OGH 7Nc29/13v

OGH7Nc29/13v21.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** W*****, vertreten durch Mag. Eric Breiteneder, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 24.343,86 EUR, über den Ablehnungsantrag der klagenden Partei betreffend den Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** im Verfahren 6 Ob 203/13s den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070NC00029.13V.0121.000

 

Spruch:

Dem Ablehnungsantrag wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Ablehnungsantrages selbst zu tragen.

 

Begründung:

Für das Verfahren ist nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs der 6. Senat zuständig. Ein Mitglied dieses Senats wird von der Klägerin als befangen abgelehnt. Im Wesentlichen stützt sie sich dabei darauf, dass dieses Mitglied zu dem im Verfahren federführenden Partner der Kanzlei der Beklagtenvertreter ein Naheverhältnis habe. Die beiden seien nicht nur kollegial als Mitglieder des Instituts für Zivil‑ und Unternehmensrechts der Wirtschaftsuniversität Wien verbunden, sondern es würden sich auch deren Forschungsgebiete in gerade jenen Rechtsgebieten, die hier zur Entscheidung anstünden, überschneiden. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass der abgelehnte Richter Inhouse‑Seminare in der Kanzlei der Beklagtenvertreter abhalte. Zwischen ihm und einer weiteren Institutskollegin, die dem wissenschaftlichen Beirat der Kanzlei der Beklagtenvertreter angehöre, hätten Auffassungsunterschiede über die Besetzung einer Universitätsprofessur bestanden. Das abgelehnte Senatsmitglied sei bereits zu 9 Nc 17/12t in einer vergleichbaren Situation als befangen erklärt worden.

Die Beklagte verneinte in ihrer Äußerung den Anschein einer Befangenheit. Richtig sei, dass der abgelehnte Richter und der Senior-Partner der Kanzlei der Beklagtenvertreter Institutskollegen seien, weshalb es zu kollegialen Kontakten im Rahmen der nebenberuflichen Lehrtätigkeit komme. Der Richter habe in der Kanzlei der Beklagtenvertreter in den Jahren 2005 und 2006 insgesamt fünf Inhouse‑Seminare zum österreichischen und US‑amerikanischen Zivilprozessrecht gehalten. Ein Naheverhältnis, das auch nur den Anschein des Fehlens der völligen Unbefangenheit des Senatsmitglieds begründen könnte, bestehe nicht.

Der betroffene Richter erklärte, nicht befangen zu sein. Er kenne den Senior-Partner der Kanzlei der Beklagtenvertreter und auch die in dessen wissenschaftlichem Beirat tätige Institutskollegion. Er habe ausschließlich dienstliche Kontakte zu beiden insofern, dass sie sich anlässlich von universitären Veranstaltungen sehen würden. Private Kontakte bestünden nicht. In der Kanzlei der Beklagtenvertreter abgehaltene Inhouse‑Seminare lägen Jahre zurück.

Rechtliche Beurteilung

Der Ablehnungsantrag ist nicht berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung kommen als Befangenheitsgründe in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien oder zu ihren Vertretern in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen (RIS‑Justiz RS0045935 mwN). Geht es bei der Befangenheit doch um unsachliche psychologische Motive, die eine unparteiische Entscheidung hemmen können (RIS‑Justiz RS0045975 mwN). Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung der Befangenheit ein strenger Maßstab anzulegen (RIS‑Justiz RS0045949 mwN, RS0046052 mwN). Damit darf aber auch nicht die Möglichkeit geboten werden, sich nicht genehmer Richter zu entledigen (RIS‑Justiz RS0109379).

Die Klägerin vermag keine stichhaltigen Befangenheitsgründe zu behaupten. Ihre Ausführungen laufen im Ergebnis auf eine gewisse berufliche Verbindung des abgelehnten Senatsmitglieds zum Senior-Partner der Kanzlei der Beklagtenvertreter durch die Tätigkeit an derselben Universität und durch Publikationen in sich überschneidenden Forschungsgebieten hinaus.

2. Regelmäßig kann allein in dem oft aufgrund der gemeinsamen Aus‑ und Fortbildung freundschaftlich kollegialen Kontakt zwischen Richtern und Rechtsanwälten kein Befangenheitsgrund gesehen werden, außer der Richter erklärt sich selbst für befangen (RIS‑Justiz RS0046076; zum kollegialen Verhältnis zu Richterkollegen RIS‑Justiz RS0108696). Grundsätzlich kann eine professionelle Trennung zwischen beruflicher und privater Beziehung erwartet werden (vgl auch RIS‑Justiz RS0045970), sodass eine Hemmung an einer unparteiischen Entscheidung (RIS‑Justiz RS0045975 mwN) auch bei objektiver Betrachtung schon dem Anschein nach nicht befürchtet werden muss. Auch die gemeinsame Tätigkeit in einer von einem konkreten Verfahren gar nicht betroffenen Institution wird zur Annahme einer Befangenheit im Allgemeinen noch nicht ausreichen (RIS‑Justiz RS0045892). Entscheidend ist letztlich die konkrete Konstellation im konkreten Verfahren (RIS‑Justiz RS0045933; RS0042064). Es geht also nicht um die kollegiale Bekanntschaft und die Tätigkeit im Rahmen desselben Instituts, sondern darum, welche weiteren Umstände hinzukommen und inwieweit aus diesen der objektive Anschein der Voreingenommenheit im konkreten Rechtsstreit begründet wird (RIS‑Justiz RS0045935).

3. Die annähernd acht Jahre zurückliegende Abhaltung von Inhouse‑Seminaren in der Kanzlei der Beklagtenvertreter, die in keinen Zusammenhang mit dem Verfahren gebracht werden kann, stellt keinen Umstand dar, aus dem der objektive Anschein der Voreingenommenheit im konkreten Rechtsstreit begründet werden könnte.

4. Ein Zusammenhang mit allfälligen Auffassungsunterschieden zwischen dem betroffenen Richter und einer Institutskollegin über die Besetzung einer Universitätsprofessur lässt sich nicht erkennen.

5. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von jenem, der der Entscheidung 9 Nc 17/12t zugrunde lag: Dort zeigte der Richter die nach Fassung des Verstärkungsbeschlusses „beispiellose Problematisierung“ der gemeinsamen wissenschaftlichen Tätigkeit mit dem dortigen Beklagtenvertreter als Grund an, aus dem allenfalls der objektive Anschein der Befangenheit entstehen könne. Der Befangenheitsanzeige wurde deshalb im Sinn der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die selbst angezeigte Befangenheit eines Richters in der Regel zu bejahen ist (RIS‑Justiz RS0046053), stattgegeben.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Das Ablehnungsverfahren bildet ebenso wie etwa ein Verfahren über eine Unzuständigkeitseinrede (RIS‑Justiz RS0035955) einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des zugrundeliegenden Verfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (4 Ob 143/10y mwN).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte