European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00223.15Y.1222.000
Spruch:
Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung
Der Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Partei (kurz Antragsgegner) hatte sich als Vater der nunmehr bereits volljährigen Antragstellerin und gefährdeten Partei (kurz Antragstellerin) anlässlich der einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG von deren Mutter im pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleich vom 7. Juli 2004 ‑ ausgehend von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 2.000 EUR zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 400 EUR und später mit außergerichtlichem Vergleich vom 2. November 2011 ‑ bei einem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 3.211 EUR ‑ ua zu einer solchen von monatlich 613 EUR ab Oktober 2011 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit zuzüglich monatlichem Sonderbedarf an Miete für eine Harfe in Höhe von 150 EUR und 342 EUR an Studiengebühren für ein Konservatorium verpflichtet.
Mit Antrag vom 17. September 2014 begehrte die Antragstellerin, dem Antragsgegner die Zahlung von „vorläufigem“ (gem § 382 Z 8 lit a EO) und endgültigem Unterhalt von monatlich 784 EUR sowie von Sonderbedarf für den Ankauf einer Konzertharfe (8.425 EUR sA) und aufgelaufene Anwaltskosten (7.433 EUR sA) aufzuerlegen.
Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner „vorläufig“ gemäß § 382 Z 8 lit a EO (Punkt 1.) zusätzlich zu der ihm mit Vergleich des Bezirksgerichts Mödling vom 7. Juli 2004, GZ 2 C 102/03w‑15, auferlegten monatlichen Unterhaltsleistung weitere (rückständige) anteilige monatliche Beträge in näher bestimmten Perioden von 79 EUR und 170 EUR sowie laufend 157 EUR bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das Unterhaltsverfahren, somit monatliche Unterhaltsbeträge von 479 EUR, 570 EUR und 557 EUR sowie rückständigen und laufenden Unterhalt von zusätzlich 157 EUR monatlich (Punkt 3.) sowie Sonderbedarf in Höhe von 8.425 EUR für den Ankauf einer Konzertharfe (Punkt 5.) endgültig zu zahlen. Das Mehrbegehren über weitere nach Perioden gestaffelte Beträge von 305 EUR, 214 EUR und (laufend) 227 EUR (Punkte 2. und 4.) sowie Sonderbedarf für Anwaltskosten in Höhe von 7.433,33 EUR wies es ab (Punkt 6.).
Über die von beiden Parteien erhobenen Rekurse (jener des Vaters gegen den Zuspruch, jener der Tochter gegen die Abweisung eines weiteren Sonderbedarfs im Umfang von 3.000 EUR) bestätigte das Rekursgericht diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei; soweit der Beschluss über einstweiligen Unterhalt betroffen sei, sei ein solcher gemäß §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen im Sinne der zuletzt genannten Gesetzesstelle nicht zu beantworten seien, ebensowenig liege eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG vor, soweit er nicht nur provisorisch über den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin abspreche.
Dagegen erhob der Vater einen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs, den das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorlegte.
Diese Vorlage widerspricht dem Gesetz:
Rechtliche Beurteilung
I. Zum Beschluss, mit dem über (richtig) einstweiligen Unterhalt gemäß § 382 Z 8 lit a EO abgesprochen wurde:
I.1. Nach den § 402 Abs 4 iVm § 78 EO sind auf Revisionsrekurse im Provisorialverfahren grundsätzlich die Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden.
I.2. Die Ermittlung des Werts des vom Rekursgericht behandelten Entscheidungsgegenstands hat sich nach den allgemeinen Bewertungsvorschriften der JN zu richten (§ 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 3 ZPO) und bestimmt sich beim Unterhalt nach § 58 Abs 1 JN mit dem 36-fachen des im Rekursverfahren strittigen (RIS‑Justiz RS0122735 [T1, T2]) monatlichen Erhöhungs- oder Herabsetzungsbegehrens (RIS‑Justiz RS0046543). Dabei ist regelmäßig auf den laufenden Unterhalt abzustellen (6 Ob 209/13y; RIS‑Justiz RS0103147 [T26]; Mayr in Rechberger 4, § 58 JN Rz 2 mwN) und gesondert begehrte, bereits fällig gewordene Beträge sind nicht gesondert zu bewerten (RIS‑Justiz RS0103147 [T1, T6]; RS0114353; RS0122735 [T5]; RS0046543 [T4] zum Antrag des Vaters, ihn von seiner Unterhaltspflicht rückwirkend zu befreien).
