OGH 2Ob217/08p

OGH2Ob217/08p29.4.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ilse L*****, vertreten durch Dr. Alfred Pribik, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ *****, vertreten durch Dr. Josef Schima, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1.) Franz K*****, vertreten durch Dr. Günther Neuhuber und Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwälte in Wien, und 2.) Peter W*****, vertreten durch Dr. Karl Zach, Rechtsanwalt in Wien, wegen 71.493,65 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juni 2008, GZ 15 R 119/08t-31, womit infolge der Berufungen der beklagten Partei und des ersten Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei das Zwischenurteil des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 17. März 2008, GZ 27 Cg 143/06a-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass sie zu lauten haben:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 71.493,65 EUR samt 4 % Zinsen seit 1. 3. 2004 zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zu Recht."

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin kam am 11. 1. 2004 gegen 10:30 Uhr auf einem eisglatten Gehweg innerhalb der Wohnanlage der beklagten Eigentümergemeinschaft in Perchtoldsdorf zu Sturz und brach sich die Hand. Der Gehweg war nicht gestreut, obwohl es am Vortag vom späten Vormittag an bis Mitternacht geregnet hatte und der Niederschlag gefroren war.

Die Verwalterin der Eigentümergemeinschaft hatte mit der Besorgung des Winterdienstes auf der Liegenschaft den selbstständigen Unternehmer Franz K***** (in der Folge: erster Nebenintervenient) beauftragt. Diesem oblagen sämtliche Pflichten „nach § 93 StVO". Anlässlich des Vertragsabschlusses wurde ihm ein Lageplan ausgefolgt und erklärt, worauf er besonders Acht geben müsse. Ansonsten blieb es dem ersten Nebenintervenienten überlassen, wie er die Ausführung der ihm übertragenen Aufgaben organisiert. Das zu betreuende Areal umfasste die Gehsteige entlang und die Gehwege innerhalb der Wohnanlage mit einer Gesamtlänge von ca 850 m. Der erste Nebenintervenient teilte sich die Arbeiten mit seinem Mitarbeiter Peter W***** (in der Folge: zweiter Nebenintervenient) dahin auf, dass Letzterer alle Gehsteige, Wege und Stiegen und er selbst die Garagenzufahrten vom Schnee zu räumen und zu bestreuen hatte. Dem zweiten Nebenintervenienten stand ein mit einer Räumschaufel ausgestattetes Streufahrzeug zur Verfügung, mit welchem die Gehsteige und Wege befahren werden konnten. Die Stiegen und die Hauseingangsbereiche mussten händisch gestreut werden. Die Räumung und Streuung des gesamten Areals dauerte bei dieser Aufgabenverteilung ca 6 Stunden; wenn nur zu streuen war, benötigten die Nebenintervenienten ca 4 bis 4 ½ Stunden. Es kam auch immer wieder vor, dass das Streugut den Trichter des Streufahrzeugs verstopfte und es dem zweiten Nebenintervenienten nicht mehr gelang, die Streuvorrichtung in Gang zu bringen. In diesen Fällen musste er alle Bereiche händisch streuen, wodurch der gesamte Räum- und Streuvorgang noch mehr Zeit in Anspruch nahm. Der zweite Nebenintervenient wurde vom ersten Nebenintervenienten jeweils angewiesen, wann er zu räumen habe. Vor dem Unfalltag wurde die Anlage zuletzt am 7. oder 8. 1. 2004 geräumt und gestreut.

Der letzte ergiebige Schneefall vor dem Unfall war am 7. 1. 2004. In der Nacht vom 9. auf den 10. 1. 2004 setzte unergiebiger Schneefall ein. Am Morgen des 10. 1. 2004 war es kalt und niederschlagsfrei mit Lufttemperaturen um -7°C. Am späten Vormittag setzte Niederschlag ein, zunächst in Form von Schnee bzw Schneegriesel. Dann wurde es rasch wärmer und der Niederschlag ging in Regen über. Die Lufttemperaturen erreichten am frühen Nachmittag +3 bis +4°C. Gegen Mitternacht hörte der Regen auf, die zweite Nachthälfte war trocken. Ab den frühen Morgenstunden des 11. 1. 2004 lockerte die Bewölkung auf, es wurde sonnig. Um ca 10:30 Uhr lag die Lufttemperatur bei +2°C, die Oberflächentemperatur der Gehwege lag noch knapp unter dem Gefrierpunkt. Aufgrund des Regens vom Vortag war die Unfallstelle in der Wohnanlage der beklagten Partei eisglatt. Dennoch wurde kein Winterdienst durchgeführt und in der Anlage nicht gestreut.

Die Klägerin war am Morgen des 11. 1. 2004 mit ihrem Hund zu einer langen Wanderung aufgebrochen. Sie trug Wanderschuhe mit griffigen Sohlen und hatte keine Probleme, sich auf den Wegen und Straßen fortzubewegen. Auf dem Rückweg näherte sie sich der Unfallstelle auf dem Gehsteig des Kaisersteigs entlang der Wohnanlage der beklagten Partei. Sie entschied sich für einen ihr bekannten „Verbindungsweg", der vom Kaisersteig in das Innere der Wohnanlage und von dort zur Beethovenstraße führt. Dieser „Verbindungsweg" ist „öffentlich", nicht als Privatweg gekennzeichnet und wird von einer Vielzahl von Personen benützt. Er war zur Unfallszeit nicht schneebedeckt und links und rechts von Schneehaufen gesäumt. Für die Klägerin war nicht erkennbar, dass die Sturzstelle spiegelglatt war. Sie rutschte auf dem Glatteis aus und stürzte auf das Gesäß und die rechte Hand.

Die Klägerin begehrt mit ihrer gegen die Eigentümergemeinschaft gerichteten Klage, „die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand" schuldig zu erkennen, ihr 71.493,65 EUR sA an Schadenersatz zu zahlen. Sie brachte vor, der von der Verwalterin mit dem Winterdienst betraute erste Nebenintervenient sei am Unfallstag seinen Pflichten nicht nachgekommen. Bei ordnungsgemäßer Überwachung des zweiten Nebenintervenienten wäre für ihn erkennbar gewesen, dass dieser die ihm übertragenen Arbeiten vernachlässige. Die gesamte „Räumungstechnik" und die zwischen der Verwalterin und dem ersten Nebenintervenienten getroffenen Vereinbarungen seien unzureichend gewesen, um eine sichere Begehung der Wege und Gehsteige auf dem mehr als 30.000 m2 großen Areal zu gewährleisten.

Die beklagte Partei und die an deren Seite beigetretenen Nebenintervenienten wandten ein, die Klägerin habe sich anstatt der öffentlichen Wege eines „Abschneiders" innerhalb der Wohnanlage bedient, wo eine Streupflicht nach § 93 StVO nicht bestehe. Der Unfall sei auf die eigene Sorglosigkeit der Klägerin zurückzuführen, weil sie ohne zwingenden Grund einen erkennbar nicht gestreuten Weg innerhalb der Anlage betreten habe. Im Übrigen habe die Verwalterin den ersten Nebenintervenienten mit der Liegenschaft vertraut gemacht und ihn auf die besonders gefährlichen Stellen hingewiesen. Der erste Nebenintervenient habe die Schneeräumung auch tadellos durchgeführt, ohne dass jemals Klagen aufgetreten seien. Die beklagte Partei treffe kein Verschulden am Unfall der Klägerin.

Das Erstgericht entschied mit Zwischenurteil, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es ging vom eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Sachverhalt aus und vertrat die Ansicht, die beklagte Partei habe für den ersten Nebenintervenienten als Besorgungsgehilfen gemäß § 1315 ABGB einzustehen. Dieser habe die ihm gemäß § 93 Abs 5 StVO übertragenen Pflichten grob fahrlässig verletzt. Daraus sei seine „habituelle" Untüchtigkeit abzuleiten. Wenn die Schädigung durch eine Unterlassung verursacht worden sei, habe der Schädiger zu beweisen, dass er für die erforderliche Überwachung des Besorgungsgehilfen gesorgt habe. Die von der beklagten Partei beauftragte Verwalterin habe aber nicht einmal stichprobenhaft überprüft, ob der erste Nebenintervenient den Winterdienst ordnungsgemäß versehen habe und sich darauf verlassen, dass es allenfalls zu Reklamationen der Bewohner kommen werde. Die Sturzstelle hätte gestreut werden müssen, da sie auf einem von der Allgemeinheit benützten „Verbindungsweg" zwischen den öffentlichen Straßen Kaisersteig und Beethovengasse gelegen sei. Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht vorzuwerfen.

