OGH 10ObS178/12t

OGH10ObS178/12t29.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs und MMag. Dr. Robert Schneider (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S***** B*****, vertreten durch die Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert‑Stifter‑Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. September 2012, GZ 25 Rs 109/12h‑14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Mai 2012, GZ 33 Cgs 45/12p‑8, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das klageabweisende Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Kläger hat seine Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger betrieb im Jahr 2001 ein Unternehmen, dessen Gegenstand die Herstellung und Montage von Fenstern und Wintergärten sowie die Vornahme von Tischlereiarbeiten war. Er verfügt über eine Gewerbeberechtigung als „Tischler eingeschränkt auf Montagearbeiten“ und für das „Handelsgewerbe“. Im Frühjahr 2001 begann seine damalige Lebensgefährtin auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück ein Einfamilienhaus zu errichten, wobei sie die Baukosten selbst finanzierte. Vereinbart war, dass der Kläger beim Hausbau mithilft und nach Fertigstellung das Haus unentgeltlich bewohnen könne. Am 17. 5. 2001 sah der Kläger, dass die Maurer im Bereich des Dachstuhls Maurerarbeiten durchführten. Diese Arbeiten mussten noch an diesem Tag abgeschlossen werden, da am nächsten Tag der Dachstuhl geliefert und montiert werden sollte. Damit die Arbeiten schneller beendet werden konnten, half der Kläger den Maurern. Als er dabei war, den Maurern Ziegel zu reichen bzw Ziegel zu holen, stürzte er ab und verletzte sich schwer. Nicht festgestellt werden kann, ob die Maurer bei dem Bauunternehmen K***** G***** GmbH beschäftigt und für dieses Unternehmen tätig waren.

Mit Bescheid vom 21. 2. 2012 sprach die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt aus, dass der Unfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde und kein Anspruch auf Leistungen gemäß § 173 ASVG bestehe.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Unfall ein Arbeitsunfall iSd §§ 175, 176 ASVG sei; weiters begehrt er den Zuspruch einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß. Zwar sei richtig, dass sich der Unfall im Zuge einer Hilfstätigkeit für den am Hausbau arbeitenden Maurer ereignet habe. Es sei allerdings durchaus üblich, dass auf einer Baustelle auch derartige Hilfstätigkeiten für andere Gewerbezweige verrichtet werden. Selbst bei Annahme einer sogenannten „gemischten Tätigkeit“ sei der Unfall als Arbeitsunfall zu qualifizieren. Es seien nicht ausschließlich und auch nicht vorwiegend betriebsfremde (private) Zwecke verfolgt worden. Sämtliche von ihm erbrachten Leistungen hätten sich als Ausübung der Erwerbstätigkeit dargestellt.

Die beklagte Partei wandte im Wesentlichen ein, der Unfall habe sich bei privaten Arbeiten anlässlich des Hausbaus der damaligen Lebensgefährtin des Klägers ereignet. Im Hinblick darauf, dass der Kläger vorhatte, das Haus nach Fertigstellung gemeinsam mit der Lebensgefährtin zu beziehen, habe sich der Unfall nicht im Rahmen der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung seiner selbständigen Erwerbstätigkeit, sondern bei einem im Eigeninteresse durchgeführten Gefälligkeitsdienst ereignet. Die unfallbringende Tätigkeit sei dem privaten Interessenbereich zuzuordnen, sodass zum Unfallszeitpunkt kein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bestanden habe. Der Nachweis, dass das Bauunternehmen K***** G***** GmbH am Unfalltag Maurer auf die gegenständliche Baustelle entsandt habe, denen der Kläger behilflich gewesen sei, sei nicht erbracht worden. Es existiere lediglich ein Lieferschein über eine Materiallieferung auf die dortige Baustelle.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Über die eingangs angeführten Feststellungen hinaus traf es noch folgende weitere wesentliche Feststellungen:

„Der Kläger stellte im Rahmen seines Unternehmens, dem sieben Mitarbeiter angehörten, Fenster bzw Fensterrahmen her. Diese verkaufte er an Bauunternehmen und montierte sie an der jeweiligen Baustelle, indem er den Fensterrahmen in das im Mauerwerk freigelassene Mauerloch einstellte und einschäumte. Für den Bau des Einfamilienhauses seiner damaligen Lebensgefährtin prüfte er die Angebote von Baufirmen und führte die Vorverhandlungen. Seine Lebensgefährtin folgte seinen Empfehlungen. Für die Arbeitszeit, die der Kläger auf der Baustelle verbrachte, stellte er seiner Lebensgefährtin keine Rechnungen aus. Er erhielt dafür auch nie Entgelt. Er verrechnete ihr aber teilweise die Materialkosten. Auch seine Mitarbeiter arbeiteten auf der Baustelle, ua bei der Montage der Fenster. Als die Fenster eingebaut wurden, forderte der Kläger von seiner Lebensgefährtin einen bestimmten Geldbetrag, mit dem er die Materialkosten und den Lohn seiner Mitarbeiter bezahlte. Am 17. 5. 2001 half er den Maurern, obwohl er mit der Lieferung des Dachstuhls 'nichts zu tun hatte'. Seine Aufgabe wäre es (erst) gewesen, nach Lieferung und Montage des Dachstuhls ein Paneel zu montieren. Das Wohnhaus wurde im Herbst 2001 fertiggestellt. Der Kläger bewohnte es vom Herbst 2001 bis zum Jahr 2008/09 unentgeltlich.“

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, der Unfallversicherungsschutz selbständiger Erwerbstätiger werde durch die Mitgliedschaft zu einer Wirtschaftskammer erworben. Es erstrecke sich daher auf Tätigkeiten, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stünden, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft bildet. Dazu zählten alle jene Tätigkeiten, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienten. Es sei nach objektiven Gesichtspunkten zu prüfen, ob sich die Tätigkeit als zur Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz tauglich darstelle und ob sie vom Handelnden subjektiv auch in dieser Intention entfaltet worden sei. Entscheidend für den Versicherungsschutz sei daher auch bei selbständig Erwerbstätigen, ob sich das Verhalten als Ausübung der Erwerbstätigkeit darstelle. Die vom Kläger am Unfalltag verrichteten Maurerarbeiten stünden mit seiner Gewerbeberechtigung als Tischler (eingeschränkt auf Montagearbeiten) und für das Handelsgewerbe nicht in Zusammenhang. Der Kläger habe die Maurertätigkeiten daher außerhalb seiner gewerberechtlichen Befugnisse erbracht. Es fehle die Voraussetzung eines engen Zusammenhangs mit dem Gewerbebetrieb und den betrieblichen Zwecken. Der fehlende Zusammenhang der unfallkausalen Tätigkeit mit dem Gewerbebetrieb und die offensichtliche Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen stünden einer Qualifikation des Unfalls als Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 1 ASVG entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung stehe der Versicherte ‑ auch nach den Grundsätzen, die bei sogenannten „gemischten Tätigkeiten“ maßgebend seien ‑ dann nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn für die unfallbringende Verrichtung im Wesentlichen seine eigenwirtschaftlichen Interessen maßgeblich gewesen seien und die betrieblichen Interessen nur einen völlig im Hintergrund stehenden Nebenzweck des Handelns gebildet hätten. Die Errichtung des Hauses sei im Eigeninteresse des Klägers gelegen und nicht im Interesse dessen Betriebs. Die Mithilfe bei den Maurerarbeiten stelle einen in seinem Eigeninteresse stehenden Gefälligkeitsdienst für seine damalige Lebensgefährtin dar. Es sei daher kein Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 1 ASVG vorgelegen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Urteil auf und sprach aus, dass gegen den Aufhebungsbeschluss der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe sich bisher nicht mit der Frage befasst, ob eine Tätigkeit iSd § 176 Abs 1 Z 6 ASVG unter Unfallversicherungsschutz stehe, wenn sie für einen Unternehmer erbracht werde, der sein Gewerbe ohne Gewerbeberechtigung ausübe.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, die vom Kläger in der Berufung ins Treffen geführten Argumente seien nicht geeignet, einen Arbeitsunfall zu begründen, der im Zusammenhang mit seiner selbständigen Erwerbstätigkeit stehe. Der Kläger habe selbst eingeräumt, dass seine Gewerbeberechtigung Maurerarbeiten nicht umfasse. Die Materialien für die Maurerarbeiten seien nicht von ihm, sondern ‑ wie sich aus der Beweiswürdigung des Erstgerichts entnehmen lasse ‑ von dem Bauunternehmen K***** G***** GmbH geliefert worden. Das Berufungsvorbringen, die Hilfstätigkeiten für die Maurer seien für die Einhaltung des Zeitplans für die vom Kläger bzw seinen Mitarbeitern vorzunehmende Montage des Paneels erforderlich gewesen, verstoße gegen das Neuerungsverbot. Das Erstgericht habe nach den getroffenen Feststellungen daher zu Recht einen örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang der Hilfstätigkeit des Klägers bei den Maurerarbeiten mit dessen selbständigen Erwerbstätigkeit als Tischler bzw als Betreiber eines Handelsgewerbes verneint. Aufgrund der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge sei die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen aber in jeder Richtung zu überprüfen und im Rahmen der zur Substantiierung des Klagebegehrens vorgebrachten Tatsachenbehauptungen seien auch bislang nicht erörterte rechtliche Gesichtspunkte wahrzunehmen. Der Kläger habe schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, dass sich der Unfall im Zuge einer Hilfstätigkeit für den am Hausbau arbeitenden Maurer ereignet habe. Das Erstgericht habe auch festgestellt, dass der Kläger den Maurern bei ihrer Arbeit geholfen habe. Darüber hinaus habe er vorgebracht, es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass auf Baustellen gelegentlich Hilfstätigkeiten für andere dort arbeitende Unternehmen aus anderen Gewerbesparten verrichtet würden. Im Hinblick auf dieses Vorbringen sei der Unfallversicherungsschutz des Klägers auch nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG zu prüfen. Nach dieser Bestimmung seien Unfälle, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübe, auch wenn dies vorübergehend geschehe, den Arbeitsunfällen iSd § 175 ASVG gleichgestellt. Zur Begründung des Versicherungsschutzes reiche es aus, dass für den Helfenden wesentlich gewesen sei, dem Unternehmen, dem seine Hilfe gegolten habe, zu dienen. Auch eine kurzdauernde Tätigkeit sei geradezu typisch für die Anwendbarkeit des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG. Da die Beweggründe der Tätigkeit unmaßgeblich seien, sei ein Versicherungsschutz selbst dann zu bejahen, wenn der Verletzte auch gleichzeitig eigene Interessen wahrnehme. Vor dem Hintergrund unterliege die Hilfstätigkeit des Klägers bei den Maurerarbeiten dem Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG. Dass nicht festgestellt werden konnte, ob die Maurer, denen der Kläger geholfen habe, bei dem Bauunternehmen K***** G***** GmbH beschäftigt gewesen oder für dieses Unternehmen tätig gewesen seien, schade nicht. Eine selbständige Tätigkeit ohne Gewerbeberechtigung sei früher ganz allgemein nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Seit dem ASRÄG 1997 werde auch durch eine unbefugte Gewerbeausübung eine Pflichtversicherung als „neuer Selbständiger“ iSd § 2 Abs 1 Z 4 GSVG begründet, sodass auch für diese Personen der Schutz der Unfallversicherung bestehe. Selbst verbotene oder unsittliche Betätigungen könnten steuerrechtlich einen Gewerbebetrieb begründen; daraus erzielte Einkünfte seien sozialversicherungspflichtig. Ein Ausschluss dieser Gruppen wäre bei Einbeziehung aller Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung im Hinblick auf die damit geschaffene umfassende Solidaritätsgemeinschaft sachlich nicht gerechtfertigt. Diesen in der Kranken‑ und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG pflichtversicherten selbständig Erwerbstätigen komme gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG neben den Mitgliedern einer Wirtschaftskammer Unfallversicherungsschutz zu. Wenn nun Personen, die ihr Gewerbe ohne Gewerbeberechtigung ausüben, unfallversichert seien und daher auch für sie der Schutz der Unfallversicherung bestehe, müsse ein Unfallversicherungsschutz auch für jene Personen bestehen, die einen Unfall bei einer betrieblichen Tätigkeit erleiden, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübe. Diese Personen vom Unfallversicherungsschutz auszuschließen, widerspräche den Intentionen des ASRÄG 1997 bzw der 22. GSVG‑Novelle. Bei der Prüfung einer betrieblichen Tätigkeit komme es daher weder darauf an, ob der Kläger sozialversicherungsrechtlich gemeldet gewesen sei oder seine Hilfstätigkeit für einer Unternehmer mit oder ohne Gewerbeberechtigung erbracht habe. Der Kläger stehe unter Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG, unabhängig davon, ob er für die K***** G***** GmbH, einen anderen befugten Unternehmer oder für einen Unbefugten tätig gewesen sei, der sein Gewerbe ohne Gewerbeberechtigung ausübe. Der Unfall vom 17. 5. 2001 sei daher als Arbeitsunfall zu qualifizieren. Das auf Feststellung gerichtete Klagebegehren, bei dem Unfall handle es sich um einen Arbeitsunfall, entspreche zwar nicht dem Gesetz. Eine Modifizierung des Feststellungsbegehrens im Sinne einer gemäß der § 367 Abs 1 ASVG, § 65 Abs 2 zweiter Satz ASGG zulässigen Feststellung komme aber schon deshalb nicht in Betracht, weil die Rechtssache nicht entscheidungsreif sei. Es stehe bisher nicht fest, welche Verletzungen der Kläger am 17. 5. 2011 erlitten habe und ob zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz eine auf diesen Arbeitsunfall zurückgehende Gesundheitsstörung bestehe. Das Ersturteil sei deshalb zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung aufzuheben.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei.

Dieser ist zulässig und im Sinne des Antrags auf Wiederherstellung des klageabweislichen Ersturteils berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger seinen Unfallversicherungsschutz nicht aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit ableiten kann:

I.1. Nach § 175 Abs 1 ASVG müssen sich Arbeitsunfälle im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen. Der Unfallversicherungsschutz der in der Unfallversicherung teilversicherten selbständig Erwerbstätigen wird nach § 8 Abs 1 Z 3 lit a ASVG durch die Mitgliedschaft zu einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft erworben. Er erstreckt sich daher auf Tätigkeiten, die in einem oben geschilderten inneren Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft bildet. Dazu zählen alle jene Tätigkeiten, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen. Es ist nach objektiven Gesichtspunkten zu prüfen, ob sich die Tätigkeit als zur Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz tauglich darstellt und ob sie vom Handelnden subjektiv auch in dieser Intention entfaltet wurde (10 ObS 96/99m, SSV-NF 13/53 mwN ua; RIS-Justiz RS0083633; RS0084368; RS0084388).

I.2. Entscheidend für den Versicherungsschutz ist daher auch bei selbständig Erwerbstätigen, ob sich das Verhalten als Ausübung der Erwerbstätigkeit darstellt (10 ObS 108/08t, SSV-NF 22/59 ua).

I.2.1. Im vorliegenden Fall steht dazu fest, dass der Kläger das Zureichen der Ziegel an die Maurer, im Zuge dessen er abstürzte, außerhalb seiner gewerberechtlichen Befugnisse ausgeübt hat, weil er nicht über eine Gewerbeberechtigung als „Maurer“ verfügt.

I.3. Eine selbständige Tätigkeit ohne Gewerbeberechtigung stand früher ganz allgemein nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (10 ObS 2111/96f, SSV-NF 10/52). Soweit allerdings seit dem ASRÄG 1997, BGBl I 1997/139, durch eine unbefugte Gewerbeausübung eine Pflichtversicherung als „neuer Selbständiger“ iSd § 2 Abs 1 Z 4 GSVG begründet wird, besteht auch für sie der Schutz der Unfallversicherung (Tomandl in Tomandl, SV-System 13. Erg.-Lfg 281).

I.3.1. Eine durch die Erteilung einer Gewerbeberechtigung erworbene Kammermitgliedschaft führt aber nicht zu einem Versicherungsschutz für alle gewerblichen Tätigkeiten, nämlich dann, wenn diese mit dem Betrieb, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft ist, nicht im Zusammenhang stehen und unberechtigt entfaltet werden (RIS-Justiz RS0083617; vgl auch 10 ObS 154/88, SSV‑NF 2/85 ua).

I.4. Auch wenn der Unfallversicherungsschutz für selbständig Erwerbstätige nach der Rechtsprechung nicht nur auf berufsspezifische Tätigkeiten eingeschränkt ist (vgl 10 ObS 2390/96k, SSV-NF 10/112 mwN), fehlt es im vorliegenden Fall an der Voraussetzung, dass die vom Kläger zum Unfallszeitpunkt verrichtete Tätigkeit in einem engen Zusammenhang mit seinem Gewerbebetrieb stand und wesentlich betrieblichen Zwecken diente. Bei objektiver Betrachtung standen - wie die Vorinstanzen bereits ausführten - beim Kläger vielmehr eigenwirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund (vgl 10 ObS 2390/96k, SSV‑NF 10/112 ua).

I.4.1. Der Versicherte steht aber ‑ auch nach den Grundsätzen, die bei sogenannten „gemischten Tätigkeiten“ maßgebend sind ‑ dann nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn für die unfallbringende Verrichtung im Wesentlichen seine eigenwirtschaftlichen Interessen maßgeblich sind und die auch vorhandenen betrieblichen Interessen nur einen völlig im Hintergrund stehenden Nebenzweck des Handelns bilden (RIS-Justiz RS0084271 [T17]; 10 ObS 4/10a, SSV-NF 24/8).

I.4.2. Ein Abgrenzungskriterium für die Frage, ob eine Tätigkeit auch wesentlich betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt war, ist, ob diese Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (Krasney in SGB VII-Komm [11. Lfg Mai 2012] § 8 Rz 50; 10 ObS 102/10p, SSV-NF 24/57).

I.4.3. Dies ist hier schon deshalb zu verneinen, weil der Kläger ein Unternehmen im Bereich Fenster, Wintergärten und Tischlereiarbeiten betrieb, dessen Gegenstand die Herstellung von Fensterrahmen für Bauunternehmen und deren Montage (Einstellung und Einschäumung) in das im Mauerwerk freigelassene Mauerloch und das anschließende Einsetzen der Fensterflügel war. Er bot also üblicherweise im Rahmen seines Unternehmens nicht die Vornahme von Maurerarbeiten an, die mit der Fenstermontage in keinem Zusammenhang stehen, sondern Voraussetzung für das Aufsetzen des Dachstuhls sind.

I.5. Es liegen aber auch keine geschützten sogenannten „unternehmensfremden Gefälligkeitsleistungen“ (vgl Tomandl in Tomandl, SV-System, 13. Erg.-Lfg, 281 mwN) vor, weil solche nur dann unter Versicherungsschutz stehen, wenn sie als Kundendienstleistungen eng mit dem Betrieb oder der Erwerbstätigkeit zusammenhängen, was insbesondere dann der Fall ist, wenn sie in unmittelbarer Verbindung zu bestimmten, kurz vorher getätigten oder unmittelbar bevorstehenden Geschäftsabschlüssen stehen (10 ObS 2390/96k, SSV‑NF 10/112). Der Kläger erbrachte vielmehr einen Gefälligkeitsdienst für seine damalige Lebensgefährtin, um das zügige Fortschreiten des Hausbaus zu ermöglichen.

II. Nicht zu teilen ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, es bestehe Versicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG:

Die Rekurswerberin vertritt in diesem Zusammenhang zusammengefasst die Ansicht, für den Versicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG komme es darauf an, dass sich eine nicht „in eigener Sache“ tätige Person in einen fremden Betrieb eingliedere. Diese Situation sei nach den getroffenen Feststellungen nicht vorgelegen, sodass der Unfallversicherungsschutz des Klägers nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG zu verneinen sei.

Dazu ist auszuführen:

II.1. Nach der durch die 9. ASVG‑Nov BGBl 1962/13 (Art III Z 2 lit b) eingeführten Bestimmung des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG sind den Arbeitsunfällen Unfälle gleichgestellt, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübt, auch wenn dies nur vorübergehend geschieht.

II.2. Eine solche betriebliche Tätigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn es sich um eine ‑ wenn auch nur kurzfristige ‑ ernstliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem mutmaßlichen oder wirklichen Willen des Unternehmers entspricht, die ihrer Art nach üblicherweise von Personen verrichtet wird, die aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses von dem Unternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängig sind (§ 4 ASVG) und durch die ein enger ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird. Unter einer ernstlichen Arbeit versteht man dabei Handlungen, die auch sonst in dem in Frage stehenden Betrieb anfallen und üblicherweise von einem Arbeitnehmer im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des allgemeinen Arbeitsmarkts verrichtet werden. Entscheidende Bedeutung kommt somit dem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang zu, in dem im konkreten Fall die helfende Tätigkeit verrichtet wird. Es muss sich um eine arbeitnehmerähnliche, betriebliche spezifische Tätigkeit handeln, die als Ausübung der Erwerbstätigkeit erscheint, durch die ein innerer ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird. Die Handlungstendenz muss auf Belange des Unternehmens gerichtet sein (RIS‑Justiz RS0084164, RS0084241, RS0084264). Beispielsweise wurde die vom Bauherrn laut Vereinbarung mit der Baufirma bereitgestellte Hilfskraft, die bei Montage des Dachstuhls durch einen sachkundigen Monteur der Baufirma behilflich war und hiebei einen Unfall erlitt, als unter Versicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG stehend angesehen (10 ObS 34/89, SSV‑NF 3/28). Leistet jemand Hilfe nur vorübergehend und aus Gefälligkeit, so steht es ihm zwar frei, seine Tätigkeit einzustellen und seine weitere Mitarbeit zu verweigern. So lange er aber an der Ausführung des Plans des Unternehmers mit dessen ausdrücklichem oder nach der Sachlage zu vermutenden Willen mitwirkt, zeigt er damit seine Bereitschaft, sich den dazu erforderlichen Weisungen des Unternehmers zu fügen (SZ 48/50 ua).

II.3. Wenn § 176 Abs 1 Z 6 ASVG eine „betriebliche Tätigkeit, wie sie sonst ein nach § 4 Versicherter ausübt“ verlangt, bedeutet dies nicht nur, dass die Person wie ein in einem Dienst-, Lehr- oder ähnlichem Verhältnis Vollversicherter tätig wird (10 ObS 196/02z = SSV-NF 16/81). Seine Anwendung setzt auch voraus, dass die Arbeit in einem oder für einen Betrieb geleistet werden muss (10 ObS 247/03a, SSV-NF 18/90; 10 ObS 196/02z, SSV‑NF 16/81; 10 ObS 212/88, SSV-NF 2/133), also in einer oder für eine auf Erzielung eines bestimmten Arbeitserfolgs ausgerichteten Organisation (Tomandl, SV-System, 11. Erg‑Lfg. 294 mwN).

II.3.1. Dafür spricht die in 10 ObS 34/89, SSV‑NF 3/28 im Einzelnen dargestellte historische Entwicklung dieser Bestimmung, bei der trotz des Übergangs zur Personenversicherung der Begriff des Betriebs weiterhin beachtlich blieb und die Risikosphäre der Unfallversicherung absteckt (10 ObS 124/92, SSV-NF 6/85 unter Hinweis auf Tomandl, Der Schutzbereich der Unfallversicherung, ZAS 1975, 123 [127]). Wie bereits in dieser Entscheidung dargelegt wurde, haben auch die Redaktoren des ASVG in der Regierungsvorlage im Besonderen auf Nachbarn, Erntehelfer und Sommergäste verwiesen, die vorübergehend in landwirtschaftlichen Betrieben aushelfen. Tomandl, Der Schutzbereich aaO 131, führt in diesem Zusammenhang aus, dass in der Formulierung des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG die ursprüngliche Funktion noch einmal anklingt, indem nur eine „betriebliche Tätigkeit“, wie sie sonst ein Vollversicherter ausübt, geschützt werde.

II.3.2. Es wurde bereits ausgesprochen, dass es für das Vorliegen eines Betriebs (der Dienstgebereigenschaft) nicht darauf ankomme, ob eine entsprechende Gewerbeberechtigung desjenigen besteht, auf dessen Rechnung der Betrieb geführt wird (10 ObS 247/03a, SSV‑NF 18/90 mwN). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls iSd § 175 ASVG ist es deshalb nicht erheblich, ob der Betrieb, in dem der Verunglückte in einem den Unfallversicherungsschutz begründenden Beschäftigungsver-hältnis steht, über eine erforderliche Gewerbeberechtigung verfügt. Wenn § 176 Abs 1 Z 6 den Arbeitsunfällen Unfälle gleichstellt, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit ereignen, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübt, dann kann für Unfälle nach dieser Gesetzesstelle nichts anderes gelten. Auch eine Tätigkeit nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG, die für einen Unternehmer erbracht wird, der sein Gewerbe ohne Gewerbeberechtigung ausübt, steht demnach unter Unfallversicherungsschutz (10 ObS 247/03a, SSV‑NF 18/90).

II.4. Wird die Tätigkeit jedoch nicht in einem oder für einen Betrieb ausgeübt, bleibt der Helfer nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG ungeschützt (10 ObS 247/03a, SSV‑NF 18/90; 10 ObS 124/92, SSV‑NF 6/85 mwN). Der Versicherungsschutz nach dieser Gesetzesstelle setzt die Unterstützung eines fremden Unternehmens in seinem Unternehmensbereich voraus. Mangels Vorliegens eines Betriebs gelangt daher auch für den Helfer eines „Pfuschers“ § 176 Abs 1 Z 6 ASVG nicht zur Anwendung. Wer einem „Pfuscher“ bei seiner Arbeit hilft, kann somit für sich nicht den Versicherungsschutz des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG in Anspruch nehmen (so bereits OLG Wien 14 R 129/67, SSV 7/78). Auch der Helfer eines Gastwirts, der selbst ein Haus deckt, ist nicht geschützt (Tomandl, SV‑System 11. Erg.‑Lfg. 294; siehe auch Grillberger, Österreichisches Sozialrecht9 71).

II.5. Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus diesen Grundsätzen:

Dass die an der Baustelle arbeitenden Maurer, denen der Kläger die Ziegel zureichte, für das beauftragte Bauunternehmen, die K***** G***** GmbH tätig waren, konnte nicht festgestellt werden. Dass die Maurer in einem oder für einen anderen Betrieb tätig gewesen wären ‑ auch wenn dieser über keine Gewerbeberechtigung verfügt haben sollte ‑ hat der Kläger nicht vorgebracht. Bestehen kein Vorbringen und keine entsprechenden Feststellungen dazu, dass das Zureichen der Ziegel, im Zuge dessen sich der Unfall ereignete, als Hilfstätigkeit für in einem oder für einen Betrieb tätige Maurer erfolgte, mangelt es an der Voraussetzung der „betrieblichen Tätigkeit“ iSd § 176 Abs 1 Z 6 ASVG. Der Kläger kann deshalb nicht den sich aus dieser Gesetzesstelle ergebenden Versicherungsschutz für sich in Anspruch nehmen.

Dies führt in Stattgebung des Rekurses zur Wiederherstellung der klageabweislichen Entscheidung des Erstgerichts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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