OGH 6Ob113/11b

OGH6Ob113/11b14.9.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** P*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Flughafen Linz GesmbH, 4063 Hörsching, Flughafenstraße 1, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 31. März 2011, GZ 3 R 42/11h-19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 9. Februar 2011, GZ 1 Cg 46/10z-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage von Immissionen durch Fluglärm bei Überschreitung der Mindestflughöhe.

1. Nach § 2 LFG ist die Benützung des Luftraums durch Luftfahrzeuge und Luftfahrtgeräte im Fluge frei, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. Diese Legalservitut wirkt nach herrschender Ansicht (siehe 8 Ob 128/09w JBl 2011, 234 [Wagner] = RdU 2011/45 [Kisslinger] und die dort umfangreich zitierte Literatur) nur zugunsten der Flugzeughalter und nicht auch zugunsten der Flugplatzbetreiber.

Der Oberste Gerichtshof hat allerdings in der Entscheidung 8 Ob 128/09w „unter dem Aspekt des § 364 ABGB“ (worauf sich im vorliegenden Verfahren auch der Kläger stützt) klargestellt, dass dort, wo ein qualitativer Unterschied in der Belastung der von einem Flugplatz ausgehenden Start- und Landetätigkeit für nahe gelegene Grundstücke (im Gegensatz zur Lärmentwicklung, mit der man überall durch das Überfliegen von Flugzeugen rechnen muss) verbunden ist, nicht mehr von einer Abdeckung durch die erwähnte Legalservitut ausgegangen werden kann; er hat dabei ausdrücklich auf die nach § 9 LVR vorgeschriebenen Mindestflughöhen verwiesen. Nach dessen Abs 1 und 2 sind bestimmte Mindestflughöhen einzuhalten, die nach Abs 3 Z 1 unter anderem zum Zwecke des Abflugs und der Landung unterschritten werden dürfen (müssen); Zweck des § 9 LVR ist unter anderem die Vermeidung von Belästigungen durch unnötigen Lärm (vgl Abs 5).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen überfliegen die vom Flughaften Linz-Hörsching startenden Flugzeuge den in einer Entfernung von 14 km liegenden Ort Schleißheim, in dem der Kläger wohnt, in einer Höhe von 5.500 bis 7.000 ft, also einem Mehrfachen der Mindestflughöhen des § 9 Abs 1 und 2 Luftverkehrsregeln sowohl idF BGBl Nr 56/1967 als auch idF BGBl II Nr 80/2010. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass damit die Flugbewegungen über Schleißheim nicht mehr dem Flughafen Linz-Hörsching zugerechnet werden können, weil es sich nicht mehr um Abflüge iSd § 9 LVR handelt, ist daher durchaus vertretbar.

2. Die nunmehr über Schleißheim führende Abflugroute wird erst seit dem Frühjahr 2008 beflogen. Allerdings war der Ort auch davor, insbesondere an Wochenenden, von vom Flughafen Wels startenden Sportflugzeugen betroffen; auch Passagierflugzeuge überflogen, wenn auch selten, Schleißheim. Die Bewohner fühlten sich insbesondere im Jahr 2008 durch tief fliegende Passagierflugzeuge belästigt; zuletzt ist die Lärmbelästigung durch Flugzeuge jedoch auch für sie zurückgegangen, weil die Flugzeuge nicht mehr extrem tief den Ort überfliegen. Auf ein Jahr umgerechnet, überfliegen durchschnittlich 1,7 Luftfahrzeuge täglich den Ort. Der Kläger ist seit 1997 Eigentümer der von ihm bewohnten Liegenschaft; der Flughafen Linz-Hörsching wurde bereits als Zivilflughafen betrieben.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0112502) müssen sich neu hinzukommende Nachbarn grundsätzlich mit der im Gebiet vorherrschenden Immission abfinden, zumal in immissionsbelasteteren Gebieten auch die Grundstückspreise entsprechend niedriger sind. Dies gilt auch dann, wenn im Zeitpunkt des Liegenschaftserwerbs eine Zunahme der Immissionen objektiv bereits voraussehbar war (2 Ob 57/09k ecolex 2010, 1033 [Pestal-Czedik-Eysenberg/Bernegger]). Bei gesundheitsschädlichen Immissionen (auf solche beruft sich der Kläger im vorliegenden Verfahren) besteht eine Duldungspflicht zwar nur dann, wenn die Duldung in Kenntnis der Gesundheitsschädlichkeit erfolgt; dabei ist nicht subjektiv auf den Kenntnisstand des Erwerbers abzustellen, sondern darauf, ob einem durchschnittlich sorgfältigen Erwerber die Gesundheitsschädlichkeit der Immission erkennbar gewesen wäre. Ist dies der Fall, dann muss der Erwerber auch eine gesundheitsschädliche Immission als ortsüblich dulden. Das Abstellen auf den durchschnittlich sorgfältigen Erwerber bedeutet aber nicht, dass gesundheitsschädliche Immissionen ortsüblich sein könnten; es besteht lediglich eine Duldungspflicht in dem Sinn, dass der Erwerber einer von Immissionen betroffenen Liegenschaft auf eigene Gefahr handelt und deshalb jene Nachteile, die aus der Immission erfolgen, hinnehmen muss (2 Ob 7/00v). Dem Kläger obliegt es dabei zu behaupten und zu bescheinigen, dass auch einem durchschnittlich verständigen Erwerber die Gesundheitsschädlichkeit nicht erkennbar gewesen sei (2 Ob 57/09k).

Diese zuletzt zu einer Eisenbahnanlage vertretenen Grundsätze (2 Ob 57/09k) lassen sich zwanglos auch auf Flugplätze anwenden. Für einen „durchschnittlich sorgfältigen Erwerber“ einer in einem Abstand von 14 km zu einem Stadtflughafen situierten Liegenschaft wäre es durchaus vorhersehbar gewesen, dass dessen Immissionen nicht nur üblich (voraussehbar, normal) zunehmen, sondern sich auch plötzlich verändern können (siehe wiederum 2 Ob 57/09k), etwa durch die Neuanordnung von Flugrouten; Gegenteiliges macht der Kläger im Revisionsverfahren jedenfalls nicht geltend.

Im Übrigen erscheint die von den Vorinstanzen festgestellte Überflugsfrequenz von nicht einmal zwei Flugzeugen täglich unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit und vor dem Hintergrund, dass bereits vor 2008 Flugverkehr über Schleißheim stattfand, nicht auffällig.

3. Damit war die Revision zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

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