OGH 1Ob201/15p

OGH1Ob201/15p31.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** U*****, vertreten durch die Gradischnig & Gradischnig RECHTSANWÄLTE GmbH, Villach, gegen die beklagte Partei Agrargemeinschaft „NB S*****“, *****, vertreten durch Mag. Rolf Gabron, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen 6.216 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 11. August 2015, GZ 3 R 71/15y‑48, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Spital an der Drau vom 23. März 2015, GZ 6 C 68/12k‑44, bestätigt wurde den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00201.15P.0331.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Erstgericht gab dem auf Ersatz von Schäden wegen der unberechtigten (außerordentlichen) Kündigung des Pachtverhältnisses gerichteten Begehren des Klägers im Betrag von 5.950 EUR sA statt. Über Berufung der beklagten Agrargemeinschaft bestätigte das Berufungsgericht diese Entscheidung und sprach aus, dass die Revision zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 503 Z 3 ZPO) greift die beklagte Agrargemeinschaft die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage auf, ob es zur wirksamen Erhebung einer Berufung durch eine Agrargemeinschaft des Nachweises der in deren Satzung vorgesehenen Beschlussfassung durch die Vollversammlung bedürfe.

1.1 Dazu vertrat das Berufungs-gericht ‑ zusammengefasst ‑ die Auffassung, dass sich die Prozessvollmacht gemäß § 31 Abs 1 ZPO auf das Verfahren in allen seinen Stadien, so auch auf die Einbringung von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen erstrecke, weswegen es nicht schade, dass eine Beschlussfassung der Vollversammlung, in deren Zuständigkeit nach der gemäß § 93 des Kärntner Flurverfassungs‑Landesgesetzes, LGBl 64/1979, erlassenen Satzung die Einleitung gerichtlicher Schritte sowie die Erhebung von Rechtsmitteln in Gerichts‑ und Verwaltungsverfahren falle, über die (von der zweiten Instanz inhaltlich behandelte) Berufung nicht nachgewiesen sei.

Ein Eingehen auf damit zusammenhängende Fragen erübrigt sich:

1.2 Mängel der gesetzlichen Vertretung sind nach § 6 Abs 2 ZPO im Zivilprozess grundsätzlich verbesserungsfähig (7 Ob 109/98z = RIS‑Justiz RS0059247 [T1]). Der ‑ in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende ‑ Mangel (hier angesprochen: in der Vertretung einer juristischen Person) kann auch nachträglich, somit auch noch im Rechtsmittelverfahren durch das von der Satzung vorgesehene Organ behoben werden (RIS‑Justiz RS0035373; 1 Ob 9/13z; RS0118610; vgl auch RS0035331).

1.3 Es entspricht der Rechtsprechung (1 Ob 41/99g = SZ 72/75; 1 Ob 153/02k = SZ 2003/27), dass ein an sich notwendiger Verbesserungs- oder Ergänzungsauftrag dann unterbleiben kann, wenn die betreffende Partei eine Verbesserung bereits von sich aus vorgenommen hat, ohne dass sie dazu aufgefordert worden ist. Die beklagte Agrargemeinschaft hat mit ihrer Revision von sich aus Urkunden vorgelegt, aus welchen sich ergibt, dass die Vollversammlung die Prozessführung genehmigte und den Vorstand mit Beschlussfassung ermächtigte, Rechtsmittel zu erheben. Auch die Beschlussfassung des Vorstands zur Erhebung der Berufung und der vorliegenden Revision ist nunmehr urkundlich nachgewiesen. Ein allfälliger Vertretungsmangel ist damit jedenfalls behoben, weswegen die vom Berufungsgericht in seinem Zulassungsbeschluss aufgeworfene Rechtsfrage nur noch von theoretischer Bedeutung ist (vgl RIS‑Justiz RS0111271).

2.1 Der Mangel der Ermächtigung zur Abgabe einer Willenserklärung wird nach § 1016 ABGB durch die nachträgliche Genehmigung des Handelns ohne Vertretungsmacht seitens des Vertretenen rückwirkend saniert (RIS‑Justiz RS0019572). Das wird grundsätzlich auch für den Ausspruch einer Kündigung oder Entlassung vertreten (vgl 1 Ob 191/02y mwN). Einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, wie Kündigungen oder Entlassungen, sind nach ständiger Rechtsprechung aber bedingungsfeindlich (RIS‑Justiz RS0028418), weil der Erklärungsempfänger ein berechtigtes Interesse an der sofortigen klaren Erkennbarkeit der Rechtslage hat. Zur Sicherung der Rechtsposition des gekündigten Vertragsteils muss die Genehmigung daher noch vor dem Kündigungstermin erfolgt sein (1 Ob 191/02y = RIS‑Justiz RS0117003).

2.2 Die durch den Vorstand der beklagten Agrargemeinschaft als dem unzuständigen Organ mit Beschluss vom 4. 5. 2009 ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Pachtvertrags mit dem Kläger war wegen ihrer Bedingungsfeindlichkeit nicht bloß schwebend unwirksam (vgl dazu RIS‑Justiz RS0014709), sondern gegenüber dem Kläger als Erklärungsempfänger grundsätzlich wirkungslos (vgl 2 Ob 182/01f zu einem Pachtvertrag; RIS‑Justiz RS0115544). Eine nachträgliche Sanierung scheiterte hier schon daran, dass eine außerordentliche Kündigung das Bestandverhältnis mit Wirkung ex nunc beenden soll, ohne dass vereinbarte oder gesetzliche Kündigungsfristen und/oder ‑termine zum Tragen kämen, und konnte daher auch nicht, wie die Revisionswerberin meint, durch die in den Vollversammlungen vom 28. 5. 2014 bzw 19. 11. 2014 beschlossene Genehmigung der Auflösung des Pachtvertrags bewirkt werden (vgl RIS‑Justiz RS0019484).

2.3 War die vom Vorstand als unzuständigem Organ ausgesprochene außerordentliche Kündigung nach den dargestellten Grundsätzen schon grundsätzlich unwirksam, schaffte die mit Erkenntnis des Landesagrarsenats vom 19. 11. 2013 ausgesprochene Aufhebung des Vorstandsbeschlusses vom 4. 5. 2009 keine anders zu beurteilende Rechtslage, sodass sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch daraus keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO ableitet. Dabei ergibt sich keine andere Beurteilung, selbst wenn man mit den Ausführungen der Revisionswerberin das Schreiben vom 5. 5. 2009 entgegen den Feststellungen als selbstständige Willenserklärung und nicht bloß als Übermittlung des in der Vorstandssitzung vom 4. 5. 2009 gefassten Willens sehen wollte. Der Hinweis der Beklagten, die Vollversammlung habe die Kündigung durch die am 24. 3. 2011 beschlossene Neuverpachtung (schlüssig) genehmigt, geht schon deshalb fehl, weil sich aus der von ihr zum Beleg dafür zitierten Urkunde (./S) ergibt, dass dieser Beschluss mit Erkenntnis des Landesagrarsenats vom 30. 5. 2012 behoben wurde.

3. Mit ihren Ausführungen, es sei mit dem Kläger überhaupt nie ein Pachtverhältnis zustande gekommen, widerspricht die Beklagte ihrem gesamten bisherigen Prozessstandpunkt, insbesondere ihrem (unwidersprochenen) Vorbringen in erster Instanz, wonach im Dezember 2007 ein Vollversammlungsbeschluss über die Verpachtung des gegenständlichen Grundstücks an den Kläger gefasst worden sei. Soweit sie dazu ausdrückliche Feststellungen vermisst und erstmals im Revisionsverfahren daraus ableiten will, das Pachtverhältnis sei vom unzuständigen Organ und damit unwirksam begründet worden, genügt es darauf zu verweisen, dass zugestandene Tatsachen (hier iSd § 267 ZPO) ohne weiteres der Entscheidung zugrunde gelegt werden können (RIS‑Justiz RS0040110).

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, womit sein Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme zu qualifizieren ist.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte