European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E121701
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Den außerordentlichen Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 517,52 EUR (darin 86,25 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die erstbeklagte GmbH ist im Firmenbuch des Handelsgerichts W* zu FN * mit dem Sitz in Wien eingetragen und betreibt in * W*, den Gastronomiebetrieb O*. Gesellschafter mit jeweils 47,5 % Anteilen sind der Kläger und die Zweitbeklagte, Minderheitsgesellschafterin mit 5 % Anteilen ist X* D* (in der Folge: „Minderheitsgesellschafterin“). In Punkt 4. des Gesellschaftsvertrags der Erstbeklagten ist als Gegenstand des Unternehmens Gastronomie sowie Handel mit Waren aller Art angeführt. In Punkt 8. ist festgehalten, dass Beschlüsse durch einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden.
Alleingeschäftsführer der Erstbeklagten war zunächst der Kläger; er wurde jedoch am 14. 11. 2017 mit Gesellschafterbeschluss abberufen, zur neuen Alleingeschäftsführerin wurde die Zweitbeklagte bestellt. Diesen Gesellschafterbeschluss bekämpfte der Kläger zunächst gemäß § 41 GmbHG wegen Zustellungsmängeln; am 7. 3. 2018 schränkte er jedoch das Klagebegehren auf Kosten ein, nachdem am 21. 12. 2017 die Generalversammlung neuerlich die Umbestellung der Alleingeschäftsführung beschlossen hatte. Der Beschlussfassung vom 14. 11. 2017 waren Konflikte zwischen den Gesellschaftern vorausgegangen, in deren Zug zwischen dem Kläger einerseits und der Zweitbeklagten sowie der Minderheitsgesellschafterin andererseits über den Verkauf der gesamten Geschäftsanteile an den Kläger verhandelt worden war; über einen Verkauf des Unternehmens an einen Dritten war dabei allerdings nie gesprochen worden. Dem Kläger war vielmehr angeboten worden, den Geschäftsanteil der Zweitbeklagten um insgesamt 560.000 EUR zu übernehmen; die auf den Anteil der Zweitbeklagten entfallenden Schulden der Erstbeklagten hätten den Kaufpreis nicht gemindert.
Am 5. 12. 2017 schloss die Erstbeklagte, vertreten durch die Zweitbeklagte, einen Unternehmenskaufvertrag mit der (mit Gesellschaftsvertrag vom selben Tag errichteten und erst am 12. 12. 2017 im Firmenbuch eingetragenen) ON* GmbH ab, aufgrund dessen die Erstbeklagte die Aktiva ihres Unternehmens (Mietrechte, Geschäftsausstattung, Lager, Kundenverträge, Kundenstock, Kundendateien, Genehmigungen, Lizenzen, Namensrechte, geistige Eigentumsrechte, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, good will) um netto 480.000 EUR veräußerte. Ausdrücklich vereinbart wurde, dass die Käuferin keine Verbindlichkeiten – seien diese bekannt oder unbekannt, fällig oder noch nicht fällig – übernimmt, insbesondere nicht solche, die wegen der Fortführung des Unternehmens von Dritten gegen die Käuferin geltend gemacht werden könnten; diesbezüglich wurde eine Schad- und Klagloshaltung der Käuferin durch die Erstbeklagte vereinbart. Nach Punkt 5. des Vertrags ging das Unternehmen mit Ablauf des 31. 12. 2017 rechtlich und wirtschaftlich auf die Käuferin über. Der Kläger wusste von diesem Kaufvertrag nichts und hätte diesem auch nicht zugestimmt.
Die Käuferin ist zu FN * im Firmenbuch eingetragen. Gesellschafter sind C* L*, der auch Geschäftsführer ist, mit einer Stammeinlage von 21.000 EUR, Y* C*, geboren am 1. 8. 1994, und K* Y*, geboren am 27. 5. 1994, jeweils mit einer Stammeinlage von 7.000 EUR; letzterer ist der Neffe des Ehemanns der Zweitbeklagten, seine Wohnadresse ist die private Familienadresse der Schwester des Ehemanns der Zweitbeklagten.
Am 21. 12. 2017 fand eine Generalversammlung der Erstbeklagten statt, bei der die Zweitbeklagte und die Minderheitsgesellschafterin, somit 52,5 %, durch deren Vertreterin für die Zustimmung zum Unternehmenskaufvertrag stimmten, der Vertreter des Klägers stimmte dagegen.
Der Bestandzins, welchen die Erstbeklagte für die Bestandobjekte bezahlt, ist äußerst günstig, weil der Bestandgeber gewollt hatte, dass der Kläger im Bestandobjekt ein Lokal eröffnet.
