OGH 4Ob1/08p

OGH4Ob1/08p22.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerinnen 1. Claudia T*****, und 2. mj. Clara T*****, beide vertreten durch Dr. Silvia Franek, Rechtsanwältin in Baden, gegen den Antragsgegner Peter T*****, vertreten durch Mag. Peter M. Wolf, Rechtsanwalt in Mödling, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 28. Februar 2007, GZ 16 R 319/06k-140, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Ebreichsdorf vom 29. Juni 2006, GZ 3 P 73/02d-126, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden in ihrem Punkt 1. dahin abgeändert, dass sie in Ansehung der monatlichen Unterhaltsbeiträge für beide Kinder unter Einschluss des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils vollständig zu lauten haben:

„Der Antragsgegner ist schuldig, folgende Unterhaltsbeiträge zu zahlen:

für Claudia T*****

vom 1. 4. bis 31. 12. 2002 monatlich 660 EUR,

vom 1. 1. bis 31. 7. 2003 monatlich 600 EUR,

vom 1. 8. bis 31. 12. 2003 monatlich 567 EUR,

vom 1. 1. bis 31. 12. 2004 monatlich 661 EUR,

vom 1. 1. bis 28. 2. 2005 monatlich 608 EUR,

vom 1. 3. bis 30. 6. 2005 monatlich 538 EUR und

ab 1. 7. 2005 bis auf Weiteres, längstens jedoch

bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit monatlich 499 EUR;

für die minderjährige Clara T*****

vom 1. 4. bis 31. 12. 2002 monatlich 537 EUR,

vom 1. 1. bis 31. 7. 2003 monatlich 487 EUR,

vom 1. 8. bis 31. 12. 2003 monatlich 453 EUR,

vom 1. 1. bis 31. 12. 2004 monatlich 467 EUR,

vom 1. 1. bis 28. 2. 2005 monatlich 418 EUR,

vom 1. 3. bis 30. 6. 2005 monatlich 346 EUR und

ab 1. 7. 2005 bis auf Weiteres, längstens jedoch

bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit monatlich 421 EUR;

die bis zur Rechtskraft des Beschlusses fällig gewordenen Beträge sind abzüglich der geleisteten Zahlungen binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden jeweils am ersten eines Monats im Vorhinein zu bezahlen, und zwar in Ansehung der minderjährigen Clara zu Handen der Mutter Waltraud T*****."

Der Antragsgegner hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung in Ansehung der minderjährigen Tochter selbst zu tragen, in Ansehung der volljährigen Tochter werden die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern beider Antragstellerinnen wurde am 5. November 2004 geschieden. Beide Kinder verblieben in der Obsorge der Mutter, welche mit diesen gemeinsam weiterhin das den Eltern je zur Hälfte gehörende Einfamilienhaus bewohnt.

Das monatliche Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters betrug inklusive der Sonderzahlungen 2002 4.885,73 EUR, 2003 4.410 EUR, 2004 4.458 EUR und 2005 4.791,73 EUR. Darin sind Sachbezüge für einen Pkw in Höhe von 323,76 EUR monatlich bis Juli 2002, 392,01 EUR bis September 2002, 510 EUR ab Oktober 2002 und 557,85 EUR ab Jänner 2005 enthalten.

Die mittlerweile volljährig gewordene Erstantragstellerin begehrte vom Antragsgegner zuletzt einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 782 EUR für April bis September 2002, 660 EUR für Oktober bis Dezember 2002, 602 EUR für Jänner bis Juli 2003, 567 EUR für August bis Dezember 2003, 661 EUR für Jänner bis Dezember 2004, 608 EUR für Jänner bis Februar 2005, 538 EUR für März bis Juni 2005 und 499 EUR ab Juli 2005.

Die minderjährige Zweitantragstellerin begehrte vom Antragsgegner zuletzt einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 635 EUR für April bis September 2002, 539 EUR für Oktober bis Dezember 2002, 489 EUR für Jänner bis Juli 2003, 453 EUR für August bis Dezember 2003, 467 EUR für Jänner bis Dezember 2004, 418 EUR für Jänner bis Februar 2005, 346 EUR für März bis Juni 2005 und 421 EUR ab Juli 2005.

Der Antragsgegner wendete - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch relevant - ein, zu seinen Gunsten wären Wahnraumbeschaffungskosten zu berücksichtigen. Er sei im Winter 2001 aus dem gemeinsamen ehelichen Haushalt ausgezogen, er habe der Mutter und den Kindern das gesamte Einfamilienhaus zur weiteren Bewohnung überlassen und bis dato für seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft sämtliche Grundsteuer- und Versicherungskosten bezahlt. Er habe sich daher selbst Wohnraum beschaffen müssen. Hiefür habe er monatlich 383 EUR Zinsen und 897 EUR Ansparkosten für die Kapitaltilgung zu leisten. Diese Aufwendungen seien von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen.

Das Erstgericht setzte die für die Erstantragstellerin monatlich zu leistenden Unterhaltsbeträge wie folgt fest: 1. 4. bis 31. 12. 2002 660 EUR, 1. 1. bis 31. 7. 2003 600 EUR, 1. 8. bis 31. 12. 2003 580 EUR, 1. 1. bis 31. 12. 2004 661 EUR, 1. 1. bis 28. 2. 2005 675 EUR, 1. 3. bis 30. 6. 2005 575 EUR und ab 1. 7. 2005 bis auf Weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, 533 EUR. Für die Zweitantragstellerin sollte der Antragsgegner folgende monatliche Unterhaltbeträge leisten: 1. 4. bis 31. 12. 2002 537 EUR, 1. 1. bis 31. 7. 2003 487 EUR, 1. 8. bis 31. 12. 2003 463 EUR, 1. 1. bis 31. 12. 2004 467 EUR, 1. 1. bis 28. 2. 2005 464 EUR, 1. 3. bis 30. 6. 2005 370 EUR und ab 1. 7. 2005 bis auf Weiteres, längstens jedoch bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, 451 EUR. Diese Unterhaltsbeträge ergäben sich als Prozentsätze des monatlichen Durchschnittseinkommens des Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung der weiteren ihn treffenden Sorgepflichten (für die nunmehrige Ehefrau und zwei weitere Kinder). Die vom Kindesvater eingewendeten Wohnraumbeschaffungskosten sowie die Kreditbelastungen seien nicht zu berücksichtigen. Kreditrückzahlungsverpflichtungen hätten sich im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu halten und könnten nicht zum Nachteil der unterhaltsberechtigten Kinder geltend gemacht werden.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs des Antragsgegners die monatliche Unterhaltsverpflichtung wie folgt ab:

für die Erstantragstellerin auf 614 EUR für 1. 4. bis 31. 12. 2002, 600 EUR für 1. 1. bis 31. 7. 2003, 565 EUR für 1. 8. bis 31. 12. 2003, 644 EUR für 1. 1. bis 31. 12. 2004, 608 EUR für 1. 1. bis 28. 2. 2005, 538 EUR vom 1. 3. bis 30. 6. 2005 und 498 EUR ab 1. 7. 2005; für die Zweitantragstellerin 426 EUR für 1. 4. bis 31. 12. 2002, 440 EUR für 1. 1. bis 31. 7. 2003, 441 EUR für 1. 8. bis 31. 12. 2003, 439 EUR für 1. 1. bis 31. 12. 2004, 418 EUR für 1. 1. bis 28. 2. 2005 346 EUR für 1. 3. bis 30. 6. 2005 und 421 EUR ab 1. 7. 2005.

Da im Unterhaltsfestsetzungsverfahren das Antragsprinzip gelte, dürfe das Gericht nicht mehr als den begehrten Unterhalt zusprechen. Dies habe das Erstgericht für die Zeit August bis Dezember 2003 und ab Jänner 2005 übersehen. Auch sei nicht berücksichtigt worden, dass der Antragsgegner für die Kosten der Wohnversorgung der Kinder aufkomme. Diese Kosten seien mit monatlich 1.280 EUR im erstinstanzlichen Verfahren beziffert worden und unbestritten geblieben. Ein Unterhaltsberechtigter, der nicht auch für die Kosten seiner Wohnversorgung aufzukommen habe, bedürfe nicht mehr des gesamten ansonsten festzusetzenden Geldunterhalts. Die Wohnkostenersparnis sei zu berücksichtigen. Da die Eltern Hälfteeigentümer der Liegenschaft seien, entstehe ein wirtschaftlicher Vorteil durch Nutzung auch des Anteils des Vaters, daher maximal in Höhe der Hälfte des Kopfteils, also eines Sechstels. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht (nachträglich) im Hinblick auf die seiner Ansicht nach uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen, mit dem sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Unterhaltsbemessung anstreben, ist in Ansehung beider Antragstellerinnen zulässig und teilweise berechtigt.

1. Das Unterhaltsfestsetzungsverfahren wird vom Antragsprinzip beherrscht (Deixler-Hübner in Rechberger, AußStrG § 101 Rz 3; Fucik/Kloiber, AußStrG § 101 Rz 9, je mwN zur Rsp). Das Rekursgericht hat daher zu Recht die vom Antragsgegner zu leistenden Unterhaltsbeiträge auf die von den Antragstellerinnen für bestimmte Zeitabschnitte geltend gemachte Höhe gekürzt.

2. Auch im außerstreitigen Verfahren auf Unterhaltsbestimmung gilt der Untersuchungsgrundsatz (7 Ob 164/06b; Deixner-Hübner aaO § 101 Rz 5; Fucik/Kloiber aaO § 101 Rz 11), ebenso subjektive Behauptungs- und Beweislastregeln, wenn es sich - wie hier - um nur auf Antrag zu entscheidende vermögensrechtliche Ansprüche handelt (7 Ob 164/06b; Deixler-Hübner aaO § 101 Rz 6; Fucik/Kloiber aaO § 101 Rz 11 je mwN). Der Unterhaltspflichtige hat die seine Unterhaltsverpflichtung aufhebenden oder vermindernden Umstände zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0006261).

