OGH 5Ob152/16p

OGH5Ob152/16p23.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. P* N*, 2. Mag. E* K*, beide vertreten durch Dr. Karl Newole, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. DI A* F*, 2. D* H*, beide vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, 3. E* E*, vertreten durch die Nistelberger & Parz Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Räumung, Unterlassung und Feststellung, über die Revision der klagenden Parteien (Revisionsinteresse 18.333,34 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Oktober 2015, GZ 13 R 60/15m‑19, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 12. Februar 2015, GZ 53 Cg 59/14g‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118239

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der drittbeklagten Partei die mit 1.379,02 EUR (darin 229,84 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die beiden Kläger und die Drittbeklagte sind die Miteigentümer einer Liegenschaft. An dieser Liegenschaft ist Wohnungseigentum begründet. Der Erst- und die Zweitbeklagte sind aufgrund eines Mietvertrags mit der Drittbeklagten Mieter der in deren Wohnungseigentum stehenden Wohnung Top 2A. Gegenstand des Verfahrens sind von den Klägern erhobene, auf ihr Miteigentum gestützte Ansprüche im Zusammenhang mit der Nutzung einer Allgemeinfläche, die vor der Wohnung Top 2A liegt. Die Klagebegehren gegenüber der Erst‑ und dem Zweitbeklagten wurden mittlerweile rechtskräftig abgewiesen und sind nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (auch) gegenüber der Drittbeklagten ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich der Drittbeklagten 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die Revision nicht zulässig sei. Auf Antrag der Kläger änderte das Berufungsgericht diesen Zulassungsausspruch gemäß § 508 Abs 3 ZPO dahin ab, dass die ordentliche Revision zugelassen werde.

Mit ihrer Revision aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beantragen die Kläger, die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern und der Klage gegen die Drittbeklagte stattzugeben.

Die Drittbeklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig.

1. Die Begründung von Wohnungseigentum beseitigt die Gemeinschaft des Eigentums an der Liegenschaft nicht, sondern befestigt sie in anderer Form (für die „Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft“ durch Realteilung RIS‑Justiz RS0121971 [T1], RS0101771 [T6], vgl RS0013264).

2. Wohnungseigentum verschafft dem Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs 1 WEG ein ausschließliches Benützungsrecht am Wohnungseigentums-objekt. Durch die Zuweisung der Wohnungseigentumsobjekte an den Miteigentümer in sein Wohnungseigentum wird daher die Benützungsordnung hinsichtlich des Wohnungseigentums-objekts (und des diesem zugeordneten Zubehör-Wohnungseigentums) festgelegt. Nur in diesem Umfang beseitigt die Vereinbarung des Wohnungseigentums eine allenfalls bestehende bisherige Benützungsregelung jedenfalls (3 Ob 170/14t).

3. Der in diesem Verfahren strittige Teil der Benützungsregelung betrifft – anders als in der von den Revisionswerbern für ihren Prozessstandpunkt ins Treffen geführten Entscheidung 3 Ob 170/14t – nicht die eigentlichen Wohnungseigentumsobjekte, die durch die Begründung von Wohnungseigentum (neu) zugewiesen wurden. Hier geht es vielmehr um die Nutzung einer – unstrittig – zu den allgemeinen Teilen zu zählenden Fläche. Zwischen den Miteigentümern (und späteren Wohnungseigentümern) getroffene Vereinbarungen über die Nutzung von Liegenschaftsteilen, die nach der Begründung von Wohnungseigentum als allgemeine Teile der Liegenschaft im Sinne des § 2 Abs 4 WEG zu qualifizieren sind, können weiterhin Bestand haben. Solche Vereinbarungen werden durch die Wohnungseigentumsbegründung also nicht automatisch aufgehoben (vgl 5 Ob 205/14d).

