OGH 3Ob78/95(3Ob79/95)

OGH3Ob78/95(3Ob79/95)12.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Michael Graff und Mag.Werner Suppan, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) M***** Z***** GmbH & Co KG, 2.) M***** A***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Ewald Weiß, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 28.April 1994, GZ 5 R 246/93-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 20.August 1993, GZ 37 Cg 308/92-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 25.947,90 (darin enthalten S 4.324,65 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit den am 30.3.1989 vor dem Handelsgericht Wien abgeschlossenen Teilvergleichen verpflichteten sich die "D*****" Zeitschriften GmbH & Co KG und die "D*****" Zeitschriften GmbH zu 37 Cg 418/88 gegenüber der Erstbeklagten und zu 37 Cg 424/88 gegenüber der Zweitbeklagten, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Vertrieb der Druckschrift "D*****" zu unterlassen, unentgeltliche Zugaben in Form von medizinischen Teststreifen oder ähnlicher dem gleichen Zwecke dienender Hilfsmittel zur Prüfung der Gesundheit oder zum Zweck der Früherkennung von Krankheiten, insbesondere von Teststreifen für den Nitur-Test, Hemastix-Test, den Clinistix-Test und den Ugen-Test anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren.

Das Unternehmen der "D***** GmbH & Co KG ging gemäß § 142 HGB auf "D***** GmbH über, die als nun klagende Partei die Firma F***** GmbH führt.

Die Erstbeklagte überreichte am 9.10.1992 beim Handelsgericht Wien zu 37 Cg 418/88 den Antrag auf Bewilligung der Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen gemäß § 355 EO aufgrund des Teilvergleichs vom 30.3.1989 gegen die Klägerin. Sie brachte vor, daß das Ankündigen derartiger Zugaben nach wie vor dem Verbot unterliege, mag auch der Exekutionstitel im Hinblick auf den durch das Wettbewerbs-DeregulierungsG BGBl 1992/147 eingeführten § 9a UWG hinsichtlich des Anbietens und Gewährens obsolet geworden sein. Die Erstbeklagte habe gegen die Verpflichtung zur Unterlassung des Ankündigens unentgeltlicher Zugaben in Form von medizinischen Teststreifen oder ähnlichen dem gleichen Zweck dienenden Hilfsmittel zur Prüfung der Gesundheit oder zum Zweck der Früherkennung von Krankheiten dadurch verstoßen, daß sie am 7.10.1992 an Haushalte in Wien, insbesondere an Mario W***** in *****, durch die Post einen - dem Exekutionsantrag in Fotokopie integrierten - Folder habe verteilen lassen, der einen Speichel-Teststreifen zur Feststellung des pH-Wertes enthalten habe. In einer vierzeiligen Tabelle seien die pH-Werte von vier Tests einzutragen gewesen. In dem Folder sei angekündigt worden, daß die drei folgenden zum Ausfüllen der Tabelle benötigten Speichel-Teststreifen in der Zeitschrift "D*****" ab 4.10.1992, ab 21.10.1992 und ab 28.10.1992 enthalten seien. Laut Ankündigung dienten diese Teststreifen der Prüfung der Gesundheit oder der Früherkennung von Krankheiten. Derartige Teststreifen seien in Apotheken nur um einen die Geringwertigkeitsgrenze des § 9a Abs 2 Z 4 UWG um ein Vielfaches übersteigenden Betrag erhältlich; schon aus der Ankündigung gehe hervor, daß mehrere Teststreifen für Zusammenstellungen bestimmt seien. Es handle sich um keinen Reklamegegenstand, weil der Teststreifen selbst keinen Reklameaufdruck trage. Das Erfordernis, daß der Reklamegegenstand nicht verwendet werden könne, ohne daß die Aufmerksamkeit auf die auffallende Bezeichnung des werbenden Unternehmens gelenkt werde, sei daher nicht gegeben. Jedenfalls liege keine dauerhafte Bezeichnung des reklametreibenden Unternehmens im Sinn des Ausnahmetatbestandes des § 9a Abs 2 Z 3 UWG vor.

Das Handelsgericht Wien bewilligte mit Beschluß vom 9.10.1992 die beantragte Exekution, die vom Bezirksgericht Floridsdorf vollzogen wird, das mit Beschluß vom 3.11.1992, 9 E 12.016/92-1, eine Geldstrafe von S 20.000,-- verhängte.

Die Zweitbeklagte überreichte ebenfalls am 9.10.1992 beim Handelsgericht Wien zu 32 Cg 424/88 einen gleichlautenden Antrag auf Bewilligung der Exekution zur Erwirkung von Unterlassungen gemäß § 355 EO gegen die Klägerin aufgrund des Teilvergleichs vom 30.3.1989; das Handelsgericht Wien bewilligte mit Beschluß vom 9.10.1992 die beantragte Exekution, die vom Bezirksgericht Floridsdorf vollzogen wird, das mit Beschluß vom 3.11.1992, 9 E 12.017/92-1, die Zweitbeklagte mit ihrem Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe auf den Beschluß vom 3.11.1992, 9 E 12.016/92-1, verwies, weil dieser einen inhaltsgleichen Verstoß vom selben Tag zum Gegenstand habe.

Die Verpflichtete brachte gegen beide Exekutionsbewilligungen Impugnationsklagen mit dem Begehren auf Unzulässigerklärung der Exekutionen ein, und zwar zu 37 Cg 308/92 des Handelsgerichtes Wien gegen die Erstbeklagte wegen der zu 37 Cg 418/88 des Handelsgerichtes Wien bewilligten und zu 9 E 12016/92 des Bezirksgerichtes Floridsdorf vollzogenen Exekution sowie zu 37 Cg 309/92 des Handelsgerichtes Wien gegen die Zweitbeklagte wegen der zu 37 Cg 424/88 des Handelsgerichtes Wien bewilligten und zu 9 E 12017/92 des Bezirksgerichtes Floridsdorf vollzogenen Exekution.

Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden; führend ist das Verfahren 37 Cg 308/92.

In beiden Verfahren brachte die Klägerin vor, die Beklagten hätten zu Unrecht behauptet, daß die Klägerin dem Exekutionstitel zuwidergehandelt habe. Ein Verstoß gegen den Exekutionstitel sei nicht schlüssig behauptet worden und liege nicht vor. Erst nach Abschluß der Teilvergleiche vom 30.3.1989 sei das Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz am 1.4.1992 in Kraft getreten. Im Verhältnis zu Verbrauchern gelte das Zugabenverbot nur noch für das Ankündigen in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderer Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, nicht mehr aber für das Anbieten oder Gewähren. Der Teilvergleich stelle ausdrücklich auf "unentgeltliche Zugaben in Form von medizinischen Teststreifen etc" ab, verwende also den gesetzlichen Zugabenbegriff. Bei redlicher Vergleichsauslegung sei davon auszugehen, daß die Parteien die Unterlassungsverpflichtung jenen Wandlungen hinsichtlich der Zulässigkeit von Zugaben unterwerfen wollten, die der Gesetzgeber jeweils vorsieht. Es könne der Klägerin nicht unterstellt werden, daß sie sich mit dem Teilvergleich auch zur Unterlassung eines Verhaltens verpflichtet hätte, das im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses verboten war, inzwischen aber erlaubt ist. Der Teilvergleich habe kraft Gesetzes einen Inhaltswandel erfahren. Er könne als Exekutionstitel nur noch insoweit dienen, als das darin untersagte Verhalten auch nach neuem Zugabenrecht verboten wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall. Nach § 9a Abs 2 Z 3 UWG gelte das Zugabenverbot nicht für Reklamegegenstände, die als solche durch eine auffallend sichtbare und dauerhafte Bezeichnung des reklametreibenden Unternehmens gekennzeichnet sind. Die beanstandeten Teststreifen trügen in voller Dicke den Werbeaufdruck "D*****". Daß sich der Aufdruck auf der Umhüllung des Teststreifens befinde, entspreche einleuchtenden hygienischen und kommerziellen Notwendigkeiten. Ein Teststreifen ohne Verpackung wäre nicht handzuhaben. Andererseits könne die den Werbeaufdruck tragende Verpackung erst unmittelbar beim Gebrauch des Teststreifens beseitigt werden, weil sonst der Streifen seine Gebrauchsfähigkeit verlöre. Das Zugabenverbot gelte weiters nicht für geringwertige Zuwendungen. Es komme nach neuem Recht nicht mehr darauf an, ob es sich um eine Kleinigkeit handle oder nicht, sondern ausschließlich darauf, ob die Zugabe objektiv geringwertig ist. Dabei seien keine Überlegung über das Verhältnis des Wertes der Zugabe zum Wert der Hauptleistung anzustellen. Die objektive Geringwertigkeit sei gegeben; die Teststreifen kosteten pro Stück 44 Groschen.

