OGH 5Ob160/17s

OGH5Ob160/17s18.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Karin N*, vertreten durch DI Dr. Siegfried Kaiblinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Renate G*, 2. Claudia Eva B*, 3. Franz P*, 4. Mag. Wolfgang K*, 5. Gertrude S*, diese vertreten durch Dr. Michael Ott, Mag. Christoph Klein, Rechtsanwälte in Wien, 6. Martha S*, 7. Julianna F*, 8. Gerda F*, 9. Adelheid F*, diese vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, 10. Helmut L*, 11. Lea K*, 12. Johanna B*, 13. Ingeborg S*, 14. Alois A*, 15. A* GmbH, *, diese vertreten durch Mag. Nicole Neugebauer‑Herl, Rechtsanwältin in Wien, 16. Ing. Gerlinde C*, 17. Melanie W*, 18. Ludwig H*, 19. A* GmbH, *, 20. Andreas S*, 21. Mag. Linda R*, 22. Dr. Thomas T*, 23. Else G*, 24. Mag. Petra L*, 25. Michael B*, 26. Nikolaus P*, 27. Robert M*, 28. Wolfgang W*, 29. Norbert W*, 30. Ljubisa K*, 31. Biljana K*, 32. Alexandra M*, 33. Manfred M*, die beiden letzteren vertreten durch Dr. Wolfgang Ulm Rechtsanwalt‑GmbH in Wien, 34. Jenny L*, 35. Manuela E*, 36. Robert E*, 37. DI Thomas F*, 38. Leopoldine B*, 39. Markus M*, wegen § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 2 Z 2 WEG über die außerordentlichen Revisionsrekurse der 9.‑, 15.‑, und 32.‑Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Juni 2017, GZ 39 R 364/16t‑40, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 3. November 2016, GZ 57 Msch 10/16g‑32 abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E120695

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Den außerordentlichen Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss wird dahingehend abgeändert, dass der erstinstanzliche Sachbeschluss einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die Antragstellerin ist schuldig, nachstehenden Antragsgegnern die wie folgt bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen:

- der 5.‑Antragsgegnerin 349,46 EUR (darin 58,24 EUR USt) an Kosten des Rekursverfahrens,

- der 9.‑Antragsgegnerin 349,46 EUR (darin 58,24 EUR USt) an Kosten des Rekursverfahrens und 664,78 EUR (darin 69,80 EUR USt und 246 EUR Barauslagen) an Kosten des Revisionsrekursverfahrens,

- der 15.‑Antragsgegnerin 349,46 EUR (darin 58,24 EUR USt) an Kosten des Rekursverfahrens und 664,78 EUR (darin 69,80 EUR USt und 246 EUR Barauslagen) an Kosten des Revisionsrekursverfahrens,

- der 32.‑Antragsgegnerin und dem 33. Antragsgegner 384,16 EUR (darin 64,03 EUR USt) an Kosten des Rekursverfahrens,

- der 32.‑Antragsgegnerin 622,78 EUR (darin 69,80 EUR USt und 204 EUR Barauslagen) an Kosten des Revisionsrekursverfahrens.

 

Begründung:

Die Parteien sind Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * mit dem Haus *. Mit den 480/3849 Miteigentumsanteilen der Antragstellerin BLNr 25 ist das Wohnungseigentum an der Gastwirtschaft Top 1 untrennbar verbunden, mit ihren 54/3849 Anteilen BLNr 38 das Wohnungseigentum am Geschäftslokal 2.

Die Wohnungseigentumsbegründung erfolgte mit Wohnungseigentumsvertrag vom 23. November 1962, in dessen § 3 es wörtlich heißt:

„Den nachstehend genannten Vertragsteilen wird von den übrigen Miteigentümern das Recht auf ausschließliche Benützung und auf alleinige Verfügung über die nachstehend angeführten Wohnungen und Geschäftsräume gemäß dem diesem Vertrag angeschlossenen Plan eingeräumt:

1. Der Firma O *, an der im Erdgeschoß gelegenen, mit der Top Nummer 1 bezeichneten Gastwirtschaft, bestehend aus einem Schankraum, einem Extrazimmer, einer Küche, einem Vorzimmer, einer Speis, vier WC und dem als Gasthauskeller beschriebenen Kellerraum, an dem im Erdgeschoß gelegenen, mit der Top Nummer 2 bezeichneten Geschäftslokal, bestehend aus einem Geschäftsraum, Vorraum, WC und dem mit der Ziffer 2 bezeichneten Kellerraum […].“

