OGH 5Ob162/10z

OGH5Ob162/10z24.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1.) Univ.‑Prof. DI Dr. Winfried B*, 2.) Dr. Melanie S*, ebendort, beide vertreten durch Dr. Michael Brunner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1.) Carola S*, 2.) Rudolf W*, beide vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. Juni 2010, GZ 40 R 248/09f‑13, womit infolge Rekurses der Antragsteller der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 6. Oktober 2009, GZ 20 Msch 6/09i‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:E96325

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Antragsteller sind schuldig, den Antragsgegnern die mit 368,14 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 61,35 EUR USt) und die mit 427,24 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 71,20 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragsteller und die Antragsgegner sind Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft * in *. Die beiden Antragsteller sind jeweils Wohnungseigentümer nebeneinander liegender Wohnungen, und zwar der Erstantragsteller der Wohnung top Nr 5 und die Zweitantragstellerin der Wohnung top Nr 4. Zwischen diesen beiden Wohnungen besteht ein Wanddurchbruch im Ausmaß von 58 x 190 cm, wodurch eine Verbindungstüre geschaffen wurde. Die Stärke der Wand, in der sich der Türdurchbruch befindet, beträgt 8 cm.

Mit Bescheid vom 3. 4. 1998 hat die MA 37 die „Zusammenlegung der Wohnungen 4 und 5“ nachträglich zur Kenntnis genommen.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehren die beiden Antragsteller, die Antragsgegner gemäß § 16 Abs 2 Z 1 WEG zur Zustimmung zu dieser baulichen Änderung zu verpflichten bzw deren Zustimmung zu ersetzen.

Die Antragsteller hätten ihre Miteigentumsanteile im Jahr 1979 vom Wohnungseigentumsorganisator erworben, wobei die nebeneinander liegenden Wohnungen top 4 und 5 aus Finanzierungsgründen verschieden bezeichnet worden seien. Im Zeitpunkt der Wohnungserrichtung bzw des Kaufs seien die Wohnungen top 4 und 5 bereits zusammengelegt gewesen, eine Verbindungstür habe bereits existiert und sei Bestand des Kaufvertrags gewesen. Vertragsgegenstand seien zwei miteinander verbundene und zusammengehörige Wohnungseigentumsobjekte als Einheit gewesen, wobei durch die getrennte Bezeichnung die Trennung der Verbindung jederzeit möglich sei. Es sei grundlegende Absicht der Vertragsparteien gewesen, dass die Wohnungen top 4 und 5 als Einheit oder getrennt, je nach den Vorstellungen und dem Belieben der/des jeweiligen Wohnungseigentümers, genutzt werden könnten. Die Herstellung habe nicht dem Baukonsens entsprochen, weshalb die Antragsteller bei der Baubehörde den Bescheid vom 3. 4. 1998 erwirkt hätten, mit dem die Zusammenlegung zur Kenntnis genommen worden sei.

Allgemeine Teile des Hauses seien von dem Durchbruch nicht betroffen. Soweit es sich nicht um tragende Wände des Hauses handle und keine Störung der anderen Mit‑ und Wohnungseigentümer damit verbunden sei, stehe es jedem Mit‑ und Wohnungseigentümer frei, Wände im Inneren seines Wohnungseigentumsobjekts zu verändern bzw zu versetzen. Der Wanddurchbruch sei somit im Rahmen des Nutzungsrechts der Wohnungseigentümer gemäß § 16 Abs 1 WEG und damit berechtigterweise erfolgt. Es werde weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdigender Interessen anderer Wohnungseigentümer dadurch bewirkt. Ebensowenig bestehe eine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen oder Sachen.

Auf die Nutzwertfestsetzung habe der Wanddurchbruch keinen Einfluss.

In dem zwischen den Parteien geführten Verfahren 26 Cg 130/08s des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien sei jedoch die Rechtsansicht vertreten worden, dass eine derartige Verbindung von Wohnungen der Zustimmung sämtlicher Mit‑ und Wohnungseigentümer bedürfe. Die Antragsteller seien daher zur Führung des gegenständlichen Verfahrens genötigt. Die Antragsgegner hätten von der Zusammenlegung der Wohnungen von jeher gewusst. Sie seien schuldig, ihre Zustimmung zur Verbindung der Wohnungen zu erteilen.

Die Antragsgegner beantragten die Abweisung des Antrags und bestritten ihre Verpflichtung, der Änderung nach § 16 Abs 2 WEG zuzustimmen. Der faktisch hergestellte Zustand entspreche nicht den Vereinbarungen im Wohnungseigentumsvertrag. Auch hätten sie erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt von der Zusammenlegung der Wohnungen Kenntnis erlangt. Jedenfalls entspreche es nicht der Übung des Verkehrs, durch einen Wanddurchbruch vertrags‑ und gesetzwidrig aus zwei Wohnungen mit verschiedenen Eigentümern eine einzige Wohnung herzustellen. Dass eine solche Zusammenlegung den Antragstellern eine höhere Wohnqualität bringe, sei unstrittig, jedoch nicht ausschlaggebend. Entscheidend sei, dass nur unter der Voraussetzung der Begründung einer Eigentümerpartnerschaft zwischen den Antragstellern eine solche Wohnungszusammenlegung zulässig sei. Die baubehördliche Zustimmung zu dieser Zusammenlegung sei irrelevant, weil die Baubehörde wohnungseigentumsrechtliche Fragen weder zu entscheiden noch zu beachten habe.

Das Erstgericht wies das Änderungsbegehren ab.

Ausgehend von den einleitend wiedergegebenen Feststellungen erachtete es in rechtlicher Hinsicht, dass die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 Z 1 und 2 WEG nur dann vorlägen, wenn die zu verbindenden Wohnungseigentumsobjekte im Wohnungseigentum ein‑ und desselben Wohnungseigentümers stünden. Durch die Verbindung der zwei Wohnungen werde jedenfalls die bauliche Abgeschlossenheit der beiden Objekte beseitigt, sodass aus zwei Wohnungseigentumsobjekten eines werde. Die Antragsteller strebten also im Ergebnis die Herstellung einer Wohnung an, an der Miteigentum verschiedener Personen bestehe, ohne dass diese durch eine Eigentümerpartnerschaft verbunden wären.

Die Genehmigung des bestehenden Zustands sei somit aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

Dem dagegen von den Antragstellern erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und änderte den erstinstanzlichen Sachbeschluss im Sinne einer Stattgebung des Zusammenlegungsbegehrens ab.

Dabei ging das Rekursgericht von der unbestritten gebliebenen Behauptung der Antragsteller aus, sie hätten die Wohnungen bereits im zusammengelegten Zustand erworben. Durch die Belassung des ursprünglichen Zustands würden jedenfalls wichtige Interessen der Antragsgegner nicht verletzt, während es durchaus einem wichtigen Interesse der Antragsteller entspreche, die gewünschte Annehmlichkeit so zu erhalten, wie sie im Erwerbszeitpunkt vorgelegen sei. Die Antragsgegner könnten die Zustimmung zu einem Zustand, den die Antragsteller nicht selbst hergestellt hätten, auch nicht unter Berufung auf § 16 WEG verweigern. Mit einer aufwendigen vertikalen Verbindung, wie sie Gegenstand des Verfahrens 5 Ob 57/93 gewesen und dort abgelehnt worden sei, sei der vorliegende Fall nicht zu vergleichen, sollten doch weiterhin zwei Wohnung bestehen bleiben. Das habe zur Genehmigung des bereits vorhandenen Zustands zu führen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil entscheidungswesentlich nur Umstände des Einzelfalls seien.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Antragsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsteller haben von der ihnen eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Revisionsrekursbeantwortung zu erstatten, und darin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegner ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Er ist im Sinn des Begehrens auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses auch berechtigt.

