European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00011.17V.0426.000
Spruch:
I. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
II. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben und die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung unter Einbeziehung des in Rechtskraft erwachsenen Teils zu lauten hat:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreterin den Betrag von 800 EUR samt 4 % Zinsen ab 29. 11. 2013 binnen 14 Tagen zu zahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig weitere 9.200 EUR samt 4 % Zinsen aus 2.200 EUR seit 29. 11. 2013 und aus 7.000 EUR seit 5. 6. 2014 zu zahlen, wird abgewiesen.
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.643,72 EUR (darin enthalten 771,61 EUR an USt und 13,86 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.600,35 EUR (darin enthalten 837,89 EUR an USt und 340 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die damals 13‑jährige Klägerin (geboren am 2. 7. 1997) und der 16‑jährige Beklagte (geboren am 4. 11. 1994) lernten einander im Juni 2011, zwei Wochen vor dem Frühlingsfest, kennen. Sie kamen ins Gespräch und waren ab dem Tag „ein Paar“. Nach zwei Wochen fragte der Beklagte die Klägerin, ob sie mit ihm schlafen wolle, was sie bejahte. Er holte sie an einem Freitag von der Schule ab und sie gingen zu ihm nach Hause. Nachdem der Beklagte die Klägerin seiner Mutter vorgestellt hatte, gingen sie auf sein Zimmer. Sie sahen sich noch einen Film an und tranken eine Flasche Eristoff Ice 0,33 l. Es kam danach zum Geschlechtsverkehr. Für die Klägerin war es das erste Mal. Als der Beklagte in die Klägerin eindrang, sagte sie noch, dass es ihr weh tue. Ob sie dabei auch zu verstehen gab, dass er aufhören solle, kann nicht festgestellt werden. Ob der Beklagte die Klägerin mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr zwang und sie sich zu wehren versuchte, kann nicht festgestellt werden; ebenso nicht, wie oft der Beklagte an diesem Abend in sie eindrang. Zum Zeitpunkt dieses Geschlechtsverkehrs war die Klägerin 13 Jahre und 11 Monate und der Beklagte 16 Jahre und 6 Monate alt. Somit betrug der Altersunterschied zwischen der Klägerin und dem Beklagten weniger als drei Jahre.
Die Klägerin blieb über Nacht beim Beklagten. Er fuhr sie am nächsten Tag nach Hause. Die beiden waren anschließend noch ca zwei Wochen „ein Paar“. In dieser Zeit kam es zu weiteren sexuellen Kontakten, wobei nicht festgestellt werden kann, wie oft dies tatsächlich der Fall war.
Aufgrund des erstmaligen Geschlechtsverkehrs erlitt die Klägerin eine Anpassungsstörung in einem klinisch relevanten Umfang in den ersten zwei bis drei Wochen. Danach bildeten sich die Symptome rasch wieder zurück und traten nur mehr über Wochen und Monate in einzelnen Schlüsselsituationen punktuell auf. Mittlerweile sind diese Symptome wieder völlig abgeklungen. Aufgrund dieser Anpassungsstörung musste die Klägerin zwei bis drei Tage mittelgradige und drei Tage leichte Schmerzen ertragen.
Während der Beziehung befriedigte sich der Beklagte auch im Beisein der Klägerin und einer ihrer Freundinnen selbst. Dass der Beklagte die Klägerin und ihre Freundin zwang, dabei zuzusehen, kann nicht festgestellt werden.
In der am 29. 11. 2013 durchgeführten Hauptverhandlung wurde der Beklagte von der gegen ihn erhobenen Anklage (Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB) gemäß § 259 Z 3 StPO, freigesprochen. Die Klägerin, die sich dem Verfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hatte, wurde mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Die Klägerin begehrte – im Revisionsverfahren noch von Relevanz – die Zahlung eines Betrags von 10.000 EUR sA. Sie habe – damals 13‑jährig – mit dem damals 16‑jährigen Beklagten im Juni/Juli 2011 eine Beziehung geführt, wobei es zu diversen Übergriffen des Beklagten gekommen sei. Er habe der Klägerin Alkohol verabreicht und mit Gewalt den Geschlechtsverkehr vollzogen. Nach dem erzwungenen Geschlechtsverkehr sei es ihr sehr schlecht gegangen. Bereits aufgrund der daraus resultierenden krankheitswertigen Folgen sei ein Schmerzengeld von zumindest 7.000 EUR nach § 1325 ABGB angemessen.
