European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:008OBA00075.12F.0405.000
Spruch:
Die Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Der Kläger begehrt mit seiner im Juni 2009 eingebrachten Stufenklage eine Vergütung für eine Diensterfindung gemäß § 8 PatG iVm § 7 GMG. Er ist einer von drei registrierten Miterfindern eines Produktionsverfahrens (gasdichter Verschluss des Bodens einer Gaspatrone durch Anschmelzen), das von der beklagten Dienstgeberin im Jahre 2003 erfolgreich beim Patentamt als Gebrauchsmuster angemeldet wurde.
Die Beklagte wandte ein, das vom Kläger präsentierte Produktionsverfahren sei tatsächlich keine Erfindung iSd § 1 PatG. Die Beklagte habe das Verfahren im Jahre 2004 zur Erteilung eines internationalen Patents angemeldet, die für dessen Erteilung notwendige internationale Recherche habe aber schon damals ergeben, dass die klägerische Methode nicht neu und erfinderisch gewesen sei, für den wesentlichen angemeldeten Anspruch hätten bereits drei ältere Patente bestanden. Aus diesem Grund habe die Beklagte von ihrem Vorhaben, die „Erfindung“ international schützen zu lassen, Abstand nehmen müssen.
Mit rechtskräftiger Entscheidung vom 26. 1. 2011 erklärte das österreichische Patentamt das verfahrensgegenständliche Gebrauchsmuster im vollen Umfang für nichtig.
Das Erstgericht wies das Rechnungslegungs‑ und Zahlungsbegehren des Klägers im zweiten Rechtsgang mit Teilurteil ab. Entscheidend für den Vergütungsanspruch nach § 8 PatG iVm § 7 GMG sei die Überlassung einer an sich patentfähigen Erfindung. Ein bloß formell erteilter Anspruch aus einem Patent oder Gebrauchsmuster reiche nicht aus, wenn es sich gegenüber dem Dienstgeber als Scheinpatent erweise. Die Entscheidung, ob eine Erfindung vorliege, sei dem Patentamt als zuständiger Behörde überlassen, das Gericht sei an deren Ergebnis gebunden. Im vorliegenden Fall hätten die gesetzlichen Voraussetzungen für den Gebrauchsmusterschutz von Anfang an gefehlt, sodass auch dem Kläger kein Vergütungsanspruch zustehe.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers keine Folge. Der Kläger habe der Beklagten nach den Feststellungen nur ein in der Fachwelt bereits bekanntes Verfahren offenbart, von dem sie sich auch auf anderem Weg Kenntnis verschaffen hätte können. Die Nutzung einer solchen bloßen Mitteilung rechtfertige keine besondere Vergütung. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil zu den materiellen Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs bereits einschlägige höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision des Klägers spricht keine über die Umstände des Einzelfalls hinaus erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO an und ist daher unzulässig.
1. Das vom Kläger im Rahmen seines Dienstverhältnisses (mit‑)entwickelte Produktionsverfahren wurde mit seiner Zustimmung zugunsten der Beklagten als Gebrauchsmuster geschützt. Gebrauchsmuster iSd § 1 GMG sind Erfindungen auf allen Gebieten der Technik, sofern sie neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind. Die Anmeldung eines Gebrauchsmusters ist vom Patentamt auf Gesetzmäßigkeit zu prüfen, es erfolgt jedoch ‑ im Unterschied zum Patentverfahren (§ 99 PatG) ‑ keine Prüfung auf Neuheit oder erfinderischen Schritt (§ 18 Abs 1 GMG).
Beruht das Gebrauchsmuster auf einer Diensterfindung, gebührt dem Erfinder dafür nach § 7 Abs 2 GMG eine besondere Vergütung, auf die §§ 6 bis 17 und 19 PatG sinngemäß anzuwenden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu diesen Verweisungsbestimmungen setzt der Anspruch auf Vergütung einer Diensterfindung zwar nicht die Ausstellung eines Patents, wohl aber die Überlassung einer an sich patentfähigen Erfindung voraus (RIS‑Justiz RS0071171; auch RS0071310; RS0071256; RS0071323; Lang, 10 Jahre Gebrauchsmusterschutz in Österreich ‑ Rückblick und Ausblick, ÖBl 2005/14 mwN). Eine Erfindung iSd § 1 GMG muss neu sein, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sein. Verbesserungsvorschläge oder Ideen, die nicht die Eigenschaften einer schutzfähigen Diensterfindung aufweisen, ziehen keinen gesetzlichen Vergütungsanspruch nach § 8 PatG nach sich, auch wenn der Dienstgeber wirtschaftlichen Nutzen daraus zieht. Die Lösung einer Aufgabe, die zuvor bereits auf die gleiche Weise gelöst wurde, ist zwar subjektiv eine schöpferische Leistung, aber keine schutzfähige Erfindung. Geistiges Eigentum wird daran nicht begründet (vgl Holzer, ÖBl 2008, 192).
In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 113/79 bereits ausgesprochen, dass ein Dienstnehmer keine Diensterfindungsvergütung beanspruchen kann, wenn für seine Idee zwar dem Dienstgeber ein Patent erteilt wurde, dieses sich aber wegen Fehlens gesetzlicher Voraussetzungen als nichtiges Scheinpatent erweist. Dem in Anspruch genommenen Dienstgeber müsse der Einwand offen stehen, dass das formelle „Patent“ einen nicht patentfähigen Gegenstand betrifft. Ein Scheinpatent ziehe nicht die normalen zivil‑ und strafrechtlichen Folgen eines Patenteingriffs nach sich, sodass sich auch der vom Dienstnehmer wegen Verletzung der Vergütungspflicht belangte Dienstgeber auf die Nichtigkeit des Patents berufen könne.
2. Richtig ist, dass die letztgenannte Begründung in der Literatur auf Kritik gestoßen ist. Die Nichtzahlung einer Vergütung nach § 8 PatG sei nicht mit einer Patentverletzung nach § 147 ff PatG zu vergleichen, weil der Dienstgeber von der Erfindung nicht unerlaubt Gebrauch gemacht habe. Nehme der Dienstgeber zwar alle Vorteile des formalen Patentschutzes in Anspruch, verweigere er aber dem Dienstnehmer eine Beteiligung daran mit dem Einwand, es handle sich nicht um eine schutzfähige Erfindung, verstoße er gegen Treu und Glauben (Geppert, DRdA 1981, 309; Kucsko, ZAS 1981, 28).
Die Situation des Dienstgebers sei vergleichbar mit jener eines Unternehmers, der ein fremdes Patent als Lizenznehmer nütze. Stelle sich dieses fremde Patent als Scheinpatent heraus, falle die vertragliche Rechtsgrundlage für die Lizenzzahlungen nach herrschender Auffassung dennoch nicht rückwirkend weg. In diesem Fall werde zu Recht argumentiert, dass auch ein Scheinpatent während seines Bestehens formell eine Vorzugsstellung verschaffe (Kucsko aaO; Geppert, aaO; Thaler, ÖBl 1960, 23; Mayr, Vergütungen für Erfindungen von Dienstnehmern, insb 159 f; Reitböck, Der Begriff der Diensterfindung und angrenzende Rechtsfragen, 47 ff). Diese Wertung des Gesetzgebers komme auch in § 10 PatG zum Ausdruck, wonach bei nachträglicher Änderung der maßgeblichen Verhältnisse eine aufgrund früherer Festsetzung bereits geleistete Diensterfindungs-vergütung nicht zurückgefordert werden könne (Holzer aaO 197).
3. Der vorliegende Fall bietet für eine umfassendere Auseinandersetzung mit diesen Argumenten allerdings keine geeignete Sachverhaltsgrundlage.
Ohne eine Erfindung iSd §§ 1 GMG, 1 PatG entsteht kein gesetzlicher Vergütungsanspruch. Am Fehlen der Erfindungsqualität ändert sich aber auch nichts, wenn der Dienstgeber für ein Verfahren, das in Wahrheit nicht neu ist, trotzdem einen Patent- oder Gebrauchsmusterschutz erlangt.
Das geistige Eigentum an einer Erfindung wird durch die originelle Neuschöpfung des Erfinders erworben; es kann nicht dadurch entstehen, dass der Dienstgeber eine ihm zwar erstmals bekannt gewordene, aber bereits dem Stand der Technik angehörende Idee für seine Zwecke bestmöglich (materiell widerrechtlich) verwertet und ein formales Schutzrecht erlangt. Selbst wenn der Dienstgeber dadurch (genau genommen: durch seine Patent‑ bzw Gebrauchsmusteranmeldung) einen wirtschaftlichen Vorteil erzielt, kann der Erfolg dieser Verwertungshandlung keinen originären gesetzlichen Anspruch auf Erfindervergütung nach § 7 Abs 2 GMG iVm § 8 Abs 1 PatG begründen.
Eine vertragliche Vergütungsregelung zwischen den Parteien des Dienstvertrags ist deswegen nicht ausgeschlossen. Generell bedarf es zur konkreten Festsetzung einer Erfindervergütung wegen der sehr allgemein gehaltenen Gesetzesvorgaben einer Vereinbarung, in Ermangelung einer solchen der gerichtlichen Festsetzung (vgl 4 Ob 113/79).
Im hier zu beurteilenden Fall bestand eine solche vertragliche Vergütungsregelung zwischen den Streitteilen aber niemals, die Nichtigerklärung des Gebrauchsmusters wirft somit keine schuldrechtlichen Rückabwicklungsfragen auf. Aus dem gleichen Grund schlägt der Vergleich mit Leistungen aufgrund eines Lizenzvertrags ‑ die nach ständiger Rechtsprechung bei Nichtigerklärung des Immaterial-güterrechts nicht rückwirkend wegfallen ‑ hier fehl. Die Aufrechterhaltung der Lizenzgebührenpflicht bis zur Nichtigerklärung lässt sich mit der erbrachten vertraglichen Gegenleistung in Form des vorläufigen Schutzes eines Immaterialgüterrechts durch die Prima‑facie‑Wirkung der Registrierung sowie durch die obligatorische Abwehrmöglichkeit gegenüber Unterlassungsansprüchen des Lizenzgebers begründen. Grundlage ist eine ergänzende Vertragsauslegung, die am vermuteten Willen der Vertragspartner anknüpft (17 Ob 18/08h; 4 Ob 128/06m ÖBl‑LS 2007/108).
4. Ob diese Konsequenz, wie es die Revision anstrebt, auch auf bestehende Vereinbarungen über eine Diensterfindungsvergütung zu übertragen wäre, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Nach dem Sachverhalt kommt hier nur ein auf das Gesetz gegründeter Anspruch in Frage, dessen erstmalige gerichtliche Festsetzung für die Vergangenheit aber daran scheitert, dass bei Schluss der Verhandlung erster Instanz bereits fest stand, dass die klägerische Idee keine schutzfähige Erfindung im Sinn des § 1 GMG darstellte und das registrierte Gebrauchsmuster der Beklagten aus diesem Grund nichtig war.
Diesem Ergebnis steht auch § 10 Abs 1 PatG über die nachträgliche Änderung einer Vergütung nicht entgegen Die Bestimmung, dass bei nachträglicher Änderung der für die Angemessenheit der Erfindervergütung maßgeblichen Verhältnisse die aufgrund einer früheren Festsetzung empfangenen Leistungen keinesfalls zurückzuzahlen sind, und sowohl Herabsetzung als auch Erhöhung („Ergänzung“) ausgeschlossen sind (4 Ob 77/84, PBl 1985, 35 = ÖBl 1984, 147 = RdW 1984, 318 = REDOK 14.056), setzt begrifflich eine bereits bestehende (vertragliche oder gerichtliche) Regelung über die Höhe der Vergütung voraus.
Der Kläger könnte sein Begehren auch nicht auf einen Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB stützen, zumal ein Dienstgeber grundsätzlich zur Nutzung der im Rahmen des Dienstverhältnisses erbrachten Arbeitnehmerleistungen, soweit daran keine speziellen Schutzrechte bestehen, berechtigt ist (Rummel in Rummel 3, § 1041 ABGB Rz 4; vgl auch Geppert, DRdA 1981, 309 [312]).
Da die Festsetzung einer Erfindungsvergütung nach Wegfall der Rechtsgrundlage für einen Vergütungsanspruch nach § 7 Abs 2 GMG nicht mehr in Betracht kommt, fehlte dem Kläger das rechtliche Interesse an seinem Manifestationsbegehren zur Offenlegung der für die Berechnung relevanten Grundlagen.
Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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