OGH 12Os110/10h

OGH12Os110/10h16.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Georg P***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des genannten Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Jugendschöffengericht vom 7. Mai 2010, GZ 15 Hv 35/10f-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Vallender, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen rechtskräftigen Freispruch des Mitangeklagten Andreas N***** sowie einen unangefochten gebliebenen Teilfreispruch des Georg P***** enthält, wurde der zuletzt Genannte des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - im April 2007 in Mondsee mit der am 13. Februar 1995 geborenen, somit zum Tatzeitpunkt unmündigen Kerstin Z***** einen Geschlechtsverkehr unternommen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 9 litb StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher keine Berechtigung zukommt.

Nach den wesentlichen Urteilskonstatierungen unternahm der im Tatzeitpunkt 15 Jahre und sechs Monate alte Nichtigkeitswerber mit der damals 12-jährigen Kerstin Z*****, die er für 13 Jahre alt hielt, einen Geschlechtsverkehr, wobei ihm klar war, dass er mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternahm, jedoch trotzdem handelte (US 3, 5).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b), die insofern auch einen Feststellungsmangel behauptet, wendet ein, der Angeklagte sei zumindest subjektiv vom Vorliegen des Strafausschließungsgrundes nach § 206 Abs 4 StGB ausgegangen, weshalb er nicht strafbar bzw nicht strafwürdig sei.

Der Strafausschließungsgrund nach § 206 Abs 4 StGB („Alterstoleranzklausel“) kombiniert jeweils ein Mindestalter (des Opfers) mit dem begrenzten Altersunterschied (von drei Jahren) zum Täter und ist jedenfalls ausgeschlossen, wenn die unmündige Person das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Da Kerstin Z***** im Tatzeitpunkt erst 12 Jahre und zwei Monate alt war, kommt die Anwendung dieses Strafbefreiungsspruchs von vornherein nicht in Betracht.

Entgegen der hier (unter Berufung auf Triffterer AT2 102) artikulierten Beschwerdeauffassung ist die irrtümliche Annahme eines Strafausschließungsgrundes weder für die Schuld noch für die Bestrafung des Nichtigkeitswerbers beachtlich (vgl RZ 1987/37; Fabrizy StGB10 § 9 Rz 4 mwN; Leukauf-Steininger Komm3 § 9 Rz 19 f). Denn der vorgebrachte Irrtum des Angeklagten bezog sich nicht auf die (nach den Urteilskonstatierungen von seinem Vorsatz umfasste; vgl US 3) Unmündigkeit des Opfers oder die bestehende Rechtslage nach § 206 StGB (vgl Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 206-207 RN 38 mwN; EvBl 1978/46), sondern lediglich darauf, dass er davon ausging, Kerstin Z***** sei bereits 13 Jahre alt und somit nur ca 2 Jahre jünger als er selbst. Der in der Beschwerde angesprochene (außerhalb von Unrecht und Schuld stehende) persönliche Strafausschließungsgrund des § 206 Abs 4 StGB stellt auf das - rein anhand der objektiven Sachlage zu beurteilende - Mindestalter des Opfers von 13 Jahren und einen - wiederum nach objektiver Tatsachengrundlage zu berechnenden - Altersunterschied zwischen Täter und Opfer von nicht mehr als drei Jahren ab. Auf die diesbezüglichen Vorstellungen des Täters kommt es nicht an (Schick in WK2 § 206 Rz 18 und Rz 23; Kienapfel/Schmoller StudB BT III2 §§ 206-207 Rz 10 und Rz 33 sowie Rz 41 mwN; Hinterhofer SbgK § 206 Rz 48; Fabrizy StGB10 § 206 Rz 9; Bertel/Schwaighofer BT II8 § 206 Rz 9; 12 Os 16/00).

Ob demnach der Rechtsmittelwerber „wusste, dass ein Täter, der den Beischlaf mit einer unmündigen Person vollzieht, straffrei bleibt, wenn er nicht mehr als drei Jahre älter ist“ und „diese Voraussetzungen als vorliegend annahm“, betrifft daher Umstände, welche - der Beschwerde zuwider - als im Gesetz nicht vorgesehene Tatkomponenten außer Betracht zu bleiben hatten.

Mit dem Vorbringen, wonach die Tat die „Grenzen der Strafwürdigkeit“ nicht übersteige, macht der Nichtigkeitswerber inhaltlich das Strafverfolgungshindernis (vgl Schroll, WK-StPO § 191 Rz 4 ff) der Geringfügigkeit nach § 191 Abs 1 und 2 StPO geltend. Dieses findet jedoch nur auf solche Taten Anwendung, die mit maximal drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, woran auch die Einstufung als Jugendstraftat nichts ändert (§ 5 Z 7 JGG; vgl Schroll in WK² § 5 Rz 28). Beim Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen kommt somit schon zufolge der gesetzlichen Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren (§ 206 Abs 1 StGB) die Heranziehung des § 191 StPO nicht in Betracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Angesichts des hinsichtlich des Berufungswerbers erfolgen Schuldspruchs ohne Strafe gemäß § 12 Abs 1 JGG, also der mildesten bei einem jugendlichen Straftäter vorgesehenen Sanktion (vgl Schroll in WK2 § 12 JGG Rz 13), geht die lediglich angemeldete, aber nicht ausgeführte Berufung von vornherein ins Leere. Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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