OGH 3Ob115/13b

OGH3Ob115/13b21.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichischer Rundfunk, Wien 13, Würzburggasse 30, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. L***** GmbH & Co KG, *****, 2. R***** T***** GmbH, *****, 3. A***** S***** GmbH & Co KG, *****, 4. A***** K***** GmbH & Co KG, *****, 5. V***** GmbH, *****, 6. A***** Ö***** GmbH, *****, 7. R***** A***** GmbH, *****, 8. R***** E***** Gesellschaft m.b.H., *****, 9. U***** GmbH, *****, 10. E***** Gesellschaft mbH, *****, 11. H***** GmbH, *****, 12. T***** GmbH, *****, 13. D***** GmbH, *****, 14. P***** B***** GmbH, *****, 15. P***** F***** RadiobetriebsgmbH, *****, 16. K***** BetriebsgmbH, *****, alle vertreten durch Dr. Michael Krüger Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung (§ 36 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Februar 2013, GZ 47 R 396/12a‑11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 23. August 2013, GZ 13 C 1/12x‑7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien zu Handen ihres Vertreters die mit 2.999,16 EUR (darin 499,46 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die nun impugnationsbeklagten Parteien als Kläger und der Impugnationskläger als damaliger Beklagter (im Folgenden: ORF) schlossen am 30. März 2009 vor dem Handelsgericht Wien folgenden Vergleich:

„Die beklagte Partei verpflichtet sich gegenüber den klagenden Parteien, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Fernsehprogrammen des Österreichischen Rundfunks das Hörfunkprogramm Ö3 durch die Ausstrahlung von Fernsehspots, die in ihrer optischen und akustischen Gestaltung ein werbliches Erscheinungsbild aufweisen, zu bewerben, sofern es sich nicht um Hinweise auf einzelne Sendungsinhalte handelt, dies insbesondere mittels Fernsehspots aus der Werbekampagne 'Die Ö3 Eurowuchteln', in denen vor dem Hintergrund einer Geräuschkulisse von Fußballfans und der Wiedergabe humoristischer Textzitate aus dem Fußballsport die Senderbezeichnung des Hörfunkprogramms mehrmals in Bild und Ton genannt wird.“

Der ORF strahlte im Fernsehprogramm von ORF 1 am 30. Juni 2011, am 1. Juli 2011, am 2. Juli 2011 und am 7. Juli 2011 je einen Trailer für die „Ö3-Castings“ für die Fernsehsendung „Die große Chance“ aus. Der Spot wird in Form eines Dialogs der Moderatoren T***** und D*****, der Befragung einer Kandidatin und vor dem Hintergrund von Einlagen verschiedener Kandidaten (Singen, Jonglieren, Akrobatik) musikuntermalt wie folgt dargebracht:

„[W*****:] Wie viel Talent hat Österreich? Schauen Sie mal!

[G*****:] Naja, ich muss ja nicht jonglieren, sondern nur moderieren [G***** jongliert weich gekochte Eier mit mäßigem Erfolg]

[W*****:] Gott sei Dank!

[W***** zu einer Passantin] Du hast 3 Minuten Zeit auf einer Fernsehbühne ‑ was könntest Du machen? ...

[es folgen Szenen wie Spielen einer singenden Säge, Jonglieren, Tanzen]

[W*****:] Puh, Respekt, Respekt, was die alles können! D*****, gibt’s noch was?

[G*****:] Ja! Seid Ihr bereit für die größte Bühne des Landes? Dann meldet Euch jetzt unter diegrossechance.orf.at. Wir freuen uns.

[W*****:] Die Ö3 Castings gibt’s den ganzen Sommer im ganzen Land.

[G*****:] T*****, ich kann noch was!

[W*****:] Da bin i gspannt!

[G*****, plötzlich von der Straße auf eine Bühne gebeamt:] Soviel Talent hat Österreich!

