OGH 5Ob9/16h

OGH5Ob9/16h23.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** L*****, vertreten durch Dr. Anton

Waltl, Mag. Manfred

Seidl, Mag. Ulrich Schmiedl, Mag. Gabriele Vierziger, Rechtsanwälte in Zell am See, gegen die beklagte Partei W***** L*****, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, wegen 1. Unterlassung, 2. Wiederherstellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 22. Oktober 2015, GZ 53 R 231/15z‑17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 28. Juli 2015, GZ 20 C 978/14b‑13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00009.16H.0223.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** mit dem darauf erbauten Objekt *****. Der Kläger hält 1524/2514‑Anteile, mit denen Wohnungseigentum an dem Objekt W 2 verbunden ist. Die Beklagte hält 990/2514‑Anteile, mit denen Wohnungseigentum an dem Objekt W 1 verbunden ist. Rechtsvorgänger des Klägers im Miteigentum war A***** P*****, Rechtsvorgängerin der Beklagten die V***** eG (in der Folge kurz V*****).

Im Jahr 1990 oder 1991 baute die V***** die von ihr im Wohnungseigentumsobjekt W 1 betriebene Bankfiliale um. Im Zuge dieser Umgestaltung wurde über ihren Wunsch die Tür im Erdgeschoss zwischen der Bankfiliale und dem Stiegenhaus aus Sicherheitserwägungen zugemauert. Darüber hat die V***** auch mit dem damaligen Eigentümer des zweiten Wohnungseigentumsobjekts, A***** P*****, gesprochen. Dieser wehrte sich nicht dagegen.

Der Kläger erwarb sein Wohnungseigentumsobjekt W 2 im Jahr 1995. Im Jahr 2003 gab es Verhandlungen zwischen der V***** und dem Kläger, weil die V***** für das Kellergeschoss einen Fluchtweg brauchte. Die V***** und der Kläger kamen überein, dass als eine der Gegenleistungen für die Zustimmung des Klägers zum Bau des neuen Notausganges die Tür im Kellergeschoss zwischen den Kellerräumlichkeiten der W 1 zu den Allgemeinflächen zugemauert wird. Die V***** mauerte die Tür im Kellergeschoss zwischen W 1 und der Allgemeinfläche daraufhin zu; diese war dann seit 2003 geschlossen.

Die Beklagte erwarb ihr Wohnungseigentumsobjekt mit Kaufvertrag vom 12. 3. 2014 zum Betrieb eines Chinarestaurants. Im Frühling/Sommer 2014 öffnete die Beklagte zunächst die zugemauerte Tür im Erdgeschoss und schließlich auch die zugemauerte Tür im Untergeschoss zwischen W 1 und der Allgemeinfläche des Hauses. Vor dem Öffnen der zugemauerten Türen wurde der Kläger nicht um Zustimmung gefragt.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, 1. es zu unterlassen, zwischen ihrem Wohnungseigentumsobjekt W 1 und dem Stiegenhaus Türen ohne Zustimmung des Klägers oder eine die Zustimmung des Klägers ersetzende Genehmigung des Außerstreitgerichtes zu errichten, und 2. die zwischen ihrem Wohnungseigentumsobjekt W 1 und dem Stiegenhaus im Keller und im Parterre eingebauten Türen zu entfernen und die Mauerdurchbrüche wieder fachgerecht zu verschließen. Die Beklagte habe durch das Öffnen der beiden zugemauerten Stellen und das Anbringen von Türen das in der Vergangenheit einverständlich geänderte Wohnungseigentumsobjekt neuerlich geändert, ohne die dafür notwendige Zustimmung des Klägers oder eine die Zustimmung des Klägers ersetzende Genehmigung des Außerstreitgerichtes einzuholen.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass es sich bei der Öffnung der beiden Türen um keine genehmigungspflichtige Maßnahme iSd § 16 Abs 2 WEG handle. Die Beklagte habe nur den baulichen Zustand hergestellt, der dem Wohnungseigentumsvertrag und der Parifizierung der Liegenschaft entspreche. Der Wohnungseigentumsvertrag sei niemals einvernehmlich abgeändert worden. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe auf die baubehördlich bewilligten Türöffnungen nicht verzichtet. Eine allenfalls zwischen dem Kläger und/oder seinem Rechtsvorgänger und der V***** getroffene Vereinbarung sei der Beklagte bei Abschluss des Kaufvertrages nicht bekannt gewesen.

