Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen
Text
Begründung
Der Betroffenen wurde bereits am 22. 9. 1992 ein Sachwalter ua zur Vertretung vor Gericht bestellt. Sie leidet an "massiver" Paranoia querulans und ist daher (wie sich aus dem im Verfahren 1 C 767/96h des Erstgerichtes eingeholten psychiatrischen Gutachten vom 4. 1. 2000 ergibt) nicht in der Lage, einem Unterlassungsgebot nachzukommen, egal wie hoch auch immer die Beugestrafe ausfallen mag. Durch die beachtliche Dauer des Konflikts und die schon erlittenen Niederlagen hat sich ihre paranoide Erkrankung nämlich weiter verschlechtert und wird sich (laut diesem Gutachten) prognostisch gesehen noch mehr als unkorrigierbar zeigen, da ein "Erfolgserlebnis" wegen des gestörten Realitätsbewußtseins nie eintreten wird.
Am 12. 1. 2004 beantragte die Betroffene durch ihren Sachwalter, eine von ihr und ihrem Sohn bereits am 22. 12. 2003 beim Erstgericht eingebrachte Impugnationsklage, die sich gegen die Exekutionsbewilligung des Erstgerichtes vom 4. 12. 2003, GZ 7 E 2718/03h-3, richtet, pflegschaftsbehördlich zu genehmigen. Mit diesem Beschluss war den Genannten (aufgrund eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteils des Erstgerichtes, wonach die beiden schuldig sind, jede Beeinträchtigung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts der Anna M***** als Eigentümerin des Nachbargrundstücks über ihr Grundstück zu unterlassen) der Ersatz der Kosten des Exekutionsantrages der Letztgenannten als betreibenden Partei (EUR 122,50) auferlegt und diese (nach § 356 Abs 1 EO) ermächtigt worden, auf Gefahr und Kosten der Betroffenen und ihres Sohnes das auf dem Servitutsweg lagernde Holz und die auf dieser Trasse eingepflanzten Bäume zu entfernen.
Die Betroffene gesteht (auch in der Klage) zu, entgegen dem vollstreckbaren Unterlassungstitel die Bäume angepflanzt und das Holz abgelagert zu haben. Sie beruft sich jedoch auf die eingangs wiedergegeben, aus dem Verfahren 1 C 767/96h des Erstgerichtes "gerichtsbekannte Einsichtsunfähigkeit" und macht geltend, es könne ihr nicht zugemutet werden, für die Kosten des Exekutionsantrages sowie die Gefahr und die Kosten der Entfernung aufgrund der bekämpften Exekutionsbewilligung aufzukommen und dadurch ihren Lebensunterhalt zu gefährden. Die Sachwalterschaft sei doch gerade wegen der Gefährdung des Lebensunterhaltes der Betroffenen aufgrund ihrer mangelnder Einsichtsfähigkeit insb im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren verfügt worden.
Das Erstgericht genehmigte die Klageführung nicht. Da die Betroffene nach dem Klagevorbringen gegen das Unterlassungsgebot des Exekutionstitels verstoßen habe, könne die exekutive Ermächtigung zur Entfernung des Holzes und der Bäume - woraus der Betroffenen mangels Berechtigung zur Belassung der Hindernisse auf dem Servitutsweg schon von vornherein kein rechtlich fassbarer Nachteil entstehen könne - nicht aussichtsreich bekämpft werden. Die geringen Exekutionskosten stellten - im Gegensatz zu den wesentlich höheren Kosten bei Verlust des nunmehr angestrebten Impugnationsprozesses - keine Gefährdung der Lebensunterhaltes der Betroffenen dar. Außerdem führe der Kostenersatzanspruch gegenüber ihrem Sohn letztlich dazu, dass ihr durch die Exekutionsführung und die damit entstehenden Kosten überhaupt kein Nachteil entstehen könne.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer Klage sei unter Einbeziehung aller Eventualitäten lediglich das Prozessrisiko abzuwägen. Maßgebend sei, ob in vergleichbaren Fällen ein verantwortungsbewusster gesetzlicher Vertreter den Klageweg beschreiten würde. Zu diesem Zweck müssten die Tatsachengrundlagen und deren Beweisbarkeit möglichst vollständig erhoben und der so gewonnene Sachverhalt einer umfassenden rechtlichen Beurteilung unterzogen werden.