[Off] Die Talente Show von 10 bis 99 ‑ ab Herbst in ORF 1!“

Der ORF strahlte im Fernsehprogramm von ORF 1 am 29. Juni 2011, am 30. Juni 2011, am 7. Juli 2011 und am 8. Juli 2011 je einen Trailer für die Off‑Air‑Veranstaltungsreihe „Ö3 Blobbing“ mit folgendem Inhalt aus:

Eingeblendet wird der Schriftzug „Blobbing“, mit wechselnd „aufblobbenden“ Buchstaben. Ein Sprecher sagt: „Blobbing“. Anschließend wird eine Szene gezeigt, in der Badegäste von einer erhöhten Plattform auf den Rand eines im Wasser schwimmenden, mit Luft gefüllten länglichen mit großem Durchmesser ausgestatteten Gummischlauchs springen, wodurch der am anderen Ende des Schwimmkörpers sitzende Badegast hoch in die Luft und danach ins Wasser katapultiert wird. Ein Badegast sagt dazu: „Von hinten kommt ein Druck wie in einem Ferrari. Dich treten von hinten 200 Pferde in den Hintern, das ist wie in einem Sportwagen.“ Die beginnende Musikuntermalung mündet in einen Italo‑Song und Gejohle (offenbar der übrigen Badegäste). Ein Sprecher sagt: „Ö3 Blobbing ab Juli unterwegs in ganz Österreich.“ Eingeblendet wird der Schriftzug „Ö3 Blobbing“ mit abwechselnd „aufblobbenden“ Buchstaben beginnend mit „Ö3“ und endend mit der Buchstabenfolge des Wortes „Blobbing“. Eingeblendet werden die Namen Neufelder See, Frauenkirchen, Ötztal, Attersee, Pressegger See, Fuschlsee, Guntramsdorf, Andau, Wörthersee, Achensee, Wallersee.“

Mit der Behauptung, der ORF habe gegen den Vergleich des Handelsgerichts Wien verstoßen, beantragten die nun beklagten Parteien am 18. August 2011 die Unterlassungsexekution. Die visuelle und textliche Aufbereitung der beiden Trailer führten sie im Detail an.

Das Erstgericht bewilligte die Unterlassungsexekution mit Beschluss vom 16. September 2011 und verhängte wegen des im Exekutionsantrag angeführten Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel durch die Ausstrahlung des Trailers für die Ö3-Castings für die Fernsehsendung „Die große Chance“ sowie des Trailers für die Off-Air-Veranstaltungsreihe „Ö3 Blobbing“ eine Geldstrafe von 4.000 EUR. In der Begründung führte das Erstgericht aus, es sei bei der Bemessung der Strafe dem ORF zuzugestehen, dass die Grenzen der werblichen Gestaltung fließend seien; die in der Äußerung des ORF vertretene Argumentation, es habe sich nicht um eine Werbung für das Hörfunkprogramm Ö3, sondern um eine Ankündigung sendungsexterner Aktivitäten und Veranstaltungen (und daher nicht um einen Titelverstoß) gehandelt, stelle eine vertretbare Rechtsansicht dar.

Die Exekutionsbewilligung blieb unbekämpft.

Mit seiner am 13. Jänner 2012 eingebrachten Impugnationsklage strebt der Kläger die Unzulässigerklärung der am 16. September 2011 bewilligten Exekution an. Bei den inkriminierten Ausstrahlungen habe es sich um zulässige Sendungshinweise gemäß § 14 Abs 7 ORF-G gehandelt, weshalb auch kein Titelverstoß vorliege. Die Rechtsansicht des ORF über die Titelkonformität der Ausstrahlungen sei zumindest vertretbar gewesen, weshalb es jedenfalls an einem Verschulden mangle. Im Rahmen der Unterlassungsexekution käme die Verhängung von Geldstrafe nur in Betracht, wenn der Verpflichtete schuldhaft gegen den Titel verstoßen habe.

Die beklagten Parteien wenden ein, bei Bewilligung des Exekutionsantrags sei zumindest zum Thema „Ö3 Blobbing“ der gesamte dem Antrag zugrundeliegende Sachverhalt bekannt gewesen. Der ORF habe bereits in seiner Äußerung im Exekutionsverfahren die Ansicht vertreten, der im Exekutionsantrag vorgebrachte Sachverhalt trage eine allfällige Exekutionsbewilligung nicht, habe jedoch gegen die Exekutionsbewilligung keinen Rekurs erhoben. Unter einem fehlenden Verschulden, das im Impugnationsverfahren eingewendet werden könnte, sei nicht die vertretbare Rechtsansicht zu verstehen, da dieser Einwand dem Titelverfahren vorbehalten bleibe, sondern allenfalls ein Schuldausschließungsgrund wegen fehlender Deliktsfähigkeit udgl.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Trailer würden nicht auf einzelne Sendungsinhalte hinweisen, weil es sich weder bei den Ö3-Castings noch beim Ö3 Blobbing um Hörfunksendungen, sondern um sendungsexterne Veranstaltungen von Ö3 handle. Die Spots seien auch werblich gestaltet; sie würden nicht nur für die Sendung „Die große Chance“ bzw für die Blobbing-Veranstaltungen, sondern auch für die „Ö3 Castings“ und generell für das Hörfunkprogramm Ö3 werben. Die Verstöße gegen den Exekutionstitel seien auch subjektiv vorwerfbar. Auch wenn das Hörfunkprogramm Ö3 selbst in den beiden Spots nicht explizit erwähnt werde, handle es sich nicht um bloße Ankündigungen von Veranstaltungen, da Zeit und Ort dieser Veranstaltungen in beiden Spots gerade nicht genannt würden. Durch die Nichtnennung von Veranstaltungsorten und -terminen werde potenziellen Teilnehmern nahegelegt, das Hörfunkprogramm Ö3 zu hören, um Näheres zu erfahren. Es liege daher zumindest ein leicht fahrlässiger Verstoß gegen den Exekutionstitel vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des ORF nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision zu.