4. Ob und in welchem Umfang eine vor der Begründung von Wohnungseigentum von den Miteigentümern getroffene Benützungsregelung in Bezug auf Liegenschaftsteile, die im dargestellten Sinn von dieser Begründung nicht unmittelbar betroffen sind, noch Bestand hat, ist durch Auslegung der jeweiligen (rechtsgeschäftlichen) Erklärungen zu ermitteln. Wie eine Willenserklärung aufzufassen ist, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar. Lediglich grobe Auslegungsfehler und krasse Fehlbeurteilungen sind vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen (RIS‑Justiz RS0042555 [T2, T6, T11, T17]).

5. Das Berufungsgericht kommt hier zum Ergebnis, dass die im Jahr 2004 vor Begründung von Wohnungseigentum (und auch noch vor Eintritt des Vorbereitungsstadiums iSd § 37 Abs 5 WEG) schriftlich getroffene Benützungsvereinbarung – erkennbar bezogen auf die vom Klagebegehren umfasste Gartenfläche – nach dem Parteiwillen weiterhin gelten sollte. Es schließt dies insbesondere daraus, dass diese Benützungsregelung im Zuge der späteren Begründung von Wohnungseigentum nicht erwähnt wurde, und die Kläger bis zur Klagsführung trotz jahrelanger Kenntnis der diesbezüglichen Verfügungs-handlungen der Beklagten keinerlei Ansprüche auf diesen der Drittbeklagten zugeordneten allgemeinen Teil der Liegenschaft erhoben haben, deren Verfügungsberechtigung insoweit also außer Frage gestanden sei. Bei der Auslegung von Verträgen ist das Gesamtverhalten der Parteien und der Zweck der von ihnen abgegebenen Erklärungen zu berücksichtigen. Nachfolgendes Verhalten ist zur Interpretation dann heranzuziehen, wenn sich darin die bei Vertragsschluss bestandene Parteiabsicht manifestiert (RIS-Justiz RS0110838). Das aus den konkreten Umständen des Einzelfalls gewonnene Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts stellt daher jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. In dem in der schon zitierten Entscheidung 5 Ob 205/14d zu beurteilenden Fall wurde im Wohnungseigentumsvertrag – anders als hier – auf die den Kaufverträgen zugrundeliegende Vereinbarung von ausschließlichen Nutzungsrechten einzelner Miteigentümer insofern ausdrücklich Bezug genommen, als inhaltlich gerade das Gegenteil (gemeinsame Benutzung aller Mit- und Wohnungseigentümer) vereinbart wurde.

6. Nach § 38 Abs 1 Z 1 WEG sind (unter anderem) von Wohnungseigentumsorganisatoren vereinbarte Nutzungsvorbehalte über allgemeine Teile der Liegenschaft unwirksam, wenn sie geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder unbillig zu beschränken. Eine Benützungsvereinbarung ist dabei inhaltlich nicht anders zu werten als ein Nutzungsvorbehalt (RIS‑Justiz RS0013567 [T4]).

7. Das Berufungsgericht hat die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Voraussetzungen der Rechtsunwirksamkeit einer Vereinbarung gemäß § 38 Abs 1 WEG entwickelten Grundsätze (vgl RIS‑Justiz RS0013567, RS0040166, RS0083359, RS0083371) zutreffend dargestellt und auf den vorliegenden Einzelfall jedenfalls vertretbar angewandt. Gegenstand seiner Entscheidung ist entsprechend dem Streitgegenstand des Verfahrens die Benützungsregelung für den als Terrasse bezeichneten Teil der Allgemeinfläche. Den Bestand (nur) dieser Benützungsregelung hat das Berufungsgericht auch im Lichte des § 38 WEG geprüft und als präjudizielle Rechtsfrage zu prüfen gehabt.

8. Die Revision ist daher in Ermangelung einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig (§ 502 Abs 1 ZPO).

9. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Drittbeklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen und daher Anspruch auf Kostenersatz (RIS‑Justiz RS0112296, RS0035962, RS0035979). Bemessungsgrundlage für die Honorierung ihrer Revisionsbeantwortung ist dabei (nur) der Streitgegenstand im Prozessrechtsverhältnis zur Drittbeklagten, in Bezug auf das gegenüber allen drei Beklagten erhobene Feststellungsbegehren daher nur der entsprechende aliquote Teil des diesbezüglichen Streitwerts.

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