2.1. Der Antragsgegner hat - im hier interessierenden Zusammenhang - im erstinstanzlichen Verfahren lediglich zu seinen Wohnraumbeschaffungskosten konkrete ziffernmäßig bestimmte Angaben gemacht (monatliche Zinsenbelastung und Ansparkosten für die Beschaffung neuen Wohnraums nach Auszug aus der Ehewohnung). Er hat zwar in diesem Zusammenhang erwähnt, nach dem Verlassen des ehelichen Haushalts das von den Antragstellerinnen und ihrer Mutter weiterbewohnte Haus, das in seinem Hälfteeigentum stehe, diesen weiter überlassen zu haben und auch Grundsteuer- und Versicherungskosten weiter zu bezahlen, hiezu fehlen aber jegliche ziffernmäßige Angaben. Darüber hinaus soll diese Behauptung nach dem Textzusammenhang nur den Einwand des Antragsgegners stützen, seine nunmehrigen Wohnraumbeschaffungskosten minderten die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Den hievon zu unterscheidenden Einwand, infolge (teilweiser) Wohnversorgung der Unterhaltsberechtigten gebühre diesen bloß ein verminderter Geldunterhalt, erhob der Antragsgegner im erstinstanzlichen Verfahren nicht.

2.2. Zwar sind gemäß § 49 Abs 1 AußStrG im Rekursverfahren neu vorgebrachte Tatsachen und angebotene Beweismittel soweit zu berücksichtigen, als sie nicht unangefochtene Teile des Beschlusses zum Gegenstand haben, Tatsachen und Beweismittel, die zur Zeit des Beschlusses erster Instanz schon vorhanden waren, sind jedoch nach § 49 Abs 2 AußStrG nicht zu berücksichtigen, wenn sie von der Partei schon vor der Erlassung des Beschlusses hätten vorgebracht werden können, es sei denn, die Partei kann dartun, dass es sich bei der Verspätung (Unterlassung) des Vorbringens um eine entschuldbare Fehlleistung handelt. Das Recht, im Rekurs nach bestimmten Gesichtspunkten neue Umstände und Beweismittel geltend machen zu können, enthebt den Rechtsmittelwerber somit nicht der Notwendigkeit, den Tatbestand, auf den er seinen Antrag stützen will, schon in der ersten Instanz vorzubringen (RIS-Justiz RS0006790). Neuerungen sind nur soweit beachtlich, als ein entsprechendes Tatsachenvorbringen im Verfahren erster Instanz nicht möglich war (RIS-Justiz RS0110773).

2.3. Der vom Antragsgegner erstmals im Rekurs erhobene Einwand, er erbringe auf den Unterhaltsbeitrag anrechenbare Naturalunterhaltsleistungen, indem er den Antragstellerinnen deren Wohnung in gebrauchsfähigem Zustand erhalte und hiefür Aufwendungen mache, verstößt daher gegen das im Außstreitverfahren geltende (eingeschränkte) Neuerungsverbot. Überdies enthalten auch die Rekursausführungen weiterhin keine konkreten (ziffernmäßigen) Angaben zu den behaupteten Aufwendungen für die Wohnung der Antragstellerinnen.

Die Antragstellerinnen bemängeln in ihrem Revisionsrekurs daher zu Recht, dass das Rekursgericht vom Antragsgegner getragene Wohnungskosten der Antragstellerinnen berücksichtigt habe. Hiezu kommt, dass der Antragsgegner die angeblich unstrittig als „Kosten der Wohnversorgung" seiner Kinder zugrunde gelegten Beträge von monatlich 1.280 EUR bloß als Kosten der Schaffung neuen Wohnraums für ihn (demnach nicht für die Antragstellerinnen!) behauptete.

3. Somit ist als Ergebnis die vom Erstgericht getroffene Unterhaltsfestsetzung insoweit wiederherzustellen, als Wohnraumbeschaffungskosten des Antragsgegners nicht berücksichtigt wurden. Lediglich die vom Rekursgericht zutreffend vorgenommene Reduktion auf die von den Antragstellerinnen im erstinstanzlichen Verfahren begehrten Unterhaltsbeiträge ist aufrecht zu erhalten. Die im Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen zur allfälligen Differenzierung von Wohnungserhaltungs- und Wohnungsbenützungskosten sind mangels Relevanz in diesem Fall nicht weiter zu erörtern.

4. In Ansehung der minderjährigen Zweitantragstellerin scheidet ein Kostenersatz für die Revisionsrekursbeantwortung nach § 101 Abs 2 AußStrG von vornherein aus; in Ansehung der nunmehr volljährigen Erstantragstellerin ist infolge annähernd gleichteiligen Obsiegens beider Streitteile mit Kostenaufhebung im Revisionsrekursverfahren vorzugehen, weshalb dem Antragsgegner insgesamt kein Kostenersatz gebührt.

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