I.3. Strittig war hier angesichts des bestehenden pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleichs über die Scheidungsfolgen ‑ ungeachtet des Standpunkts des Antragsgegners, es bestehe weder ein Anspruch auf Unterhaltserhöhung noch auf Sonderbedarf (ON 8, 9), die Antragstellerin sei selbsterhaltungsfähig, ihr Antrag abzuweisen (ON 16, 5) ‑ nur der gegenüber dem Vergleich vom 7. Juli 2004 zugesprochene Mehrbetrag, der beim laufenden Unterhalt 157 EUR monatlich beträgt.
Der zwischen dem Antragsgegner und seiner volljährigen Tochter im Jahr 2011 geschlossene außergerichtliche Unterhaltsvergleich ist anders als der vor Gericht abgeschlossene Scheidungsfolgenvergleich kein Vergleich im Sinn des § 1 Z 5 EO und damit kein Exekutionstitel. In dem im Jahr 2014 eingeleiteten Unterhaltsverfahren war in erster Instanz aufgrund des in einem solchen Verfahren herrschenden Antragsprinzips (4 Ob 1/08p mwN; vgl RIS‑Justiz RS0028356 zum Außerstreitgesetz 1854) nur der Antrag der Unterhaltsberechtigten auf Festsetzung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 784 EUR zu prüfen, nicht aber die Voraussetzungen für eine allfällige Herabsetzung des bereits im Scheidungsfolgenvergleich festgesetzten Unterhaltsbetrags von 400 EUR, weil der Vater die Abweisung des gegnerischen Antrags, nicht aber die Herabsetzung oder Minderung seiner Unterhaltsverpflichtung beantragt hatte (vgl 3 Ob 221/10m). Er konnte daher mit dem Hinweis auf den außergerichtlich geschlossenen Unterhaltsvergleich auch bei inhaltlicher Prüfung des gegnerischen Antrags in dem für ihn günstigsten Fall nur dessen Abweisung erreichen, nicht aber die Verringerung der bestehenden Unterhaltsverpflichtung (s 1 Ob 104/13w).
Der Wert des Entscheidungsgegenstands vor dem Rekursgericht beträgt beim einstweiligen Unterhalt daher 5.652 EUR.
I.4. Gemäß § 528 Abs 2 Z 1a ZPO ist der Revisionsrekurs in familienrechtlichen Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 1 und 2 JN vorbehaltlich des § 528 Abs 2a ZPO jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz ‑ wie hier ‑ insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Ein außerordentlicher Revisionsrekurs ist im vorliegenden Fall nicht zulässig (§ 528 Abs 3 ZPO), sondern es ist nach § 528 Abs 2a iVm § 508 ZPO im Wege eines mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundenen Abänderungsantrags beim Rekursgericht Abhilfe zu suchen (1 Ob 14/11g mwN).
Aus diesem Grund war das Rechtsmittel der gefährdeten Partei ungeachtet der Bezeichnung als „außerordentlicher“ Revisionsrekurs jedenfalls nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen. Ob der Rechtsmittelschriftsatz der Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten.
II. Zum Beschluss mit dem über endgültigen Unterhalt (und Sonderbedarf) abgesprochen wurde:
II.1. Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht den Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat (§ 59 Abs 1 Z 2 AußStrG). Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei nur einen Antrag an das Rekursgericht (Zulassungsvorstellung gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG) stellen, den Zulässigkeitsausspruch dahin abzuändern, dass der Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; mit dieser Zulassungsvorstellung ist der ordentliche Revisionsrekurs zu verbinden.
II.2. Der Anspruch des Kindes auf Unterhalt ist rein vermögensrechtlicher Natur im Sinn des § 62 Abs 4 und 5 AußStrG (RIS‑Justiz RS0007110 [T32]).
Den vorstehenden Ausführungen zur Ermittlung des Streitwerts nach § 58 JN (vgl Punkte I.2. und I.3.) ist wegen des Begehrens auf Sonderbedarf hinzuzufügen, dass der Unterhaltsanspruch als einheitlicher Anspruch anzusehen ist (2 Ob 224/08t mwN = RIS‑Justiz RS0118275 [T5]; 7 Ob 177/12y).
Selbst wenn die im Rekursverfahren noch strittigen Beträge für Sonderbedarf in Höhe von 11.425 EUR (8.425 EUR und 3.000 EUR) zum 36‑fachen des strittigen laufenden monatlichen Unterhalts (5.652 EUR) hinzugerechnet würden, wäre die hier maßgebliche Zulässigkeitsgrenze von 30.000 EUR nicht überschritten (vgl 10 Ob 80/06x; 3 Ob 221/10m; 7 Ob 177/12y).
II.3. Demnach ist eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs auch hier nicht gegeben. Das Erstgericht wird zu beurteilen haben, ob es die Eingabe des Vaters als mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht (§ 63 AußStrG) oder aber als verbesserungsbedürftig ansieht (vgl RIS‑Justiz RS0109505).
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