OGH 17Os7/14d

OGH17Os7/14d13.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2014 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Harald P***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 4. November 2013, GZ 7 Hv 73/13i‑19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0170OS00007.14D.1013.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Harald P***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. August 2009 in S***** als Bürgermeister dieser Gemeinde, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, (zu ergänzen:) dadurch die „Republik Österreich an ihrem konkreten Recht auf gleichmäßige, vollständige, unvoreingenommene und unparteiliche Festsetzung und Einhebung öffentlicher Abgaben durch die hiezu aufgrund bestehender Vorschriften zuständigen, unbefangenen und objektiv handelnden Organe gemäß den geltenden materiell‑ und formellrechtlichen Vorschriften, zu schädigen, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde S***** als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich (§ 5 Abs 3 StGB) dadurch missbraucht, dass er ungeachtet der Befangenheitsbestimmungen der OÖ. Gemeindeordnung und ungeachtet seiner Verpflichtung, die Wasseranschlussgebühren vollständig vorzuschreiben, über seine Ehegattin Brigitte P***** einen Bescheid erließ, mit dem er die Wasserleitungsanschlussgebühr für ihr Grundstück Nr. 2903/1, KG S*****, rechtswidrig und unvollständig mit einem Betrag von 2.000 Euro anstelle 7.500 Euro festsetzte“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider hat das Erstgericht durch Abweisung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen DI S***** zum ‑ im Übrigen als erbracht angesehenen (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO; vgl ON 18 S 16) ‑ Beweis dafür, dass „im Zuge der Wasserverrichtungsarbeiten beim Objekt von Frau P***** eine günstigere Leitungsführung diskutiert wurde, wo man sich letztendlich infolge des Zugeständnisses von Frau P***** dazu entschieden habe, die Wasserleitung über das Grundstück von Frau P***** führen zu lassen und dies gleichzeitig der Gemeinde einen finanziellen Vorteil von rund 8.000 Euro verschafft habe“ (ON 18 S 15), Verteidigungsrechte nicht geschmälert. Denn der Antragsteller gab die ‑ auch nicht offensichtliche ‑ (RIS‑Justiz RS0118444 [T3, T7]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 328) Relevanz des behaupteten Vermögensvorteils für die Lösung der Schuld‑ oder Subsumtionsfrage nicht bekannt (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327).

Das erstmals im Rechtsmittel erstattete Vorbringen, die Gemeinde habe der Zeugin P***** aufgrund ihres Zugeständnisses „im Gegenzug“ einen entsprechenden „finanziellen Vorteil“ betreffend der „Wasserrechtsgebühren“ eingeräumt, stellt eine unzulässige Neuerung dar (vgl RIS‑Justiz RS0099117, RS0099618). Im Übrigen behauptet der Beschwerdeführer nicht einmal, dass der Gemeinderat die für eine solche Vereinbarung erforderliche Zustimmung (vgl § 7 der Wassergebührenordnung des Gemeinderates der Gemeinde S*****, Zl 850‑4/2006; im Folgenden: Wassergebührenordnung) erteilt hätte.

Mit Kritik an der Begründung (ON 18 S 16) des abweisenden Beschlusses orientiert sich die Beschwerde gleichfalls nicht am Prüfungsmaßstab des beanspruchten Nichtigkeitsgrundes (vgl RIS‑Justiz RS0116749 [T1]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 318).

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat der Schöffensenat ‑ dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) entsprechend ‑ die Verantwortung des Angeklagten, nicht er „persönlich“, sondern die Gemeindesekretärin habe den an seine Ehegattin gerichteten Bescheid „eigenständig erlassen“, ebenso erörtert (US 8) wie die Angaben der Zeugin K***** betreffend ihre diesbezüglichen Verrichtungen (US 10).

Mit der Behauptung, bei der an die genannte Zeugin gerichteten Anordnung, die Bescheide „so wie bisher“ zu erlassen, handle es sich um keine „konkrete ‑ wissentliche ‑ Einflussnahme“, kritisiert der Beschwerdeführer nach Maßgabe eigenständiger Beweiswerterwägungen die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte der Zeugin K***** im Zuge der in Rede stehenden Bescheiderlassung eine Weisung zur Sachbehandlung erteilte (US 3 f). Solcherart bekämpft er bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Bleibt anzumerken, dass die Beschwerde, indem sie die dem Angeklagten angelastete Bescheiderlassung mit dem Argument fehlender Weisungserteilung zur individuell-konkreten Sachbehandlung (Vorschreibung nur eines Belastungsanteils hinsichtlich der Liegenschaft der Ehegattin) bestreitet, andererseits ‑ wie oben dargelegt ‑ selbst auf eine generelle Anordnung des Angeklagten an die Gemeindesekretärin rekurriert („so wie bisher“), den Entscheidungswillen des Angeklagten und damit die Setzung eines diesem zurechenbaren Hoheitsakts gar nicht in Frage stellt (vgl 17 Os 25/13z; Hengstschläger/Leeb, AVG § 56 Rz 16 f).