Der Jahresüberschuss (Jahresergebnis) der Erstbeklagten betrug im Jahr 2016 44.671,26 EUR und im Jahr 2015 71.278,60 EUR. Ihr Eigenkapital war in der Bilanz zum 31. 12. 2016 mit 203.791,14 EUR (Stammkapital 35.000 EUR, Bilanzgewinn 168.791,14 EUR) und in der Bilanz zum 31. 12. 2015 mit 159.119,88 EUR ausgewiesen. Der vereinbarte Kaufpreis beträgt somit das rund 10,7‑fache des Jahresergebnisses 2016 beziehungsweise das 6,7‑fache des Jahresergebnisses 2015 und übersteigt das buchmäßige Eigenkapital zum 31. 12. 2016 um 276.208,86 EUR. Er übersteigt auch die Verbindlichkeiten der Erstbeklagten, die mit 412.035,80 EUR im Jahr 2016 und mit 423.207,30 EUR im Jahr 2015 ausgewiesen sind.
Daraus – so das Erstgericht – ergebe sich, dass der vereinbarte Kaufpreis nicht gänzlich unverhältnismäßig sei, auch wenn der Ausschluss der Übernahme von Verbindlichkeiten im Unternehmenskaufvertrag unüblich und ungünstig erscheine.
Der Kläger begehrt mit seiner seit 28. 12. 2017 gerichtsanhängigen Klage die Nichtigerklärung des in der Generalversammlung vom 21. 12. 2017 gefassten Beschlusses über die Genehmigung des Kaufvertrags und die Unterlassung einer Übertragung der mit dem Kaufvertrag verkauften und zum Geschäftsbetrieb des Unternehmens „O*“ gehörenden und erforderlichen Rechte, Wirtschaftsgüter und immateriellen Vermögensgüter an die Käuferin ohne genehmigenden Generalversammlungsbeschluss mit einer Mehrheit von zumindest 75 %, sonst die Vollziehung des Kaufvertrags vom 5. 12. 2017 und/oder sonst die Ausführung des am 21. 12. 2017 gefassten Beschlusses auf Verkauf des Unternehmens und/oder den Abschluss eines im Wesentlichen inhaltsgleichen oder ähnlichen Unternehmenskaufvertrag mit einer dritten Person ohne einen genehmigenden Generalversammlungsbeschluss mit Mehrheit von zumindest 75 %. Hilfsweise strebt er die Verpflichtung der Beklagten zur ungeteilten Hand an, darauf hinzuwirken, dass mit allen rechtlich zu Gebote stehenden Mitteln der am 5. 12. 2017 abgeschlossene Unternehmenskaufvertrag angefochten und/oder rückabgewickelt wird, beziehungsweise die Feststellung der Haftung der Zweitbeklagten gegenüber der Erstbeklagten für alle Schäden aus dem rechtswidrigen Abschluss dieses Kaufvertrags, wobei insoweit Leistung der Zweitbeklagten an die Erstbeklagte begehrt wird.
Das Erstgericht wies – ohne Anhörung der Beklagten – den zur Sicherung der Ansprüche des Klägers geltend gemachten Sicherungsantrag ab. Es ging unter Hinweis auf die die „Holzmüller-Doktrin“ erwähnende Entscheidung 6 Ob 77/14p davon aus, dass die Missachtung von gesellschaftsrechtlichen Zustimmungsvorbehalten nichts an der Wirksamkeit der Geschäftsführungsmaßnahme ändere und der Kaufvertrag damit wirksam zustande gekommen sei. Ein kollusives Verhalten der Zweitbeklagten mit der Käuferin sei nicht gegeben, weil sich allein aus dem Umstand, dass zwei der Gesellschafter relativ jung seien und einer der Neffe des Ehemanns der Zweitbeklagten sei, ein solches Verhalten noch nicht ableiten ließe; zudem sei der Kaufpreis nicht gänzlich unverhältnismäßig, auch wenn der Ausschluss der Übernahme von Verbindlichkeiten im Unternehmens-kaufvertrag unüblich und ungünstig und die zeitliche Abfolge verdächtig erschienen.
Das Rekursgericht verbot (soweit dies noch für das Revisionsrekursverfahren von Bedeutung ist) der Erstbeklagten die Ausführung des Generalversammlungs-beschlusses vom 21. 12. 2017 auf Genehmigung des Unternehmenskaufvertrags vom 5. 12. 2017, insbesondere die Übergabe des Unternehmens oder der dazugehörigen Vermögenswerte, und der Zweitbeklagten die Übertragung der mit diesem Kaufvertrag verkauften und zum Geschäftsbetrieb des Unternehmens „O*“ gehörenden und erforderlichen Rechte, Wirtschaftsgüter und immaterielle Vermögensgüter an die Käuferin sowie Abschluss und Vollziehung eines ähnlichen Rechtsgeschäfts, welches auf Veräußerung des Unternehmens der Erstbeklagten gerichtet ist, ohne einen genehmigenden Generalversammlungs-beschluss mit einer Mehrheit von zumindest 75 %. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich jeder der Beklagten 30.000 EUR übersteigt und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist.
In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht die Auffassung, der Genehmigungsbeschluss sei nicht mit der erforderlichen Mehrheit ergangen, stelle doch der Abschluss von Unternehmensverträgen iSd § 238 AktG wie auch die Veräußerung des gesamten, also des wesentlichen Geschäftsbetriebs eine materielle Satzungsänderung dar, die nach § 50 Abs 1 und 3 GmbHG zumindest einer Mehrheit von 75 % bedurft hätte. Der durch die Vollziehung des Beschlusses eintretende Schaden wäre unwiederbringlich, weil hiefür schon ein drohender Kundenverlust ausreiche; im Übrigen würde eine Schmälerung des good will eintreten. Das Verbot gegenüber der Erstbeklagten stütze sich auf § 42 Abs 4 GmbHG. Die Zweitbeklagte sei als Geschäftsführerin der Erstbeklagten nicht befugt gewesen, den Unternehmenskaufvertrag ohne Zustimmung der Generalversammlung abzuschließen; dieser Mangel sei auch durch die mangelhafte Beschlussfassung am 21. 12. 2017 nicht saniert worden. Dem Kläger stehe die auf Unterlassung der kompetenzwidrigen Geschäftsführungsmaßnahme gegen die Zweitbeklagte gerichtete actio pro socio, die auch durch einstweilige Verfügung gesichert werden könne, zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse der Beklagten sind zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie sind jedoch nicht berechtigt.
Beide Rechtsmittelwerber bringen vor, soweit sich das Rekursgericht (implizit) auf die „Holzmüller-Doktrin“ gestützt habe, übersehe es, dass danach die fehlende Zustimmung der Hauptversammlung auf die Wirksamkeit der fraglichen Geschäftsführungsmaßnahme keinen Einfluss habe.
Die Erstbeklagte macht darüber hinaus geltend, es stehe auf Tatsachenebene nicht fest, dass sie den gesamten, also wesentlichen Geschäftsbetrieb veräußert habe. Eine materielle Satzungsänderung iSd § 50 Abs 1 GmbHG liege daher nicht vor. Durch die einstweilige Verfügung wäre die Erstbeklagte gegenüber der Käuferin bei vorliegender Wirksamkeit des Kaufvertrags zum Rechtsbruch gezwungen.
Die Zweitbeklagte releviert weiters, es bestehe für den Kläger bei Erlassung der einstweiligen Verfügung gegen die Gesellschaft kein Rechtsschutzinteresse für eine sinngleiche einstweilige Verfügung gegen sie als Geschäftsführerin. Über die Minderheitenrechte des § 48 Abs 1 GmbHG hinaus stehe dem Kläger die actio pro socio gegen die Zweitbeklagte nicht zu. Ein drohender unwiederbringlicher Schaden für die Erstbeklagte sei nicht bescheinigt. Ein Unternehmenskaufvertrag werde von § 238 AktG nicht erfasst und unterliege keinem außenwirksamen Zustimmungserfordernis.
Hierzu wurde erwogen:
Nach § 42 Abs 4 GmbHG kann das Gericht die Ausführung des angefochtenen Beschlusses durch einstweilige Verfügung aufschieben, wenn ein der Gesellschaft drohender unwiederbringlicher Schaden glaubhaft gemacht wird. Dabei verweist das Gesetz ausdrücklich auf §§ 384 ff EO. Die Besonderheit dieser Bestimmung liegt darin, dass kein deckungsgleicher Hauptanspruch des anfechtenden Gesellschafters erforderlich ist. Vielmehr eröffnet § 42 Abs 4 GmbHG dem anfechtenden Gesellschafter einstweiligen Rechtsschutz, damit der angestrebte Prozesserfolg im Beschlussanfechtungsverfahren nicht durch die faktische Durchführung des angefochtenen Beschlusses unterlaufen werden kann.
2. Tatsachengrundlage:
Den Feststellungen des Erstgerichts lässt sich zwar nicht ausdrücklich entnehmen, dass es sich bei dem vom Verkauf betroffenen Unternehmen um das einzige Unternehmen (bzw Vermögen) der Erstbeklagten handelte. Dennoch ist in den Feststellungen stets von „dem“ und nicht „einem“ Unternehmen (der Erstbeklagten) die Rede. Wenn das Erstgericht aus den den Jahresabschlüssen der Erstbeklagten entnommenen Zahlen schließt, der Kaufpreis sei „nicht gänzlich unverhältnismäßig“, wird deutlich, dass das Erstgericht diese (die Erstbeklagte als Ganzes betreffenden) Zahlen mit dem Wert und dem Kaufpreis des verkauften Unternehmens in Beziehung gesetzt hat. Dies ist aber nur dann möglich, wenn das Erstgericht davon ausgegangen ist, dass vom vorliegenden Kaufvertrag, wenn schon nicht das gesamte, so doch das weit überwiegende (Aktiv-)Vermögen der Erstbeklagten erfasst ist.
Wenn somit das Rekursgericht in seiner rechtlichen Beurteilung von der Veräußerung des gesamten, also des wesentlichen Geschäftsbetriebs ausgegangen ist, ist dies von den Feststellungen durchaus gedeckt.
3. Zur Zustimmung der Generalversammlung der Erstbeklagten:
3.1. In der Lehre besteht – soweit ersichtlich – darüber Einigkeit, dass die Veräußerung des gesamten Unternehmens der Zustimmung der Gesellschafter bedarf (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 49 Rz 10; U. Torggler, Gesellschaftsrecht [2013] Rz 236, 242; Harrer in Gruber/Harrer, GmbHG [2014] §§ 49, 50 Rz 53; Milchrahm/Rauter in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG [2015] § 50 Rz 50; Rieder in FAH, GmbHG [2017] § 20 Rz 21, 25; Aburumieh/Gruber in FAH, GmbHG [2017] § 35 Rz 5; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht2 [2017] Rz 4/515; Artmann/Rüffler, Gesellschaftsrecht [2017] Rz 944; wohl auch Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG [2013] § 20 Rz 51; vgl auch Diregger in U. Torggler, GmbHG [2014] § 50 Rz 12).
Nicht ganz einheitlich wird die Frage beantwortet, ob ein (mit welcher Mehrheit auch immer gefasster, vgl dazu 3.5.) zustimmender Beschluss der Gesellschafter Voraussetzung für die Wirksamkeit des Unternehmenskaufvertrags ist (bejahend: Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 49 Rz 10; Rieder in FAH, GmbHG [2017] § 20 Rz 25; Artmann/Rüffler, Gesellschaftsrecht [2017] Rz 944; wohl auch Enzinger in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG [2013] § 20 Rz 51; vgl auch Diregger in U. Torggler, GmbHG [2014] § 50 Rz 1; verneinend: U. Torggler, Gesellschaftsrecht [2013] Rz 242; nicht eindeutig N. Arnold/Pampel in Gruber/Harrer, GmbHG [2014] § 20 Rz 15, 37, 38). Von den Befürwortern wird im Wesentlichen darauf verwiesen, es handle sich um eine materielle (faktische) Satzungsänderung.
3.2. § 237 Abs 1 AktG:
3.2.1. Wortlaut:
„Eine Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens einer Aktiengesellschaft, die nicht unter den neunten Teil dieses Gesetzes und die §§ 235 und 236 fällt, ist nur auf Grund eines Beschlusses der Hauptversammlung zulässig. Der Beschluss bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst; die Satzung kann diese Mehrheit durch eine größere Kapitalmehrheit ersetzen und noch andere Erfordernisse aufstellen.“
3.2.2. Rechtsprechung und Lehre:
Im Gegensatz zur Holzmüller-Doktrin (vgl dazu 6 Ob 77/14p) ist die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 237 Abs 1 AktG Voraussetzung für die Wirksamkeit des Übertragungsvertrags (Rüffler, Lücken im Umgründungsrecht [2002] 203; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 [2010] § 237 Rz 18; Gall in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 237 Rz 32; Winner in MüKoAktG4 [2016] § 179a Rz 101 – alle mit weiteren Nachweisen). Mit „Übertragung“ ist nicht erst die (sachenrechtliche) Verfügung, sondern bereits das Verpflichtungsgeschäft, also der Veräußerungsvertrag gemeint (Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 [2010] § 237 Rz 16; Winner in MüKoAktG4 [2016] § 179a Rz 101 mwN).
Für die Anwendbarkeit des § 237 AktG reicht es aus, wenn – zwar nicht das „ganze Gesellschaftsvermögen“, aber – der wesentliche Teil der Vermögensaktiven erfasst ist. Für die nähere Abgrenzung ist darauf abzustellen, ob so viele und solche Aktiven veräußert werden, dass die Veräußerung als solche – also ohne weitere Maßnahmen – materiell eine Änderung des Unternehmensgegenstands der Aktiengesellschaft bewirken würde oder sachlich eine Abwicklung der Gesellschaft praktisch vorwegnimmt (1 Ob 566/95; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 [2010] § 237 Rz 5; Gall in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 237 Rz 5 f; Winner in MüKoAktG4 [2016] § 179a Rz 96, jeweils mwN). Nicht erforderlich ist, dass auch (Teile der) Passiva übernommen werden (1 Ob 566/95; Gall in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 237 Rz 5; Winner in MüKoAktG4 [2016] § 179a Rz 96). Der Unternehmenserwerb in Form eines Asset Deals (kein Erwerb der Anteile, sondern Erwerb des Gesamtunternehmens) im Weg der Einzelrechtsnachfolge wird in der Lehre als Fall des § 237 AktG erwähnt (Szep in Jabornegg/Strasser, AktG5 [2010] § 237 Rz 3; Gall in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 237 Rz 12 – alle mit weiteren Nachweisen).
§ 237 AktG erfasst sowohl die Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf den Hauptgesellschafter bzw eine Konzerngesellschaft als auch jene an einen unabhängigen Dritten. In beiden Fällen soll sichergestellt werden, dass derart gravierende Eingriffe in die Struktur der AG nur mit Gesellschafterzustimmung vorgenommen werden können (Gall in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 237 Rz 13).
