European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:010OBS00160.16A.0321.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil unter Einschluss der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile des Klagebegehrens gesamt zu lauten hat:
„1. Es wird festgestellt, dass bei der klagenden Partei von 1. 1. 2014 bis 31. 1. 2015 vorübergehende Invalidität vorlag.
Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation waren nicht zweckmäßig.
Der Anspruch der klagenden Partei auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung besteht im Zeitraum vom 17. 9. 2014 bis 31. 1. 2015 zu Recht.
2. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei ab dem 1. 10. 2014 eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, wird abgewiesen.
3. Das Klagebegehren auf Feststellung des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld über den 31. 1. 2015 hinaus wird abgewiesen.
4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.352,10 EUR (darin 222,42 EUR USt und 17,60 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 609,67 EUR (darin 101,61 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der 1967 geborene Kläger beantragte am 17. 9. 2014 die Zuerkennung der Invaliditätspension. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass beim Kläger ab 1. 10. 2014 weder dauerhafte noch vorübergehende Invalidität im Sinn des § 255 Abs 3 ASVG vorliegt.
Allerdings war der Kläger wegen einer unbehandelten Schlafapnoe von Jänner 2014 bis Ende Jänner 2015 arbeitsunfähig. Strittig ist im Revisionsverfahren nur noch, ob der Kläger Anspruch auf Rehabilitationsgeld erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung am 17. 9. 2014 (Standpunkt der Beklagten) oder auch für den davor liegenden Zeitraum von 1. 1. 2014 bis 16. 9. 2014 hat (Standpunkt des Klägers).
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. 1. 2015 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Invaliditätspension mangels Vorliegens von Invalidität ab.
Mit seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte der Kläger die Zuerkennung einer Invaliditätspension.
Dagegen wandte die Beklagte ein, dass beim Kläger weder dauerhafte noch vorübergehende Invalidität vorliege, es bestehe auch kein Anspruch auf Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab. Der Kläger sei zwar von Jänner 2014 bis Ende Jänner 2015 arbeitsunfähig gewesen. Da § 256 Abs 1 ASVG auf ihn nicht zur Anwendung gelange, komme der Zuspruch einer befristeten Invaliditätspension nicht in Frage. Ein Klagebegehren auf Zuerkennung von Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation und von Rehabilitationsgeld habe der Kläger zu Recht nicht gestellt, weil es sich bei einer nächtlichen Maskenbeatmung nicht um medizinische Rehabilitation, sondern um Krankenbehandlung handle.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung infolge der Berufung des Klägers, mit der der Kläger lediglich noch die Zuerkennung von Rehabilitationsgeld für den Zeitraum 1. 1. 2014 bis 31. 1. 2015 anstrebt, teilweise dahin ab, dass es feststellte, dass beim Kläger von 1. 1. 2014 bis 31. 1. 2015 vorübergehende Invalidität vorlag, dass Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation nicht zweckmäßig seien, und dass der Anspruch des Klägers auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung von 1. 1. 2014 bis 31. 1. 2015 zu Recht bestehe.
Der vom Kläger noch geltend gemachte Anspruch auf Rehabilitationsgeld sei vom Klagebegehren auf Zuerkennung einer Invaliditätspension mitumfasst. Liege wie hier vorübergehende Invalidität von mehr als sechs Monaten vor (§ 255b ASVG), sei von Amts wegen auch über die Ansprüche auf medizinische Rehabilitation und Rehabilitationsgeld abzusprechen.
Die Feststellung, ob ein Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit vorliege, habe zu dem durch die Antragstellung ausgelösten Stichtag – hier der 1. 10. 2014 – zu erfolgen. Der Kläger sei aber bereits vor diesem Zeitpunkt vorübergehend arbeitsunfähig gewesen. Für den Anfall des Rehabilitationsgeldes komme es nach den in der Entscheidung 10 ObS 142/15b dargelegten Grundsätzen nicht auf den pensionsversicherungsrechtlich relevanten Stichtag an, sodass der Kläger bereits ab 1. 1. 2014 Anspruch auf Rehabilitationsgeld habe. Es komme nicht darauf an, dass die beim Kläger damals bestandene Schlafapnoe unbehandelt geblieben sei. Rehabilitationsgeld gebühre auch dann, wenn keine medizinische Rehabilitation gemäß § 253f ASVG durchgeführt werde. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Klägers habe die Beklagte nicht behauptet.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie, wie sich aus den Ausführungen der Rechtsmittelschrift insgesamt ergibt, in der Hauptsache lediglich die Abweisung des Klagebegehrens auf Zuerkennung von Rehabilitationsgeld für den vor der Antragstellung liegenden Zeitraum, daher vom 1. 1. 2014 bis zum 16. 9. 2014, anstrebt.
In seiner ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger die Abweisung der Revision.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.
Die Revisionswerberin macht zusammengefasst geltend, dass sich aus der Entscheidung 10 ObS 142/15b lediglich ergebe, dass das in § 223 ASVG normierte Stichtagsprinzip für das Rehabilitationsgeld nicht gelte. Aus dieser Entscheidung, die auch einen nicht vergleichbaren Sachverhalt behandelt habe, könne jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass das für Leistungen aus der Pensionsversicherung und der Krankenversicherung gemäß § 361 Abs 1 Z 1 ASVG herrschende Antragsprinzip für das Rehabilitationsgeld nicht anwendbar sein sollte. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts könne für den Zeitraum vor Antragstellung kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld entstehen.
Dazu ist auszuführen:
1.1 In der Entscheidung 10 ObS 142/15b wurden als Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auf Rehabilitationsgeld im Wesentlichen genannt, dass vorübergehende Invalidität bzw Berufsunfähigkeit im Ausmaß von zumindest sechs Monaten vorliegt und berufliche Maßnahmen der Rehabilitation nicht zweckmäßig oder nicht zumutbar sind. Ein eigenständiger Antrag auf Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes ist nicht vorgesehen. Gemäß § 361 Abs 1 Satz 2 ASVG gilt vielmehr ein Antrag auf Gewährung einer Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit vorrangig als Antrag auf Leistung der medizinischen Rehabilitation und von Rehabilitationsgeld. Ist voraussichtlich dauernde Invalidität nicht anzunehmen und liegen die genannten Voraussetzungen für das Rehabilitationsgeld vor, so hat der Pensionsversicherungsträger gemäß § 367 Abs 4 Z 4 ASVG von Amts wegen festzustellen, ob Anspruch auf Rehabilitationsgeld besteht. Diese Bestimmung gilt auch für das Arbeits‑ und Sozialgericht, weshalb diese Feststellungen gegebenenfalls auch amtswegig im sozialgerichtlichen Verfahren zu treffen sind. Rehabilitationsgeld gebührt ab Vorliegen der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) für deren Dauer (RIS‑Justiz RS0130706). Der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit kann bereits vor dem im Pensionsversicherungsrecht relevanten Stichtag eingetreten sein, § 367 Abs 4 Z 1 ASVG verweist nicht auf § 223 Abs 2 ASVG.
1.2 Die hier zu beurteilende Frage, ob Rehabilitationsgeld auch für einen Zeitpunkt vor der Antragstellung zuerkannt werden kann, war in der Entscheidung 10 ObS 142/15b nicht zu behandeln, weil der damalige Kläger am 27. 3. 2013 die Weitergewährung einer befristeten Berufsunfähigkeitspension beantragte, vorübergehende Berufsunfähigkeit bei ihm aber erst ab 24. 4. 2014 vorlag. Dies hatte – mangels Anwendbarkeit des Stichtagsprinzips des § 223 Abs 2 ASVG – den Anfall des Rehabilitationsgeldes bereits mit 24. 4. 2014 und nicht erst mit dem auf das Vorliegen dieser Voraussetzungen folgenden nächsten Stichtag, dem 1. 5. 2014, zur Folge. Insofern war die Frage einer „rückwirkenden“ Zuerkennung von Rehabilitationsgeld in der Entscheidung 10 ObS 142/15b nicht zu beantworten.
2.1 Zur Frage des Entstehens des Anspruchs auf Rehabilitationsgeld und dem Zeitpunkt seines Anfalls heißt es in den Gesetzesmaterialien zum SRÄG 2012, BGBl I 2013/3, auszugsweise (ErläutRV 2000 24. GP 21):
„ Es gebührt ab dem Vorliegen der vorübergehenden (mindestens sechsmonatigen) Invalidität (Berufsunfähigkeit), das heißt ab deren Eintritt bzw ab der Antragstellung beim Pensionsversicherungsträger (wenn der Zeitpunkt des Eintrittes nicht feststellbar ist, vgl § 223 Abs 1 Z 2 lit a ASVG in Verbindung mit § 367 Abs 4 Z 1 ASVG).“
2.2 Pfeil (Systemfragen der geminderten Arbeitsfähigkeit, DRdA 2013, 363 [370]) hält eine rückwirkende Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes für möglich. Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld beginne bereits mit dem Eintritt der geminderten Arbeitsfähigkeit. Der Ansicht Pfeils , dass eine planwidrige Lücke vorliege, die durch analoge Anwendung des § 120 Z 2 ASVG zu schließen sei, weil es – anders als beim Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit – keine Festlegung des Eintritts des Versicherungsfalls der geminderten Arbeitsfähigkeit gemäß § 117 Z 3 ASVG gebe, ist der Oberste Gerichtshof jedoch in der Entscheidung 10 ObS 142/15b entgegengetreten. Beim Rehabilitationsgeld handle es sich um eine Leistung aus der Krankenversicherung, die ihrer Zweckrichtung nach nur vorübergehend gebühren soll, bis die Minderung der Arbeitsfähigkeit durch Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation wieder beseitigt ist. Von diesem Ziel aus betrachtet sollen die Bemühungen um die Beseitigung des Zustands vom ersten Tag der Minderung der Arbeitsfähigkeit an eingreifen, ohne dass der folgende Monatserste abgewartet werden müsste.
2.3 Nach Födermayr (in SV‑Komm [142. Lfg] § 143a ASVG Rz 18) gebührt das Rehabilitationsgeld ab Eintritt der vorübergehenden zumindest sechsmonatigen Arbeitsunfähigkeit; dieser Zeitpunkt sei von Amts wegen festzustellen. Könne der Eintritt nicht festgestellt werden, sei der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich.
2.4 Felten (Neue Entwicklungen in der Rechtsprechung zum SV‑Leistungsrecht. Am Beispiel des Rehabilitationsgeldes, ZAS 2016/45, 252 [254]) führt aus, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 142/15b das Rehabilitationsgeld zwar als Mischkonstruktion zwischen Kranken‑ und Pensionsversicherung bezeichne, tatsächlich jedoch als Leistung aus der Krankenversicherung behandle. § 143a Abs 1 ASVG sei daher im Licht des § 86 Abs 1 ASVG zu interpretieren, der Anspruch auf Rehabilitationsgeld werde vom tatsächlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit abhängig gemacht.
2.5 Pletzenauer (DRdA‑infas 2016/4, 222 [224 f]) hält auch eine Zuerkennung von Rehabilitationsgeld für vor der Antragstellung liegende Zeiträume für möglich. Allerdings sei eine Anwendung der– krankenversicherungsrechtlichen – Verfallsbestimmung des § 102 Abs 1 ASVG auf das Rehabilitationsgeld abzulehnen, weil eine solche die Pensionswerber großen, kaum kalkulierbaren Risken aussetzen würde. Werde der Antrag nämlich nicht innerhalb von zwei Jahren ab Eintritt des Versicherungsfalls gestellt, drohe der Verfall des gesamten Anspruchs und nicht nur jener Zahlungen, die länger als zwei Jahre zurück liegen.
2.6 T. Dullinger (DRdA 2016/46, 429 [432]) weist darauf hin, dass der Anspruch auf Leistungen mit dem Eintritt des Versicherungsfalls sowie dem Vorliegen der primären, sekundären und besonderen Leistungsvoraussetzungen entstehe; auf die Antragstellung komme es nicht an. Er folgt im Übrigen der bereits dargestellten Ansicht Pfeils , wonach Rehabilitationsgeld gegebenenfalls auch rückwirkend zu gewähren sei.
3.1 Der Anspruch auf Leistungen entsteht gemäß § 85 Abs 1 ASVG, sobald alle vom Gesetz geforderten materiellen Leistungsvoraussetzungen verwirklicht sind (10 ObS 30/02p, SSV‑NF 16/68; Schramm in SV‑Komm [127. Lfg] §§ 85, 86 ASVG Rz 10). Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld entsteht danach bei Vorliegen der bereits genannten Anspruchsvoraussetzungen nach § 255b ASVG (§§ 273b, 280b ASVG).
3.2 Der Zeitpunkt, in dem eine gemäß § 85 ASVG entstandene Leistung zusteht, ist der Leistungsanfall (vgl § 86 ASVG), der vom Zeitpunkt des Entstehens des Leistungsverhältnisses abweichen kann. Nach der allgemeinen Regel des § 86 Abs 1 ASVG fallen, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Leistungen mit dem Entstehen des Anspruchs im Sinn des § 85 Abs 1 ASVG an (10 ObS 84/01b mit Hinweis auf 10 ObS 331/92, SSV‑NF 7/8; RIS‑Justiz RS0082971).
3.3 Die allgemeine Regel des § 86 Abs 1 ASVG ist für Leistungen der Krankenversicherung anwendbar, die danach grundsätzlich mit dem Entstehen des Anspruchs, also mit der Erfüllung der materiellen Voraussetzungen, anfallen (§ 86 Abs 1 ASVG). Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld fällt daher grundsätzlich mit seinem Entstehen an (10 ObS 142/15d).
4.1 Der Antrag gehört nicht zu den materiellen Voraussetzungen für das Entstehen eines Leistungsanspruchs, sondern zu den formellen Voraussetzungen, die (nur) die Frage beantworten, wie die Leistung realisiert wird ( Schrammel in Tomandl , SV‑System [8. ErgLfg] 2.1.2.1). Dies ergibt sich daraus, dass die Antragstellung im Siebenten Teil des ASVG (§ 361 ASVG) und nicht in den in § 85 Abs 1 ASVG genannten Teilen des ASVG geregelt ist (10 ObS 149/95; SSV‑NF 9/87; Schramm in SV‑Komm §§ 85, 86 Rz 10 mwH). Der Antrag gehört auch nicht – ebenso wenig wie der Stichtag (s dazu betreffend das Rehabilitationsgeld 10 ObS 142/15d) – zum Versicherungsfall (dazu näher Tomandl/Schrammel in Tomandl , SV‑System [5. ErgLfg] 2.1.2.2.1).
4.2 Dennoch hat der Antrag – und zwar sowohl in der Krankenversicherung als auch in der Pensionsversicherung – Bedeutung für den Beginn des Leistungsanfalls. In der Pensionsversicherung bewirkt der Antrag die Festlegung des Stichtags, in der Krankenversicherung ist er maßgeblich für die Beurteilung des Verfalls von Leistungsansprüchen ( Schramm in SV‑Komm §§ 85, 86 Rz 13).
4.3 Rehabilitationsgeld ist – ungeachtet seiner systematischen Zuordnung zu einem dieser beiden Versicherungszweige – eine Pflichtleistung, die gemäß § 361 Abs 1 Z 1 ASVG nur auf Antrag festgestellt werden kann. In einem solchen Fall begründet erst der Antrag die Leistungspflicht des Versicherungsträgers (10 ObS 120/92, SSV‑NF 6/80; RIS‑Justiz RS0083687; für die Pensionsversicherung RS0085092).
5.1 Das Rehabilitationsgeld ist, wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, an der Schnittstelle von Kranken‑ und Pensionsversicherung angesiedelt. Wenngleich die Absicht des österreichischen Gesetzgebers dahin geht, das Rehabilitationsgeld prinzipiell als Leistung bei Krankheit zu qualifizieren, gibt es bedeutende Berührungspunkte mit der Pensionsversicherung. Das Rehabilitationsgeld wurde deshalb als Leistung mit Sondercharakter bzw als „Mischleistung“ oder „Mischkonstruktion“ zwischen Kranken‑ und Pensionsversicherung qualifiziert ( Pfeil , DRdA 2013, 373; Sonntag , Unionsrechtliche Koordinierung und Höhe des Rehabilitationsgeldes, ASoK 2014, 346; 10 ObS 133/15d; 10 ObS 122/16p, jeweils mwH).
5.2 Insbesondere ist auch an dieser Stelle wiederum hervorzuheben, dass der Anspruch auf Rehabilitationsgeld – ungeachtet seiner systematischen Einordnung in der Krankenversicherung (§§ 117 Z 3 Fall 3, 143a ASVG) – nicht nur von den schon genannten Voraussetzungen, sondern auch vom Erwerb von Pensionsversicherungszeiten abhängig ist und indirekt auch durch Beiträge zur Pensionsversicherung finanziert wird, weil es zwar von den Krankenversicherungsträgern ausgezahlt wird, die Pensionsversicherungsträger diesen aber die dadurch entstandenen Kosten zu ersetzen haben (§ 143c ASVG). Das Rehabilitationsgeld stellt daher zugleich eine Gegenleistung für die vom Versicherten in Österreich entrichteten Pensionsversicherungsbeiträge dar (10 ObS 122/16p; 10 ObS 133/15d).
6.1 Diese Besonderheiten des Rehabilitations-geldes sind auch für die Beurteilung der Frage seines Anfalls zu beachten:
6.2 In der Krankenversicherung können laufende Geldleistungen (wie insbesondere das Krankengeld, § 120 Z 2, § 138 Abs 1 ASVG) ausgehend vom Antrag auch rückwirkend zuerkannt werden, weil es gemäß § 86 Abs 1 ASVG auf das Entstehen des Anspruchs ankommt. Die Grenze der rückwirkenden Zuerkennung ist jedoch der Verfall des gesamten Anspruchs, der dann zur Gänze eintritt, wenn der Antrag erst nach Verstreichen der Verfallsfrist gestellt wird (10 ObS 65/87, SSV‑NF 1/35; RIS‑Justiz RS0084109; Fellinger in SV-Komm [132. Lfg] § 102 Rz 3).
6.3 Würde man den Anfall des Rehabilitationsgeldes daher nach rein krankenversicherungsrechtlichen Maßstäben beurteilen, hätte dies den von Pletzenauer (DRdA‑infas 2016/4, 224 f) aufgezeigten Nachteil für die Pensionswerber: Wird nämlich ein Antrag auf Zuerkennung einer Pension aus einem der Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit erst mehr als zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalls gestellt, hätte dies trotz Vorliegens vorübergehender Invalidität (Berufsunfähigkeit) und der übrigen Voraussetzungen zur Folge, dass der Versicherte gar keinen Anspruch auf Rehabilitationsgeld hätte. Eine solche Rechtsfolge stünde jedoch nicht im Einklang mit den Zielen des Gesetzgebers, der das Rehabilitationsgeld einerseits als Ersatz für die weggefallene Invaliditätspension geschaffen hat (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 20), und der andererseits die Pensionswerber von einer weiteren, separaten Antragstellung auf Zuerkennung eines Rehabilitationsgeldes durch die Schaffung des § 361 Abs 1 ASVG mit dem SRÄG 2012, entlasten wollte (ErläutRV 2000 BlgNR 24. GP 26).
6.4 In der Pensionsversicherung löst hingegen der Antrag gemäß § 361 Abs 1 Z 1 ASVG in den – hier relevanten – Fällen des § 86 Abs 3 Z 2 ASVG nicht nur die Leistungspflicht des Versicherungsträgers aus, sondern bestimmt auch den Beginn der Leistungsgewährung (RIS‑Justiz RS0083687). Eine rückwirkende Zuerkennung einer Pension ist nur in den engen Grenzen dieser Bestimmung vorgesehen (vgl zu § 86 Abs 3 Z 2 ASVG idF der 41. ASVG‑Novelle, BGBl 1986/111, 10 ObS 120/92). Anders als in der Krankenversicherung ist aber umgekehrt nicht der Pensionsanspruch selbst vom Verfall bedroht, sondern gemäß § 102 Abs 3 ASVG lediglich bereits fällig gewordene einzelne Monatsraten. Das Recht, die Leistung zu fordern, besteht für die Zukunft weiter ( Fellinger in SV‑Komm § 102 Rz 1).
7.1 Um zu einem systemkonformen und mit den Absichten des Gesetzgebers übereinstimmenden Ergebnis zur Beantwortung der hier zu behandelnden Frage zu gelangen, ist für die Beurteilung des Beginns der Leistungspflicht des Pensionsversicherungsträgers auch die vom Gesetzgeber gewählte Systematik des An‑ und Verfalls von Ansprüchen in den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit in der Pensionsversicherung zu beachten.
7.2 Der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit in § 117 Z 3 ASVG entspricht – auch wortident – jenem des Pensionsversicherungsrechts in § 221 ASVG. Für die Sozialversicherung kann der Begriff des Versicherungsfalls nur durch eine Analyse des Sozialversicherungsrechts gewonnen werden (ausführlich dazu Tomandl/Schrammel , SV‑System 2.1.2.2.1, dem folgend 10 ObS 15/94, SSV‑NF 8/34). Trotz der vordergründigen Ähnlichkeit des Rehabilitationsgeldes mit dem Krankengeld, hat der Gesetzgeber beiden Leistungen in § 117 Z 3 ASVG unterschiedlichen Versicherungsfällen zugrunde gelegt. Auch das soziale Risiko, das durch die Gewährung von Rehabilitationsgeld abgefangen werden soll, unterscheidet sich von jenem, das die Gewährung von Krankengeld abfedern soll. Krankengeld schützt den Versicherten vor dem drohenden Entgeltverlust bei länger dauernder Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nach dem Auslaufen der arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlung (§ 8 Abs 1 AngG, § 2 Abs 1 EFZG; „Lohnersatzfunktion“, Felten in Tomandl , SV‑System [28. ErgLfg] 2.2.4.2.A). Rehabilitationsgeld schützt den Pensionswerber hingegen vor jenem Entgeltverlust, der ihm ungeachtet der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) schon deshalb drohen kann, weil er sich Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zu unterziehen hat. Dies ergibt sich aus § 143a Abs 4 ASVG, der im Fall eines dennoch bestehenden mehr als geringfügigen Erwerbseinkommens ein Teilrehabilitationsgeld zuspricht, und aus § 99 Abs 1a ASVG, der den Entzug des Rehabilitationsgeldes anordnet, sollte sich der Versicherte weigern, an zumutbaren Maßnahmen der Rehabilitation mitzuwirken ( Felten in SV‑System 2.2.6.2.A; 10 ObS 4/16k). Nur wenn Rehabilitationsmaßnahmen keine Aussicht auf Erfolg haben, soll als ultima ratio die Gewährung einer Pension in Betracht kommen (RIS‑Justiz RS0113173). Die Pension fällt daher gemäß § 86 Abs 3 Z 2 letzter Satz ASVG erst an, wenn durch die Rehabilitationsmaßnahmen die Wiedereingliederung in das Berufsleben nicht bewirkt werden kann.
7.3 Die Intention des Gesetzgebers, Rehabilitationsgeld als Ersatz für die frühere befristete Invaliditätspension (Berufsunfähigkeit) für die Dauer der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) erst ab Antragstellung zu gewähren, zeigt sich auch in der mit dem SVAG 2015, BGBl I 2015/2, geschaffenen, aber rückwirkend mit 1. 1. 2014 in Kraft getretenen (§ 688 Abs 1 Z 2 ASVG) Rückverrechnungsbestimmung des § 103 Abs 1 Z 5 ASVG. Gewinnt der Versicherte den Prozess um eine Invaliditätspension (Berufsunfähigkeitspension) wegen Vorliegens dauerhafter Invalidität (Berufsunfähigkeit), so kann der Pensionsversicherungsträger das bereits geleistete Rehabilitationsgeld mit den für dieselben Zeiträume rückwirkend gewährten Pensionsleistungen aufrechnen ( Atria in Sonntag , ASVG 7 § 103 Rz 24a). Eine Aufrechnung mit Rehabilitationsgeldzahlungen, die vor der Einbringung eines Antrags auf Zuerkennung einer Invaliditätspension (Berufsunfähigkeitspension) geleistet würden, wäre danach regelmäßig nicht möglich, weil eine Pension für vor der Antragstellung gelegene Zeiträume nicht zuerkannt werden kann. Umgekehrt spricht diese Bestimmung gegen die Befürchtung Pletzenauers , Ansprüche auf Rehabilitationsgeld könnten bei Anwendbarkeit des § 102 Abs 1 ASVG verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Jahren geltend gemacht werden. Vielmehr zeigt auch § 103 Abs 1 Z 5 ASVG die Absicht des Gesetzgebers, Zahlungen aus dem Titel des Rehabilitationsgeldes im Ergebnis für den finanzierenden Pensionsversicherungsträger so zu behandeln, wie nach früherer Rechtslage befristete Invaliditäts‑ oder Berufsunfähigkeitspensionen.
