OGH 4Ob122/16v

OGH4Ob122/16v12.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** H*****, vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagten Parteien 1. N***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Reinfried Eberl und andere Rechtsanwälte in Salzburg, 2. G***** G*****, vertreten durch Dr. Roman Moser, Rechtsanwalt in Salzburg, und die Nebenintervenientin auf Seiten der zweitbeklagten Partei S***** AG, *****, vertreten durch Mag. Gernot Götz, wegen 22.795 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Februar 2016, GZ 3 R 9/16p‑22, womit das Teilzwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 27. Oktober 2015, GZ 4 Cg 34/15m‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00122.16V.0712.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Im Jahr 2012 errichtete eine Wohnbaugenossenschaft (Bauherrin) eine Wohnanlage und beauftragte dabei die erstbeklagte Partei mit Sanitärinstallationsarbeiten, unter anderem mit dem Liefern und Versetzen von Sanitärwänden. Die Bauherrin verpflichtete sich gegenüber der erstbeklagten Partei, den erforderlichen Kran kostenlos beizustellen. Mit den Baumeisterarbeiten des Bauprojekts beauftragte die Bauherrin die Nebenintervenientin und bediente sich dieser auch zur Erfüllung ihrer Pflicht, den Kran beizustellen. Die erstbeklagte Partei beauftragte wiederum eine Subunternehmerin mit dem Liefern und Versetzen von Sanitärwänden, wobei sie sich gegenüber der Subunternehmerin verpflichtete, den für das Abladen und Versetzen erforderlichen Kran kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Der bei der Subunternehmerin beschäftigte Kläger wurde durch das Verschulden des Zweitbeklagten, eines Arbeiters der Nebenintervenientin, auf der Baustelle verletzt. Der Unfall ereignete sich, als der Zweitbeklagte als Kranführer Sanitärelemente in den Rohbau heben wollte.

Der Kläger begehrte den Ersatz des ihm entstandenen Schadens und stellte für die zukünftigen Schäden ein Feststellungsbegehren. Gegenüber der erstbeklagten Partei stützte er seinen Anspruch darauf, dass er von den Schutzwirkungen des Vertragsverhältnisses zwischen der erstbeklagten Partei und der Subunternehmerin umfasst sei.

Die Vorinstanzen sprachen mit stattgebendem Teilzwischenurteil aus, dass das Leistungsbegehren gegen beide Beklagten dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die Haftung der erstbeklagten Partei wurde darauf gestützt, dass der zwischen ihr und der Subunternehmerin geschlossene Werkvertrag Schutzwirkungen zugunsten des Klägers entfalte. Die erstbeklagte Partei habe sich der Nebenintervenientin bedient, um die im Verhältnis zur Subunternehmerin bestehende Verpflichtung zur Kranbeistellung zu erfüllen. Ihr sei dabei das Verhalten des Zweitbeklagten als Erfüllungsgehilfe zurechenbar. Das Berufungsgericht ließ über Antrag der erstbeklagten Partei die Revision nach § 508 ZPO zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der erstbeklagten Partei ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

1. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936). Die von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung des Vertrags zwischen der erstbeklagten Partei und der Subunternehmerin, wonach jene verpflichtet war, der Subunternehmerin einen Kran (samt Führer) zur Verfügung zu stellen, ist jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

2. Nach gesicherter Rechtsprechung haftet ein Generalunternehmer dem Subunternehmer und dessen Leuten aus dem Werkvertrag für die schuldhafte Verletzung der Fürsorgepflicht nach §§ 1157, 1169 ABGB durch seine Leute nach § 1313a ABGB (RIS‑Justiz RS0021515). Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen dieser Judikatur.

3. Die vom Einzelfall geprägte Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Zweitbeklagte als Erfüllungsgehilfe der erstbeklagten Partei tätig wurde, begründet keine erhebliche Rechtsfrage.