Das von der beklagten Partei und dem ersten Nebenintervenienten angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Es erörterte rechtlich, die Klägerin habe sich ausschließlich auf die Haftungsgrundlage des § 93 StVO gestützt. Diese Vorschrift richte sich an Anrainer, also an die Eigentümer von den dem öffentlichen Verkehr dienenden Flächen angrenzenden Liegenschaften. Dementsprechend beziehe sie sich auf eine öffentliche Verkehrsfläche für den Fußgängerverkehr, die an eine einheitliche Grundfläche anschließe. Auf die Eigentumsverhältnisse komme es hingegen nicht an. Die Entscheidung 8 Ob 93/04s besage zwar, dass die Streupflicht nach § 93 Abs 1 StVO nicht für innerhalb der Liegenschaft zum Haus führende Wege gelte. Aus 2 Ob 156/05p ergebe sich jedoch, dass eine Streupflicht auch dann bestehe, wenn der dem allgemeinen Fußgängerverkehr dienende Gehsteig nicht „entlang" der Liegenschaft verläuft. Laut 2 Ob 26/06x werde die Anrainereigenschaft nicht schon zwingend dadurch ausgeschlossen, dass ein Gehweg und die daran angrenzende Grundfläche auf ein- und demselben Grundstück gelegen seien. Für die Anwendbarkeit des § 93 StVO sei somit nur vorausgesetzt, dass entlang bzw neben einer zusammenhängenden Grundfläche ein Gehsteig oder ein sonstiger für den allgemeinen Fußgängerverkehr bestimmter Gehweg vorhanden sei. Der von der Klägerin benützte „Verbindungsweg" dürfe von jedermann ohne Einschränkung begangen werden und sei für den allgemeinen Fußgängerverkehr bestimmt. Es handle sich daher um eine öffentliche Verkehrsfläche für den Fußgängerverkehr im Sinne des § 93 Abs 1 StVO. Da die spiegelglatte Sturzstelle 3 bis 4 Tage lang nicht gestreut und der Winterdienst am Unfallstag trotz des vortägigen Regens überhaupt nicht verrichtet worden sei, liege eine Verletzung der Streupflicht nach dieser Gesetzesstelle vor.

Die beklagte Partei habe durch ihre Verwalterin die Streupflicht gemäß § 93 Abs 5 StVO an den ersten Nebenintervenienten, einen weisungsfreien selbstständigen Unternehmer, übertragen. Dieser sei kein Besorgungsgehilfe, eine Haftung nach § 1315 ABGB scheide daher aus. Ein Liegenschaftseigentümer hafte in solchen Fällen nur für eigenes Verschulden, das in der mangelhaften Instruktion des Unternehmers oder in der Vernachlässigung der gebotenen Überwachung bestehen könne. Sonst komme noch ein Auswahlverschulden in Betracht. Im vorliegenden Fall wäre die beklagte Partei gehalten gewesen, die Organisationsstruktur des ersten Nebenintervenienten zumindest grob zu überprüfen. Sie hätte sich insbesondere nach der Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter erkundigen müssen und daraus erkennen können, dass der für die Räumung und Streuung sämtlicher Wege, Gehsteige und Stiegen vorgesehene Ein-Mann-Betrieb nicht genüge, um der Räum- und Streupflicht in angemessener Zeit nachzukommen. Für die beklagte Partei wäre demnach erkennbar gewesen, dass der erste Nebenintervenient mangels geeigneter Organisationsstruktur die übernommenen Pflichten nach § 93 Abs 1 StVO nicht ordnungsgemäß erfüllen könne. Dazu komme, dass die Verwalterin den ersten Nebenintervenienten, obwohl dieser die erste Saison mit dem Winterdienst betraut gewesen sei, nicht einmal stichprobenartig überprüft und die ihr zumutbare Mindestkontrolle unterlassen habe.

Daraus folge insgesamt, dass die beklagte Partei hinsichtlich der vom ersten Nebenintervenienten als selbstständigem Unternehmer verletzten Streupflicht im Sinne des § 93 Abs 1 und 5 StVO die schuldhafte Verletzung ihrer Überwachungspflichten zu verantworten habe. In der Rechtsprechung sei die Deliktshaftung der Eigentümergemeinschaft im Bereich der §§ 1319 und 1319a ABGB bereits anerkannt; dies müsse auch für die vergleichbare Haftung nach § 93 StVO gelten. Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht anzulasten.

Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem (sinngemäßen) Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil es einer Klarstellung der Rechtslage durch den Obersten Gerichtshof bedarf; sie ist aber nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Im Übrigen macht die beklagte Partei geltend, sie habe die Räum- und Streupflicht gemäß § 93 Abs 5 StVO durch ihre Verwalterin auf den ersten Nebenintervenienten übertragen. Sie habe sich dabei weder einer untüchtigen noch wissentlich einer gefährlichen Person bedient und habe auch kein Überwachungsverschulden zu verantworten. Es müsse genügen, einen in der Branche nicht negativ beschriebenen Gewerbebetrieb über den Umfang der zu verrichtenden Arbeiten genau zu instruieren und die Erbringung der Leistungen durch die in der Anlage wohnhaften Wohnungseigentümer und sonstigen Nutzer der Wohnungen laufend kontrollieren zu lassen. Die Klägerin sei überdies nicht auf einem dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehweg zu Sturz gekommen, sondern auf einem erkennbar der Wohnanlage zugehörigen Privatweg. Auch aus diesem Grund bestehe keine Haftung nach § 93 StVO.

Hiezu wurde erwogen:

1. Die Eigentümergemeinschaft ist gemäß § 2 Abs 5 WEG 2002 (in der hier maßgeblichen Fassung vor der WRN 2006) in dem durch § 18 Abs 1 WEG umschriebenen Umfang eine juristische Person. Gemäß § 18 Abs 1 Satz 1 WEG kann die Eigentümergemeinschaft in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden. Der Eigentümergemeinschaft sind nicht Eigentumsrechte, sondern bloß Verwaltungsrechte zugeordnet (RIS-Justiz RS0110931). Die Parteifähigkeit der Eigentümergemeinschaft nach dem WEG wird schon dann nicht verneint, wenn sich der gegen sie geltend gemachte Rechtsschutzanspruch wenigstens abstrakt mit den Verwaltungsagenden einer Eigentumsgemeinschaft in Verbindung bringen lässt (5 Ob 206/07s mwN; RIS-Justiz RS0108020 [T15]). Dies wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für deliktische Schadenersatzansprüche nach § 1319 ABGB (5 Ob 291/01g; 5 Ob 119/04t) und nach § 1319a ABGB (5 Ob 283/99z) sowie in Fällen, in denen die Haftung der Eigentümergemeinschaft für die Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht geltend gemacht wurde (vgl 5 Ob 335/99x; 5 Ob 261/08f), bereits bejaht. Demnach gehört auch die Besorgung bzw Veranlassung des Winterdienstes zur Verwaltung einer Liegenschaft (5 Ob 283/99z; 5 Ob 335/99x).

2. Der Unfall ereignete sich auf einem Gehweg innerhalb der Wohnanlage der beklagten Partei. Die Betreuung dieses Weges fällt entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht unter die Anrainerpflichten nach § 93 Abs 1 StVO:

2.1 Nach dieser Gesetzesstelle haben die Eigentümer von Liegenschaften in Ortsgebieten, ausgenommen die Eigentümer von unverbauten, land- und forstwirschaftlich genutzten Liegenschaften, dafür zu sorgen, dass die entlang der Liegenschaft in einer Entfernung von nicht mehr als 3 m vorhandenen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege einschließlich der in ihrem Zuge befindlichen Stiegenanlagen entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 06:00 bis 22:00 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert sowie bei Schnee und Glatteis bestreut sind.

Schon nach ihrem Wortlaut setzt diese Bestimmung nicht nur voraus, dass die zu betreuenden Gehsteige und Gehwege dem öffentlichen Verkehr dienen, sondern auch, dass sie „entlang der Liegenschaft" gelegen sind. Ihre Anwendung auf Wege, die nicht „entlang" sondern innerhalb der Liegenschaft gelegen sind, wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs daher folgerichtig abgelehnt (8 Ob 93/04; vgl auch 2 Ob 59/05y). Aus diesem Grund ist § 93 StVO etwa auch auf Innenhöfe nicht anwendbar (2 Ob 335/97x; 2 Ob 202/00w; RIS-Justiz RS0023322).

Für die Wohnanlage einer Eigentümergemeinschaft kann nichts anderes gelten. Mögen die innerhalb der Anlage angebrachten Gehwege im Einzelfall daher auch durchaus dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung stehen, so erfüllen dennoch nur die „entlang" der Anlage, also die regelmäßig außerhalb der Anlage an diese angrenzenden Gehsteige die Kriterien einer Verkehrsfläche im Sinne des § 93 Abs 1 StVO.

2.2 Dieses Zwischenergebnis steht mit den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen des erkennenden Senats nicht im Widerspruch, hatte doch keine von ihnen einen Unfall innerhalb einer Wohnanlage zum Gegenstand:

In der Entscheidung 2 Ob 26/06x galt es zu beurteilen, welche Auswirkungen ein zwischen einem dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehweg und einer (dort: unverbauten, land- und forstwirtschaftlich genutzten) Liegenschaft eines privaten Eigentümers gelegener Grünstreifen im Eigentum einer Gemeinde auf die Anrainereigenschaft und die Räum- und Streupflicht nach § 93 Abs 1 Satz 1 StVO hat. In diesem Zusammenhang erörterte der Senat, die Anrainereigenschaft werde nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass ein Gehweg und die daran angrenzende Grundfläche auf ein- und demselben Grundstück gelegen sei. Maßgeblich für die Anrainereigenschaft sei nicht das Eigentum an der dem öffentlichen Verkehr dienenden Fläche, sondern nur, wer Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft sei (vgl auch 2 Ob 86/06w).

Nach dem der Entscheidung 2 Ob 156/05p zugrunde gelegenen Sachverhalt befand sich die Sturzstelle auf einem im Privateigentum des Anrainers stehenden Teil des Gehsteigs, der von den entlang der Liegenschaft gehenden Fußgängern betreten werden musste. Der Senat vertrat die Ansicht, bei dieser besonderen Fallgestaltung müssten die Worte „entlang der Liegenschaft" sinnvollerweise so ausgelegt werden, dass eine Streupflicht auch dann bestehe, wenn der (dem allgemeinen Fußgängerverkehr dienende) Gehsteig (mit einem Teil) nicht „entlang" (im Sinne von außerhalb der eigentumsrechtlichen Grundgrenze) der Liegenschaft verlaufe.

Mit diesen besonderen Fallgestaltungen ist der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht vergleichbar. Aus den zuletzt zitierten Entscheidungen kann daher nicht abgeleitet werden, dass die Eigentümergemeinschaft auch für das Wegenetz innerhalb ihrer Wohnanlage die Pflichten eines Anrainers nach § 93 Abs 1 StVO trifft.

3. Die Klägerin hat das Klagebegehren entgegen der Meinung des Berufungsgerichts und der beklagten Partei keineswegs „ausschließlich" auf die Haftungsgrundlage des § 93 StVO gestützt. Eine Beschränkung auf diesen Rechtsgrund, die es dem Gericht verwehren würde, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben (4 Ob 26/07p; 10 Ob 11/08b; RIS-Justiz RS0037610), kann ihrem Prozessvorbringen nicht entnommen werden. Eine solche ergibt sich auch nicht aus der Behauptung, der erste Nebenintervenient habe gegenüber den Liegenschaftseigentümern die Erfüllung aller Verpflichtungen „nach § 93 StVO" übernommen. Es ist daher erforderlich, den festgestellten Sachverhalt unter Zugrundelegung der beiderseitigen Behauptungen nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen (4 Ob 26/07p mwN), wobei, da eine Haftung nach Vertragsgrundsätzen ausscheidet, insbesondere § 1319a ABGB als mögliche Anspruchsgrundlage in Frage kommt.