Im Wohnungseigentumsvertrag kommt der Begriff „Gastwirtschaft“ nur an dieser Stelle vor, in allen anderen Paragraphen unterscheidet der Vertrag nur noch zwischen Wohnungen und Geschäftsräumen. Die Bezeichnung der einzelnen Objekte als „Gaststätte“, „Geschäftslokal“ oder „Wohnung“ wurde zwischen den Wohnungseigentümern damals nicht besprochen. Nach Wohnungseigentumsvertrags‑errichtung und der Begründung des Wohnungseigentums befand sich im Objekt Top 1 nie eine Gaststätte, es wurde durchgehend als (Lebensmittel‑)Einzelhandelsgeschäft benutzt.

Im Jahr 2014 wurde das Objekt im Erdgeschoß an einen Kindergarten vermietet, die Antragstellerin erwarb im gleichen Jahr die Anteile BLNr 25 und 38.

Das Haus ist von der W* her durch ein Haustor mit Gegensprechanlage zu betreten. Solange das Erdgeschoß für den Lebensmittelhandel benützt wurde, erfolgte der Zugang von der S* aus, sodass Kunden und Mitarbeiter das Haustor in der W* nicht benutzten und das Hausinnere nicht betraten. Die Wohnungseigentümer tolerierten die Lebensmitteleinzel‑händler bzw Supermärkte im Erdgeschoß ohne Beschwerden. Sie fühlten sich nicht belästigt, weil die Geschäfte von außen und nicht durch das Hausinnere betreten wurden. Außer dem Geschäftslokal im Erdgeschoß befinden sich lediglich Wohnungen im Haus.

Nach Vermietung an die Betreiber des – in dieser Form behördlich genehmigten – Kindergartens erfolgt der Zugang nicht mehr über die S*. Man muss vielmehr beim allgemeinen Haustor hineingehen, fünf Meter durch den Hausflur im Erdgeschoß, dann nach rechts zum Stiegenhaus des Hauses abbiegen, um am Stiegenaufgang und Aufzug vorbei in den Kindergarten zu gelangen. Eine Verlegung des Haupteingangs des Kindergartens in die S* ist in der derzeit genehmigten Form nicht möglich, weil sämtliche Betreuungsräume aus Gründen der natürlichen Belichtung zur Straße hin ausgerichtet sein müssen. Um den Zugang möglichst einfach zu machen, wurde beim Hauseingang in der W* eine „Arztglocke“ angebracht. Diese Glocke öffnet während der Öffnungszeiten des Kindergartens das Haustor automatisch. Diese „Arztglocke“ bleibt selten irrtümlich auch über das Wochenende aktiviert oder öffnet sonst zu Zeiten die Türe, wenn der Kindergarten geschlossen ist. Ob ein früher als Lager benützter Raum im Bereich des Innenhofs vom Kindergartenbetreiber als Kinderwagenabstellraum benutzt werden darf oder nicht, ist strittig, diesbezüglich sind Verfahren anhängig. Im Kindergarten selbst ist nur Platz für ein oder zwei Kinderwägen, die dort nur kurzfristig abgestellt werden können. Der Betrieb des Kindergartens verursacht keine höhere Lärmbeeinträchtigung als der Supermarkt.

Die Antragstellerin beantragte die Duldung einer Widmungsänderung für das Wohnungseigentumsobjekt Top Nr 1 von „Wohnungseigentum an Gastwirtschaft“ auf „Wohnungseigentum an Geschäftslokal“, diesbezüglich die Zustimmung der Antragsgegner durch das Gericht zu ersetzen und im Grundbuch bei der BLNr 25 die Widmung „Wohnungseigentum an Geschäftslokal“ einzuverleiben.

Das Wohnungseigentumsobjekt sei gemäß Wohnungseigentumsvertrag und Grundbuch zwar als Wohnungseigentum an Gastwirtschaft gewidmet, aber niemals dieser Widmung entsprechend genutzt, sondern als Supermarkt und Gewerbebetrieb verwendet worden. Mittlerweile betreibe ein Verein in den Räumlichkeiten einen Kindergarten. Damit sei weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Miteigentümer verbunden, allgemeine Teile des Hauses würden durch die Widmungsänderung nicht berührt.