3.1 Um das schuldhafte Verhalten eines Dritten dem Geschäftsherrn nach § 1313a ABGB zuzurechnen, ist es erforderlich, dass der Geschäftsherr das Verhalten des Dritten im Kontext mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlasste (RIS‑Justiz RS0121745). Hat ein Werkunternehmer nach vertraglichen Absprachen nicht nur eine bestimmte Werkleistung zu erbringen, sondern dafür auch eine Dienstleistung eines selbständigen und weisungsfreien Dritten bereitzustellen, und bezieht er diesen Dritten unmittelbar in die Erbringung der werkvertraglichen Erfüllungshandlung (Erfüllungshandlungen) ein, so bedient er sich dieses Dritten zur Erfüllung seiner Leistungspflicht (Leistungspflichtigen) und hat daher für dessen Verschulden wie für sein eigenes einzustehen (RIS‑Justiz RS0118512). Der Gehilfe muss dabei mit Willen des Schuldners im Rahmen der dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit tätig werden, und es muss sich um einen Schaden handeln, der durch den Gehilfen bei der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen zugefügt wurde (RIS‑Justiz RS0028566). Für die Beurteilung der Gehilfenhaftung nach § 1313a ABGB ist somit maßgebend, ob der Gehilfe bei der Verfolgung der Interessen des Schuldners tätig war, das heißt, ob er in das Interessenverfolgungsprogramm des Schuldners und damit in seinen Risikobereich einbezogen war (RIS‑Justiz RS0028425).

3.2 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Nebenintervenientin bzw der bei dieser beschäftigte zweitbeklagte Kranführer unmittelbar in die Erbringung der werkvertraglichen Erfüllungshandlung der erstbeklagten Partei einbezogen wurde, und diese daher für das Verschulden des Zweitbeklagten wie für ihr eigenes einzustehen hat, hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung.

3.3 Insoweit das Rechtsmittel auf 1 Ob 566/88 und darauf Bezug nimmt, dass ein Erfüllungsgehilfe bei der Erfüllung der dem Schuldner obliegenden Verbindlichkeit mit dessen Willen tätig werden muss, ist nicht erkennbar, dass die Nebenintervenientin bzw der Kranführer gegen den Willen der erstbeklagten Partei tätig waren. Die Feststellungen sind vielmehr dahin zu verstehen, dass die Nebenintervenientin mit dem Willen der erstbeklagten Partei zur Erfüllung der Verpflichtungen aus ihrem Vertrag mit der Subunternehmerin tätig wurde, weshalb der Zweitbeklagte daher den von der Judikatur entwickelten Anforderungen als Gehilfe nach § 1313a ABGB entsprach.

3.4 Schließlich stützt auch der knappe Hinweis auf die Entscheidung 8 Ob 8/15g die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht, weil dort die Haftung des beklagten Unternehmers für das Tätigwerden (in Vollziehung der Gesetze) eines anderen sogenannten beliehenen Unternehmers deshalb verneint wurde, weil die Ausübung von hoheitlichen Tätigkeiten (in casu: § 57a KFG) nicht in den Pflichtenkreis des dort beklagten Unternehmers fiel, der mit der Vornahme einer solchen Tätigkeit nicht ermächtigt war. Demgegenüber bediente sich die erstbeklagte Partei im gegenständlichen Fall zur Erfüllung ihrer Verpflichtung, einen Kran beizustellen, der Nebenintervenientin, die somit in das Interessenverfolgungsprogramm der erstbeklagten Partei einbezogen war.

3.5 Die von der Revisionswerberin vertretene Ansicht, dass zwischen der Nebenintervenientin und der erstbeklagten Partei keine vertragliche Beziehung bestanden habe, zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf, zumal in der Rechtsprechung bereits geklärt ist, dass die Erfüllungsgehilfenschaft kein Rechtsverhältnis des Gehilfen zum Geschäftsherrn voraussetzt (zB 10 Ob 96/08b). Der in diesem Zusammenhang ausgeführte Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels schon deshalb nicht begründen, weil die von den Vorinstanzen vorgenommene Qualifikation des Zweitbeklagten als Erfüllungsgehilfe eine rechtliche Schlussfolgerung ist, die den genannten Revisionsgrund nicht bilden kann (RIS‑Justiz RS0043256).

4. Das Berufungsgericht hat sich auch nicht in Widerspruch zur in 2 Ob 223/14d getroffenen Aussage gesetzt, wonach ein Subunternehmer gegenüber dem Bauherrn nicht in vertraglichen Beziehungen stehe (vgl RIS‑Justiz RS0021876), zumal im gegenständlichen Verfahren eine Haftung des Subunternehmers nicht zu klären war, sondern die Haftung eines Generalunternehmers wegen des Verhaltens seines Erfüllungsgehilfen. Davon abgesehen wurde in der zitierten Entscheidung das Vorliegen einer Generalunternehmerschaft bzw Vertragskette verneint, sodass die beiden Fallkonstellationen nicht vergleichbar sind.

5.1 Aus der in der Revision mehrfach zitierten Entscheidung 8 Ob 53/14y ist bei Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter im Sinne der ständigen Rechtsprechung (vgl RIS‑Justiz RS0022814) abzuleiten, dass ein schutzwürdiges Interesse eines Dritten dann zu verneinen ist, wenn dieser kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit seinem Vertragspartner, der seinerseits den den Schaden herbeiführenden Hauptleistungspflichtigen aus dem Vertrag mit allfälligen Schutzwirkungen zugunsten Dritter als Erfüllungsgehilfe beigezogen hat, einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz hat (ähnlich auch 6 Ob 250/01k). Das Rechtsmittel zeigt nicht auf, dass den aus dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter verfolgten Ansprüchen des Klägers deckungsgleiche Ansprüche aus eigenem Vertrag gegenüberstehen.

5.2 Insoweit die erstbeklagte Partei die Auffassung vertritt, dass sich der Kläger direkt an die Nebenintervenientin wenden hätte müssen, handelt es sich nicht um einen Vertragspartner des Klägers, sodass die Revision nicht auf die referierte Rechtsprechung gestützt werden kann. Auch gegenüber der Nebenintervenientin könnte sich der Kläger nur auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, aber nicht auf eine eigene rechtliche Sonderverbindung zu seinem Vertragspartner berufen. Gegenüber der Subunternehmerin, die Arbeitgeberin und damit Vertragspartnerin des Klägers ist, scheitert ein deckungsgleicher Anspruch schon am Haftungsprivileg des § 333 ASVG.

6. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision damit zurückzuweisen.

7. Die Revisionsbeantwortung des Klägers ist verspätet. Die Revisionsbeantwortung ist nach § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Berufungsgericht einzubringen, wenn dieses – wie hier – dem Revisionsgegner nach § 508 Abs 5 ZPO freigestellt hat, eine Revisionsbeantwortung einzubringen. Die Mitteilung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger die Beantwortung der Revision freigestellt werde (§ 507a Abs 2 Z 2 ZPO) wurde dem Klagevertreter am 15. 4. 2016 zugestellt. Die am 12. 5. 2016 irrtümlich beim Erstgericht eingebrachte Revisionsbeantwortung langte beim Berufungsgericht am 18. 5. 2016 ein. Wenn ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbeantwortung beim unzuständigen Gericht eingebracht wurde und erst von diesem dem zuständigen Gericht übersendet wurde, ist die Zeit dieser Übersendung in die Rechtsmittelfrist einzurechnen (RIS‑Justiz RS0041584). Die somit erst nach Fristende (das war der 13. 5. 2016) beim Berufungsgericht eingelangte Revisionsbeantwortung ist daher als verspätet zurückzuweisen.

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