OGH 3Ob19/12h

OGH3Ob19/12h22.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch Dr. Martin Brenner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. R***** K*****, wegen Unzulässigkeit einer Exekution gemäß § 36 EO, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Oktober 2011, GZ 47 R 365/11s-24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 29. April 2011, GZ 29 C 5/10x-16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 93,19 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Äußerung der klagenden Partei vom 12. Jänner 2012 wird ebenso wie der Antrag der beklagten Partei vom 25. Jänner 2012 zurückgewiesen.

Text

Begründung

Aufgrund der einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 26. Juni 2009, GZ 8 C 852/09s-2, wurde (unter anderem) dem Kläger verboten, in einem Medium oder sonst öffentlich oder durch mittelbare Mitwirkung an einer Veröffentlichung zu unterstellen oder anzudeuten, der Beklagte habe als Anwalt des Klägers Treuhandgelder unterschlagen oder den Kläger bei der Honorarabrechnung bedroht, erpresst oder betrogen. Der Kläger wurde schuldig erkannt, jegliche Verbreitung des näher bezeichneten Artikels samt Text der Sachverhaltsdarstellung zu unterlassen, und diesen Artikel nicht mehr abrufbar zu machen und/oder zu beseitigen.

Mit Beschluss vom 24. September 2009, GZ 8 C 252/09s-30, bewilligte das Bezirksgericht für Handelssachen Wien dem Beklagten die Unterlassungsexekution; das Bezirksgericht Favoriten bewilligte mit Beschluss vom 19. April 2010 zu 20 E 5051/09v wegen Zuwiderhandelns gegen die genannte einstweilige Verfügung betreffend den Zeitraum 23. Juli bis 20. Oktober 2009 einen Strafantrag des Beklagten und verhängte über den Kläger eine Geldstrafe von 600 EUR.

Die Vorinstanzen wiesen die gegen den zuletzt genannten Strafbeschluss gerichtete Inpugnationsklage mit der Begründung ab, der Kläger habe nicht alles Zumutbare unternommen, um der einstweiligen Verfügung zu entsprechen. Er habe bereits am 9. Juli 2009 gewusst, dass der Mitverpflichtete seinem Ersuchen, den beanstandeten Artikel samt Sachverhaltsdarstellung zu entfernen, nicht entsprechen werde, sodass er spätestens im Zeitraum 23. Juli bis 20. Oktober 2009 versuchen hätte müssen, rechtlich auf den Mitverpflichteten einzuwirken. Darüber hinaus hätte sich auch der Kläger - wie später der Beklagte durchaus mit Erfolg - an bekannte Suchmaschinen wenden können, um eine Löschung der beanstandeten Textstellen zu erreichen. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, welche Handlungen einem Verpflichteten zumutbar seien, der Inhalte im Internet zu beseitigen habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers, mit der er die Stattgebung seiner Inpugnationsklage weiter verfolgt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Kläger war nach Zustellung der sofort vollstreckbaren einstweiligen Verfügung verpflichtet, sogleich (vgl RIS-Justiz RS0013515) alles Zumutbare zu unternehmen, um die darin titulierte Verpflichtung erfüllen zu können. Nur wenn er dem nachkam, kann er sich darauf berufen, ohne jedes Verschulden dem Exekutionstitel zuwider gehandelt zu haben (RIS-Justiz RS0107694; RS0085147; 3 Ob 190/11d mwN), wofür den Inpugnationskläger die Behauptungs- und Beweislast trifft (RIS-Justiz RS0000756 [T2]).

Die Aufforderung des Betreibers der Website, den Artikel samt Anzeige von seiner Internetseite zu nehmen, bildet schon deshalb nur eine Mindestmaßnahme, weil der Betreiber ja ohnehin durch die einstweilige Verfügung selbst verpflichtet war, was dem Kläger aus dem Text der einstweiligen Verfügung bekannt sein musste. Da der Exekutionstitel für den Kläger nicht auf eine Verpflichtung zur (psychischen) Einwirkung auf den Betreiber beschränkt ist, sondern ihn ebenso wie den Betreiber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Artikel samt Anzeige im Internet nicht mehr abrufbar ist oder daraus beseitigt wird, hatte der Kläger sofort und schon vor Kenntnis der Weigerung des Betreibers sowie unabhängig davon auch andere, vor allem rechtliche (aber auch allfällige tatsächliche) Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, um das zu erreichen oder zu bewirken, zumindest aber sich darüber Kenntnis zu verschaffen (3 Ob 190/11d mwN).

Der erkennende Senat hat bereits - das Inpugnationsverfahren zwischen den selben Parteien in Ansehung der Exekutionsbewilligung - festgehalten, dass der Kläger seine Position als Nutzer des Internets insoweit verkennt, als er nicht als bloß passiver Konsument auftrat, der aus dem Internet Informationen bezieht, sondern zu vertreten hat, dass er das Internet zur aktiven Verbreitung eines rechtswidrigen, von ihm stammenden Inhalts verwendete. Dementsprechend ist an seine Informationspflicht ein besonders strenger Maßstab anzulegen, weshalb ihn (allfällige) Unkenntnis von den vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten nicht zu entschuldigen vermag. Aus § 16 Abs 1 Z 2 ECG ergibt sich, dass den Hosting-Provider die Verpflichtung trifft, bei bekannt werden (offensichtlich) rechtswidriger Inhalte die entsprechenden Beiträge zu entfernen oder den Zugang dazu zu sperren. Daraus ist die Pflicht des Klägers abzuleiten, jedenfalls nach der Weigerung des Betreibers, den Artikel samt Anzeige von seiner Internetseite zu nehmen, den Hosting-Provider vom Inhalt der einstweiligen Verfügung und der daraus resultierenden Rechtswidrigkeit des Artikels zu verständigen und die Entfernung des Inhalts oder die Sperre des Zugangs dazu zu verlangen; dass dies die primäre, weil effektivste vom Kläger zu treffende, aber auch erfolgversprechendste Maßnahme gewesen wäre, zeigt auch das vom Beklagten erzielte positive Ergebnis; im Übrigen ist der Nachweis der Erfolglosigkeit ohnehin nicht erbracht. Auch an der Zumutbarkeit eines solchen Vorgehens sind angesichts der Einfachheit und Beschränkung auf ein Unternehmen nicht die geringsten Zweifel angebracht. Hat der Kläger aber nicht einmal diese naheliegende Maßnahme ergriffen, kann ihm schon deshalb nicht zugute gehalten werden, er habe alles Zumutbare unternommen, um dem gegen ihn ergangenen Exekutionstitel nachzukommen. Auf das weitere Unterlassen jeden Kontakts mit den Betreibern der (bekanntesten) Suchmaschinen des Internets kommt es dann aber gar nicht mehr entscheidend an. Jedenfalls ist dem Kläger wegen seiner Passivität der Nachweis, es treffe ihn kein Verschulden daran, dem Exekutionstitel zuwider gehandelt zu haben, nicht gelungen (3 Ob 190/11d).

Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat ihm der Kläger die Kosten der Revisionsbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienlich zu ersetzen (§§ 41, 50 ZPO; RIS-Justiz RS0112296).

Da jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zusteht (RIS-Justiz RS0041666), sind die weiteren Schriftsätze der Parteien im Revisionsverfahren zurückzuweisen.

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