3.1 Gemäß § 1319a ABGB haftet der Halter eines Weges den Benützern, wenn durch seinen mangelhaften Zustand ein Schaden herbeigeführt wird und dem Halter selbst oder seinen Leuten grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorzuwerfen ist. Das gilt dann nicht, wenn der Schaden bei einer unerlaubten, insbesondere widmungswidrigen Benützung des Weges entstanden ist und die Unerlaubtheit der Benützung entweder nach Art des Weges oder durch entsprechende Verbotszeichen, eine Abschrankung oder eine sonstige Absperrung des Weges erkennbar gewesen ist. „Weg" im Sinne des § 1319a ABGB ist nach dessen Abs 2 eine Landfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen für den Verkehr jeder Art oder für bestimmte Arten des Verkehrs benützt werden darf, auch wenn sie nur für einen eingeschränkten Benützerkreis bestimmt ist. Der Begriff „Weg" im Sinne dieser Bestimmung sichert einen sehr weiten Anwendungsbereich der diesbezüglichen Haftpflicht; er findet seine Grenze dort, wo das Merkmal des „Rechts der Benützung durch jedermann unter den gleichen Bedingungen" fehlt (2 Ob 335/97x; 2 Ob 59/05y; 5 Ob 117/07b). Unter den Begriff des „Weges" fallen daher nach dem weiten Begriffsinhalt auch von jedermann benützbare Privatstraßen (RIS-Justiz RS0115172).

3.2 Vom Anwendungsbereich des § 1319a ABGB werden im Regelfall innerhalb eines Grundstücks befindliche Wege ausgenommen, weil ihnen das die sachliche Rechtfertigung für die haftpflichtrechtliche Sonderbehandlung bildende belastende Merkmal der „Zulässigkeit der allgemeinen Benützung" fehlt (8 Ob 93/04s; 5 Ob 117/07b; RIS-Justiz RS0030061).

Das Erstgericht hat davon abweichend hier aber festgestellt, dass sich der Unfall auf einem „öffentlichen", von einer Vielzahl von Personen begangenen „Verbindungsweg" ereignete. Nach dem Verständnis des Berufungsgerichts enthält diese Feststellung das Tatsachensubstrat, dass der Weg nach seiner tatsächlichen Verwendung für jedermann ohne Einschränkung begangen werden dürfe, von einer Vielzahl von Personen begangen werde und dementsprechend für den allgemeinen Fußgängerverkehr bestimmt sei. Diese Auslegung der erstinstanzlichen Feststellung, der auch die beklagte Partei in ihrer Revision nicht substantiiert widerspricht, ist unbedenklich. Bei dieser Sachlage erfüllt der besagte „Verbindungsweg" ausnahmsweise die Voraussetzungen eines Weges im Sinne des § 1319a Abs 2 ABGB. Es lag auch keine die Haftungsfreiheit nach § 1319a Abs 1 Satz 2 ABGB begründende verbotene Benützung dieses Weges vor.

Dass die Eigentümergemeinschaft Wegehalterin sein kann, wurde - wie erörtert - in der Rechtsprechung bereits bejaht und kann auch in Ansehung des hier maßgeblichen „Verbindungsweges" nicht zweifelhaft sein. Grundsätzlich käme daher die Haftung der beklagten Partei für den mangelhaften Zustand des Weges gemäß § 1319a ABGB in Betracht. Demnach hätte sie auch für ein grobes Verschulden ihrer „Leute" einzustehen. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen wäre der Wegezustand an sich auf grobe Fahrlässigkeit (des ersten Nebenintervenienten) zurückzuführen.

3.3 Werden die Aufgaben des Wegehalters durch einen selbstständigen Unternehmer besorgt, so gehört dieser nicht mehr zu den „Leuten" des Wegehalters. Dieser haftet dann nur für eigenes Verschulden, das in einer nicht sorgfältigen Auswahl des Unternehmers oder der Verletzung einer ihn treffenden zusätzlichen Überwachungspflicht bestehen kann (SZ 52/33; 2 Ob 151/01x; RIS-Justiz RS0029995, RS0030159; Reischauer in Rummel ABGB3 II/2b § 1319a Rz 12; Danzl in KBB2 § 1319a Rz 8). Da sich das dem Wegehalter in § 1319a Abs 1 ABGB gewährte Haftungsprivileg nur auf die Herbeiführung des mangelhaften Zustands des Weges bezieht (Reischauer in Rummel aaO § 1319a Rz 17), genügt zur Begründung der Haftung wegen eines Auswahl- oder Überwachungsverschuldens schon leichte Fahrlässigkeit. In der Entscheidung 2 Ob 151/01x, in welcher die grob fahrlässige Verletzung einer den Wegehalter dort treffenden Überwachungspflicht bejaht worden war, hatte der Oberste Gerichtshof diese Abgrenzung nicht vorzunehmen, weil jedenfalls grobes Verschulden vorlag.

3.4 Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 WEG 2002 wird die Eigentümergemeinschaft durch den bestellten Verwalter (organschaftlich) vertreten. Dieser ist verpflichtet und befugt, alle Maßnahmen, die zur Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Guts dienen, zu besorgen, wobei Verwaltungshandlungen ebenso wie deren Unterlassung der Eigentümergemeinschaft zuzurechnen sind (5 Ob 206/07s). Zu diesen Verwaltungshandlungen gehört, wie erwähnt, auch die Organisation des Winterdienstes.

3.5 Die Verwalterin hat den ersten Nebenintervenienten mit der Besorgung des Winterdienstes betraut. Es ist zu prüfen, ob ihr hiebei ein die Deliktshaftung der beklagten Eigentümergemeinschaft begründendes Auswahl- oder Überwachungsverschulden unterlaufen ist. In diesem Zusammenhang ist auch die klägerische Behauptung einer unzulänglichen „Räumungstechnik" und unzureichender Vereinbarungen zwischen der Verwalterin und dem ersten Nebenintervenienten zu sehen.

Das Berufungsgericht hat ein solches Verschulden (wenn auch im Zusammenhang mit § 93 StVO) mit zutreffenden Argumenten bejaht, wobei es zu Recht von einem für den Unfall ursächlichen Versagen des ersten Nebenintervenienten bei der Organisation des Winterdienstes ausgegangen ist. Allein die festgestellte Dauer der Räum- und Streuarbeiten in der gegenständlichen Wohnanlage (6 bzw 4 ½ Stunden) indiziert offenkundige und beträchtliche organisatorische Mängel in dessen Betrieb. Gerade wenn die Verwalterin mit dem ersten Nebenintervenienten hinsichtlich anderer Liegenschaftsteile schon seit längerem eine Geschäftsbeziehung unterhielt, wie die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel betont, konnten ihr bei einem Mindestmaß an Kontrolle diese Mängel nicht verborgen geblieben sein. Jedenfalls aber hätte sie (die Verwalterin) sich schon vor der Betrauung des ersten Nebenintervenienten mit dem Winterdienst in einem weiteren, noch dazu sehr weitläufigen Areal davon überzeugen müssen, dass er über ausreichend Personal und Gerätschaft verfügt, um die (zusätzlich) übernommene Aufgabe bewältigen zu können. Dass dies tatsächlich nicht zutraf, wäre spätestens bei einer nachträglichen, der Verwalterin auch ohne weiteres zumutbaren Kontrolle leicht feststellbar gewesen.

Die der Verwalterin vorzuwerfende Vernachlässigung der gebotenen Sorgfalt bei der Auswahl und Kontrolle des ersten Nebenintervenienten begründet ein Auswahl- und Überwachungsverschulden der beklagten Partei, die deshalb für den Schaden der Klägerin einzustehen hat.

4. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass § 93 StVO auf die innerhalb der Wohnanlage einer Eigentümergemeinschaft befindlichen Gehwege nicht anzuwenden ist. Kam der Geschädigte auf einem vereisten, nicht gestreuten Gehweg innerhalb einer solchen Anlage zu Sturz, kommt allenfalls die Haftung der Eigentümergemeinschaft nach § 1319a ABGB in Betracht, sofern der Gehweg die Kriterien eines „Weges" im Sinne des Abs 2 dieser Gesetzesstelle erfüllt. Im Falle der Übertragung der damit verbundenen Pflichten an einen selbstständigen Unternehmer haftet die Eigentümergemeinschaft nur noch für ein eigenes (ihr zurechenbares) Auswahl- oder Überwachungsverschulden, wofür bereits leichte Fahrlässigkeit genügt. Dabei kann es im Einzelfall geboten sein, in einem zumutbaren Rahmen auch zu überprüfen, ob der Unternehmer zur organisatorischen Bewältigung der übertragenen Aufgaben in der Lage ist.

Da nach diesen Grundsätzen ein Auswahl- und Überwachungsverschulden der beklagten Partei bejaht werden musste, kann ihrer Revision kein Erfolg beschieden sein. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe (nur eine beklagte Partei) zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 2 iVm § 393 Abs 4 ZPO.

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