Behaupte der Verpflichtete im Rahmen der Exekution nach § 355 EO, dass die Voraussetzungen für die Exekutionsbewilligung oder für einen Strafbeschluss nicht zuträfen, weil er nicht gegen den Unterlassungstitel verstoßen habe oder Verschulden an dem Verstoß fehle, könne (und müsse) er gegen die Strafverhängung Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben (Klicka in Angst § 355 EO Rz 22 mwN; RIS-Justiz RS0107694). Soweit die Betroffene argumentiere, sie sei aufgrund ihres psychischen Zustandes nicht mehr in der Lage, das Unrecht des Auspflanzens und des Ablagerns einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, weswegen die Exekutionsführung nach § 356 EO unzulässig sei, werde aber übersehen, dass diese Judikatur zur Unterlassungsexekution nach § 355 EO ergangen sei und der zitierte Leitsatz zwei Fälle umfasse; nämlich den einen Fall, dass dem Unterlassungsgebot überhaupt nicht zuwidergehandelt wurde, und den weiteren Fall, dass ihm zwar zuwidergehandelt wurde, aber ohne Verschulden.
Im Rahmen der Unterlassungsexekution nach § 355 EO sei bei den Strafen zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen lange Zeit weitgehend unbestritten davon ausgegangen worden, dass es sich um reine Beugemittel mit ausschließlichem Erzwingungscharakter handle, die allein der Verhinderung weiteren Zuwiderhandelns dienten, und dass darin keine Vergeltungsstrafen (Kriminalstrafen mit Repressionscharakter) lägen. Gleichzeitig sei unbestritten gewesen, dass die Vollstreckung des Unterlassungstitels der Strafmaßnahmen Verschulden des Verpflichteten am Verstoß voraussetze, was dadurch gerechtfertigt sei, dass nur bei verschuldeten Verstößen eine Willensbeugung sinnvoll möglich sei (Klicka aaO Rz 16 mwN). Auf die dort als Belegstellen wiedergegebene Judikatur könne sich die Betroffene hier aber nicht berufen:
Im Rahmen dieser Judikatur gehe es nämlich um eine Willensbeugung und die Bewilligung einer Exekution, die auf die Beugung des Willens des Unterlassungsverpflichteten gerichtet sei. Im vorliegenden Fall wende sich die Klage aber gegen die Exekutionsführung nach § 356 EO. Diese Exekution sei nicht auf eine Willensbeugung gerichtet, sondern auf die Beseitigung der Folgen einer rechtswidrigen Willensbildung beim Unterlassungsverpflichteten. Dass auch diese verschuldet sein müsse, ergebe sich aus der Exekutionsordnung nicht. § 356 EO habe den Zweck, bei Verstößen des Verpflichteten gegen eine Unterlassungspflicht dem betreibenden Gläubiger den an sich sonst notwendigen Weg über die Erlangung eines Beseitigungstitels, der dann nach § 353 EO zu vollstrecken wäre, zu ersparen. Das Verfahren nach § 356 EO ersetze einen solchen Titel sowie die ihm folgende Exekutionsbewilligung und es setze sofort Vollstreckungszwang ein (Klicka aaO Rz 1 zu § 356 EO mwN).
Zwar bestimme § 1306 ABGB, dass den Schaden, welchen jemand ohne Verschulden oder durch eine unwillkürliche Handlung verursacht habe, er in der Regel zu ersetzen nicht schuldig sei. Nach § 1310 ABGB sei jedoch mit Rücksicht auf das Vermögen des verschuldensunfähigen Beschädigers und des Beschädigten auf den ganzen Ersatz oder doch eines billigen Teiles desselben zu erkennen. Der zuvor zitierte Beseitigungstitel, dessen Erlangung dem betreibenden Gläubiger abgenommen werden solle, stelle sich nur als Ausfluss der schadenersatzrechtlichen Norm des § 1323 ABGB dar, wonach, um den Ersatz eines verursachten Schadens zu leisten, alles in den vorigen Stand zurückversetzt werden müsse. Wer einen rechtswidrigen Zustand schaffe, schulde daher seine Beseitigung als Form der Naturalherstellung, und zwar nach Maßgabe seines Vermögens auch ohne Verschulden.
Das Erstgericht habe unbekämpft festgestellt, dass durch das Exekutionsverfahren und die dadurch entstehenden Kosten der Lebensunterhalt der Betroffenen keineswegs gefährdet werde. Diese - entgegen den Ausführungen im Antrag auf Genehmigung der Klageführung getroffene - Feststellung sei unbekämpft geblieben. Der Einwand, dass sich die Betroffene gegen andere angeblich mutwillige Prozessführungen der Anna M***** wehren müsse und Verfahrenshilfe beantragt habe, verfange in diesem Zusammenhang nicht, zumal das Erstgericht nur die konkreten Kosten dieser Exekution zu beurteilen habe. Der im Rekurs anstelle dessen verlangte Schutz des Vermögens der Betroffenen gehe, wie die Bestimmung des § 1310 ABGB zeige, nicht soweit, dass auch für den Lebensunterhalt nicht notwendiges Vermögen der Betroffenen geschützt werde. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes und den obigen Rechtsausführungen erscheine vielmehr eine Klageführung der Betroffenen als aussichtslos. Das Erstgericht habe daher bereits aus diesem Grund zu Recht den Antrag, die Klageführung zu genehmigen, abgewiesen, wobei sich die Klage in keinster Weise darauf stütze, dass die Betroffene nach § 1310 ABGB nicht zum Ersatz verhalten werden könne.
Zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses (in der Rekursentscheidung irrig: "nicht" Zulässigkeit) führte das Rekursgericht aus, dass das in § 356 EO eingeräumte Exekutionsmittel nach Heller/Berger/Stix (§ 356 EO, Seite 2597) kein selbständiges, sondern ein subsidiäres sei, das nur iVm einer Exekution nach § 355 Abs 1 EO bewilligt werden könne, und dass nach der hier vorgenommenen Auslegung dieser subsidäre Charakter zT "verloren gehe".
Dagegen richtet sich der vom Sachwalter (im Namen der Betroffenen) erhobene Revisionsrekurs mit dem Antrag, den angefochtenen und den erstinstanzlichen Beschluss im antragsstattgebenden Sinn abzuändern; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes (§ 16 Abs 3 AußStrG) - nicht zulässig.
Der Revisionsrekurs beruft sich darauf, die subsidiären oder sekundären Exekutionsmittel nach § 356 EO wären nur dann zulässig, wenn "gleichzeitig und zulässigerweise" Exekution nach § 355 EO geführt werde. Daraus folge zwingend, dass die erstgenannten Exekutionsmittel nicht ergriffen werden könnten, wenn die letztgenannte Exekutionsführung mangels Verschuldens des Unterlassungspflichtigen nicht zulässig sei. § 356 EO ersetze nur ausnahmsweise bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen nach § 355 EO den an sich notwendigen Weg über die Erlangung eines Beseitigungstitels, der dann nach § 353 EO zu vollstrecken wäre; § 356 EO bilde jedoch keine Grundlage dafür, das im Falle eines "verschuldensunfähigen Beschädigers" der Weg über die Erlangung eines Beseitigungstitels "umgangen" werden könne.
Richtig ist, dass Strafen im Rahmen der Unterlassungsvollstreckung nach § 355 EO grundsätzlich Verschulden des Verpflichteten verlangen (Klicka in Angst Rz 7 zu § 355 EO mwN; Neumayr, Exekutionsrecht [2004] 210; SZ 68/151; RIS-Justiz RS0085147). Mit Impugnationsklage (nach § 36 Abs 1 Z 1 EO) kann der Verpflichtete daher auch geltend machen, er habe dem Exekutionstitel überhaupt nicht zuwider gehandelt oder es treffe ihn kein Verschulden (stRsp; RIS-Justiz RS0000939 [T1]; RS0107694; zuletzt: 3 Ob 254/03d mwN; Jakusch in Angst Rz 20 zu § 36 EO und Klicka aaO Rz 22 zu § 355 EO, beide für eine Klage bloß analog § 36 Abs 1 Z 1 EO; ohne diese Einschränkung Rebernig in Burgstaller/Deixler-Hübner Rz 27 zu § 36 EO; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner aaO Rz 61 zu § 355 EO; Neumayr aaO). Während es im Impugnationsprozess Sache der beklagten (betreibenden) Partei ist, die Zuwiderhandlung zu beweisen (Jakusch aaO Rz 52 zu § 36 EO; Höllwerth aaO Rz 62 zu § 355 EO), ist es allerdings Sache des Impugnationsklägers, das Fehlen des Verschuldens zu behaupten und zu beweisen (stRsp; 3 Ob 19/01t mwN; RIS-Justiz RS0000756; zuletzt: 3 Ob 354/03d; Klicka aaO Rz 22 zu § 355 EO; Höllwerth aaO Rz 61 f zu § 355 EO).