Abgesehen davon habe sich der Beklagte auch gegen ihren Willen mehrfach vor ihr und ihrer Freundin selbst befriedigt. Aufgrund des Vorliegens der strafbaren Handlungen nach §§ 206 Abs 1 und 218 Abs 1 StGB habe sie gemäß § 1328 ABGB Anspruch auf eine weitere angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung. Der gegen den Willen der Klägerin vollzogene Geschlechtsverkehr und die mehrfache Selbstbefriedigung würden eine weitere Entschädigung von 3.000 EUR nach § 1328 ABGB rechtfertigen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Richtig sei, dass er mit der Klägerin eine Beziehung gehabt habe und es auch zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Sämtliche sexuellen Handlungen, somit auch eine einmalige Selbstbefriedigung vor der Klägerin, seien mit deren Einverständnis erfolgt. Nach der behaupteten Vergewaltigung habe die Beziehung noch einen Monat fortgedauert. Der Beklagte sei zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs auch nicht mehr als drei Jahre älter gewesen als die Klägerin, der einvernehmliche Sexualkontakt daher nicht strafbar. Würde man dennoch einen Schadenersatzanspruch der Klägerin bejahen, läge eine Vernachlässigung der Obsorge durch ihre Mutter vor, welche der Klägerin als Mitverschulden anzulasten wäre. Die Klägerin habe zudem sorglos in eigenen Angelegenheiten gehandelt, indem sie beim Beklagten übernachtet habe.
Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 800 EUR samt 4 % Zinsen seit 5. 6. 2014. Das Mehrbegehren in Höhe von 9.200 EUR samt 4 % Zinsen seit 29. 11. 2013 und das Zinsenmehrbegehren, gerichtet auf die Zahlung von 4 % Zinsen aus 800 EUR von 29. 11. 2013 bis 4. 6. 2013 wies es ab. Aufgrund der festgestellten Schmerzen im Zusammenhang mit der Anpassungsstörung stehe der Klägerin ein Schmerzengeld von 800 EUR gemäß § 1325 ABGB zu. Im Hinblick auf die Negativfeststellung zur Fälligstellung der Klagsforderung vom 29. 11. 2013 seien Zinsen erst ab dem der Klagszustellung folgenden Tag zuzusprechen.
Der Zuspruch von 800 EUR sA erwuchs in Rechtskraft. Über Berufung der Klägerin änderte das Berufungsgericht das Ersturteil teilweise ab. Es verhielt den Beklagten zur Zahlung von 4 % Zinsen aus 800 EUR von 29. 11. 2003 bis 4. 6. 2014 und zu einer weiteren Zahlung von 2.080 EUR samt 4 % Zinsen seit 29. 11. 2013. Das Mehrbegehren in Höhe von 7.120 EUR samt 4 % Zinsen aus 620 EUR seit 29. 11. 2013 und aus 6.500 EUR seit 5. 6. 2014 wies es ab.
Der Beklagte habe mit der erst 13‑jährigen Klägerin den Beischlaf unternommen. Auch wenn aufgrund der Alterstoleranzklausel, welche (lediglich) einen Strafausschließungsgrund darstelle, eine Bestrafung des Beklagten ausscheide, liege eine strafbare Handlung im Sinn des § 206 Abs 1 StGB vor. Die Klägerin habe neben dem Anspruch auf Schmerzengeld nach § 1325 ABGB auch Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens und eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung gemäß § 1328 ABGB. Ein Betrag von 2.880 EUR für den Vollzug des Geschlechtsverkehrs sei im Hinblick auf die festgestellten Folgen und das mit der Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung der Klägerin einhergehende Leid nicht überhöht. Ein Mitverschulden der Klägerin wurde verneint.
