftlichen Mietvertrags komme zustande. Da aber kein Mietvertrag zustande gekommen sei, erweise sich das Räumungsbegehren der Klägerin wegen titelloser Benützung als berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Klageabweisung anstreben, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (nachträglichen) Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung ist dem Berufungsgericht nicht vorzuwerfen, ohne Wiederholung oder Ergänzung des Beweisverfahrens vom Erstgericht abweichende Tatsachenfeststellungen getroffen zu haben. Das Berufungsgericht unterzog lediglich die vom Erstgericht getroffenen (teilweise negativen) Feststellungen einer abweichenden rechtlichen Beurteilung.

Die Berücksichtigung des Inhalts einer in den Feststellungen der Vorinstanzen - wenn auch ohne wörtliche Wiedergabe - enthaltenen Urkunde (hier Mietverträge des Vormieters), deren Echtheit überdies zugestanden wurde, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung erfordert nicht die amtswegige Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (RIS-Justiz RS0121557).

Im Übrigen ist es ohne Relevanz für die Beurteilung des Zustandekommens des von den Beklagten behaupteten und daher nach allgemeinen Beweislastregeln von ihnen zu beweisenden Mietvertrags, ob (bloß) nicht festgestellt werden konnte, ob über die Person des Mieters schon am 26. April 2011 oder über eine Kaution oder andere Nebenbestimmungen gesprochen wurde oder die diesbezügliche Feststellung des Nichtereignisses angenommen wurde. Beides fällt den beweisbelastenden Beklagten zur Last.

Für das Zustandekommen eines Vertrags ist die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlusswillens erforderlich. Eine Einigung der Parteien über den Vertragsinhalt ist erst anzunehmen, wenn über sämtliche Vertragsbestimmungen Einigkeit besteht. Solange über einzelne Vertragsbestimmungen - wesentliche oder unwesentliche - Fragen noch offen sind, ist der Vertrag nicht zustande gekommen (RIS-Justiz RS0038607, RS0013972, vgl RS0013973, RS0013984). Trotz unvollständiger Vereinbarung kommt ein Vertrag dann zustande, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass sich die Parteien ohne Rücksicht auf die offen gebliebene Frage endgültig binden wollen. Diese Absicht der Parteien muss allerdings deutlich erkennbar sein. Anzeichen für den endgültigen Bindungswillen der Parteien ist insbesondere der Beginn mit der Erfüllung (6 Ob 190/10z mwN).

Ob rechtsgeschäftliche Erklärungen im Einzelfall richtig ausgelegt wurden, ist nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936, RS0044298, RS0044358). Die Vorschreibung bzw unbeanstandete Annahme eines regelmäßig auch bezahlten Entgelts für die dem anderen eingeräumte Benützung von Räumen durch längere Zeit kann grundsätzlich zu einem konkludenten Abschluss eines Bestandverhältnisses führen (RIS-Justiz RS0082191). Ob durch die Annahme der Mietzinse von den Beklagten schlüssig ein Mietvertrag zustande gekommen ist, ist aber eine Frage, die nur für den Einzelfall Bedeutung hat (RIS-Justiz RS0081754).

Es ist trotz der Vermutung des § 884 ABGB möglich, dass die Parteien den Vertrag bereits mündlich bindend abgeschlossen haben und die über den Vertrag zu errichtende Urkunde nur deklarative Bedeutung haben soll; dies muss aber von dem dies Behauptenden bewiesen werden (RIS-Justiz RS0017286).

Wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ob eine Offerte inhaltlich ausreichend bestimmt ist und insbesondere, ob in ihr ein endgültiger Bindungswille des Antragstellers zum Ausdruck kommt, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und bildet keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042555).

Es bildet keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht wegen der Unklarheit über die Person des Vertragspartners auf Mieterseite bei den Vertragsgesprächen und späteren Vertragsentwürfen nicht vom in der Rechtsprechung geforderten Abschlusswillen ausging. Auch das Verständnis der vom Geschäftsführer der Klägerin ausgestellten Quittung über erhaltene „Mietzinszahlungen“ als nach den konkreten Umständen unter der Bedingung abgegeben, dass später ein (schriftlicher) Mietvertrag zustande kommt, ist vertretbar. Auch wenn nach den getroffenen Feststellungen ein ausdrücklicher Formvorbehalt für den Mietvertragsabschluss zwischen den Streitteilen nicht vorliegt, ist doch die Aufforderung des Geschäftsführers der Klägerin festgestellt, zum Aufsetzen des Mietvertrags in sein Büro zu kommen. Dies spricht eindeutig dagegen, dass die Klägerin vor Unterfertigung eines schriftlichen Mietvertrags gebunden sein wollte.

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagten haben der Klägerin gemäß §§ 41 und 50 ZPO die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, weil die Beklagten auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwiesen, weshalb diese als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen war.

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