Bestreite der Verpflichtete, dass der behauptete Sachverhalt rechtlich ein Zuwiderhandeln gegen das titelmäßige Unterlassungsgebot darstelle, stehe ihm nur der Rekurs, nicht auch die Impugnationsklage zur Verfügung. Bestreite er hingegen, den als Zuwiderhandlung behaupteten Sachverhalt verwirklicht zu haben, könne er Impugnationsklage erheben. Ob die Exekutionsbewilligung durch den Titel gedeckt gewesen sei, sei nicht im Impugnationsverfahren zu prüfen.

Der von den betreibenden Parteien im Strafantrag geltend gemachte Verstoß gegen den Unterlassungstitel sei hinsichtlich der dort in tatsächlicher Hinsicht vorgetragenen Elemente der beiden Spots unstrittig, nicht jedoch dahingehend, dass es sich hierbei um eine unlautere Geschäftspraktik bzw unlautere Handlung gehandelt hätte. Die Frage der vertretbaren Rechtsansicht sei materiellrechtlich lediglich für die Qualifikation unlauteren Verhaltens maßgeblich. Diesbezüglich enthalte der Titel zwar keine ausdrückliche Einschränkung. Zuzubilligen sei dem Impugnationskläger allerdings, dass bei Auslegung des Exekutionstitels bzw der Beurteilung, ob ein Titelverstoß vorliege, auch der Aspekt der vertretbaren Rechtsansicht einzufließen habe. Die Frage, ob das konkret und schlüssig mittels näherer Angaben über Zeit, Ort und Art (Beschaffenheit) behauptete Zuwiderhandeln des Klägers gegen den Exekutionstitel in rechtlicher Hinsicht einen Titelverstoß darstelle, hätte im vorliegenden Fall ausschließlich mittels Rekurses gegen die Exekutionsbewilligung geltend gemacht werden können und müssen. Der ORF habe nämlich die im Exekutionsantrag von den Impugnationsbeklagten aufgestellten Tatsachenelemente der gesendeten Spots gar nicht in Abrede gestellt, sondern lediglich um wenige ‑ nicht wesentliche ‑ Details ergänzt. Der ORF berufe sich nur darauf, sein Verhalten stehe im Einklang mit der im Einzelnen dargestellten Spruchpraxis des Bundeskommunikationssenats. Diese Argumentation, dass aus rechtlicher Sicht gar kein Titelverstoß vorliege, wäre aber schon im Exekutionsverfahren zu prüfen gewesen und könne nicht im Impugnationsverfahren nachgeholt werden.

Die Spruchpraxis von Verwaltungsbehörden, insbesondere des Bundeskommunikationssenats könne der ORF nicht unter dem Aspekt eigener Schuldlosigkeit am Verstoß gegen den Titel für sich beanspruchen. Dies sei ausschließlich im Rahmen der Beurteilung des Umfangs des Titels zu berücksichtigen.

Die Revision sei zulässig, weil es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage fehle, ob und unter welchen Umständen bei der Auslegung von Unterlassungstiteln nach dem UWG in der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ die Vertretbarkeit der Rechtsansicht durch den Verpflichteten zu berücksichtigen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des ORF aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagestattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des ORF ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

In der Revision wiederholt der ORF seinen Rechtsstandpunkt, dass kein Titelverstoß vorliege; auch die bekanntermaßen strenge Aufsichtsbehörde habe die informativen Hinweise nicht beanstandet. Im Übrigen müsse auch nach Schaffung eines Unterlassungstitels der Einwand der vertretbaren Rechtsauffassung auf der Ebene des Verschuldens beachtlich sein; dieser Einwand sei mittels Impugnationsklage geltend zu machen.