Soweit der Beschwerdeführer die vom Erstgericht als belastend eingestuften (US 9) Angaben der Ehegattin des Angeklagten betreffend die mit ihm wegen des bevorstehenden Wasseranschlusses geführten Gespräche zu seinen Gunsten interpretiert, übt er neuerlich unzulässige Beweiswürdigungskritik.

Der Einwand (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe die Verantwortung des Angeklagten betreffend seine „massive Arbeitsüberlastung“ mit Stillschweigen übergangen, ist angesichts der sich ausdrücklich mit diesem Thema befassenden Urteilsannahmen (US 9 und 15) unverständlich.

Auf das Vorbringen, der Angeklagte sei nach der Wassergebührenordnung zu einer (unbefristeten) Nachverrechnung berechtigt gewesen, wird im Rahmen der Erledigung der Rechtsrüge eingegangen.

Den unter dem Aspekt einer Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) neuerlich erstatteten Beschwerdeausführungen zum eigenständigen Vorgehen der Gemeindesekretärin und zum Fehlen einer „konkreten Weisung“ genügt der Verweis auf das bisher Gesagte. Im Übrigen liegt Aktenwidrigkeit nur bei erheblich unrichtiger Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels in den Entscheidungsgründen vor. Hingegen scheiden (wie hier) aus Beweisergebnissen gezogene Schlussfolgerungen der Tatrichter als Anfechtungsbasis aus (RIS‑Justiz RS0099431 [insb T16]).

Soweit der Beschwerdeführer (der Sache nach aus Z 9 lit a) Feststellungen zur Garantenstellung (§ 2 StGB) vermisst, weil ihm nur (als „Versehen“) vorgeworfen werden könne, es unterlassen zu haben, „die in der Exceltabelle enthaltenen Daten seiner Gattin auszusortieren“, übergeht er prozessordnungswidrig die auf Weisung zur Bescheidausfertigung abstellenden Konstatierungen (US 3 f).

Dass diese Weisungserteilung in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der dem Angeklagten angelasteten Bescheiderlassung erfolgte, ist dem Urteil (US 3 f) mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19), weshalb der unter Hinweis auf einen möglichen Verjährungseintritt erhobene Einwand fehlender Feststellungen zum „Zeitpunkt der Willensbildung“ (der Sache nach Z 9 lit b) ins Leere geht.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) bloß Argumente der Mängelrüge wiederholt, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht nicht deutlich, weshalb der nach den Feststellungen an die Gemeindesekretärin erteilte Auftrag des Angeklagten, die „Bescheide herauszugeben“ (US 9), eine diesem zurechenbare Bescheiderlassung ausschließen soll (vgl erneut 17 Os 25/13z; Hengstschläger/Leeb, AVG § 56 Rz 16 f).

Das Vorbringen, der in Rede stehende Bescheid beinhalte lediglich eine erste ‑ nach den Vorschriften der Wassergebührenordnung auch vertretbare ‑ Teilvorschreibung, verfehlt den im festgestellten Sachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810). Denn nach den Konstatierungen hatte der Angeklagte nicht vor, seiner Ehegattin jemals weitere Anteile vorzuschreiben (US 12).

Welche für die Lösung der Schuld‑ oder Subsumtionsfrage entscheidende Rolle der Umstand spielen soll, dass der vom Angeklagten erlassene Bescheid nur weitere zwei und nicht „elf“ (gemeint: zehn ‑ vgl US 5) Belastungsanteile unberücksichtigt gelassen haben soll (dh der Differenzbetrag zu korrekter Berechnung nur 1.650 Euro und nicht ‑ wie vom Erstgericht angenommen [US 1, 5] ‑ 7.500 Euro ausmachen soll), wird nicht klar.

Angesichts des zugleich abgeurteilten Vorwurfs unvollständiger Vorschreibung der Wasseranschlussgebühr erklärt der Beschwerdeführer nicht, weshalb angeblich mangelnde Geltung der „Befangenheitsbestimmungen der OÖ. Gemeindeordnung“ bei Erlassung von Bescheiden in Vollziehung der Wassergebührenordnung den Schuldspruch in Frage stellen soll.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO). Dieses wird zu berücksichtigen haben, dass das Erstgericht fehlende „Einsicht sowie Unrechtsbewusstsein“ (US 25) des Angeklagten bei der Ausmessung der Strafhöhe zu Unrecht in Anschlag gebracht hat (Z 11 dritter Fall; vgl RIS‑Justiz RS0090897; jüngst 12 Os 4/14a).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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