OGH 7Ob93/16a

OGH7Ob93/16a25.5.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** B*****, vertreten durch Dr. Andreas Reischl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Alma Steger, Rechtsanwältin in Wien, wegen 59.787,50 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. März 2016, GZ 34 R 8/16w‑78, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00093.16A.0525.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Aktenwidrigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt aber nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

2. Dem Kaskoversicherungsvertrag für das Motorboot des Klägers liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kaskoversicherung von Wassersportfahrzeugen (ABKW 2001 idF 07/2012) zugrunde. Nach deren § 7 („Verschulden“) „ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei“, wenn „der Versicherungsnehmer, der Bootsführer oder einer der Insassen des versicherten Fahrzeuges den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig“ herbeiführt.

3. Die Kaskoversicherung ist eine Sparte der Sachversicherung, durch die das Interesse des Eigentümers des versicherten Fahrzeugs versichert ist. Der Versicherer ist daher im Gegensatz zur Sonderregelung des § 152 VersVG für die Haftpflichtversicherung (vgl dazu RIS‑Justiz RS0080493) (auch) dann leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall im Sinn des § 61 VersVG grob fahrlässig herbeigeführt hat (RIS‑Justiz RS0080389 [T2]; 7 Ob 17/11t mwN). Dabei handelt es sich um einen (verhaltensabhängigen) Risikoausschluss (7 Ob 9/14w = RIS‑Justiz RS0080128 [T2]).

4.1. Grobe Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Gesetzesstelle (und auch der Versicherungsbedingung) liegt vor, wenn sich das Verhalten des Schädigers aus der Menge der sich auch für den Sorgsamsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens als eine auffallende Sorglosigkeit heraushebt (RIS‑Justiz RS0030359 [T13]; RS0030477 [T24]; RS0031127 [T27]). Dabei wird ein Verhalten vorausgesetzt, von dem der Handelnde wusste oder wissen musste, dass es geeignet ist, den Eintritt eines Schadens zu fördern. Die Schadenswahrscheinlichkeit muss offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres naheliegt, zur Vermeidung eines Schadens ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen (RIS‑Justiz RS0030324 [T2]; RS0031127 [T28]; RS0080414 [T3]). Zur Annahme grober Fahrlässigkeit ist es erforderlich, dass bei Vorliegen eines objektiv groben Verstoßes dem Kläger dieser auch subjektiv schwer vorwerfbar sein muss (RIS‑Justiz RS0030272 [T17, T31]). Als brauchbare Anhaltspunkte, von denen die Beurteilung im Einzelnen abhängen kann, kommen die Gefährlichkeit der Situation, die zu einer Sorgfaltsanpassung führen sollte, der Wert der gefährdeten Interessen, das Interesse des Handelnden an seiner Vorgangsweise und schließlich die persönlichen Fähigkeiten des Handelnden in Betracht (RIS‑Justiz RS0030331). In diesem Sinn ist für das Versicherungsvertragsrecht anerkannt, dass grobe Fahrlässigkeit dann gegeben ist, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen (RIS‑Justiz RS0030331; RS0080371 [T1]). Eine Reihe jeweils für sich allein nicht grob fahrlässiger Fehlhandlungen kann in ihrer Gesamtheit grobe Fahrlässigkeit begründen. Voraussetzung hierfür ist, dass sie in ihrer Gesamtheit als den Regelfall weit übersteigende Sorglosigkeit anzusehen sind (RIS‑Justiz RS0030372).

4.2. Ob eine Fehlhandlung wegen ihres besonderen Gewichts oder einzelne, für sich genommen nicht grob fahrlässige Handlungen in ihrer Gesamtheit und Häufung die Annahme grober Fahrlässigkeit rechtfertigen, ist bei Vertretbarkeit der von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Beurteilung grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0044262 [T46, T48 bis T50]; 7 Ob 176/11z mwN). Die Revision ist nur dann zulässig, wenn der Sachverhalt auch bei weitester Auslegung dem von der Judikatur für die Annahme oder die Verneinung grober Fahrlässigkeit aufgestellten Kriterien nicht entspricht (RIS‑Justiz RS0087606 [T22]; 7 Ob 17/11t; 7 Ob 9/14w, jeweils mwN uva). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

4.3. Wenn die Vorinstanzen das festgestellte Verhalten des Klägers als grob fahrlässig qualifizierten, weil er nach Erkennen des (wiederholten) Ausfalls des GPS‑Navigationssystems weder den Kurs aufs „freie“ Meer einschlug noch die Fahrt sofort stoppte und seine Position überprüfte (wobei er die Abweichung vom Kurs registriert hätte), sondern in der Nacht in einem ihm bekannten Nahebereich einer felsigen Insel in Unkenntnis der konkreten Position dennoch die Fahrt mit unverminderter Geschwindigkeit fortsetzte, ist dies nicht zu beanstanden.

5. Es werden keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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