Die vorliegende Impugnationsklage wendet sich aber nicht gegen eine im Zuge einer Exekution nach § 355 EO verhängte Strafe; bekämpfen will die Betroffene vielmehr die mit der eingangs wiedergegebenen Exekutionsbewilligung nach § 356 Abs 1 EO der betreibenden Partei erteilte Ermächtigung, den früheren Zustand auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten wieder herstellen zu lassen, womit ein diesbezüglicher Beseitigungstitel und die ihm folgende Exekutionsbewilligung (nach § 353 EO) durch "direkte Vollstreckung" (sofortigen Volltstreckungszwang) ersetzt wurde (Jelinek, Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Unterlassungen, 229 ff; Höllwerth aaO Rz 1 zu § 356 EO mwN; Klicka aaO Rz 1 zu § 356 EO; Neumayr aaO 211; EvBl 1979/117 = MietSlg 31.824 = RIS-Justiz RS0004643 mwN).
Das bekämpfte Vorgehen der betreibenden Partei nach § 356 Abs 1 EO war möglich, weil die Verpflichtete eine dem Duldungs- bzw Unterlassungsanspruch ("dem Rechte") des betreibenden Gläubigers "widerstreitende Veränderung" (einen dem Titel widersprechenden fortbestehenden Störungszustand) herbeigeführt hat, der im Wege der Ersatzvornahme durch eine vertretbare Handlung iSd § 353 EO beseitigt werden konnte, weshalb die Exekution nicht nach dieser Bestimmung, sondern nach § 356 EO zu erwirken war (Höllwerth aaO Rz 2 zu § 356 EO; Neumayr aaO 211; RIS-Justiz RS0004663; zuletzt: 3 Ob 51/90).
Dem Revisionsrekurs ist daher zu erwidern, dass das Verfahren nach § 356 Abs 1 EO einen Exekutionstitel nach § 355 EO sowie einen Störungszustand, der auf einer Handlung beruht, die dem Verpflichteten gerade mit dem genannten Titel untersagt wurde, also "in concreto" titelwidrig ist, erfordert (RIS-Justiz RS0004551; Höllwerth aaO Rz 3 f zu § 356 EO mwN; vgl auch RIS-Justiz RS0004511). In einem solchen Fall ersetzt es nicht nur den Beseitigungstitel, sondern auch die ihm folgende Exekutionsbewilligung und setzt sofort beim Vollstreckungszwang ein (Neumayr aaO 211; RIS-Justiz RS0004643). Da diese Voraussetzungen hier unstrittig erfüllt sind, ist die im Rechtsmittel behauptete Unzulässigkeit der Exekutionsführung nicht zu erkennen.
Wenn sich die Betroffene aber weiterhin auf den Einwand beruft, dass der Störungszustand auf keiner von ihr zu vertretenden Zuwiderhandlung beruhe, was entsprechend § 36 EO geltend zu machen wäre (Höllwerth aaO Rz 6 zu § 356 EO), wird Folgendes übersehen:
Ob im Einzelfall die Prozessführung im Interesse der Betroffenen liegt, ist eine Ermessensentscheidung des Pflegschaftsgerichts und stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar (6 Ob 143/03b; 2 Ob 71/01g; RIS-Justiz RS0048142; RS0048207 [T5]). Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer Klage ist nicht unter Vorwegnahme des Zivilprozesses zu untersuchen, ob der Anspruch gegeben ist, sondern es ist unter Einbeziehung aller Eventualitäten lediglich das Prozessrisiko abzuwägen (RIS-Justiz RS0108029; zuletzt: 6 Ob 143/03b mwN). Bei der Abwägung des Risikos einer Klagseinbringung beim Erstgericht ist das Rekursgericht von den dargestellten Grundsätzen ausgegangen und hat daher bei seiner Ermessensentscheidung die Grenzen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes nicht überschritten.
Eine unterlaufene Fehlbeurteilung, die eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erforderte, ist nicht zu erkennen. Dies - eine solche Fehlbeurteilung - bei der von den Umständen des Einzelfalles abhängenden Ermessensentscheidung des Pflegschaftsgerichts, ob im Einzelfall eine Prozessführung im Interesse der Betroffenen liegt, wäre aber Voraussetzung, um in diesem Zusammenhang das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 14 Abs 1 AußStrG bejahen zu können (7 Ob 221/03b).
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