Das Erstgericht gab der Klage statt und verpflichtete die Beklagte zur Unterlassung und Wiederherstellung. Das Zumauern der Türen sei im (zumindest stillschweigenden) Einvernehmen zwischen der V***** als Rechtsvorgängerin der Beklagten und dem Kläger sowie dessen Rechtsvorgänger erfolgt. An diese Vereinbarungen sei die Beklagte als Rechtsnachfolgerin gebunden. Das Öffnen der zugemauerten Türöffnungen zwischen einem Wohnungseigentumsobjekt und der Allgemeinfläche stelle daher eine genehmigungsbedürftige Änderung gemäß § 16 WEG dar. Da die Beklagte diese Änderung ohne Zustimmung des Klägers und ohne Genehmigung des Außerstreitgerichtes, also in unerlaubter Eigenmacht durchgeführt habe, könne sie zur Beseitigung der Änderung und zur Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. In diesem streitigen Verfahren über die Klage eines Mit- und Wohnungseigentümers auf Unterlassung oder Beseitigung rechtswidriger Änderungen durch andere Mit- und Wohnungseigentümer sei lediglich zu prüfen, ob das „Öffnen“ zugemauerter Türen zu einem Wohnungseigentumsobjekt eine genehmigungsbedürftige Maßnahme iSd § 16 Abs 2 WEG darstelle. Durch das Zumauern der beiden Türen mit (teils konkludenter) Zustimmung des jeweiligen weiteren Miteigentümers sei es zu einer Veränderung des gesamten Wohnungseigentumsobjekts gekommen und zugleich zu einer faktischen Gebrauchsordnung für die Zukunft. Die Fläche zwischen dem Wohnungseigentumsobjekt W 1 und dem Gang im Erdgeschoss und Kellergeschoss habe damit nachträglich eine Widmung als Wandfläche erfahren. Ein Vorbringen dahin, dass das Zumauern der Türen als bloß vorübergehende Maßnahme vereinbart worden sei, habe die Beklagte im Verfahren in erster Instanz nicht erstattet. Die Anbringung zusätzlicher Türöffnungen sei daher (wiederum) nach § 16 Abs 2 WEG genehmigungspflichtig.

Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteigend und erklärte die Revision für zulässig. Die Rechtsprechung habe sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen Änderungen im Bereich eines Wohnungseigentumsobjekts wieder rückgängig gemacht werden können, bisher nicht befasst. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch die Bindungswirkung einer genehmigten und durchgeführten Änderung hinsichtlich eines Rechtsnachfolgers noch nicht näher erörtert worden.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die

Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern und die Klage abzuweisen. Hilfsweise stellt sie Aufhebungs- und Zurückverweisungsanträge.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem schon vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Ein Wohnungseigentümer hat nach § 16 Abs 2 WEG grundsätzlich das Recht, sein Objekt durch bauliche Maßnahmen zu verändern oder auch Widmungsänderungen vorzunehmen; dies aber mangels Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer nur unter bestimmten ‑ abgestuften ‑Voraussetzungen.

2. Der Änderungsbegriff des § 16 Abs 2 WEG ist nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats weit auszulegen (RIS-Justiz RS0083108 [T1];

RS0083132). Jede

Änderung, die eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnte (wofür also schon die Möglichkeit einer Beeinträchtigung genügt), bedarf aber der Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer oder der Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG (RIS-Justiz RS0083132 [T7]).

Holt der änderungswillige Wohnungseigentümer die Zustimmung der anderen Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters nicht ein oder setzt er sich über den Widerspruch eines anderen Miteigentümers hinweg, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg zur Beseitigung der Änderung (gegebenenfalls auch zur Unterlassung künftiger Änderung) verhalten werden (

RIS‑Justiz RS0083156).