Am Verfahren beteiligten sich die 5.‑, 9‑, 15.‑und 32.‑Antragsgegnerin sowie der 33.‑Antragsgegner. Sie wendeten im Wesentlichen ein, durch den Betrieb des Kindergartens komme es zur vermehrten Nutzung allgemeiner Flächen, insbesondere des Hauseingangs, der nur der Notausgang des seinerzeitigen Verkaufslokals gewesen sei. Im Hauseingang würden Kinderwägen abgestellt, eine „Arztglocke“ sei installiert, sodass die Tür nun beim Läuten beim Kindergarten automatisch öffne. Die begehrte Zustimmung zur Umwidmung als Geschäftslokal sei zu weit gefasst.

Das Erstgericht wies das Begehren ab. Es sei fraglich, ob tatsächlich (noch) eine Widmung als Gaststätte und nicht als Verkaufslokal vorliege. Auch im Weg konkludenter Zustimmung sei nicht von einer generellen Widmung als „Geschäftslokal“ auszugehen, zumal es nie einen anderen gewerblichen Betrieb als ein Verkaufslokal im Haus gegeben habe. Der Betrieb als Kindergarten sei eine Änderung der Verwendung, die eine Umwidmung nötig mache. Eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer sah das Erstgericht darin, dass der Eingang zum Kindergarten nicht wie zuvor zu den Geschäftslokalen über die S* erfolge, sondern das Haus durch das allgemeine Haustor betreten und ein Stück des Hausflurs im Erdgeschoß begangen werden müsse. Diese behördlich bewilligte und tatsächlich eingerichtete Form des Zugangs sei der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Überdies benütze die Klientel des Kindergartens das im Hof gelegene Gebäude als Kinderwagenabstellraum und durchquere dazu das gesamte Stiegenhaus im Erdgeschoß und den Innenhof. Aufgrund des damit verbundenen erhöhten Personenaufkommens im Erdgeschoß des Hauses und der Erleichterung des Zugangs ins Haus durch die „Arztglocke“ werde im Inneren des Hauses die Geschäftstätigkeit mit „normalem Wohnen“ der übrigen Wohnungseigentümer in einem Ausmaß vermischt, das zuvor nicht gegeben gewesen sei.

Das Rekursgericht gab dem Antragsbegehren statt. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 10.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Die Wohnungseigentümer hätten bereits im Wohnungseigentumsvertrag eine unspezifische Widmung auch der Top Nr 1 als Geschäftslokal vorgenommen, zumal auch das mit dem Objekt Top Nr 1 zusammenhängende angrenzende Objekt Top Nr 2 schlechthin als Geschäftslokal bezeichnet worden sei. Die unspezifische Widmung als Geschäftslokal ergebe sich auch daraus, dass Top Nr 1 niemals als Gasthausbetrieb verwendet worden sei. Die Verwendung des Objekts als Kindergarten sei somit von der vereinbarten Widmung umfasst und keine Widmungsänderung, weil der Betrieb eines Kindergartens unzweifelhaft geschäftliche Tätigkeit sei und die Grenze der Verkehrsüblichkeit bei dessen Betrieb nicht überschritten werde. Ob durch eine allfällige Veränderung des Zugangs, somit die faktische Benützung des Objekts, schutzwürdige Interessen der anderen Mit‑ und Wohnungseigentümer beeinträchtigt werden könnten, die ein Unterlassungsbegehren rechtfertigten, sei in diesem auf Widmungsänderung abzielenden Verfahren nicht zu prüfen.

Dagegen richten sich die außerordentlichen Revisionsrekurse der 9.‑, 15.‑ und 32.‑Antragsgegnerin mit den Anträgen auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses, hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Antragstellerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekursen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind zulässig, weil die rekursgerichtliche Beurteilung der Widmung des Wohnungseigentumsobjekts Top Nr 1 der Korrektur im Einzelfall bedarf. Die Revisionsrekurse sind auch berechtigt.

1. Gemäß § 16 Abs 2 WEG ist ein Wohnungseigentümer zu Änderungen (einschließlich Widmungsänderungen) an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt. Mangels Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer hängt das Recht des Wohnungseigentümers zur (Widmungs‑)Änderung seines Objekts von bestimmten in § 16 Abs 2 WEG abgestuft geregelten Voraussetzungen ab (5 Ob 9/16h = wobl 2017/4; 5 Ob 105/16a = immolex 2016/108 [Pfiel]).

