OGH 4Ob83/12b

OGH4Ob83/12b12.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der wiederaufnahmsklagenden Parteien 1. H***** GmbH, *****, und 2. Mag. P***** P*****, beide vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, gegen die wiederaufnahmsbeklagten Parteien 1. D***** B.V., *****, 2. W***** Limited, *****, und 3. T***** Association, *****, alle vertreten durch Sattler & Schanda Rechtsanwälte GbR in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 8 Cg 177/06s des Landesgerichts Feldkirch (Streitwert 62.500 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 22. März 2012, GZ 2 R 50/12p-8, womit der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 30. Dezember 2011, GZ 8 Cg 225/11g-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Wiederaufnahmsbeklagten produzieren unter anderem Whisky und vertreiben diesen in etwa 200 Ländern, unter anderem auch unter Nutzung bestimmter österreichischer und Gemeinschaftsmarken, deren Inhaberin sie sind, oder fördern die Interessen der schottischen Whiskyindustrie im In- und Ausland.

Die Wiederaufnahmskläger stellen unter anderem Fruchtsäfte her und füllen sie ab. 2002 begannen sie, Spirituosen mit der Bezeichnung „Whisky“ in Dosen abzufüllen. Die Dosen erhielten sie von einem deutschen Unternehmen, für die Dosenbeschriftung von ihrem türkischen Auftraggeber Vorlagen, auf deren Layout sie keinen Einfluss hatten. Die Dosen waren mit den Marken der Wiederaufnahmsbeklagten verwechselbar ähnlichen Zeichen versehen.

Die Wiederaufnahmskläger lagerten und verarbeiteten die Spirituosen ausschließlich in einem vom Zollamt Feldkirch mit Betriebsbewilligungsbescheid nach § 31 Abs 3 iVm § 33 AlkoholsteuerG genehmigten Alkohollager in Vorarlberg. Hiemit wurde das Lager und Herstellen von Erzeugnissen, das Abfüllen, Abpacken und verkaufsfertige Herrichten, der Empfang von Erzeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten im Verfahren der Steueraussetzung und der Versand von Erzeugnissen in andere Mitgliedstaaten im Verfahren der Steueraussetzung genehmigt.

Die Wiederaufnahmskläger füllten im Auftrag ihrer niederländischen, deutschen und türkischen Kunden die beschrifteten Dosen mit Industriealkohol ab. Sie waren als Lohnabfüller tätig, wobei sie teilweise Fertigprodukte erhielten und diese nach einer vorgegebenen Rezeptur mischten. Die Zutaten für die Herstellung der Spirituosen kaufte sie ein.

Die Spirituosen wurden ausschließlich im Alkohollager der Wiederaufnahmskläger verarbeitet, sie verließen dieses Lager während der Verarbeitung nicht. Die abgefüllten Dosen wurden von Zollbeamten verplombt, danach ließen sie die Wiederaufnahmskläger nach Hamburg zur Verschiffung bringen, wodurch sie an die Endkunden im Irak und der Türkei gelangten. Von der Türkei wurde die Ware weiter in den Nahen Osten geliefert. Die Wiederaufnahmskläger trugen stets Sorge dafür, dass die Lieferungen an die jeweiligen Endkunden außerhalb der Europäischen Gemeinschaft gelangten. Sie waren sich dessen bewusst, dass die abgefüllten Produkte im europäischen Wirtschaftsraum nach der Whisky-Verordnung nicht in Verkehr gebracht werden dürften und nicht verkehrsfähig sind. Die Waren verließen unter Zollaufsicht den EU-Raum. Die Wiederaufnahmskläger gingen davon aus, dass unter der Voraussetzung, dass die Spirituosen im Freilager verblieben, diese exterritorial blieben und sie sie herstellen dürfen.

