OGH 1Ob84/18m

OGH1Ob84/18m29.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers H* K*, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Mag. E* D*, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. April 2018, GZ 44 R 110/18d‑114, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 26. Jänner 2018, GZ 4 Fam 1/14k‑109, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E121918

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Vorinstanzen bezogen die Ehewohnung mit der Begründung, sie sei von den Ehegatten in die Ehe eingebracht worden und habe mit ehelichen Mitteln keine überwiegende Wertsteigerung erfahren, nicht in die Aufteilung ein.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurswerber bemängelt, dass nur deren Verkehrswert im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft im Mai 2013 mit 561.000 EUR und jener im Juli 2015 mit 613.000 EUR festgestellt worden seien, und meint, zur Beurteilung der Frage eines Überwiegens der ehelichen Wertschöpfung seien weitere Feststellungen, insbesondere zum Verkehrswert der Wohnung im Zeitpunkt der Eheschließung, unentbehrlich. Entgegen seiner Ansicht setzte sich das Rekursgericht mit seiner Entscheidung, die eingebrachten Liegenschaftsanteile mangels Überwiegens der Wertschöpfung mit ehelichen Mitteln nicht iSd § 82 Abs 1 Z 1 EheG aufzuteilen (vgl dazu RIS‑Justiz RS0130671; RS0057386; RS0057681), nicht in Widerspruch zur höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weil sich diese Frage auch ohne Verfahrensergänzung anhand der getroffenen Feststellungen bereits zweifelsfrei beantworten lässt:

Die damaligen Lebensgefährten hatten die Miteigentumsanteile fast vier Jahre vor Eheschließung um einen Kaufpreis von 312.000 EUR erworben. Die Behauptung des Antragsstellers, es hätten die Kosten der Bauarbeiten für die – nach den Feststellungen noch vor Eheschließung erfolgte – Fertigstellung der Wohnung ungefähr 260.000 EUR betragen, hat die Antragsgegnerin gar nicht näher bestritten. Der Kaufpreis, die Kosten der Fertigstellung und der Einrichtung wurden mit vorehelichen Ersparnissen und zwei Krediten (darunter ein endfälliger Fremdwährungskredit über aufgenommene 370.000 EUR, der im Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft mit rund 480.000 EUR und im Juli 2017 mit 487.000 EUR aushaftete) finanziert. Das Girokonto, über das nicht nur alle Zahlungen für die Wohnung, die Tilgungsträger, Lebensversicherungen und Zinsen sowie die Rückzahlungen auch des später aufgenommenen Kredits erfolgte, sondern auch jene für Urlaube, die gemeinsame Lebensführung und die Tochter, wurde während der ehelichen Gemeinschaft von beiden Parteien bedient, und zwar durch monatliche Überweisungen von den jeweiligen Gehaltskonten in Höhe von 1.500 EUR.

Da die eheliche Gemeinschaft nur wenig länger als zweieinhalb Jahre währte, ist schon anhand dieser Beträge ohne jeden Zweifel ersichtlich, dass mit den ehelichen Beiträgen zur Finanzierung eine überwiegende Wertsteigerung (durch Tilgung des Abzahlungskredits und Ansparung zur Rückzahlung des endfälligen Kredits) nicht erzielt worden sein konnte.

Eine erhebliche Rechtsfrage kann der Revisionsrekurswerber auch zur unterbliebenen Einbeziehung der Ehewohnung nach § 82 Abs 2 EheG nicht aufzeigen. Dass ein dringendes Wohnbedürfnis nach dieser Bestimmung voraussetzt, dass eine existentielle Bedrohung im Sinne einer länger dauernden Obdachlosigkeit anzunehmen ist, hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen (RIS‑Justiz RS0058357 [T6]; RS0058370; RS0058382 [T1, T2]). Ein existenzielles Angewiesensein auf eine bestimmte Wohnung wird etwa dann verneint, wenn schon das laufende Einkommen den ehemaligen Ehegatten in die Lage versetzt, sich eine – wenn auch bescheidene – Wohnmöglichkeit selbst zu finanzieren (1 Ob 95/15z = RIS‑Justiz RS0058370 [T6]; vgl auch RS0058355). Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen einer vitalen Existenzgefährdung aufgrund einer „allenfalls anzunehmenden“ Beeinträchtigung beruflicher Interessen und führte dazu aus, es komme – abgesehen vom festgestellten ausreichenden Einkommen des Antragstellers, das zu berücksichtigen sei – hinzu, dass die Abweisung seiner auf Zuweisung der Wohnung gerichteten (Eventual‑)Anträge noch nicht zum Verlust der Wohnmöglichkeit führe, werde er sie doch aufgrund seines Miteigentums und der bisherigen Benützungsregelung weiter benützen können. Im Fall der Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft (durch Zivilteilung) stehe ihm ein entsprechender Wertanteil zu. Diese Beurteilung folgt den vom Höchstgericht entwickelten Leitlinien zu § 82 Abs 2 EheG.

Einer weitergehenden Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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