Die Selbstbefriedigung des Beklagten habe während einer aufrechten Beziehung zur Klägerin innerhalb der Wohnung stattgefunden. Ein strafbares Verhalten im Sinn des Ermächtigungsdelikts nach § 218 StGB sei darin nicht zu erblicken, selbst wenn diese ohne Zustimmung der Klägerin erfolgt sei und sie sich dabei geekelt haben sollte. Das Erstgericht habe hier einen Entschädigungsanspruch zutreffend verneint.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Judikatur zu der Frage bestehe, ob im Falle eines Beischlafs mit einer unmündigen Person, der infolge der Alterstoleranzklausel nicht zu einer Verurteilung des Täters führen könne, dem Opfer ein Entschädigungsanspruch im Sinn des § 1328 ABGB zu leisten sei und ob ein Entschädigungsanspruch im Zusammenhang mit einer (Ekel hervorrufenden) Selbstbefriedigung in Anwesenheit des Opfers, welches zu dieser Zeit mit dem Täter in einer Beziehung gestanden sei, bestehe.
Gegen den klagsabweisenden Teil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Gegen den klagsstattgebenden Teil im Umfang von 2.080 EUR samt 4 % Zinsen seit 29. 11. 2013 wendet sich die Revision des Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Streitteile begehren jeweils, die Revision des Gegners zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist nicht zulässig, jene des Beklagten ist zulässig, sie ist auch berechtigt.
I. Zur Revision der Klägerin:
1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand – wenn die Voraussetzungen der Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS‑Justiz RS0053096).
Eine Zusammenrechnung hat nach § 55 Abs 1 Z 1 JN nur zu erfolgen, wenn mehrere Ansprüche von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und die Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Bei der Prüfung ist von den Klagsangaben auszugehen (vgl RIS‑Justiz RS0106759). Werden mehrere Ansprüche erhoben, die weder im tatsächlichen noch im rechtlichen Zusammenhang stehen, so muss als Streitgegenstand jeder dieser Ansprüche einzeln betrachtet werden (RIS‑Justiz RS0042753).
Ein tatsächlicher Zusammenhang nach § 55 Abs 1 JN läge vor, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreichte, um auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ergänzendes Vorbringen erforderlich wäre (RIS‑Justiz RS0037648 [T4]). Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein verschiedenes rechtliches oder tatsächliches Schicksal haben kann (RIS‑Justiz RS0037648 [T20]).
Die Klägerin begehrt im erstinstanzlichen Verfahren eine Entschädigung für die behaupteten Beeinträchtigungen, die sie einerseits aufgrund des von ihr § 206 Abs 1 StGB unterstellten Geschlechtsverkehrs und anderseits aus der ihrer Meinung nach den Straftatbestand des § 218 Abs 1 StGB erfüllenden Selbstbefriedigung erlitten habe. Zwischen diesen beiden Ansprüchen besteht jedoch kein tatsächlicher und auch kein rechtlicher Zusammenhang, sodass die Forderungen aus den getrennt zu beurteilenden Vorfällen nicht zusammenzurechnen sind.
2. Die Revision der Klägerin wendet sich hinsichtlich des Vorfalls Selbstbefriedigung nur noch gegen die Abweisung des auf § 1328 ABGB gestützten Anspruchs.