2. Für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen (RIS‑Justiz RS0120725; RS0119528); spätere Widmungsänderungen können allenfalls konkludent die Zustimmung aller Mit‑ und Wohnungseigentümer finden (5 Ob 157/03w = wobl 2003/193 [Call]; 5 Ob 210/13p = wobl 2014/103). Ob eine Widmungsänderung vorliegt, folgt aus der Gegenüberstellung der gültigen Widmung des betreffenden Objekts auf der Grundlage der darüber bestandenen vertraglichen Einigung der Mit‑ und Wohnungseigentümer mit der beabsichtigten bzw der tatsächlichen Verwendung des Objekts (3 Ob 158/11y mwN = immolex 2012/37 [Neugebauer‑Herl] = wobl 2012/57; 5 Ob 210/13p = wobl 2014/103). Maßgeblich ist dabei der objektive Erklärungswert der jeweiligen Willensäußerung (5 Ob 100/14p; 5 Ob 224/15z = wobl 2016/123), dies schon wegen der Schwierigkeiten der Feststellung des Parteiwillens beim erstmaligen (historischen) Widmungsakt und wegen des notwendigen Schutzes des Vertrauens neuer Mitglieder der Eigentümergemeinschaft (5 Ob 277/04b = immolex 2005, 216 [Weixelbraun]). Dessen ungeachtet hat die Auslegung nach den Bestimmungen der §§ 914 f ABGB zu erfolgen (5 Ob 224/15z = wobl 2016/123).

3. Der in § 16 Abs 2 WEG verwendete Begriff „Änderungen“ ist sehr weit auszulegen und umfasst regelmäßig auch Änderungen des Gegenstands und der Betriebsform eines in einem Wohnungseigentumsobjekt geführten Betriebs (RIS‑Justiz RS0083132; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 16 WEG Rz 20). Demgemäß ist im Fall der Verwendung eines Wohnungseigentumsobjekts als Geschäftslokal eine Änderung des Gegenstands und der Betriebsform bereits dann als Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG zu werten, wenn eine spezifizierte Verwendung im Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag festgelegt wurde (5 Ob 277/04b; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht II23 § 16 WEG Rz 29 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Demgegenüber liegt keine bewilligungspflichtige Widmungsänderung dann vor, wenn sich die Miteigentümer vertraglich (auch konkludent) mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt haben. Wenn keine spezielle Geschäftsraumwidmung getroffen wurde, ist die Umwandlung des Gegenstands und der Betriebsform des im Wohnungseigentumsobjekt geführten Unternehmens erst dann eine genehmigungsbedürftige Änderung, wenn dabei die Grenzen des Verkehrsüblichen überschritten werden (5 Ob 227/04z; 5 Ob 149/14v = wobl 2015/43 [krit Vonkilch]; Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 30 mwN).

4.1. Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen einer Widmungsänderung, weil es davon ausging, die Mit‑ und Wohnungseigentümer hätten sich hier schon bei Begründung des Wohnungseigentums mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt; dieses Auslegungsergebnis ist auf Basis der Feststellungen korrekturbedürftig.

4.2. Vorauszuschicken ist, dass Gegenstand des Verfahrens ausschließlich das Objekt Top Nr 1 ist. Dass das– jedenfalls nach dem Grundbuchstand eigenständige – Wohnungseigentumsobjekt Top Nr 2 schlechthin als Geschäftslokal bezeichnet wurde, kann für die Auslegung der vertraglichen Einigung der Mit‑ und Wohnungseigentümer in Bezug auf das Objekt Top Nr 1 keine Rolle spielen, zumal sich aus dem dem Wohnungseigentumsvertrag angeschlossenen Plan eindeutig ergibt, dass die Objekte Top Nr 1 und 2 jedenfalls damals baulich nicht miteinander verbunden gewesen waren und das Geschäftslokal Top Nr 2 lediglich eine Fläche von 13,55 m² aufweist.

4.3. Im Wohnungseigentumsvertrag wurde das Objekt Top Nr 1 unter Anführung der dazugehörigen Räume unmissverständlich als „Gastwirtschaft“ bezeichnet, woraus keine unspezifische Widmung als Geschäftsraum (wie allenfalls bei Top Nr 2) abgeleitet werden kann. Der Umstand, dass der Begriff „Gastwirtschaft“ im Wohnungseigentums‑vertrag nur einmal (allerdings eben gerade im Zusammenhang mit der Beschreibung des Wohnungseigentumsobjekts!) vorkommt, reicht dafür schon deshalb nicht aus, weil die im Anschluss erfolgte Zusammenfassung aller Wohnungseigentumsobjekte unter dem Begriff „Wohnungen oder Geschäftsräumlichkeiten“ jedenfalls auch die Gastwirtschaft mit umfasste. Es ist daher mit den Antragsgegnern und dem Erstgericht davon auszugehen, dass im Wohnungseigentumsvertrag ursprünglich in Bezug auf das Objekt Top Nr 1 eine spezifizierte Geschäftsraumwidmung festgelegt wurde.

4.4. Schon das Erstgericht wies darauf hin, dass die Mit‑ und Wohnungseigentümer in weiterer Folge allenfalls konkludent von der ursprünglich festgelegten spezifischen Widmung dadurch abgingen, dass sie die Nutzung des Objekts Top Nr 1 als von der Straße aus zu betretendes Verkaufslokal duldeten. Diese Frage bedarf aber keiner näheren Erörterung, weil Gegenstand des Verfahrens nach dem Antragsvorbringen nicht die Änderung der Widmung auf ein Verkaufslokal, sondern eine unspezifizierte Geschäftsraumwidmung sein soll. Eine Auslegung dahingehend, durch die Duldung der Nutzung als Verkaufslokal hätten die Mit‑ und Wohnungseigentümer einer umfassenden unspezifischen Geschäftsraumwidmung zugestimmt, verbietet sich allerdings nach Auffassung des erkennenden Senats, zumal schon nach den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen diesbezüglich besondere Vorsicht geboten ist (RIS‑Justiz RS0014190 [T3]; RS0014120; RS0014146 [T2]; vgl hiezu auch 3 Ob 158/11y = immolex 2012/37 [Neugebauer/Herl]). Dass die Mit‑ und Wohnungseigentümer keinen Einwand gegen den Betrieb eines Verkaufslokals anstelle der Gastwirtschaft haben, wenn die Kunden dieses von der Straße aus betreten und es zu den üblichen Geschäftszeiten offen hält, rechtfertigt nicht den Schluss, damit hätten sie ohne jeglichen Zweifel (§ 863 ABGB) einer völlig unspezifischen Widmung für jedwede Geschäftstätigkeit zugestimmt. Nach den Feststellungen wurde Top Nr 1 seit Jahrzehnten für Lebensmitteleinzelhandel oder Supermärkte verwendet. Dass die Mit‑ und Wohnungseigentümer in der ursprünglichen vertraglichen Einigung gerade für Top Nr 1 eine spezifizierte Geschäftswidmung vorsahen, lässt den Schluss zu, dass es ihnen auf eine konkrete Betriebsart in diesem Wohnungseigentumsobjekt sehr wohl ankam. Es liegt daher eine Widmungsänderung vor.

5.1. Damit ist zur Frage der Voraussetzungen für die begehrte Widmungsänderung iSd § 16 Abs 1 und 2 WEG Stellung zu nehmen. Nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG darf die Änderung an einem Wohnungseigentumsobjekt weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben. Einer Änderung steht nicht jede Beeinträchtigung von Interessen der Miteigentümer entgegen, sondern nur eine wesentliche Beeinträchtigung, die die Interessen der anderen Wohnungseigentümer am Unterbleiben der Änderung so schutzwürdig erscheinen lässt, dass ein Anspruch des Wohnungseigentümers auf Änderungen iSd § 16 Abs 2 WEG zurückzustehen hat (RIS‑Justiz RS0083236). Die Beurteilung, ob eine Änderung zu genehmigen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, die in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind (RIS‑Justiz RS0083309). Dabei ist dem Rechtsanwender ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt (RIS‑Justiz RS0109643; RS0106050 [T2]). Nur wenn dieser überschritten wird, liegt eine erhebliche Rechtsfrage vor (5 Ob 157/15x = immolex 2016/15 [Räth]). Bei einem schon genehmigten Betrieb, der bereits aufgenommen wurde, sind die konkreten Gegebenheiten zur Prüfung der Interessenbeeinträchtigung heranzuziehen (5 Ob 81/08k = wobl 2009/5 [Call]).

