OGH 4Ob178/17f

OGH4Ob178/17f21.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch die Huber Swoboda Oswald Aixberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. H***** GmbH, 2. K***** H*****, beide vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert 34.900 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 100 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juli 2017, GZ 2 R 28/17b‑46, mit dem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 12. Jänner 2017, GZ 37 Cg 25/16v‑42, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00178.17F.1221.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird als verspätet zurückgewiesen.

 

Begründung:

Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagte zur Unterlassung, Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, insbesondere durch Aufstellung und/oder Zugänglichmachung solcher Geräte, insbesondere in einem bestimmten Lokal, solange sie oder der Dritte, dem sie die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglichen, nicht über die dafür erforderliche Konzession oder behördliche Bewilligung verfügen. Darüber hinaus wurde die Klägerin ermächtigt, den stattgebenden Ausspruch über das Unterlassungs‑ und das Veröffentlichungsbegehren in näher bestimmter Weise zu veröffentlichen.

Das Mehrbegehren, den Beklagten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr Geräte für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu betreiben oder einem Dritten den Betrieb von Geräten für die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung zu ermöglichen, solange sie oder der Dritte, dem sie die Durchführung von Glücksspielen in Form der Ausspielung ermöglichen, nicht die Bestimmungen über den Spielerschutz nach den glücksspielrechtlichen Vorschriften einhalten, sowie das über die Veröffentlichungsermächtigung hinausgehende Urteilsveröffentlichungsbegehren wies das Berufungsgericht ab. Derjenige Teil des Unterlassungsbegehrens, der sich auf behauptete Verstöße gegen die Bestimmungen über den Spielerschutz beziehe, sei aufgrund der vor Schluss der mündlichen Verhandlung zulässigerweise (wieder) erhobenen Verjährungseinrede abzuweisen gewesen. Allein die Zurückziehung des Verjährungseinwands, zumal die Beklagten die Gründe hiefür gar nicht erläuterten, lasse nicht auf einen endgültigen Verzicht auf die Verjährungseinrede schließen.

Die außerordentliche Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des ihrer Klage voll stattgebenden Ersturteils anstrebt, ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die gänzliche Klageabweisung anstrebt, ist verspätet.

Rechtliche Beurteilung

A) Zur Revision der Klägerin:

Die Erhebung der Verjährungseinrede – und damit spiegelbildlich auch deren Zurücknahme – ist eine Prozesshandlung (1 Ob 638/95 mwN) und daher ausschließlich nach prozessrechtlichen Grundsätzen, nicht aber nach den Auslegungsregeln für Privatrechtsgeschäfte zu beurteilen (5 Ob 78/11y). Es scheidet daher beispielsweise auch eine stillschweigende Zurücknahme aus (RIS‑Justiz RS0005998).

Der nach § 1502 ABGB zu beurteilende (materiell‑rechtliche) Verjährungsverzicht kann auch schlüssig erklärt werden (9 ObA 156/16f; 3 Ob 524/87). Bei der Annahme eines stillschweigenden Verjährungsverzichts ist im Hinblick auf § 863 ABGB jedoch besondere Vorsicht geboten. Er ist nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist (2 Ob 11/97z; RIS‑Justiz RS0014190, RS0014420, RS0014090 [T2]). Die Zurücknahme der Prozesseinrede einerseits und der materiell‑rechtliche Verzicht andererseits sind daher verschiedene Rechtsinstitute (einerseits Prozesshandlung, andererseits nach Privatrecht zu beurteilende Willenserklärung).

Ob die Zurücknahme einer Verjährungseinrede im Sinn einer „doppelfunktionalen Prozesshandlung“ (vgl RIS‑Justiz RS0037540) zugleich einen Verzicht auf deren erneute Geltendmachung bedeutet, ist daher nach § 863 ABGB und den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (9 ObA 156/16f mwN; RIS‑Justiz RS0107199).

Die bloße Tatsache einer Klageeinschränkung ist nicht als Anspruchsverzicht zu werten (RIS‑Justiz RS0039573, vgl RS0039535). Auch der wiederholte (Rück‑)Wechsel in der Anspruchsgrundlage wird als zulässig angesehen (8 Ob 40/08b). Wenn das Berufungsgericht aus der Zurücknahme der Verjährungseinrede der Beklagten keinen Verzicht auf deren allfällige erneute Geltendmachung im Prozess ableitete, folgt es daher den Grundsätzen der Rechtsprechung und erweist sich seine Rechtsansicht als nicht korrekturbedürftig. Auch aus prozessrechtlicher Sicht spricht nichts gegen die erneute Einrede, sind doch grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz Einreden zulässig (vgl RIS‑Justiz RS0034726).

Der von der Klägerin behauptete Widerspruch zur Rechtsprechung besteht daher nicht. Dass ein nach Ablauf der Verjährungsfrist abgegebener Verzicht einseitig nicht mehr zurückgenommen werden kann (5 Ob 269/97p) bedeutet nämlich nicht, was aber zunächst zu prüfen war, dass überhaupt ein Verzicht vorlag. Diese primär zu beantwortete Frage hat das Berufungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung aber verneint.

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

B) Zur außerordentlichen Revision der Beklagten:

Das Berufungsurteil wurde dem Vertreter der Beklagten am 7. August 2017 zugestellt. Gemäß § 222 Abs 1 ZPO werden Notfristen unter anderem in der Zeit vom 15. Juli bis 17. August gehemmt. Fällt der Beginn einer Frist in diesen Zeitraum, so wird diese um den bei ihrem Beginn noch übrigen Teil dieses Zeitraums verlängert. Für die Berechnung der Frist ist daher so vorzugehen, als wäre die Zustellung am letzten Tag des Fristenhemmungszeitraums erfolgt (1 Ob 122/14v; RIS‑Justiz RS0036272). Die vierwöchige Revisionsfrist (§ 505 Abs 2 ZPO) begann damit am 17. August 2017 und endete nach 28 Tagen am 14. September 2017 (vgl 1 Ob 122/14v mwN). Da die außerordentliche Revision der Beklagten erst am 15. September 2017 im Elektronischen Rechtsverkehr an das Erstgericht übermittelt wurde (und ein gegen die Versäumung der Revisionsfrist gerichteter Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand rechtskräftig abgewiesen wurde), ist die außerordentliche Revision der Beklagten verspätet und daher zurückzuweisen.

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