Dazu wurde erwogen:

1. § 36 Abs 1 EO schränkt im vorletzten Halbsatz den Anwendungsbereich der Impugnationsklage auf Fälle ein, in denen Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung nicht mit Rekurs vorgebracht werden können. Somit kommen für die Impugnationsklage nur Sachverhalte in Betracht, die bei Bewilligung der Exekution noch nicht aktenkundig waren bzw auch bei einem mangelfreien erstgerichtlichen Exekutionsverfahren hätten ermittelt werden müssen (3 Ob 26/05b). Somit dient die Impugnationsklage vor allem dazu, geltend zu machen, dass die Behauptungen des betreibenden Gläubigers nicht den Tatsachen entsprechen (Klicka in Angst, EO2 § 355 Rz 22 mwN).

Bestreitet also der Verpflichtete, dass der im Exekutionsantrag behauptete Sachverhalt rechtlich ein Zuwiderhandeln gegen das titelmäßige Duldungs- oder Unterlassungsgebot darstellt, steht ihm dafür nur der Rekurs, nicht auch die Impugnationsklage zur Verfügung. Bestreitet er hingegen, den als Zuwiderhandlung behaupteten Sachverhalt tatsächlich verwirklicht zu haben, kann er sowohl gegen die Exekutionsbewilligung als auch gegen einen Strafbeschluss Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben (RIS‑Justiz RS0123123). Auch der Einwand des Verpflichteten, er habe ein Verhalten nicht schuldhaft gesetzt, ist kein Rekursgrund, sondern ein Impugnationsgrund (3 Ob 246/01z; RIS-Justiz RS0107694; Jakusch in Angst, EO2 § 36 Rz 20 mwN; Klicka in Angst, EO2 § 355 Rz 22 mwN).

2. Die Einwendungen des ORF gehen zum einen dahin, dass die beiden Spots rechtlich nicht als Verstoß zu qualifizieren gewesen wären, und zum anderen dahin, dass den ORF im Hinblick auf die Vertretbarkeit seiner Rechtsansicht in Bezug auf die Titelkonformität der Ausstrahlung der Spots kein Verschulden treffe.

2.1. Die Frage, ob die Spots aus rechtlicher Sicht gegen den Titel verstoßen, wäre in einem Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung geltend zu machen gewesen. Den objektiven Sachverhalt, den die beklagten Parteien seinerzeit bereits detailliert im Exekutionsantrag vorgetragen haben, hat der ORF im Impugnationsverfahren gar nicht bestritten; bloß die rechtliche Bewertung weicht von derjenigen der beklagten Parteien und der Vorinstanzen ab. Dies stellt jedoch nach den obigen Ausführungen keinen Impugnationsgrund dar.

2.2. Der Verpflichtete kann sich gegen die Bewilligung der Unterlassungsexekution mit Impugnationsklage zur Wehr setzen, wenn er dartun kann, das Unterlassungsgebot ohne jedes Verschulden verletzt zu haben (3 Ob 185/94 = SZ 68/151; RIS-Justiz RS0107694). Die Argumentation des ORF geht nun dahin, dass es dann, wenn die dem Verstoß zugrunde liegende Rechtsansicht vertretbar sei, am erforderlichen Verschulden fehle. Diese Ansicht entspringt der lauterkeitsrechtlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Titelverfahren zur Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“: Demnach ist ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (4 Ob 225/07b = SZ 2008/32). Der Oberste Gerichtshof versteht in dieser Konstellation das Kriterium der Vertretbarkeit einer Rechtsansicht nicht als „subjektives Element“ im Sinne einer moralischen Bewertung des beanstandeten Verhaltens, sondern als Teil des objektiven Tatbestands (4 Ob 225/07b = SZ 2008/32; siehe auch Artmann, Die Beurteilung der Fallgruppe „Rechtsbruch“ nach der UWG-Novelle 2007, wbl 2008, 253 [258]). In diesem Zusammenhang wurde auch schon ausgesprochen, dass etwa ein bloß formloses Dulden durch Verwaltungsbehörden nicht dazu führt, dass ein (ansonsten) eindeutiger Gesetzesverstoß mit guten Gründen als vertretbar angesehen werden könnte (RIS-Justiz RS0123433). Im Titelverfahren ist für die Vertretbarkeit einer Rechtsansicht nach ständiger Rechtsprechung neben der Auslegung nach dem Wortlaut und Zweck der Norm gegebenenfalls auch die Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine ständige Praxis der Verwaltungsbehörden maßgebend (4 Ob 123/10g).