Im zu 8 Cg 177/06s des Landesgerichts Feldkirch geführten Verfahren wurden die Wiederaufnahmskläger rechtskräftig schuldig erkannt, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, bestimmte geschützte Marken der Wiederaufnahmsbeklagten oder ein verwechselbar ähnliches Zeichen im Zusammenhang mit der Produktion und/oder dem Export von Spirituosen oder gleichartigen Waren kennzeichenmäßig zu verwenden, insbesondere diese Zeichen auf Getränkedosen anzubringen und unter diesem Zeichen auszuführen, sofern es sich nicht um Originalerzeugnisse handelt, die mit Zustimmung der Markeninhaber im EWR in Verkehr gebracht wurden; binnen 14 Tagen alle Getränkedosen und sonstigen markenverletzenden Gegenstände wie insbesondere Geschäftsbücher und/oder Werbemittel, die gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen, zu vernichten, soweit ihnen die Verfügung darüber oder ein diese Vernichtung ermöglichender Einfluss auf den unmittelbar Verfügungsberechtigten zusteht und über die mit von ihnen hergestellten und exportierten Produkten, die gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen, erzielten Gewinne unter Vorweisung der Kostenrechnung, insbesondere der Produktkostenkalkulation Rechnung zu legen und durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner diese Unterlassungsverpflichtung bestätigenden Entscheidung vom 23. September 2008, 17 Ob 12/08a, ausgesprochen, dass durch das Befüllen der mit einer fremden Marke gekennzeichneten Dosen mit Industriealkohol und durch die daran anschließende Ausfuhr dieser Dosen die Marken iSd § 10a Z 1 und 3 MSchG im Inland auf eine dem Markeninhaber vorbehaltene Art benutzt und somit auch verletzt werden. Angesichts der jeden Zweifel ausschließenden Regelung des Gemeinschaftsrechts (Ausfuhr als rechtsverletzende Benutzung) bestehe für ein Vorabentscheidungsersuchen kein Anlass.

Die Wiederaufnahmskläger begehren die Wiederaufnahme des Verfahrens 8 Cg 177/06s des Landesgerichts Feldkirch, die Aufhebung des dort ergangenen Urteils im Wortlaut und Umfang der vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Abänderungen sowie die Abweisung des noch zur Entscheidung anstehenden restlichen Klagebegehrens.

Am 1. Dezember 2011 habe der Europäische Gerichtshof in den Rechtssachen C-446/09 und C-495/09 Entscheidungen getroffen, aus denen hervorgehe, dass auch im Fall der wiederaufnahmsklagenden Parteien keine Markenbenützung erfolgt sei. Mit Urteil vom 15. Dezember 2011 habe der Europäische Gerichtshof zu C-119/10 entschieden, dass Art 5 Abs 1 lit b der ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken dahin auszulegen sei, dass ein Dienstleistender, der im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten Aufmachungen abfülle, die der Dritte ihm zur Verfügung gestellt habe, der darauf zuvor ein Zeichen habe anbringen lassen, das mit einem als Marke geschützten Zeichen identisch oder ihm ähnlich sei, nicht selbst eine Benutzung dieses Zeichens vornehme, die nach dieser Bestimmung verboten werden könne. Demnach benutze ein Dienstleistender, der sich darauf beschränke, Dosen, die bereits mit markenähnlichen Zeichen versehen seien, im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten abzufüllen und damit schlicht einen technischen Abschnitt des Prozesses der Herstellung des Endprodukts auszuführen, ohne irgendein Interesse an der äußeren Gestaltung der Dosen, insbesondere an den darauf angebrachten Zeichen zu haben, diese Zeichen nicht selbst im Sinn von Art 5 der RL 89/104 , sondern schaffe nur die technischen Voraussetzungen für eine solche Benutzung durch den Dritten. Diese Rechtsmeinung bedeute genau das Gegenteil der Rechtsausführungen des Berufungsgerichts in seinem Urteil vom 24. Jänner 2008. Die genannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs bildeten neue Beweismittel, deren Benützung im früheren Verfahren eine für die wiederaufnahmsklagenden Parteien günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten. Sie seien durch die Verweigerung der beantragten Vorlage ihres Falls an den Europäischen Gerichtshof an der Vorlage eines Gutachtens im Verfahren gehindert worden, welches zu einer anderen Entscheidung im Verfahren geführt hätte.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren zurück, die genannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs seien keine Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO.

Das Rekursgericht bestätigte die Klagezurückweisung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs im Hinblick auf die einheitliche oberstgerichtliche Judikatur nicht zulässig sei. Welche Fehler im Wege der Wiederaufnahmsklage geltend gemacht werden könnten, ergebe sich aus den Tatbeständen der §§ 530 und 531 ZPO, wozu die Unvereinbarkeit einer Entscheidung und ihrer Rechtsfolgen mit der materiellen Rechtslage nicht gehöre. Mit Wiederaufnahmsklage könne nur die Tatfrage, nie die Rechtsfrage von neuem aufgerollt werden. Ein rechtskräftiges behördliches Erkenntnis falle nicht unter den Begriff der „neuen Tatsachen oder Beweismittel“, wären doch sonst die Wiederaufnahmsgründe nach § 530 Abs 1 Z 5 und 6 ZPO überflüssig. Eine andere rechtliche Beurteilung sei daher für sich allein nicht geeignet, eine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel darzustellen. Auch die Qualifikation der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs als Rechtsgutachten führe zu keinem anderen Ergebnis, betreffe doch ein Rechtsgutachten ausschließlich Rechtsfragen und nicht Beweis- und Tatsachenfragen iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Der Europäischen Gerichtshofs habe zwar ausgesprochen, dass der in Art 10 EG verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit eine Verwaltungsbehörde auf einen entsprechenden Antrag hin verpflichte, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung Rechnung zu tragen. Dies aber nur, wenn die Behörde nach nationalem Recht befugt sei, diese Entscheidung zurückzunehmen, die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden sei, das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofs zeige, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhe, die erfolgt sei, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht worden sei, obwohl der Tatbestand des Art 234 Abs 3 EG erfüllt gewesen sei, und der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofs erlangt habe, an die Verwaltungsbehörde gewandt habe. Bei der Unterlassungsverpflichtung im wiederaufzunehmenden Verfahren habe es sich nicht um die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, sondern eines Gerichts gehandelt. Nach der für die ordentlichen Gerichte maßgeblichen Zivilprozessordnung (nationales Recht) könne ein Gericht seine eigene Entscheidung - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nur nach den Bestimmungen der §§ 529 ff ZPO beseitigen. Da somit die Gerichte - mit diesen Einschränkungen - nach nationalem Recht nicht befugt seien, ihre eigenen Entscheidungen zurückzunehmen, sei auch die von den Wiederaufnahmsklägern ins Treffen geführte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs C-453/00 ohne Belang.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger, mit dem sie die Aufhebung der Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage und den Auftrag zur Verfahrensfortsetzung anstreben, ist mangels Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Geltendmachung späterer inhaltlich anderer Europäischer Gerichtshofs-Entscheidungen als Wiederaufnahmsgrund zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Die Zurückweisung einer Wiederaufnahmsklage entspricht dem Ausnahmetatbestand des § 528 Abs 2 Z 2 letzter Halbsatz ZPO, weshalb auch die bestätigende Rekursentscheidung anfechtbar ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn die damit bekämpfte Entscheidung nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden könnte (vgl RIS-Justiz RS0116279), was hier aber im Hinblick auf den Streitwert des wiederaufzunehmenden Verfahrens nicht der Fall ist.

2. Ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, kann gemäß § 530 ZPO auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn ein strafgerichtliches Erkenntnis, auf welches die Entscheidung gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist (Z 5); wenn die Partei eine über denselben Anspruch oder über dasselbe Rechtsverhältnis früher ergangene, bereits rechtskräftig gewordene Entscheidung auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, welche zwischen den Parteien des wiederaufzunehmenden Verfahrens Recht schafft (Z 6); wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (Z 7).

