OGH 9Ob80/14a

OGH9Ob80/14a25.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn in der Substitutionssache nach dem am ***** 2002 verstorbenen Ing. F***** T*****, geboren am ***** 1925, *****, wegen verlassenschaftsgerichtlicher Genehmigung der Verzichts- und Löschungserklärung zur fideikommissarischen Substitution, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin S***** T*****, vertreten durch Dr. Michael Langer, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. August 2014, GZ 48 R 212/14b‑56, mit dem dem Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 28. Mai 2014, GZ 9 A 285/02w‑51, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00080.14A.0225.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 14. 7. 2003 (ON 31) wurde der ruhende Nachlass des Erblassers den Erben je zur Hälfte mit der Beschränkung der fideikommissarischen Substitution zugunsten der am ***** 1996 geborenen Antragstellerin als Nacherbin eingeantwortet. Diese Beschränkung wurde auch ob dem nachlasszugehörigen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuchs ***** eingetragen.

Am 24. 4. 2014 beantragte die Antragstellerin, ihren Verzicht auf die Nacherbschaft und ihre Zustimmung zur Löschung der Anmerkung der fideikommissarischen Substitution im Grundbuch verlassenschaftsgerichtlich zu genehmigen.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück, weil dafür keine Mitwirkung des Verlassenschaftsgerichts vorgesehen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Rechtsauffassung und gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil  Rechtsprechung zum Erfordernis einer substitutionsgerichtlichen Genehmigung der Verzichts‑ und Löschungserklärung des einzig berechtigten und aus dem Grundbuch ersichtlichen Nacherben fehle.

In ihrem dagegen erhobenen Revisionsrekurs beantragt die Antragstellerin die Abänderung des Beschlusses im Sinn einer Genehmigung ihrer Verzichts‑ und Löschungserklärung „bzw“ die Feststellung, dass die grundbücherlich eingetragene fideikommissarische Substitution erloschen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig , jedoch nicht berechtigt .

1.  Bei der fideikommissarischen Substitution (§ 608 ABGB) ist der Vorerbe Eigentümer des Nachlasses, doch ist sein Eigentum zeitlich beschränkt. Seine Rechtsstellung kommt der eines Fruchtnießers nahe (RIS‑Justiz RS0012535). Zusammen haben Vorerbe und Nacherbe die Rechte eines freien (Voll‑)Eigentümers, das Recht des Vorerben ist aber auflösend bedingtes oder zeitlich beschränktes ‑ mit dem Eintritt des Nacherbfalls endendes ‑ Eigentum (RIS‑Justiz RS0008205 [T2]; RS0116351; RS0012549 [T 2]; Kodek in Kodek , Grundbuchsrecht § 20 GBG Rz 32).

2.  Nach § 615  Abs 1 ABGB erlischt die fideikommissarische Substitution, wenn keiner von den berufenen Erben mehr übrig ist, oder wenn der Fall, für den sie errichtet worden ist, aufhört. Diese Bestimmung führt zwei Fälle des Erlöschens einer fideikommissarischen Substitution an, besagt aber nicht, dass eine Auflösung des Substitutionsbandes aus anderen Gründen unzulässig sei. Die Gründe für das Erlöschen einer fideikommissarischen Substitution sind in den §§ 615 ff ABGB nicht taxativ aufgezählt (RIS‑Justiz RS0012573; Welser in Rummel 3 § 615 Rz 12; Apathy in KBB ABGB 4 § 615 Rz 2).

3.  Zufolge demonstrativer Aufzählung der Auflösungsgründe in § 615 ABGB kann eine fideikommissarische Substitution auch durch das Einverständnis des Vorerben mit den Nacherben aufgelöst werden (RIS‑Justiz RS0012563; Kletečka/Holzinger in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 615 Rz 10). Da Vor‑ und Nacherbe zusammen die Rechte eines Vollerben haben, können sie gemeinsam die Substitutionsbindung aufheben, einschränken oder auf eine andere Sache übertragen (5 Ob 97/94 mwN; 6 Ob 136/07d ua; Apathy in KBB ABGB 4 § 613 Rz 2).

4.  Die Entscheidung darüber, ob eine im Grundbuch eingetragene fideikommissarische Substitution erloschen ist, steht nach ständiger Rechtsprechung nicht dem Grundbuchsgericht, sondern dem Abhandlungsgericht als Substitutionsbehörde zu. Wenn sich Auslegungsfragen stellen, hat allenfalls das Streitgericht zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0007570 [T1]; Rassi , Grundbuchsrecht² Rz 222; Eccher in Schwimann/Kodek § 615 Rz 2; Gruber/Sprohar‑Heimlich/Scheuba , in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge, Rz 26).

5.  An diesem Grundsatz wurde auch in neueren Entscheidungen festgehalten. Hervorzuheben ist, dass darin stets die Frage des aufrechten Bestands der fideikommissarischen Bindung verfahrensgegenständlich war (5 Ob 253/05z: Wegfall des Nachfolgerechts wegen Nichteintritt einer Bedingung [Kinderlosigkeit]; 5 Ob 177/07a: Erreichen des für den Nacherbfall vorgesehenen Alters des Nacherben; vgl auch 5 Ob 8/13g: Beurteilung, ob eine noch im händisch geführten Grundbuch eingetragen gewesene Beschränkung des Eigentums zur Zeit der Grundbuchsumstellung gegenstandslos war; 2 Ob 58/11k: grundbücherliche Löschung gewisser vorverstorbener Nacherben, nicht aber des Substitutionsbandes). Als Grundgedanke kann diesen Fällen entnommen werden, dass die Entscheidung über Fragen des aufrechten Bestands des Substitutionsbandes in die Kompetenz des Abhandlungsgerichts verwiesen ist.

6.  Es entspricht weiter der Rechtsprechung, dass  der Vorerbe mit Genehmigung der Substitutionsbehörde über das Substitutionsgut Verfügungen treffen kann, die die Rechte des Nacherben beeinträchtigen. Liegt diese Genehmigung nicht vor, kann nur mit Zustimmung des Nacherben die von einer fideikommissarischen Substitution umfasste Liegenschaft veräußert oder belastet werden (RIS‑Justiz RS0012578 [T5, T6]; RS0007732 [T4]; Rassi Grundbuchsrecht 2 RZ 222; Feil/Friedl , Grundbuchsgesetz, § 9 Rz 62). Es ist danach ausreichend, wenn der Vorerbe mit Genehmigung der Substitutionsbehörde oder mit Zustimmung des Nacherben die Liegenschaft veräußert oder belastet (RIS‑Justiz RS0012578 [T6]; RS0007732 [T5]; RS0002521 [T7]). Dafür ist die Zustimmung aller in Betracht kommenden Nacherben, auch der Ersatzerben, notwendig (RIS‑Justiz RS0012578 [T7]; RS0007732 [T1]; RS0002521 [T7]). Von der Notwendigkeit einer substitutionsbehördlichen Genehmigung wurde ferner abgesehen, wenn der Vorerbe das Substitutionsgut noch vor dem Substitutionsfall dem Nacherben übergibt (7 Ob 612/56 = RIS‑Justiz RS0008336). Anders als in den Fällen der unter Punkt 5. zitierten Judikaturlinie sind dies Konstellationen, in denen Vor‑ und Nacherbe einvernehmlich eine Verfügung über ein Substitutionsgut (Liegenschaft) getroffen haben, die vom Grundbuchsgericht ohne weiteres in den Grenzen seines Prüfmaßstabs (§ 94 Abs 1 GBG) vollzogen werden kann.

7.  Im vorliegenden Fall will die Antragstellerin auf ihr Recht als Nacherbin verzichten.

Wie die (verlassenschaftsgerichtliche) Entscheidung 2 Ob 121/01k zeigt, kann auch der ‑ dort entgeltliche ‑ Verzicht des Nacherben auf die Erbrechtsanwartschaft zugunsten des Vorerben Gegenstand eines verlassenschafts‑ und substitutionsbehördlichen Genehmigungsverfahrens sein. Gegen die Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts als Substitutionsbehörde wurden in jenem Fall keine Bedenken gehegt, weil dort auch die Rechte der (im Grundbuch nicht aufscheinenden) Ersatznacherben berührt waren.

In der (grundbuchsgerichtlichen) Entscheidung 5 Ob 84/12g wurde die Zustimmung der Substitutionsbehörde dagegen nicht für erforderlich erachtet, als es nur um die fragliche Wirksamkeit des vom Nachlegatar selbst erklärten Verzichts auf ein ausdrücklich und ausschließlich zu seinen Gunsten angemerktes Nachlegat ging. Zur Abgrenzung von der Entscheidung 5 Ob 177/07a sowie den Vorentscheidungen 1 Ob 14/67 und 8 Ob 308/64 wurde festgehalten, dass jene Entscheidungen allesamt solche Fälle betrafen, in denen das fragliche Erlöschen einer fideikommissarischen Substitution zu klären war, sich teils Auslegungsfragen stellten und teils auch Rechte noch Ungeborener zu berücksichtigen waren. Dagegen wurde für den Verzicht eines Nachlegatars auf das Nachlegat kein Grund für die Notwendigkeit der Befassung der Substitutionsbehörde gesehen.

8.  In einer Gesamtschau geht aus all dem als Leitgedanke hervor, dass von einer substitutionsbehördlichen Genehmigung dann Abstand genommen werden kann, wenn sich das Grundbuchsgericht nicht mit Fragen des aufrechten Bestandes des Substitutionsbandes auseinandersetzen muss, sondern ohne Notwendigkeit, dieses hinterfragen und über den Inhalt der ihm vorgelegten Urkunden hinaus noch weitere Schlussfolgerungen anstellen zu müssen (vgl 5 Ob 265/08v), über ein Eintragungsbegehren entscheiden kann.

9.  Der vorliegende Fall liegt jenem der Entscheidung 5 Ob 84/12g (Verzicht des Nachlegatars) am nächsten, weil es auch hier um ein ausschließlich zu Gunsten der Antragstellerin angemerktes Anwartschaftsrecht aus der fideikommissarischen Substitution geht, im Fall eines wirksamen Verzichts auf die Nacherbschaft ihre Rechte nicht weiter substitutionsbehördlich geschützt werden müssen und auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mit dem Verzicht in die Rechte weiterer Personen eingegriffen würde.

10.  Zutreffend sind die Vorinstanzen daher davon ausgegangen, dass eine substitutionsbehördliche Genehmigung des Verzichts der Antragstellerin hier nicht in Betracht kommt. Diese Erwägungen machen auch eine (von der Antragstellerin erstmals im Revisionsrekurs begehrte) Feststellung des Erlöschens des Substitutionsbandes entbehrlich. Über die Wirksamkeit des Verzichts hat danach, nicht anders als in dem der Entscheidung 5 Ob 84/12g zugrunde liegenden Fall, das Grundbuchsgericht zu entscheiden. Es bleibt lediglich anzumerken, dass ein wirksamer Verzicht nach ständiger Rechtsprechung nicht schon durch eine ‑ wie hier vorliegend ‑ einseitige Verzichtserklärung zustande kommt, sondern ein zweiseitiges Rechtsgeschäft ist (RIS‑Justiz RS0033948, insbesondere 5 Ob 26/08x, 5 Ob 84/12g).

Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin ist danach ein Erfolg versagt.

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