7.4 Diese Intention des Gesetzgebers wird auch aus § 23 AlVG deutlich. Diese Bestimmung lautet – insofern unverändert seit dem BGBl I 2014/68 – auszugsweise (Hervorhebungen durch den Senat):
„ Bevorschussung von Leistungen aus der Pensionsversicherung
§ 23 (1) Arbeitslosen, die die Zuerkennung
1. einer Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit … aus der gesetzlichen Pensions‑ oder Unfallversicherung …
2. …
beantragt haben, kann bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf diese Leistungen als Vorschuss auf die Leistung Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe gewährt werden.
…
(6) Hat eine regionale Geschäftsstelle einen Vorschuss nach Abs 1 oder Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe oder eine sonstige Leistung nach diesem Bundesgesetz gewährt, so geht ein Anspruch des Arbeitslosen auf eine Leistung gemäß Abs 1 Z 1 … oder auf Rehabilitationsgeld für denselben Zeitraum auf den Bund zugunsten der Gebarung Arbeitsmarktpolitik in der Höhe der von der regionalen Geschäftsstelle gewährten Leistung, mit Ausnahme der Krankenversicherungsbeiträge, über, sobald die regionale Geschäftsstelle beim Träger der Sozialversicherung den Übergang des Anspruches geltend macht (Legalzession). …
…
(8) Wird eine Leistung gemäß Abs 1 oder Rehabilitationsgeld nicht zuerkannt, so gilt der Vorschuss als Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe.“
7.5 In den Gesetzesmaterialien heißt es dazu auszugsweise (AB 242 BlgNR 25. GP 3, Hervorhebungen durch den Senat):
„ Im Hinblick darauf, dass ab 2014 die Gewährung von Rehabilitationsgeld an die Stelle befristeter Pensionszuerkennungen tritt, soll gesetzlich klargestellt werden, dass auch bezüglich des aus Mitteln der Pensionsversicherung finanzierten Rehabilitationsgeldes eine Abrechnung mit vorschussweise gewährten Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu erfolgen hat.“
Anders als Krankengeld wird das Rehabilitationsgeld daher aus der Arbeitslosenversicherung bevorschusst (soweit es vom Pensionsversicherungsträger finanziert wird, daher ohne Krankenversicherungsbeiträge). Diese Bevorschussung ist aber ebenfalls an den Antrag des Pensionswerbers gebunden und erfolgt nicht rückwirkend.
7.6 Eine über den Antrag auf Zuerkennung einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit hinaus rückwirkende Zuerkennung von Rehabilitationsgeld ist auch nicht erforderlich, um Versicherte sozialversicherungsrechtlich abzusichern. Denn dazu dient das bei Eintreten von („bloßer“) Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit unter den sonstigen Voraussetzungen gebührende Krankengeld. Bei Vorliegen von Invalidität oder Berufsunfähigkeit besteht dieser Anspruch nicht und waren Versicherte auch nach der bisherigen Rechtslage schon gehalten, einen entsprechenden Pensionsantrag zu stellen. Der Anspruch auf Krankengeld ruht nur dann, wenn der Pensionswerber trotz Vorliegens vorübergehender Invalidität (Berufsunfähigkeit) weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachgeht und zum Bezug von (Teil‑)Rehabilitationsgeld berechtigt ist (§ 143a Abs 4 und 3 ASVG), sodass er dadurch abgesichert ist.
7.7 Zusammenfassend ergibt sich: Rehabilitationsgeld fällt gemäß § 86 Abs 1 ASVG mit dem Entstehen des Anspruchs gemäß § 85 Abs 1 ASVG an. Die Leistungspflicht des Pensionsversicherungsträgers beginnt jedoch frühestens mit der Einbringung eines Antrags auf Zuerkennung einer Pension aus einem der Versicherungsfälle der geminderten Arbeitsfähigkeit nach dem ASVG.
8. Der Revision war daher Folge zu geben und die Entscheidung der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass dem Kläger – entsprechend dem Antrag der Revisionswerberin, die ihre Verpflichtung zur Leistung von Rehabilitationsgeld ab Antragstellung nicht in Frage stellt – Rehabilitationsgeld erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung am 17. 9. 2014 für die danach noch weiter bestehende Dauer der Invalidität zuzuerkennen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a, Abs 2 ASGG ( Neumayr in ZellKomm § 77 ASGG Rz 16 mwH).
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