Die Beklagten bestritten die Klagebegehren, beantragten kostenpflichtige Klagsabweisung und wendeten ein, der Ausnahmetatbestand der Geringwertigkeit der Zuwendung sei schon zur Zeit des Vergleichsabschlusses in Kraft gestanden. Gegenstand des betreffenden Verfahrens seien praktisch völlig gleichartige medizinische Teststreifen gewesen, bei denen es sich nicht um Speichel-, sondern um Harnteststreifen gehandelt habe. Wenn sich die Klägerin damals zur Unterlassung der Ankündigung geringwertiger Zugaben in Form medizinischer Teststreifen verpflichtet habe, ergebe die redliche Vergleichsauslegung, daß die Unterlassungsverpflichtung hinsichtlich des Ankündigens solcher Teststreifen ungeachtet deren allfälliger Geringwertigkeit rechtswirksam sei. Darüber hinaus sei eine Geringwertigkeit nicht gegeben. Nach dem Inhalt der Ankündigung sei es erforderlich gewesen, alle vier Teststreifen zu benützen, weil nur so ein umfassender und einigermaßen verläßlicher Befund erstellt werden konnte. Daraus folge aber, daß der Ausnahmetatbestand des § 9a Abs 2 Z 4 UWG nicht gegeben sei, weil die Teststreifen zur Zusammenstellung bestimmt sind und als "Paket" wegen des Zusammenhangs mit dem Aussagewert der Tests einen die Summe der Einzelwerte der Teststreifen erheblich übersteigenden Wert besitzen. Auch um einen Reklamegegenstand handle es sich nicht, weil die Kennzeichnung des Gegenstandes als Reklamegegenstand nicht mehr auffallend sichtbar, sondern auch dauerhaft sein müsse. Weiters müsse der Reklamegegenstand als solcher die Reklamebezeichnung tragen; hier trage nur die Umhüllung, nicht aber der Teststreifen selbst die Bezeichnung. Auch die Anbringung einer Kennzeichnung auf den Teststreifen selbst würde nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, weil der Teststreifen so klein sei, daß eine Kennzeichnung überhaupt nicht auffallen würde, und weil durch den Werbeaufdruck keinerlei Wertverringerung eintreten würde. Schließlich sei auch nicht gewährleistet, daß das Publikum den Teststreifen nur unter Verwendung oder Beibehaltung der Hülle verwendet.

Das Erstgericht wies beide Impugnationsklagen ab; es traf zu dem in den Exekutionsanträgen behaupteten Verstoß gegen den Exekutionstitel folgende Feststellungen:

Am 7.10. 1992 ließ die Klägerin in Wien durch die Post an Haushalte Folder verteilen, die einen Speichelteststreifen zur Feststellung des pH-Wertes und eine vierzeilige Tabelle enthielten, in der die pH-Werte von vier Tests einzutragen waren. In der Mappe wurde angekündigt, daß die drei folgenden Speichelteststreifen, die zum vollständigen Ausfüllen der Tabelle benötigt wurden, in den Ausgaben der von der Klägerin verlegten Wochenzeitschrift D***** vom 14.10.1992, 21.10.1992 und 28.10.1992 enthalten sind. Außerdem enthielt diese Broschüre folgende Aussage: "Mit dem Vierfach-Speicheltest können Sie herausfinden, wie es um Ihr persönliches Säurebasengleichgewicht steht: Ob Ihr Gewebe übersäuert oder zu alkalisch ist. Das heißt, ob die für Ihr Wohlbefinden und für Ihre Gesundheit erforderliche Harmonie in Ihrem Körper vorliegt." Die weißen Teststreifen selbst waren nicht bedruckt. Wohl aber trug ihre Umhüllung die auf den ersten Blick in die augenfallende Aufschrift "D*****".

Die Klägerin kaufte 50.000 Stück Teststreifen. Die Stückkosten betrugen etwa 44 Groschen. In der pH-Wert-Tabelle sollte der durch Division aller vier pH-Werte gewonnene durchschnittliche pH-Speichelwert eingetragen werden, wobei in der Tabelle der Vermerk enthalten war, daß der durchschnittliche pH-Wert Sondersituationen (Ernährung, Streß etc) ausschaltet und daher die tatsächliche Situation des Säure-Basenhaushalts zeigt.

Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, die Teststreifen würden durch den Aufdruck des Titels der von der Klägerin vertriebenen Wochenzeitung auf der Umhüllung nicht zu Reklamegegenständen. Weil sie ausschließlich Gebrauchsfunktion hätten und zum alsbaldigen (einmaligen) Gebrauch bestimmt seien, könnten sie die geforderte Werbefunktion nicht erfüllen. Es handle sich auch nicht um geringwertige Zuwendungen. Bei Zuwendungen handle es sich um Beigaben, die den Käufer einer Ware in die Lage versetzen, ein vermögenswertes Gut zu erwerben, indem etwa Gutscheine oder Lose beigelegt werden. Für die Beurteilung des Wertes einer Zugabe als geringwertig komme es nicht auf die Gestehungskosten an, sondern auf ihren Gebrauchs- bzw Verkehrswert. Daß dieser aber absolut geringwertig sei, habe die Klägerin weder behauptet noch bewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung der Klägerin dieses Urteil; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, jeweils S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei, "da eine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegt". Das Berufungsgericht führte rechtlich aus, Reklamegegenstände im Sinn des § 9a Abs 2 Z 3 UWG (entsprechend § 3 Abs 1 lit b ZugG) seien Gegenstände, meist Gebrauchsgegenstände, die dadurch der Werbung dienten, daß man sie nicht verwenden könne, ohne daß die Aufmerksamkeit auf die auffallende Bezeichnung des werbenden Unternehmens gelenkt werde. Eine derart auffallende Kennzeichnung mache den Gegenstand zum Werbegegenstand und vermindere damit seinen Verkehrswert. Bei dem von der Klägerin angekündigten Teststreifen sei die Werbeaufschrift nicht auf dem Gegenstand selbst, sondern bloß auf der Verpackung angebracht. Würde man der Ansicht der Klägerin folgen, daß ein Gegenstand zum Reklameartikel wird, wenn auf seiner Umhüllung oder Verpackung die Werbeaufschrift angebracht ist, so könnte jedes Zugabenverbot nahezu nach Belieben umgangen werden. Weiters müßten Reklamegegenstände durch eine auffallend sichtbare und dauerhafte Bezeichnung des reklametreibenden Unternehmens gekennzeichnet sein. Dies treffe dann nicht zu, wenn nur die Umhüllung oder Verpackung diese Kennzeichnung aufweise, weil die Umhüllung und damit die Kennzeichnung vor der Verwendung des Zugabegegenstandes regelmäßig entfernt werde. Ferner müsse ein Reklamegegenstand auch nach der Aushändigung noch geeignet sein, eine Werbefunktion zu erfüllen. Dies treffe bei Gegenständen nicht zu, die trotz der Aufschrift ausschließlich ein Gebrauchsfunktion - wie etwa Rasierklingen - erfüllen. Gerade bei der bestimmungsgemäßen Verwendung von medizinischen Teststreifen werde schon durch die Form der Anwendung nicht gleichzeitig mit der Verwendung Werbung betrieben. Überdies sei dem Abschluß der Vergleiche, welche die Exekutionstitel bilden, das Anbieten, Ankündigen und Gewähren von unentgeltlichen Zugaben in Form von medizinischen Teststreifen beim Vertrieb der Druckschrift "D*****" zugrundegelegen, weshalb die nunmehrige Ankündigung der Gewährung von Zugaben in Form von Speichel-Teststreifen ein Verhalten darstelle, das von den in den Vergleichen übernommenen Unterlassungsverpflichtungen erfaßt werde. Durch den Hinweis auf die Neuregelung der zugabenrechtlichen Bestimmungen durch das Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz sei für die Klägerin insofern nicht zu gewinnen, als die Ausnahmebestimmungen des § 3 Abs 1 lit b und c des ZugG nahezu gleichlautend unter § 9a Abs 2 Z 3 und 4 in das UWG übernommen worden seien. Der Umstand, daß nach § 9a Abs 2 Z 8 UWG bei erlaubten Gewinnspielen der Wert einer Teilnahmekarte S 5,-- erreichen könne, lasse nicht den Schluß zu, daß nunmehr auch für den Ausnahmetatbestand der Z 4 diese Wertgrenze maßgeblich sei. Auch wenn es den Tatsachen entsprechen sollte, daß die Gestehungskosten eines Teststreifens für die Klägerin nur 44 Groschen betragen, könnte dies zu keiner für die Klägerin günstigeren Entscheidung führen, weil für die Beurteilung des Wertes einer Zugabe nicht die Gestehungskosten sondern der Gebrauchswert oder der Verkehrswert maßgeblich sei und der angekündigte Test so angelegt sei, daß zu dessen Durchführung insgesamt vier Teststreifen erforderlich sind. Die von der Klägerin als Zugabe angekündigten Speichel-Teststreifen könnten daher nicht mehr als geringwertige Kleinigkeit im Sinn des § 9a Abs 2 Z 4 UWG angesehen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil zur Auswirkung einer Änderung der Rechtslage bei einem gerichtlichen Vergleich als Exekutionstitel Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; er ist jedoch nicht berechtigt.