In der Klage begehrte sie nach § 1328 ABGB für beide Vorfälle insgesamt lediglich 3.000 EUR. Damit machte sie im Zusammenhang mit dem Vorfall Selbstbefriedigung jedenfalls keinen 5.000 EUR übersteigenden Anspruch geltend. Insoweit ist die Revision gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
3.1 Soweit die Klägerin für die durch den Geschlechtsverkehr erlittenen Beeinträchtigungen einen weiteren Entschädigungsbetrag zugesprochen haben möchte, beschränkt sie sich auf eine Mängelrüge und zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Die Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens und die allfällige Notwendigkeit einer Ergänzung und eines Vorgehens nach § 362 Abs 2 ZPO fallen nämlich in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0113643). Dasselbe gilt für die Frage, ob die eingeholten Sachverständigengutachten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigen (RIS‑Justiz RS0043163). Ob das vom Erstgericht eingeholte Sachverständigengutachten zu ergänzen gewesen wäre, ist daher ebenso eine nicht revisible Frage der Beweiswürdigung (RIS‑Justiz RS0043163 [T8]). Dieser Grundsatz kann auch nicht durch die Behauptung, das Berufungsverfahren sei– weil das Berufungsgericht der Mängelrüge nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben, umgangen werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T58]).
3.2 Die Revision erweist sich daher insgesamt als unzulässig und ist zurückzuweisen.
II. Zur Revision des Beklagten:
1. Nach § 1328 ABGB hat, wer jemanden durch eine strafbare Handlung oder sonst durch Hinterlist, Drohung oder Ausnutzung eines Abhängigkeits‑ oder Autoritätsverhältnisses zur Beiwohnung oder sonst zu geschlechtlichen Handlungen missbraucht, diesem den erlittenen Schaden und den entgangenen Gewinn zu ersetzen, sowie eine angemessene Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung zu leisten.
1.1 Geschützt ist die Freiheit des Einzelnen, über seine Geschlechtssphäre und sexuelle Beziehungen frei zu entscheiden. Das Recht ist ein Persönlichkeitsrecht im Sinn des § 16 ABGB und steht jedem Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht und bisherigem Lebenswandel zu (vgl Hinteregger in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON 1.03 § 1328, Rz 5; Reischauer in Rummel , ABGB 3 § 1328 ABGB Rz 1; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB 4 § 1328 Rz 1).
1.2 Wie schon § 1328 ABGB alte Fassung erfordert auch § 1328 ABGB neue Fassung eine bestimmte qualifizierte Art des Eingriffs in das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung ( Hinteregger aaO Rz 7).
2. Im vorliegenden Fall interessiert lediglich die Tatbestandsvariante „strafbare Handlung“.
2.1 Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der strafbaren Handlung richtet sich nach dem StGB. Erfasst sind vor allem die Sexualdelikte, wie insbesondere sexueller Missbrauch von Unmündigen (§ 206f StGB) und Jugendlichen (§ 207b StGB) sowie sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen (§ 218 StGB) (vgl Hinteregger aaO Rz 7; Harrer/Wagner aaO Rz 4; Reischauer aaO Rz 4 Wittwer in Schwimann, ABGB‑Taschenkommentar³ § 1328 ABGB Rz 3).
2.2 Ob eine solche strafbare Handlung gegeben ist, ist vom Zivilgericht zu beurteilen. Eine strafrechtliche Verurteilung braucht nicht vorzuliegen (5 Ob 219/65 = JBl 1966, 210 zu § 1328 ABGB aF; RIS‑Justiz RS0031554; Hinteregger aaO Rz 7; Reischauer aaO Rz 4; Karner, Die Neuregelung des Ersatzes ideeller Schäden bei geschlechtlichem Mißbrauch, JBl 1997, 685).
2.3 Die strafbare Handlung (Straftat) bezeichnet die Summe aller materiellen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Rechtsfolge Strafe eintreten soll ( Fuchs Strafrecht Allgemeiner Teil I 9 Rz 6/2). Der Begriff ist von jenem der „mit Strafe bedrohten Handlung“ zu unterscheiden, den das Gesetz nur dann verwendet, wenn es eine Tat meint, die zwar einige wesentliche, aber nicht alle Voraussetzungen einer Straftat erfüllt ( Fuchs aaO Rz 6/3, vgl auch Pilnacek/Swiderski in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 299 Rz 7). So setzt eine mit Strafe bedrohte Handlung voraus, dass sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand des Delikts erfüllt ist (RIS‑Justiz RS0119623, RS0120218). Die „mit Strafe bedrohte Handlung“ weist gegenüber der strafbaren Handlung (volle Straftat) einen Defekt auf, mindestens ein Element der Strafbarkeit fehlt, welches dieses ist, ist nach der jeweiligen Norm verschieden und durch Auslegung zu ermitteln ( Fuchs aaO Rz 6/3). Die strafbare Handlung ist nur erfüllt, wenn das tatbestandsmäßige, rechtswidrige und schuldhafte Verhalten auch allfälligen zusätzlichen Voraussetzungen für die Strafbarkeit genügt ( Ratz in Höpfel/Ratz, WK 2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 1, Fuchs aaO Rz 6/17).
2.3 Zu diesen allfälligen zusätzlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit gehören etwa die objektiven Bedingungen der Strafbarkeit sowie das Fehlen von Strafausschließungsgründen ( Fuchs aaO Rz 6/18).
Macht das Gesetz den Eintritt der Strafbarkeit vom Vorliegen bestimmter Umstände abhängig, die weder Tatbestands‑ noch Schuldmerkmale sind, so spricht man von objektiven Bedingungen der Strafbarkeit. Es kann aber auch umgekehrt sein, dass das Gesetz gerade Umstände nennt, bei deren Vorliegen die Strafbarkeit entfällt. Sind dies Umstände, die schon im Zeitpunkt der Tathandlung vorliegen und von vornherein keine Strafbarkeit entstehen lassen, spricht man von Strafausschließungsgründen ( Fuchs aaO Rz 7/4). Es handelt sich also dabei um besondere Umstände, die trotz Vorliegens aller Voraussetzungen einer strafbaren Handlung (willkürliches Verhalten, Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld, allenfalls auch objektive Bedingungen der Strafbarkeit) ausnahmsweise einen Strafanspruch von vornherein nicht entstehen lassen ( Hager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung 4 179).
3.1 Nach § 206 Abs 1 StGB war – wer mit einer unmündigen Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternimmt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Nach Abs 4 leg cit ist der Täter nach Abs 1 und 2 leg cit nicht zu bestrafen, wenn sein Alter das Alter der unmündigen Person nicht um mehr als drei Jahre übersteigt, die geschlechtliche Handlung nicht in der Penetration mit einem Gegenstand besteht und die Tat weder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) noch den Tod der unmündigen Person zur Folge hat, es sei denn die unmündige Person hätte das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet.
3.2. Die bis 1998 nur in § 207 Abs 3 StGB für die „Unzucht mit Unmündigen“ vorgesehene Alterstoleranzklausel „Straflosigkeit der Kinderliebe“ wurde mit dem StRÄG 1998 auf den § 206 StGB ausgedehnt. Man wollte auch Beischlaf und die dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen unter annähernd Gleichaltrigen, für die die erwachende Sexualität noch ein Feld der Neugierde oder des beginnenden Experimentierens darstellt, nicht kriminalisieren ( Philipp in Höpfl / Ratz , WK 2 StGB § 206 Rz 16).
Der außerhalb von Unrecht und Schuld stehende persönliche Strafausschließungsgrund (12 Os 110/10h; Philipp aaO § 206 Rz 17, Hinterhofer, SbgK StGB § 206 Rz 45) stellt auf das rein an der objektiven Sachlage zu beurteilende Mindestalter des Opfers von 13 Jahren und einen – wiederum nach objektiven Tatsachengrundlagen zu berechnenden – Altersunterschied zwischen Täter und Opfer von nicht mehr als drei Jahren ab (12 Os 110/10h).
3.3 Nach den Feststellungen lagen diese Altersvoraussetzungen vor. Der Klägerin fehlte nur mehr maximal ein Monat (nach den diesbezüglichen ungenauen Feststellungen könnten es auch bloß 14 Tage gewesen sein) bis zur Erreichung des 14. Lebensjahres, der Beklagte war nicht mehr als drei Jahre älter.
