European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00177.18T.1106.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Der Antrag des Antragstellers auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Der Antrag des Antragstellers, dem Beschluss des Erstgerichts vom 25. Oktober 2017, GZ 6 Msch 45/16d‑29, vorläufige Vollstreckbarkeit zuzuerkennen, wird abgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Außerordentlicher Revisionsrekurs
1.1. Gegenstand des Verfahrens ist derAntrag eines Mit‑ und Wohnungseigentümers auf Auflösung des Verwaltungsvertrags wegen grober Vernachlässigung der Verwalterpflichten (§ 21 Abs 3 WEG).
1.2. Zu den Voraussetzungen dieses Individualrechts eines Mit‑ und Wohnungseigentümers existiert bereits umfangreiche Judikatur (RIS‑Justiz RS0083249; RS0101593; RS0111894 ua). Ob ausgehend von diesen Grundsätzen ausreichende Gründe vorliegen, den Verwaltungsvertrag auf Antrag eines Mit- und Wohnungseigentümers aufzulösen, lässt sich immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen (RIS‑Justiz RS0111893). Die Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten des Verwalters als grobe Vernachlässigung seiner Pflicht zu werten ist, eröffnet dabei einen gewissen Beurteilungsspielraum. Solange die Vorinstanzen ihre Entscheidung innerhalb dieses Beurteilungsspielraums treffen, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS‑Justiz RS0042763).
1.3.1. Der Revisionsrekurs zeigt auch keine Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht auf, die ungeachtet der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung im Interesse der Rechtssicherheit durch den Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste.
1.3.2. Die Erstantragsgegnerin schritt in mehreren Bauverfahren unter Berufung auf die ihr dafür von den Mit- und Wohnungseigentümern erteilten Spezialvollmachten als Vertreterin der Grundeigentümer und Bauwerber ein. Die Baubehörde hatte die Erfüllung diverser Verpflichtungen aus lange vor Begründung des Wohnungseigentums und vor Bestellung der Erstantragsgegnerin zur Verwalterin erteilten Baubewilligungen eingefordert. Die damals vorgenommenen baulichen Veränderungen wichen zum Teil nicht nur vom baubehördlichen Konsens ab, sie waren auch gar nicht bewilligungsfähig. Um den Aufträgen der Baupolizei dennoch nachkommen zu können, erstattete die Erstantragsgegnerin in Absprache und im Zusammenwirken mit dem von ihr beauftragten Sachverständigen mehrere teilweise unrichtige Fertigstellungsanzeigen, wobei ihr die jeweilige Unrichtigkeit bewusst war bzw im Fall der Errichtung einer Aufzugsanlage zumindest bewusst sein hätte müssen. Gegenüber dem Sachverständigen gab die Erstantragsgegnerin eine „Enthaftungserklärung“ ab. Die Mit- und Wohnungseigentümer informierte die Erstantragsgegnerin ungenügend; sie klärte sie weder über die baurechtliche Problematik noch den von ihr gewählten „Lösungsweg“ auf. Die Fertigstellungsanzeigen erfolgten im Jahr 2011, danach blieb die Erstantragsgegnerin trotz ihres Wissens bzw Wissenmüssens um den konsenswidrigen Zustand untätig, bis die Baubehörde neuerlich einschritt und im Juli 2015 nach vorangegangenen Begehungen erneut entsprechende Bauaufträge erteilte.
1.3.3. Das Rekursgericht qualifizierte die Vorgangsweise des Geschäftsführers der Erstantragsgegnerin als gravierenden Vollmachtsmissbrauch gegenüber allen Eigentümern, weil ihm klar sein habe müssen, dass er mit den unrichtigen Fertigstellungsanzeigen keineswegs im Interesse der Eigentümer gehandelt habe. Er hätte die Eigentümer über die Sachlage, ihre Möglichkeiten und die Konsequenzen ihrer Entscheidungen umfassend aufklären und sie darin unterstützen müssen, eine nachhaltige Lösung zu finden. Die Pflichtverletzung liege zwar schon Jahre zurück, aber der durch diese Fehlleistung prolongierte konsenswidrige Zustand dauere nach wie vor und nur deshalb an, weil der Geschäftsführer der Erstantragsgegnerin mit seinem Verhalten verhindert habe, dass überhaupt eine nachhaltige Lösung gesucht werde. Daher könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Wahrnehmung der Interessen der Wohnungseigentümer in Zukunft gesichert wäre.
1.3.4. Die Auffassung des Rekursgerichts, dieses Verhalten der Erstantragsgegnerin begründe so gewichtige Bedenken gegen deren Treue‑ und Interessenwahrungspflicht, dass die Auflösung des Verwaltungsvertrags nach § 21 Abs 3 WEG gerechtfertigt sei, ist vertretbar. Entgegen der Auffassung der Erstantragsgegnerin kommt es im vorliegenden Fall für diese Beurteilung nicht entscheidend darauf an, dass die Erstantragsgegnerin im gegebenen Zusammenhang aufgrund von Spezialvollmachten namens der Mit- und Wohnungseigentümer gehandelt und damit keine Maßnahme im Rahmen der Verwaltung der Liegenschaft gesetzt haben mag. Denn unabhängig von der Frage, inwieweit die Vorbereitung und Begleitung von Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung oder Verfügungsmaßnahmen vom Geschäftsbesorgungsauftrag eines Verwalters nach dem WEG umfasst sind (vgl 5 Ob 11/15a) hat die Erstantragsgegnerin hier jedenfalls gegenüber den Wohnungseigentümern hinsichtlich ihrer Handlungskompetenz nicht ausreichend klar differenziert und sich in dem Informationsschreiben, das der Erteilung der Spezialvollmachten zugrunde lag, sogar ausdrücklich auf die ordentliche Verwaltung und Deckung der Kosten dieser Maßnahmen durch die Rücklage berufen. Auch mit seiner aus dem nachfolgenden Verhalten der Erstantragsgegnerin abgeleiteten negativen Zukunftsprognose verlässt das Rekursgericht den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum nicht.
1.4. Der Revisionsrekurs war daher mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
2. Revisionsrekursbeantwortung
Die vor Freistellung durch den Obersten Gerichtshof erstattete Revisionsrekursbeantwortung des Antragstellers diente nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Dafür gebührt kein Kostenersatz (RIS‑Justiz RS0124792).
3. Zuerkennung vorläufiger Vollstreckbarkeit
3.1. Das AußStrG geht grundsätzlich von der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels aus; der Eintritt der Wirkungen eines Beschlusses wird bis zu dessen Rechtskraft gehemmt (§ 43 Abs 1 AußStrG). Das Gericht kann einem Beschluss aber gemäß § 44 AußStrG – sofern es sich nicht um eine Personenstandsache handelt – vorläufige Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit zuerkennen (RIS‑Justiz RS0124572). Zuständig ist jeweils das Gericht, bei dem das Verfahren gerade anhängig ist (1 Ob 179/11x).
3.2. In den wohnrechtlichen Außerstreitverfahren kommt die Zuerkennung vorläufiger Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit nicht in Betracht. In diesen ist § 44 AußStrG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht anzuwenden (§ 37 Abs 3 Z 13 MRG; § 52 Abs 2 WEG; § 22 Abs 4 WGG).
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