Die auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung des im Vorprozess festgestellten Sachverhalts beruhende (angebliche) Unrichtigkeit der Entscheidung rechtfertigt eine Wiederaufnahme nicht. Insbesondere ist eine in einem anderen Prozess erfolgte abweichende rechtliche Beurteilung weder eine neue Tatsache noch ein neues Beweismittel. Gleiches gilt für Änderungen in der Rechtsprechung oder neue rechtswissenschaftliche Erkenntnisse (Jelinek in Fasching/Konecny² § 530 Rz 145 mwN).

Hat das Gericht eine Rechtsfrage daher selbst beurteilt, welche auch Gegenstand eines anderen Verfahrens war, dann bildet selbst eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung im wiederaufzunehmenden Verfahren ergangene anderslautende Entscheidung der anderen Behörde (des anderen Gerichts) keinen Wiederaufnahmsgrund (9 ObA 59/01v). Ein rechtskräftiges behördliches Erkenntnis fällt nicht unter den Begriff der „neuen Tatsachen oder Beweismittel“, wären doch sonst die Wiederaufnahmsgründe nach § 530 Abs 1 Z 5 und 6 ZPO überflüssig (4 Ob 155/02a = SZ 2002/103; 9 ObA 111/11f).

Der Oberste Gerichtshof sprach auch mehrfach aus, dass selbst zwei einander widersprechende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (nicht über denselben Anspruch) nicht die Wiederaufnahme eines der beiden Verfahren zu begründen vermögen. Eine andere rechtliche Beurteilung ist weder eine neue Tatsache noch ein neues Beweismittel iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO (RIS-Justiz RS0044756). Auch eine nach Schluss der Verhandlung ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs bezüglich einer vom Gericht im Vorprozess entschiedenen Vorfrage bildet keinen Wiederaufnahmsgrund (RIS-Justiz RS0044488).

Der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO setzt voraus, dass eine rechtskräftige präjudizielle Vorentscheidung, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, durch eine andere rechtskräftige Entscheidung aufgehoben worden ist. Der Wiederaufnahmsgrund liegt aber nicht vor, wenn nur eine präjudizielle Rechtsmeinung des Gerichts, auf die sich seine Entscheidung stützt, in der Folge in einer anderen rechtskräftigen Entscheidung nicht geteilt wird (RIS-Justiz RS0108294).

Der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 6 ZPO dient dem Schutz der Rechtskraft. Die früher ergangene Entscheidung muss im Zeitpunkt der Fällung des späteren Urteils bereits rechtskräftig gewesen sein, denn nur in einem solchen Fall kann die Rechtskraft einer Vorentscheidung verletzt worden sein. Es genügt nicht, dass das aufgefundene Urteil, das den Wiederaufnahmsgrund bilden soll, vor Eintritt der Rechtskraft der mit Wiederaufnahmsklage anzufechtenden Entscheidung rechtskräftig geworden ist (1 Ob 180/99y); das „aufgefundene Urteil“ muss schon vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz in Rechtskraft erwachsen sein (4 Ob 155/02a).

Es liegt daher nahe, auch die in einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Ausdruck gebrachte abweichende Rechtsansicht, die aber erst nach rechtskräftigem Abschluss des innerstaatlichen Verfahrens erlassen wurde, nicht als Wiederaufnahmsgrund anzusehen. Auch eine solche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bildet keine neue Tatsache oder ein neues Beweismittel.

Auch das Gemeinschaftsrecht gebietet - entgegen dem von den Wiederaufnahmsklägern vertretenen Standpunkt - keine andere Beurteilung. Der Europäische Gerichtshof hat in einer Reihe von Entscheidungen die Bedeutung der Rechtskraft betont. Zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege sollen nach Ausschöpfung des Rechtswegs und nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfrist unanfechtbar gewordene Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden (Rs C-224/01 - Köbler, RN 38 = ZfRV 2003, 228). Nach einer weiteren Entscheidung vom 16. März 2006 (Rs C-234/04 - Kapferer, RN 23 und 72) verpflichtet das Gemeinschaftsrecht ein nationales Gericht nicht, von der Anwendung von Vorschriften des nationalen Verfahrensrechts abzusehen und eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung zu überprüfen und aufzuheben, wenn es sich erweist, dass durch diese Entscheidung das Gemeinschaftsrecht verletzt wurde. Das nationale Gericht kann demnach eine gemeinschaftsrechtswidrige, aber materiell rechtskräftige Entscheidung nur dann aufheben oder abändern, wenn die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften dies ermöglichen (17 Ob 28/07b mwN; 4 Ob 118/06s; 8 Ob 17/12a).

Zum Außerstreitverfahren hat der Oberste Gerichtshof bereits darauf verwiesen, dass allfällige spätere abweichende Beurteilungen des Europäischen Gerichtshofs keinen Abänderungs- oder Wiederaufnahmsgrund für rechtskräftig abgeschlossene Zwangsstrafenverfahren bilden (6 Ob 253/11s; 6 Ob 261/11t).

Auch im Schrifttum wird betont, dass der Europäische Gerichtshof den hohen Rang des Instituts der Rechtskraft bestätigt und ihr für die konkret zu entscheidende Fallgestaltung den Vorrang gegenüber der Gemeinschaftsrechtskonformität nationaler Gerichtsentscheidungen zumisst. Er habe überdies außer Zweifel gestellt, dass eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung der nationalen Gerichte und Behörden zur Durchbrechung der Rechtskraft gerichtlicher wie auch der Bestandskraft verwaltungsbehördlicher Entscheidungen von einer ausdrücklichen Regelung in der nationalen Rechtsordnung abhängig sei (Ludwigs, Der Schutz der Rechtskraft im Gemeinschaftsrecht, ZfRV 2006/28 mwN).

Soweit die Klägerinnen aus der Entscheidung C-453/00 - Kühne & Heitz NV, ableiten wollen, dass die österreichischen Gerichte verpflichtet wären, auch über die Schranken des innerstaatlichen Verfahrensrechts hinaus dem Gemeinschaftsrecht auch ohne Beachtung der Rechtskraft innerstaatlicher Entscheidungen zum Durchbruch zu verhelfen, verkennen sie, dass es hier weder um eine Verwaltungsentscheidung geht noch die Gerichte nach österreichischem Recht befugt sind, diese außerhalb der Voraussetzungen der §§ 530 f ZPO „zurückzunehmen“.

Da eine vom Europäischen Gerichtshof nach Rechtskraft der nationalen Entscheidung in einem anderen Parteien betreffenden Verfahren vertretene unterschiedliche Rechtsansicht nicht unter die Wiederaufnahmsgründe der §§ 530 f ZPO subsumiert werden kann, ist die darauf gegründete Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens von vornherein unzulässig.

Davon abgesehen wird in Lehre und Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass eine nachträgliche Änderung der maßgebenden Rechtslage im Allgemeinen zwar keine den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsache iSd § 35 Abs 1 EO bildet, dies aber dann nicht gilt, wenn der Exekutionstitel in die Zukunft wirkt. Insoweit begründet eine Änderung der Rechtslage einen Oppositionsgrund (3 Ob 206/09d mwN). Der Verpflichtete kann gegen die Unterlassungsexekution nach § 355 EO geltend machen, sein im Exekutionsantrag behauptetes Verhalten sei nach nunmehr geltender Rechtslage zulässig (vgl 3 Ob 206/09d; 3 Ob 78/95).

Dem Revisionsrekurs der Klägerinnen war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

Wurde eine Wiederaufnahmsklage bereits vor Eintritt der Streitanhängigkeit zurückgewiesen, so ist das Rechtsmittelverfahren einseitig (9 ObA 111/11f). Die dessen ungeachtet eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Parteien ist daher als nicht zur zweckmäßigen Rechtsverteidigung notwendig nicht zu honorieren.

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