4.1 § 84 Abs 1 StGB stellt eine Erfolgsqualifikation des Grunddelikts des § 83 Abs 2 StGB dar. Die Qualifikation einer Körperverletzung iSd § 83 Abs 2 StGB zur schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB setzt den Eintritt eines qualifizierenden Erfolgs voraus ( Burgstaller/Fabrizy in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 84 Rz 5).
Hier interessiert nur der erste Erfolg, nämlich die länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung. Für deren Dauer kommt es weder auf die Dauer der Berufsunfähigkeit noch auf die Heilungsdauer an, weil die Gesundheitsschädigung nicht gleichbedeutend mit Heilungsdauer ist, sondern auf den Fortbestand einer pathologischen Veränderung des Körpers ( Nimmervoll in Leukauf/Steininger, StGB 4 § 84 Rz 9; Mayerhofer, Das österreichische Strafrecht Erster Teil [2009] § 84 StGB Rz 3a). Entscheidend ist, wann die auftretenden Leiden wie Funktionsstörungen, Behinderungen in der Bewegungsfreiheit, Schmerzen, Fieber im Wesentlichen abgeklungen sind. Sobald sich die Auswirkungen nur mehr im Bagatellbereich bewegen, endet die Gesundheitsschädigung. Wenn die verbleibenden Beeinträchtigungen nach den 24 Tagen die Erheblichkeitsstufe nicht mehr erreichen, ist die Qualifikation nicht gegeben ( Messner in SbgK StGB § 84 Rz 32).
4.2 Nach den Feststellungen lag eine erhebliche krankhafte Anpassungsstörung nur in der Dauer von zwei bis drei Wochen vor. Der Eintritt einer schweren Körperverletzung ist daher zu verneinen.
5.1 Im Sinne der obigen Ausführungen hat der Beklagte zwar in objektiver und subjektiver Hinsicht die Voraussetzungen des § 206 Abs 1 StGB erfüllt, ihm kommt aber der persönliche Strafausschließungsgrund des § 206 Abs 4 StGB zugute. Damit liegt eine mit Strafe bedrohte Handlung vor. Da der genannte persönliche Strafausschließungsgrund den Strafanspruch von vornherein nicht entstehen lässt, fehlt aber die in § 1328 ABGB geforderte Tatbestandsvoraussetzung der strafbaren Handlung.
5.2 Der Beklagte wendet sich gegen den Zuspruch eines 800 EUR übersteigenden Schmerzengeldes nach § 1325 ABGB.
Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte aufgrund seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzungen und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands abgelten, die durch Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entgangenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen. Das Schmerzengeld ist nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) für alle negativen Folgen, die der Verletzte bereits erduldet hat bzw voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen (RIS‑Justiz RS0031040; RS0031307).
Die festgestellten Beeinträchtigungen der Klägerin rechtfertigen jedenfalls kein höheres als das bereits vom Erstgericht rechtskräftig zuerkannte Schmerzengeld von 800 EUR, sodass sich weitere Ausführungen erübrigen. Der Revision des Beklagten war Folge zu geben.
6. Aufgrund der Abänderung ist eine neue Kostenentscheidung zu fassen. Im erstgerichtlichen Verfahren obsiegte die Klägerin nur mit 7,4 bzw 8 %, im Rechtsmittelverfahren unterlag sie zur Gänze. Die Kostenentscheidung gründet sich daher hinsichtlich des erstgerichtlichen Verfahrens auf § 43 Abs 2 ZPO und hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 41, 50 ZPO.
Die Einwendungen der Klägerin gegen das Kostenverzeichnis des Beklagten wurden berücksichtigt. Die Kosten der Berufungsbeantwortung im ersten Rechtsgang sind unstrittig. Es gebührt weder für die Berufung im Kostenpunkt noch für deren Beantwortung eine Entlohnung, weil diese Teil der Berufung bzw Berufungsbeantwortung sind und mit den Kosten für diese Schriftsätze abgegolten werden (RIS‑Justiz RS0087844 [T7]).
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