OGH 11Os74/12k

OGH11Os74/12k21.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Willibald K***** und Gerhard I***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 21. Februar 2012, GZ 26 Hv 133/11d-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Willibald K***** und Gerhard I***** jeweils des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (1) und des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach haben sie im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter

(1) im Dezember 2010/Jänner 2011 in Innsbruck und andernorts mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Peter A***** durch die mehrfache Vorgabe, den Ankauf einer Segelyacht vermitteln zu können und die geleisteten Zahlungen dafür zu verwenden, zu einer Handlung, nämlich zur Überweisung von insgesamt 60.000 Euro in drei Teilbeträgen verleitet, die den Genannten mit diesem Betrag an seinem Vermögen schädigte;

(2) zu einem unbestimmten Zeitpunkt nach dem 18. Jänner 2011 in Brunn an der Wild eine durch Ergänzungen sowie durch die Hinzufügung ihrer Unterschriften verfälschte Urkunde, nämlich den von Peter A***** zur Weiterleitung an die H***** bestimmten und unterfertigten Kaufvertrag vom 18. Jänner 2011, durch Vorlage bei der Kriminalpolizei im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich der erfolgten Rückzahlung von 45.000 Euro an Peter A*****, gebraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der Erstangeklagte K***** bekämpft die Schuldsprüche mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO (wobei er allerdings kein Vorbringen zum Faktum 2 erstattet - § 285 Abs 1 letzter Satz StPO), der Zweitangeklagte I***** aus Z 5 und 5a leg cit.

Zur Mängelrüge (Z 5) des Zweitangeklagten:

Dem Beschwerdevorbringen (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider hat sich das Erstgericht ausreichend (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 428) mit den Depositionen des Zeugen Edmund F***** auseinandergesetzt und begründet, weshalb es ihm die Glaubwürdigkeit versagte (US 13). Indem der Beschwerdeführer Teile der - auf anlässlich einer Zusammenkunft des Peter A***** mit den Angeklagten am 18. Jänner 2011 angeblich gemachte Beobachtungen bezogenen - Aussage dieses Zeugen isoliert hervorhebt und damit die erstrichterliche Bewertung in Frage zu stellen versucht, verkennt er, dass der aufgrund des in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431).

Welchem Beweisergebnis die über das Zustandekommen der - ihm den Urteilsannahmen zufolge vom Erstangeklagten zur Kenntnis gebrachten (US 4) - „Ausstattungsliste“ angestellten (gar keinen Gegenstand des Zeugenbeweises bildenden: RIS-Justiz RS0097540, RS0097545) Mutmaßungen des Zeugen Peter A***** (ON 18 S 25) in Bezug auf entscheidende Tatsachen widersprochen hätten (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) und daher erörterungsbedürftig gewesen sein sollten (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 425), sagt die Beschwerde nicht.

Im Sinn der weiters geltend gemachten Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO können zueinander im Widerspruch stehen: Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und deren Referat im Erkenntnis (§ 270 Abs 2 Z 4 [§ 260 Abs 1 Z 1] StPO), Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen (Widerspruch auf der sogenannten Feststellungsebene), die zu den Feststellungen über entscheidende Tatsachen angestellten Erwägungen (Widerspruch auf der Begründungsebene) sowie Feststellungen über entscheidende Tatsachen in den Urteilsgründen und die dazu angestellten Erwägungen (Widerspruch zwischen Feststellungs- und Begründungsebene; RIS-Justiz RS0119089; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 437).

Mit bloßer Kritik an der im Rahmen der Beweiswürdigung gewählten Formulierung der Tatrichter, der Zweitangeklagte habe den Entlastungszeugen Edmund F***** in der Hauptverhandlung am 15. Dezember 2011 „das erste Mal überhaupt ins Spiel gebracht“ (US 13), wird ein solcher Widerspruch nicht einmal behauptet.

Der Hinweis auf einen als solchen erkennbaren Schreibfehler betreffend die - weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage bedeutsame - Typenbezeichnung einer Segelyacht, deren Ankauf die Angeklagten dem Zeugen Peter A***** den Urteilsannahmen zufolge vermitteln zu können vortäuschten (US 2: „Dufour 385“; irrig auf US 4: „Dufour 285“), zeigt gleichfalls keine Nichtigkeit im Sinne der Z 5 dritter Fall des § 281 Abs 1 StPO auf (RIS-Justiz RS0106295 [T14]).

Soweit der Zweitangeklagte einen Widerspruch der im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten tatrichterlichen Überlegungen, wonach der Zeuge Peter A***** „ab Jänner 2011“ von den Angeklagten „gar nichts mehr“ gehört habe „bzw nur Vertröstungen“ (US 12), zueinander und zu der Feststellung ortet, am 18. Jänner 2011 sei es zu einem Treffen dieses Zeugen mit den Angeklagten gekommen (US 4 und 5), versäumt er das Herstellen eines Bezugs zu einer entscheidenden Tatsache - nur dann könnte Nichtigkeit vorliegen (Fabrizy, StPO11 § 281 Rz 41a).

Sinnfällig kein Widerspruch besteht zwischen der Feststellung, den Angeklagten sei es darauf angekommen, den Zeugen Peter A***** zur Überweisung von 60.000 Euro zu verleiten (US 6), und den weiteren Feststellungen, dieser habe nacheinander Beträge von 25.000 Euro, 20.000 Euro und 15.000 Euro überwiesen (US 4 und 5).

Ebensowenig widersprechen die Überlegungen des Erstgerichts, die Angeklagten hätten sich keine Bestätigung über eine Rückzahlung von 45.000 Euro an den Zeugen Peter A***** ausstellen lassen (US 12), der Feststellung, die von ihnen zum Beweis dieser - nach den Urteilsannahmen gerade nicht erfolgten - Rückzahlung vorgelegte Urkunde sei durch Hinzufügungen verfälscht gewesen (US 6). Die vom Zweitangeklagten vermissten Gründe (Z 5 vierter Fall) für diese Konstatierung finden sich auf US 14.

Der - nominell auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte, der Sache nach Nichtigkeit nach Z 5 vierter Fall leg cit reklamierende - Einwand, die zu Schuldspruch 2 getroffene Feststellung der Tatzeit (US 6) sei unbegründet geblieben, übersieht nicht nur die dazu angestellten Erwägungen des Erstgerichts (US 14), sondern unterlässt auch die gebotene Bezugnahme auf entscheidende Tatsachen. Unklarheiten über die Tatzeit sind nämlich nur dann beachtlich, wenn die Individualisierung der Tat davon betroffen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 290), was hier - zu Recht - gar nicht behauptet wird.

Der - überdies keinen entscheidenden Aspekt berührende - Vorwurf von Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) kehrt sich gegen den Beschwerdeführer selbst, weil sich die Aussage des Zeugen Peter A*****, er habe mit dem Zweitangeklagten telefonische Textbotschaften ausgetauscht, mit dem Erstangeklagten aber nur telefoniert, nicht auf die Zeit nach dem 18. Jänner 2011, sondern auf die Tage davor bezieht (ON 18 S 19).

Zu den Tatsachenrügen (Z 5a) beider Angeklagter:

Deren Erledigung ist vorauszuschicken, dass §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO vom Beschwerdeführer verlangen, die Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen.

Ein der Prozessordnung entsprechendes Ausführen der Tatsachenrüge erfordert neben dem konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel gleichzeitig die gebotene Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen, weil die Z 5a des § 281 Abs 1 StPO nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung verhindern will. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Insoweit der Zweitangeklagte - nahezu ausnahmslos ohne Benennung der Fundstellen in den Akten - bloß seine und des Erstangeklagten leugnende Verantwortung wiederholt, diese als „nicht vollkommen lebensfremd“ darzustellen versucht und daraus für ihn günstigere Schlüsse zieht als die Tatrichter, deren Erwägungen hingegen begründungslos als „vollkommen lebensfremd“ bezeichnet, sich weiters mit den Aussagen des Zeugen Peter A***** zur Höhe des vereinbarten Kaufpreises auseinandersetzt und auf deren Grundlage dessen Glaubwürdigkeit bezweifelt, bekämpft er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld unterhalb der geforderten Erheblichkeitsschwelle nur unzulässig die erstgerichtliche Beweiswürdigung. Er übersieht dabei, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung (auch) aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO entzogen ist (RIS-Justiz RS0099649).

Das Vorbringen des Erstangeklagten, an der Aussage des Zeugen Peter A***** sei nicht nachvollziehbar, „warum in einem Kaufvertrag über ein Schiff, welches schon mit 60.000 Euro erheblich unter dem tatsächlichen Wert angepreist war, lediglich ein Kaufpreis von 40.000 Euro enthalten sein soll“, verfehlt nicht nur die prozessordnungsgemäße Darstellung der Tatsachenrüge, nämlich den Vergleich aktenkundiger Umstände mit Feststellungen über entscheidende Tatsachen (Fabrizy, StPO § 281 Rz 49), sondern übergeht zudem die tatrichterlichen Urteilsannahmen, wonach die Differenz von 20.000 Euro als Provision für einen „Kontaktmann“ dienen sollte (US 5).

Der Einwand beider Angeklagter hinwieder, ihr - wie aus den Strafregisterauskünften ersichtlich - trotz jeweils „fortgeschrittenem Alter“ bisher ordentlicher Lebenswandel stehe der Annahme des ihnen angelasteten Verhaltens entgegen, weckt beim Obersten Gerichtshof keine Bedenken im oben dargestellten Sinne.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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