2.3. Nach Titelschöpfung kommt es im Exekutionsverfahren über den Exekutionsantrag zunächst nur auf die Auslegung des Titels (hier ein Vergleich) an.

2.4. Der Revisionswerber versucht nun, den im Titelverfahren zulässigen Einwand der vertretbaren Rechtsansicht auf das Exekutionsverfahren auszudehnen und als Impugnationsgrund geltend zu machen, indem er zahlreiche Entscheidungen des Bundeskommunikationssensats (BKS) zu vergleichbaren Sachverhalten ins Treffen führt und darauf gestützt fehlendes Verschulden behauptet. Dabei verkennt er den Anwendungsbereich des Rechtssatzes, der Verpflichtete könne die Unzulässigkeit der Exekution mit Impugnationsklage erreichen, wenn er seine Schuldlosigkeit am Titelverstoß nachweist (RIS‑Justiz RS0107694; RS0000756 [T2]):

2.5. Wenn der Oberste Gerichtshof den Einwand des Verpflichteten, er habe einen Titelverstoß nicht schuldhaft gesetzt, als Impugnationsgrund anerkannt hat (siehe oben 1.), wurden nur Fälle angesprochen, in denen dem Verpflichteten die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung unmöglich (Klicka in Angst, EO2 § 355 Rz 22), oder unzumutbar war, etwa weil er die verbotene Handlung mangels Einflussmöglichkeit nicht verhindern habe können. So muss er nicht für das Verhalten fremder Personen einstehen, die sich außerhalb seiner Einflusssphäre bewegen oder bei denen sein Bemühen erfolglos blieb, sie zur Abstandnahme zu veranlassen (3 Ob 220/11s; RIS-Justiz RS0107694). Aus den Entscheidungen der zitierten Rechtsatzketten sind einerseits diejenigen hervorzuheben, die sich mit der Einflussmöglichkeit auf Dritte bzw der Zumutbarkeit einer Einflussnahme befassten (3 Ob 254/03d, 3 Ob 129/08d, 3 Ob 220/11s, 3 Ob 19/12h, 3 Ob 11/12g), andererseits diejenigen, in denen es um die faktische (auch technische) Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Titelerfüllung ging (3 Ob 120/10h; 3 Ob 190/11d). Nur in solchen Fällen wurde bislang der Einwand fehlenden Verschuldens für zulässig erachtet. Auch das Fehlen von Verschulden wegen Deliktsunfähigkeit könnte einen entsprechenden Impugnationsgrund darstellen (vgl 7 Ob 261/04i).

2.6. Die Vertretbarkeit der Titelauslegung durch die verpflichtete Partei selbst bildet dagegen keinen Impugnationsgrund, denn sie vermag nicht das „Verschulden“ im Sinne der zitierten Fälle zu beseitigen. Dies ergibt sich schon aus der Verpflichtung, sofort alles Zumutbare zu unternehmen, um die titulierte Verpflichtung erfüllen zu können (RIS‑Justiz RS0013515 [T3 und T4]). Sich auf die Rechtsansicht anderer zu verlassen, reicht nicht aus. Dies muss auch für Rechtsansichten von Verwaltungsbehörden in deren Verwaltungspraxis gelten, die im Zusammenhang mit ähnlichen und vergleichbaren Sachverhalten geäußert wurden. Damit kann die Auslegungskompetenz der Gerichte nicht unterlaufen werden. Eine Verwaltungspraxis kann nur ‑ wie ausgeführt ‑ im Titelverfahren releviert werden.

Im Zuge der Bewilligung der Exekution ist vom Exekutionsgericht zu prüfen, ob die behauptete Handlung gegen den Titel in rechtlicher Hinsicht verstößt. Wenn in diesem Zusammenhang der Titel auszulegen ist, besteht kein Kalkül in Richtung einer vertretbaren Titelauslegung. Maßgeblich ist allein, ob ‑ ausgehend von den Antragsbehauptungen ‑ in rechtlicher Hinsicht gegen den Titel verstoßen wurde oder nicht. Wird der Titel im Zuge dieser Prüfung unrichtig ausgelegt, kann dies (nur) mit Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung bekämpft werden. Im Impugnationsverfahren ist weder dafür noch für eine Prüfung unter dem Gesichtspunkt der Vertretbarkeit der Rechtsansicht Raum.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

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