Das GmbHG kennt keine dem § 237 AktG entsprechende Regelung (für das – hier nicht vorliegende – Liquidationsverfahren vgl § 90 Abs 4 GmbHG). In der Lehre wird aber aufgrund der vergleichbaren Interessenlage die analoge Anwendung der Genehmigungspflicht durch die Gesellschafterversammlung gemäß § 237 AktG auf die GmbH mit der Rechtsfolge, dass die Übertragung bei Fehlen der Gesellschafterzustimmung unwirksam ist, befürwortet (Rüffler, Lücken im Umgründungsrecht [2002], 219 ff; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 49 Rz 10; Gall in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 237 Rz 20 – alle mit weiteren Nachweisen; Artmann/Rüffler, Gesellschaftsrecht [2017] Rz 944). Rüffler, der sich am ausführlichsten damit befasst hat, begründet dies überzeugend im Wesentlichen mit dem Größenschluss, dass bei der gegenüber der Aktiengesellschaft personalistischer konzipierten GmbH ein Mitspracherecht der Gesellschafter umso eher gegeben sein muss.
Gall in Doralt/Nowotny/Kalss (AktG2 [2012] § 237 Rz 20) vertritt zwar die Ansicht, dass (anders als bei Übertragung im Konzern) bei Veräußerung an einen (unabhängigen) Dritten aufgrund der gegensätzlichen Interessenlage und der damit verbundenen Richtigkeitsgewähr eine analoge Anwendung von § 237 AktG bzw der verschmelzungsrechtlichen Grundsätze auf die GmbH nicht geboten sei (dies offenlassend Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 50 Rz 9). Dieser Meinung kann jedoch nicht gefolgt werden:
Rüffler (Lücken im Umgründungsrecht [2002] 313 ff) hat nachgewiesen, dass weder die Vorbildbestimmungen für § 237 AktG noch das (seit dem EU‑GesRÄG 1996) geltende Verschmelzungsrecht insoweit zwischen Konzentrations- und Konzernverschmelzungen differenzieren. Die Nichtanpassung des § 237 AktG im Zuge des EU‑GesRÄG 1996 beruhe auf keiner bewussten Entscheidung des Gesetzgebers. Das verschmelzungs-rechtliche Schutzinstrumentarium sei daher auch dann analog anwendbar, wenn an einen Dritten veräußert werde. Überdies anerkennt – wie erwähnt – Gall (in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 237 Rz 13) selbst, dass § 237 AktG sowohl die Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf den Hauptgesellschafter bzw eine Konzerngesellschaft als auch an einen unabhängigen Dritten erfasst. Wenn – wie Gall (in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 237 Rz 20) zutreffend meint – die Interessenlage bei Aktiengesellschaft und GmbH vergleichbar ist, ist nicht erklärlich, weshalb § 237 AktG bei Veräußerung an einen Dritten bei der Aktiengesellschaft gelten, bei der GmbH aber nicht gelten sollte. Schließlich geht es nicht nur um die Richtigkeitsgewähr des Kaufpreises, sondern auch darum, dass gravierende Eingriffe in die Struktur der Gesellschaft nur mit Gesellschafterzustimmung vorgenommen werden können sollen (vgl Gall in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 237 Rz 13). Inwieweit hier zwischen Aktiengesellschaft und GmbH ein Unterschied bestehen sollte, ist nicht erkennbar.
3.3. Deutsches Recht:
§ 179a Abs 1 dAktG normiert sinngemäß dasselbe wie § 237 Abs 1 AktG. Zur deutschen Norm werden dieselben Ansichten wie die unter 3.2.2. zum österreichischen Recht zitierten vertreten (vgl nur Stein in MüKoAktG4 [2016] § 179a Rz 14, 17, 40 f; Haberstock/Greitemann in Hölters, AktG3 [2017] § 179a Rz 3a, 4, 7 – alle mit weiteren Nachweisen).
3.4. Stellungnahme:
Der erkennende Senat schließt sich den in den Punkten 3.2.2. und 3.3. dargestellten Ansichten an (soweit sie dort nicht abgelehnt wurden).
3.5. Angesichts des dargestellten Ergebnisses bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der „Holzmüller-Doktrin“ (BGH II ZR 174/80 [Holzmüller] NJW 1982, 1703; BGH II ZR 155/02 [Gelatine] AG 2004, 384; vgl1 Ob 566/95 ecolex 1996, 865 [Elsner]; 6 Ob 77/14p RWZ 2014/81 [Wenger] = ZFR 2015/64 [Auer] = GesRZ 2015, 136 [Cach]) = JAP 2014/2015/22 [Rauter]), nach der eine– ungeschriebene – Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft besteht, wenn durch Strukturmaßnahmen die Rechte der Aktionäre maßgeblich beeinträchtigt werden und dadurch einerseits in die Vermögensposition, andererseits in die Herrschaftsposition eingegriffen wird (6 Ob 77/14p; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht [2008] Rz 3/689; vgl auch Bachner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG² [2012] § 103 Rz 28 ff; S. Bydlinski/Potyka in Jabornegg/Strasser, AktG5 [2010] § 103 Rz 19).
Ebenso wenig kommt es auf § 238 AktG an.
Da im vorliegenden Fall die Dreiviertelmehrheit verfehlt wurde, ist auch eine Stellungnahme zu der im Schrifttum umstrittenen Frage, ob für die Zustimmung zum Unternehmenskaufvertrag die Dreiviertelmehrheit ausreicht oder gemäß § 50 Abs 3 GmbHG (analog; Änderung des Unternehmensgegenstands) Einstimmigkeit erforderlich ist, nicht nötig (vgl Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 [2007] § 50 Rz 8 f; Harrer in Gruber/Harrer, GmbHG [2014] §§ 49, 50 Rz 52 f; Milchrahm/Rauter in Straube/Ratka/Rauter, GmbHG [2015] § 50 Rz 50 ff; Nierlich in FAH, GmbHG [2017] § 50 Rz 14; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht2 [2017] Rz 4/515; Diregger in U. Torggler, GmbHG [2014] § 50 Rz 12; Aburumieh/Gruber in FAH, GmbHG [2017] § 35 Rz 5; vgl auch die vor dem EU‑GesRÄG 1996 ergangene Entscheidung 8 Ob 574/83: Einstimmigkeit bei – hier nicht vorliegender – Ausgliederung in eine Tochtergesellschaft).
3.6. Vorliegender Fall:
Da hier weder Vermögensübertragungen nach dem neunten Teil des AktG (§§ 219 bis 234b: Verschmelzung) noch nach § 235 AktG (Vermögensübertragung auf eine Gebietskörperschaft) und § 236 AktG (Vermögensübertragung auf einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) gegeben sind, ist § 237 Abs 1 AktG auf den vorliegenden Fall analog anzuwenden, weil das iSd § 237 Abs 1 AktG „ganze“ Gesellschaftsvermögen der Erstbeklagten auf einen Dritten übertragen wurde. Da die Generalversammlung diesem Unternehmensverkauf nicht mit (zumindest) Dreiviertelmehrheit zugestimmt hat, ist der Unternehmenskaufvertrag unwirksam.
Die gegen die Erstbeklagte geltend gemachten (Unterlassungs‑)Ansprüche sind somit bescheinigt.
4. Nach § 42 Abs 4 GmbHG kann die Ausführung des angefochtenen Beschlusses durch eine einstweilige Verfügung aufgeschoben werden, wenn ein der Gesellschaft drohender unwiederbringlicher Nachteil glaubhaft gemacht wird. Dabei wird zwar die Ausführung des Beschlusses vermutet und braucht nicht gesondert glaubhaft gemacht zu werden (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 42 Rz 8); notwendig ist aber die Bescheinigung eines unwiederbringlichen Nachteils für die Gesellschaft, nicht für den anfechtenden Gesellschafter (Koppensteiner/Rüffler aaO; Zackl, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht [2006] Rz 410; Enzinger in Straube, WK GmbHG § 42 Rz 35; vgl auch RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?ResultFunctionToken=ae72c308-bff8-435e-8d12-0ab983ac9ee4&Position=1&Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=True&GZ=6ob204/10h&VonDatum=&BisDatum=26.02.2018&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Dokumentnummer=JJR_19680125_OGH0002_0010OB00012_6800000_001 ). Dabei ist nach der Entscheidung Ob III 230/23 (SZ 5/76) ein Anwendungsfall des § 42 Abs 4 GmbHG unter anderem der Beschluss der Generalversammlung, mit dem die Geschäftsführung ermächtigt werden sollte, den Geschäftsbetrieb auf einen Dritten zu übertragen.
4.1. Als unwiederbringlich kann ein Schaden dann bezeichnet werden, wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich und Geldersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJR_19541110_OGH0002_0020OB00837_5400000_001 [T13]). Handelt es sich um bloße, auch abschätzbare Vermögensschäden, so liegt kein unwiederbringlicher Schaden vor, sofern der Gegner nicht zahlungsunfähig ist (RIS‑Justiz RS0005275 [T16]); eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit ist hier hinsichtlich der Beklagten weder behauptet noch erkennbar (vgl ähnlich 6 Ob 77/14p [ErwGr 3]). Darüber hinaus hat der erkennende Senat in der Entscheidung http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Dokumentnummer=JJT_20110224_OGH0002_0060OB00204_10H0000_000 zum Verkauf des Kundenstocks eines Unternehmens ausgeführt, es sei nicht bescheinigt worden, dass die Veräußerung zu einem nicht dem Wert entsprechenden Preis erfolgt sei; dass ein für den Kundenstock gezahlter Kaufpreis auf Dauer laufende Einkünfte aus den Kundenbeziehungen nicht ersetzen könne, sei keinesfalls selbstverständlich, könne doch eine Veranlagung oder Reinvestition des Kaufpreises gleiche Erträge erzielen. Dies entspricht zwar dem Grundsatz, dass bei Beurteilung des Vorliegens eines unwiederbringlichen Schadens ein strenger Maßstab anzulegen ist, soll doch durch die einstweilige Verfügung nicht der (aus der Sicht der gefährdeten Partei) Erfolg in der Hauptsache vorweggenommen werden (RIS‑Justiz RS0005295 [T2]).