5.2. Das Erstgericht ging zutreffend davon aus, dass hier die behördlich genehmigte Situation des Eingangs zum Kindergarten, nämlich nicht mehr von der Straße, sondern unter Benützung des Haustors und des Hausflurs im Erdgeschoß, der Beurteilung zugrunde zu legen ist. Das damit notwendigerweise verbundene erhöhte Personenaufkommen im Erdgeschoß des Hauses und den – im Weg der „Arztglocke“ noch zusätzlich erleichterten – Zugang ins Haus wertete das Erstgericht als wesentliche Beeinträchtigung der Interessen der übrigen Mit‑ und Wohnungseigentümer. Diese Auffassung wird auch vom erkennenden Senat geteilt.

5.3. Bereits in der Entscheidung 5 Ob 136/86 sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass es bei der Beurteilung der Interessenbeeinträchtigung entscheidend ins Gewicht falle, dass der (dort) mit beiden Geschäftslokalen verbundene Kunden‑ und Warenverkehr bisher nach der vorhandenen Ausgestaltung des Hauses (von außen nur mit Schlüssel oder über eine Gegensprechanlage benützbare Hauseingangstür, je ein Eingang in die Geschäftslokale von der Straße her, schwierige Benützbarkeit der vom – dortigen – Geschäftslokal Top Nr 2 in den Hausflur führenden Tür) typischerweise nicht über den Hausflur, sondern über die straßenseitigen Geschäftseingänge abzuwickeln war, während die vom (dortigen) Antragsteller angestrebte Versetzung der vom Geschäftslokal in den Hausflur führenden Tür auf die Höhe der Tür zum – dortigen – Geschäftslokal Top Nr 1 erklärtermaßen dazu dienen sollte, dass die Kunden den Hausflur durchquerend (ohne durch die Hauseingangstür abgehalten zu werden) bequemer in das Geschäftslokal gelangen könnten. Dies würde zu einer wesentlichen intensiveren Benützung des Hausflurs durch Kunden und Lieferanten sowie zur Möglichkeit führen, dass hausfremde Personen ohne durch die Hauseingangstür in irgendeiner Weise daran gehindert zu werden, in das Stiegenhaus gelangen können. Das wurde dort als für die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Antragsgegner ausreichend erachtet.

5.4. Der hier zu beurteilende Fall ist vergleichbar; die Notwendigkeit für sämtliche Besucher des Kindergartens, das Objekt Top Nr 1 über die Hauseingangstür (unter Verwendung der „Arztglocke“) und des Hausflurs im Erdgeschoß zu betreten, führt notwendigerweise zu einem weitaus offeneren Haus als es nach der bisherigen Ausgestaltung der Verkaufslokale der Fall gewesen war. Außer den beiden Objekten der Antragstellerin gibt es im Haus keine weiteren Geschäftslokale, es handelt sich daher tatsächlich um ein Wohnhaus, in dessen Inneres – abgesehen von den wohl üblicherweise bekannten Besuchern der dort wohnenden Personen – hausfremde Personen nicht ohne weiteres gelangen. Schon aufgrund dieses Umstands in Verbindung mit der Tatsache, dass eine Verlegung des Eingangs zum Objekt Top Nr 1 wieder zurück auf die Straße aufgrund der aufrechten behördlichen Bewilligung nicht in Betracht kommt, kann die begehrte Widmungsänderung nicht bewilligt werden. Ob auch das Durchqueren des Innenhofs mit Kinderwägen zum Abstellen im Fahrradabstellraum die Mit‑und Wohnungseigentümer zusätzlich wesentlich beeinträchtigt, bedarf daher keiner weiteren Erörterung. Auf die Lage der Wohnungen der 5.- und 9.‑Antragsgegnerin kommt es bei dieser Beurteilung nicht an, eine Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Verfahrensrüge im Rekurs der Antragstellerin ist somit nicht erforderlich.

5.5. In Stattgebung der Revisionsrekurse war die erstinstanzliche Entscheidung somit wiederherzustellen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Streitgenossenzuschlag steht den Antragsgegnern nicht zu, weil ihnen weder mehrere Parteien auf Antragstellerseite gegenüberstanden noch auf ihrer Seite mehrere Personen vom gleichen Rechtsanwalt vertreten wurden (§ 15 RATG). Lediglich für die 32.‑ und 33.‑Antragsgegner sind 10 % Streitgenossenzuschlag zu berücksichtigen, allerdings hat sich der 33.‑Antragsgegner am Revisionsrekursverfahren nicht mehr beteiligt.

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