3. Für die Beurteilung, ob eine Maßnahme als genehmigungspflichtige Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG zu qualifizieren ist, ist vom bestehenden Zustand des betreffenden Objekts auszugehen. Ansatzpunkt der Überlegung hat der aktuelle rechtmäßige Bestand zu sein. Im Falle einer baulichen Umgestaltung des ursprünglichen Objekts erfordert diese Beurteilung daher einen Rückgriff auf die dieser Maßnahme zugrunde liegenden vertragliche Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer

(vgl zur Widmungsänderung RIS-Justiz

RS0101800 [T1]). Wenn der veränderte Zustand auf einem widerrechtlichen Eingriff beruht, würde durch die Wiederherstellung des vorigen Zustands nicht in die Rechte der anderen Wohnungseigentümer eingegriffen, weil lediglich der ursprüngliche, auch mit dem zugrunde liegenden Wohnungseigentumsvertrag entsprechende Zustand wiederhergestellt würde. Die Wiederherstellung des vor einem eigenmächtigen Umbau bestandenen Zustands und die dafür notwendigen Maßnahmen stellen dann auch keine genehmigungspflichtigen „Änderungen“ iSd § 16 Abs 2 WEG dar (3 Ob 148/10a; Vonkilch in Hausmann/Vonkilch WEG³ §16 Rz 21a). Für den Fall einer rechtmäßigen ‑ weil von den übrigen Wohnungseigentümern oder dem Außerstreitgericht genehmigten ‑ baulichen Veränderung gilt dies nicht. Eine rechtmäßige bauliche Veränderung zieht eine Änderung der Nutzwerte nach sich, die im Falle ihrer Wesentlichkeit ihre Neufestsetzung durch das Gericht rechtfertigt (§ 9 Abs 2 Z 4 WEG). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft des § 28 Abs 1 Z 1 WEG auch für die Erhaltung eines geänderten Wohnungseigentumsobjekts gilt, der Wohnungseigentümer also zwar die Kosten der Änderung allein zu tragen hat, aber nicht jene der Erhaltung der geänderten allgemeinen Teile (RIS-Justiz RS0116332 [T2, T3]). Bei der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Wohnungseigentumsobjekts besteht demnach die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Rechte der anderen Wohnungseigentümer, diese stellt daher eine nach den Kriterien des § 16 Abs 2 WEG zu beurteilende Änderung dar. Der Umstand, dass der wiederhergestellte Bauzustand ursprünglich konsensgemäß gewesen sein mag, ändert nichts daran, dass auch in diesem Fall den Intentionen des § 16 Abs 2 WEG entsprechend die Interessen der übrigen Wohnungseigentümer gewahrt bleiben müssen.

4. Die Revisionswerberin bestreitet diese Maßgeblichkeit des durch eine rechtmäßige Änderung geschaffenen Bestandes mit der wesentlichen Begründung, dass mit den baulichen Änderungen ihrer Rechtsvorgängerin keine dauerhafte unwiderrufliche Änderung (der Widmung, des Wohnungseigentumsvertrags und des Parifizierungsgutachtens) verbunden gewesen sei. Die Änderungen seien vielmehr als zeitlich befristet zu interpretieren, nämlich nur für die Zeit, in der der mit den Änderungen verfolgte Zweck für die jeweilige Wohnungseigentümerin maßgeblich sei. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hätten mit dieser Vereinbarung also nicht automatisch auf den baubehördlich bewilligten Zustand und die im Wohnungseigentumsvertrag vorgesehenen Türöffnungen verzichtet. Diese Argumentation läuft auf die Behauptung einer Vorwegzustimmung zur allfälligen (gänzlichen oder auch nur teilweisen) Wiederherstellung des vorigen Zustands hinaus. Abgesehen davon, dass die Revisionswerberin im Verfahren vor dem Erstgericht eine Vereinbarung solchen Inhalts nicht behauptet hat, finden sich im festgestellten Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür, die jeweiligen Zustimmungserklärungen zu den von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgenommenen Änderungen in diesem Sinne auszulegen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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