Allerdings wurde diese Entscheidung von Harrer (in Gruber/Harrer, GmbHG [2014] §§ 41, 42 Rz 167) kritisiert. Da die Gesellschaft einen Anspruch darauf habe, dass die fehlerhaft vorgenommene Veräußerung (konkret des Kundenstocks) rückabgewickelt werde, der Wiedererwerb eines veräußerten Kundenstocks jedoch erfahrungsgemäß nicht möglich sei, lasse sich – so Harrer – ein „noch eindrucksvolleres Bespiel für Unwiederbringlichkeit kaum finden“ (kritisch auch Thöni, Einstweilige Verfügung iZm der Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses: konkrete Gefährdung, Bescheinigungslast, GesRZ 2011, 237 [238]).
4.2. Es kann nun dahin stehen, ob diese Kritik berechtigt ist, im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Erstbeklagte nicht bloß ihren Kundenstock, sondern ihr komplettes Unternehmen veräußert hat. Dies erscheint aber jedenfalls unwiederbringlich, abgesehen davon, dass die in der Entscheidung 6 Ob 204/10h in den Vordergrund gestellte Überlegung, die Veräußerung sei (offensichtlich) zu einem dem Wert des Kundenstocks entsprechenden Preis erfolgt, hier nicht greift. Nach Tilgung der Verbindlichkeiten mit dem Kaufpreis verbleibt ihr offensichtlich lediglich eine geringfügige Hyperocha; darüber hinaus geht durch die Veräußerung ein äußerst günstiger Bestandzins für das Geschäftslokal verloren (§ 12a MRG), der der Erstbeklagten vom Vermieter ausdrücklich im Hinblick auf die Person des Klägers eingeräumt worden war.
Der Kläger hat somit auch die Gefährdung bescheinigt.
5. Damit war aber die Entscheidung des Rekursgerichts hinsichtlich der Erstbeklagten zu bestätigen.
6. Zum Rekurs der Zweitbeklagten
6.1. Das Rekursgericht hat dem Sicherungsantrag gegen die Zweitbeklagte im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, der Kläger könne mittels actio pro socio die Unterlassung kompetenzwidriger Geschäftsführungs-maßnahmen verlangen.
6.2. § 42 Abs 4 GmbHG spricht lediglich davon, dass das Gericht die Ausführung des angefochtenen Beschlusses aufschieben kann, trifft aber keine ausdrückliche Aussage darüber, gegen wen die einstweilige Verfügung erlassen werden kann. Wenngleich die Gesellschaft ohnedies nur durch ihre Organe handeln kann, sodass die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen den Geschäftsführer im Regelfall nicht erforderlich sein wird, ist die Verhängung eines entsprechenden Verbots auch gegen den Geschäftsführer nach der zitierten Gesetzesstelle nicht ausgeschlossen. Dadurch wird eine gewisse Verstärkung des Unterlassungsgebots bewirkt und dessen exekutive Durchsetzung vereinfacht, weil der Unterlassungstitel damit jedenfalls auch gegen den Geschäftsführer vollstreckt werden kann (vgl dazu Klicka in Angst/Oberhammer, EO³ [2015] § 355 Rz 19 und 21 mit weiteren Nachweisen).
6.3. Dass der beschlussanfechtende Gesellschafter gegen den Geschäftsführer in der Regel keinen eigenen privatrechtlichen Anspruch auf Unterlassung der Ausführung des angefochtenen Gesellschafterbeschlusses haben wird (vgl 6 Ob 575/77), steht der Erlassung einer entsprechenden einstweiligen Verfügung schon deshalb nicht entgegen, weil die einstweilige Verfügung nach § 42 Abs 4 GmbHG nie einen deckungsgleichen Hauptanspruch des anfechtenden Gesellschafters voraussetzt. Ebenso wie bei der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die Gesellschaft nach § 42 Abs 4 GmbHG dient auch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen den Geschäftsführer in diesem Fall der Absicherung des allfälligen künftigen Prozesserfolgs im Beschlussanfechtungsverfahren. Insofern unterscheidet sich daher die vorliegende Konstellation von den sonstigen Fällen, in denen ein Recht des Gesellschafters, mittels einstweiliger Verfügung das Handeln des Geschäftsführers zu beeinflussen, überwiegend verneint wird (6 Ob 575/77; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 48 Rz 16; U. Torggler, Gesellschafterklagen auf Unterlassung oder Vornahme von Geschäftsführungsmaßnahmen, GeS 2011, 57; Harrer in Gruber/Harrer, GmbHG § 48 Rz 22; Schröckenfuchs in FAH, GmbHG § 48 Rz 4). Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass in der neueren Literatur Chr. Nowotny (in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht² [2017] Rz 4/338) hier eine Ausnahme für Fälle krasser, eindeutiger Kompetenzverletzungen vertritt. Diese Ausführungen lassen sich auf die vorliegende Konstellation jedenfalls dann übertragen, wenn ein Beschlussanfechtungsgrund bescheinigt ist.