Eine Wohnung iSd § 2 Abs 2 WEG ist ein baulich abgeschlossener, nach der Verkehrsauffassung selbständiger Teil eines Gebäudes, der geeignet ist, der Befriedigung eines individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen. Die Regelung des § 2 Abs 2 WEG ist zwingend, sodass Nutzwertfestsetzungen und Grundbuchseintragungen, die dagegen verstoßen, nichtig sind (vgl RIS‑Justiz RS0111284 [T5]). Diese Begriffsumschreibung einer „Wohnung“ hat das WEG 2002 der ständigen Rechtsprechung entnommen (vgl Würth in Rummel 3 Rz 8 zu § 2 WEG). Schon bisher war nach der Verkehrsauffassung und höchstgerichtlicher Rechtsprechung für den Begriff „Wohnung“ die Selbständigkeit und Abgeschlossenheit eines Teils eines Gebäudes mit der Eignung, auf Dauer individuelle Wohnbedürfnisse zu befriedigen, maßgeblich (vgl RIS‑Justiz RS0060945; RS0069338). Trennwände zwischen Wohnungseigentumsobjekten wurden stets als allgemeine Teile der Liegenschaft gewertet (vgl RIS‑Justiz RS0110785; RS0082890 [T1]; 5 Ob 297/98g = MietSlg 51.520).

Eine durch Baumaßnahmen, insbesondere Wanddurchbrüche hergestellte Zusammenlegung zweier Wohnungen bewirkt, dass deren bauliche Abgeschlossenheit verloren geht (vgl idS zu § 9 MRG: 5 Ob 156/00b = JBl 2001, 62, in welcher Entscheidung auch die wohnungseigentumsrechtliche Problematik angesprochen wird; 5 Ob 2350/96s = immolex 1997/86 mit Anm Ferstel: Zusammenlegung nach § 9 MRG bei Mieteridentität; Prader, Zur Frage der Abgeschlossenheit eines WE‑Objekts, immolex 2008, 204).

Die Rechtsprechung hat die Genehmigung der Zusammenlegung von Wohnungen unterschiedlicher Wohnungseigentümer zu einer einzigen Wohnung abgelehnt (5 Ob 57/93 = JBl 1994, 547; 5 Ob 38/08m = Zak 2008/764, 436), weil durch eine solche Änderung ein Gesamtobjekt geschaffen würde, an dem zwei unterschiedlichen Personen Wohnungseigentumsrechte zukämen. Ein solches Ergebnis widerspräche dem in § 12 WEG ‑ mit Ausnahme der Eigentümerpartnerschaft nach § 13 WEG ‑ normierten Grundsatz der Unteilbarkeit eines Mindestanteils. Ein gemeinsames Eigentum zweier Personen an einem Mindestanteil ist nur unter der Voraussetzung der Begründung einer Eigentümerpartnerschaft zulässig.

Die Beurteilung des Erstgerichts, wonach im Anlassfall der Wanddurchbruch nach der Verkehrsauffassung die Aufhebung der Selbständigkeit der beiden Wohnungseigentumsobjekte bewirkt, ist nicht zu beanstanden. Daraus folgt das aus der wiedergegebenen Rechtsprechung abzuleitende Ergebnis, dass die Durchsetzung eines wohnungseigentumsrechtlichen Grundsätzen widersprechenden Ergebnisses im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG nicht möglich ist.

Vertragliche Ansprüche sind im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG unbeachtlich, weil sie gerade nicht genehmigungspflichtig wären (vgl 5 Ob 380/97m = MietSlg 49.498; 5 Ob 402/97x = MietSlg 49.500; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet‑ und Wohnrecht21 Rz 12 zu § 16 WEG). Das hat das Rekursgericht verkannt, wenn es ‑ im Übrigen ohne dass die Vertragslage wirklich geprüft worden wäre - ein wichtiges Interesse der Antragsteller mit der Begründung bejahte, den Antragstellern stehe es zu, die miterworbene Annehmlichkeit auch so zu erhalten.

In Stattgebung des Revisionsrekurses hatten diese Erwägungen zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses zu führen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.

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