Nach § 1 Z 5 EO sind Vergleiche, welcher über privatrechtliche Ansprüche vor Zivil- oder Strafgerichten abgeschlossen werden, Exekutionstitel im Sinn der EO, woraus sich - neben der Bereinigungs- und Prozeßbeendigungswirkung - die weitere Wirkung des gerichtlichen Vergleiches, nämlich die Vollstreckbarkeitswirkung, ergibt (Gitschthaler in Rechberger, ZPO, Rz 14 zu §§ 204 ff mwN). Der gerichtliche Vergleich ist somit - ebenso wie ein Unterlassungsurteil - ein echter Titel, auf Grund dessen unmittelbar Exekution geführt werden kann. Aus dieser Rechtsnatur des gerichtlichen Vergleiches ergeben sich auch die Rechtsbehelfe, wenn die dem Vergleich zugrundeliegenden rechtlichen oder tatsächlichen Umstände sich später wesentlich ändern. Der Verpflichtete hat die gleichen Möglichkeiten, die ihm auch gegen ein Unterlassungsurteil zustehen (vgl Völp, Änderung der Rechts- oder Sachlage bei Unterlassungstiteln, GRUR 1984, 486). Der Verpflichtete kann somit auch bei einer aufgrund eines Vergleiches als Exekutionstitels geführten Unterlassungsexekution (§ 355 EO) mit Impugnationsklage nach § 36 EO das Nichtvorhandensein der Voraussetzungen für den Bewilligungsbeschluß geltend machen.

Die Einwendungen der verpflichteten Partei beschränken sich hier nicht darauf, daß sie das im Exekutionsantrag konkret behauptete Verhalten nicht gesetzt hätte; sie macht vielmehr in den beiden Impugnationsklagen gleichlautend geltend, der Vergleich vom 30.3.1989 habe durch das Inkrafttreten des Wettbewerbs-DeregulierungsG mit 1.4.1992 einen Inhaltswandel erfahren; er könne als Exekutionstitel nur noch insoweit dienen, als das darin untersagte Verhalten auch nach neuem Zugabenrecht verboten wäre.

Wenn der Exekutionstitel im wesentlichen mit dem Wortlaut des Gesetzes übereinstimmt, kann die gesetzliche Bestimmung zur Auslegung des Exekutionstitels herangezogen werden (3 Ob 93/94; 3 Ob 8/94). In einem solchen Fall ist auch eine Änderung der Gesetzeslage bei der Unterlassungsexekution nach § 355 EO zu beachten. Ist das zunächst durch ein Gesetz verbotene Verhalten infolge Änderung oder Aufhebung des Gesetzes jetzt zulässig, dann darf die Unterlassung dieses Verhaltens nicht mehr erzwungen werden (ÖBl 1992, 176 zu durch Anbieten von Zugaben gegenüber Verbrauchern begangenen Verstößen; ÖBl 1991, 38 zur Aufhebung des § 3a NVG durch den VfGH; vgl auch Swoboda in ÖJZ 1994, 309 ff mwN). Das Gesagte gilt auch dann, wenn ein Vergleich den Exekutionstitel darstellt und die Unterlassungsverpflichtung einem gesetzlichen Verbot entspricht.

In einem solchen Fall kann nämlich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, daß nach dem Willen der Parteien gerade dasjenige Verhalten Inhalt des Vergleiches sein soll, das im Gesetz umschrieben wird. Ändert sich in der Folge die Gesetzeslage, so ist in ergänzender Vertragsauslegung (vgl JBl 1995, 173; SZ 62/4, SZ 60/42; JBl 1986, 721; JBl 1986, 197 ua; Binder in Schwimann Rz 108 zu § 914; Rummel in Rummel2 Rz 6 zu § 901; Koziol/Welser I10 92 mwN in FN 40) anzunehmen, daß die Änderung nach dem (hypothetischen) Willen der Parteien berücksichtigt werden soll. Ein gegenteiliger Parteiwille, daß eine Änderung der Rechtslage keinen Einfluß auf die im Vergleich übernommene Unterlassungsverpflichtung hätte, müßte ausdrücklich vorgebracht werden.

Auch dann, wenn ein Vergleich den Exekutionstitel bildet, führt die Änderung der von den Parteien dem Vergleich zugrundegelegten Rechtslage dazu, daß gegen ein nunmehr gesetzlich erlaubtes Verhalten nicht mehr mit Unterlassungsexekution nach § 355 EO vorgegangen werden kann. Demzufolge ist es dem Verpflichteten nicht verwehrt, geltend zu machen, sein im Exekutionsantrag konkret behauptetes Verhalten sei nach der nunmehr geltenden Rechtslage zulässig.

Hier enthält der Exekutionstitel das Verbot (unter anderem) des Ankündigens unentgeltlicher Zugaben in Form von medizinischen Teststreifen. Eine Prüfung, ob ein derartiges Verhalten nach der bei Schaffung des Exekutionstitels geltenden Rechtslage tatsächlich verboten war, ist im Rahmen der Exekution nach § 355 EO nicht zulässig; entsprechend dem Willen der Parteien bei Vergleichsabschluß stellte ein derartiges Verhalten einen Verstoß gegen das damals geltende Zugabenrecht dar.

Durch das Wettbewerbs- DeregulierungsG BGBl 1992/147 hat sich die Gesetzeslage nach dem nun geltenden § 9a UWG in den hier entscheidenden Punkten nicht geändert. Reklamegegenstände dürfen zwar nunmehr nicht bloß gewährt, sondern auch angekündigt (und angeboten) werden. Im übrigen hat der Gesetzgeber den Ausnahmetatbestand des § 3 Abs 1 lit b ZugG unverändert in § 9a Abs 2 Z 3 UWG übernommen (MR 1993, 233); die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung zur Frage, wann eine Zugabe als Reklamegegenstand zu beurteilen ist, gelten daher auch nach der neuen Rechtslage weiter.

Ein Reklamegegenstand dient in erster Linie als Werbeträger und ist deshalb in seinem Wert gemindert. Seine Kennzeichnung als Werbegegenstand muß so auffallend sein, daß man ihn nicht verwenden kann, ohne daß die Aufmerksamkeit des Benützers auf die Bezeichnung des werbenden Unternehmens gelenkt wird (MR 1993, 233; ÖBl 1978, 158; 4 Ob 1113/94 ua).

Damit ist es aber ausgeschlossen, den Teststreifen als Reklamegegenstand im Sinn des § 9a Abs 2 Z 3 UWG zu werten. Reklamegegenstände sind Gegenstände, die in erster Linie der Werbung dienen; die Werbung für das reklametreibende Unternehmen muß mit ihrem Gebrauch untrennbar verbunden sein und im Vordergrund stehen (MR 1993, 233; ÖBl 1992, 56).

Diese Voraussetzungen für die Beurteilung einer Zugabe als Reklamegegenstand im Sinn des § 9a Abs 2 Z 3 UWG sind hier nicht erfüllt. Teststreifen stellen selbst dann, wenn auf der Verpackung ein Reklameaufdruck zu sehen ist, schon deshalb keinen Reklamegegenstand dar, weil die Werbung für das reklametreibende Unternehmen gegenüber der Gebrauchsfunktion völlig zurücktritt.

Bei den Teststreifen handelt es sich auch nicht um geringwertige Kleinigkeiten im Sinn des § 9a Abs 2 Z 4 UWG, die bereits gemäß § 3 Abs 1 lit c ZugG vom Zugabenverbot ausgeschlossen waren. Hier liegt der Exekutionsführung ein Exekutionstitel mit dem Verbot des Ankündigens unentgeltlicher Zugaben in Form von medizinischen Teststreifen zugrunde. Ein relevanter Unterschied im Wert der Teststreifen, die Gegenstand des dem Vergleichsabschluß vorangehenden Verfahrens waren, und derjenigen, die den Gegenstand der Exekutionsanträge bildeten, wurde nicht behauptet. Es ist somit davon auszugehen, daß nach dem Willen beider Parteien das Ankündigen derartiger Testreifen vom Exekutionstitel erfaßt ist. Die Rechtslage hat sich hinsichtlich der in § 9 a Abs 2 Z 4 UWG genannten geringwertigen Kleinigkeiten nicht geändert, wehalb es beim Inhalt des den Exekutionstitel bildenden Vergleiches zu bleiben hat. Schon aus diesem Grund kann sich die verpflichtete Partei nicht erfolgreich mit Impugnationsklage gegen die Exekutionsführung zur Wehr setzen, weil sie in keiner Weise nachvollziehbar begründet, wieso das Ankündigen eben solcher Teststreifen nicht vom Zugabenverbot erfaßt sein soll. Überlegungen über die Berechnung des Wertes des Teststreifens können schon deshalb nicht angestellt werden, weil die Verpflichtete nicht vorgebracht hat, in welcher Weise sich die nun von ihr angekündigten Teststreifen von den im Exekutionstitel angeführten Teststreifen unterscheiden sollen.

Für die klagende Partei ist schließlich auch aus der Entscheidung ÖBl 1994, 168 nichts zu gewinnen. Abgesehen davon, daß es fraglich ist, ob die Erwägungen, die den Obersten Gerichtshof in dieser Entscheidung veranlaßt haben, die damals in der Zeitschrift eingeklebt gewesenen Wasserteststreifen nicht als Zugabe, sondern als Bestandteil der Zeitschrift anzusehen, auch für die hier strittigen medizinischen Teststreifen gelten, kommt die in dieser Entscheidung vertretene Rechtsansicht hier auf keinen Fall zum Tragen. Die Parteien haben nämlich Teststreifen, die mit den nunmehr zu beurteilenden vergleichbar sind, als Zugabe angesehen. Es hängt wie bereits erwähnt wurde, bei einem Vergleich allein vom Willen der Parteien ab, welcher Gegenstand der von ihnen vereinbarten Unterlassungspflicht unterliegen soll. Selbst wenn man die angeführte Entscheidung wie eine Änderung der Rechtslage behandelte, könnte dies nur bedeuten, daß ein ihr nachfolgendes Verhalten hievon betroffen wäre. Überdies könnte aus der Entscheidung nur eine Änderung des Inhalts des Vergleiches und damit eine Änderung im Tatsächlichen abgeleitet werden. Es könnte hierauf somit auch deshalb nicht Bedacht genommen werden, weil sie erst nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz erging. Unter diesen Umständen muß nicht weiter erörtert werden, ob die Entscheidung überhaupt geeignet ist, eine in einem Vergleich vereinbarte Unterlassungspflicht zu ändern.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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