6.4. Ein eigenständiges Interesse des Geschäftsführers, einen angefochtenen Gesellschafter-beschluss trotz Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die Gesellschaft auszuführen, ist nicht ersichtlich. Schon deshalb erweist sich die Entscheidung des Rekursgerichts (auch) in diesem Punkt als zutreffend, sodass auf die allgemeine Zulässigkeit einer actio pro socio im Kapitalgesellschaftsrecht (ablehnend dazu 3 Ob 72/09y RWZ 2009/88 [Wenger] = GesRZ 2010, 49 [Enzinger]) nicht näher einzugehen ist.
6.5. Im Übrigen hat sich der Kläger auch auf § 48 Abs 1 GmbHG gestützt. Nach dieser Bestimmung können die der Gesellschaft (unter anderem) gegen Geschäftsführer zustehenden Ansprüche auch von Gesellschaftern, deren Stammeinlagen den zehnten Teil des Stammkapitals erreichen (diese Voraussetzung erfüllt der Kläger), geltend gemacht werden, wenn die Verfolgung dieser Ansprüche für die Gesellschaft durch Beschluss der Gesellschafter abgelehnt oder wenn ein darauf abzielender Antrag (…) nicht zur Beschlussfassung gebracht worden ist. Nach dem im Akt erliegenden und von beiden Beklagten vorgelegten Protokoll über die Generalversammlung vom 21. 12. 2017 wurde über den Tagesordnungspunkt „Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber der [Zweitbeklagten] aus pflichtwidriger Geschäftsführung“ im Zusammenhang mit dem „Unternehmenskaufvertrag und [dem] übereilten Verkauf des Unternehmens […]“ mit der Stimme des Klägers positiv abgestimmt, der sich hinsichtlich der Zweitbeklagten auf ein Stimmrechtsverbot gemäß § 39 Abs 4 GmbHG berief. Die Zweitbeklagte und die Minderheitsgesellschafterin stimmten dagegen und erhoben Widerspruch.
Nach § 39 Abs 4 GmbHG hat derjenige kein Stimmrecht bei einer Beschlussfassung, welche die Einleitung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Gesellschaft betrifft. Ist also über Ansprüche gegen einen Gesellschafter-Geschäftsführer zu befinden, so hat der Betreffende kein Stimmrecht (Harrer in Gruber/Harrer, GmbHG § 39 Rz 56 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Damit kam der Zweitbeklagten insoweit kein Stimmrecht zu.
6.6. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass über die Bestellung eines Vorsitzenden der Generalversammlung (vgl 6 Ob 99/11v) weder Einvernehmen erzielt noch ein entsprechender (Mehrheits‑)Beschluss gefasst wurde. Dabei sind auch Gesellschafter, die bei einem der angesetzten Tagesordnungspunkte gemäß § 39 Abs 4 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen sind, stimmberechtigt (6 Ob 23/13w). Mangels Vorhandenseins eines Vorsitzenden fehlte es auch an der Möglichkeit einer zunächst verbindlichen Feststellung des Ergebnisses der Abstimmung (RIS‑Justiz RS0127005). Zwar hat der Vertreter des Klägers auf das Stimmverbot hingewiesen; die Zweitbeklagte hat die diesbezüglichen Ausführungen jedoch ausdrücklich bestritten. Wenn der Vertreter des Klägers in der Folge „festhielt“, dass der Antrag des Klägers auf Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen angenommen worden sei, konnte dieser Äußerung schon mangels Vorsitzendeneigenschaft nicht die Wirkung einer vorläufigen Beschlussfeststellung zukommen (vgl 6 Ob 23/13w). Der in der Folge dagegen erhobene Widerspruch der Zweitbeklagten kann in Anbetracht der vorherigen Meinungsverschiedenheiten nicht als Anerkennung einer Beschlussfeststellungskompetenz des Klägers oder seines Vertreters verstanden werden. Bei dieser Sachlage kann dem Kläger aber nicht verwehrt werden, sich zunächst (auch) auf die Minderheitsrechte nach § 48 Abs 1 GmbHG zu stützen.
6.7. Damit erweist sich aber die Entscheidung des Rekursgerichts auch hinsichtlich der Zweitbeklagten im Ergebnis als zutreffend, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.
7. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO, §§ 78, 402 EO. Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz den Wert des Entscheidungsgegenstands im Provisorialverfahren nicht angegeben, weshalb nach § 56 Abs 1 letzter Satz JN, § 4 RATG die Kostenbemessungsgrundlage auch für die Revisionsrekursbeantwortung des Klägers 5.000 EUR beträgt.
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