OGH 2Ob151/01x

OGH2Ob151/01x28.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Carmela K*****, vertreten durch Dr. Ludwig Franckenstein, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei A***** AG, ***** vertreten durch Dr. Hansjörg Schweinester und Dr. Rudolf Kathrein, Rechtsanwälte in Innsbruck und der der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten 1.***** S***** AG, ***** 2. St***** AG, ***** und 3. I***** GesmbH, ***** alle vertreten durch Dr. Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 1,000.000 sA und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 7. März 2001, GZ 1 R 54/01b‑48, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. Dezember 2000, GZ 57 Cg 23/98p‑42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2001:0020OB00151.01X.0628.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 22.995 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 3.832,50, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde als Beifahrerin im PKW ihres Ehegatten bei einem Unfall am 1. 10. 1994 auf der B***** Autobahn dadurch schwer verletzt, dass sich beim Anstoss dieses Fahrzeuges die Verbindung zwischen Leitschienen löste und eine Leitschiene in das Fahrzeug eindrang.

Sie begehrt die Zahlung eines Schmerzengeldes von S 1,000.000 sowie die Feststellung der Haftung für alle künftigen Schäden mit der Begründung, ihre Verletzungen seien ausschließlich darauf zurückzuführen, dass im Zuge des Anpralls des Fahrzeuges gegen die Mittelleitschiene diese auseinandergerissen worden und in das Fahrzeug eingedrungen sei. Die Verbindung sei anstatt mit sieben lediglich mit einer Schraube erfolgt. Bei ordnungsgemäßer Herstellung der Verbindung wäre sie mit größter Wahrscheinlich unverletzt geblieben. Die beklagte Partei habe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht grob fahrlässig verletzt, sie habe es auch unterlassen, zu überprüfen bzw überprüfen zu lassen, ob sämtliche Mittelleitschienen ordnungsgemäß montiert seien.

Die beklagte Partei bestritt, dass die Leitschienen nicht fach- und sachgerecht befestigt gewesen seien und dass sich die Verbindung bei fachgerechter Montage nicht gelöst hätte. Die Aufprallgeschwindigkeit des Fahrzeuges sei so hoch und der Aufprallwinkel so ungünstig gewesen, dass sich die Verbindung auch dann gelöst hätte, wenn sämtliche Schrauben angebracht gewesen wären. Die Forderung der Klägerin wurde auch der Höhe nach bestritten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen wurden:

Der Ehegatte der Klägerin wollte auf der zweispurigen Autobahn mit einer Geschwindigkeit von 100 bis 110 km/h einen PKW überholen. Im Zuge des Überholvorganges bemerkte er, dass sich in seinem toten Winkel bereits ein Fahrzeug auf der linken Fahrspur befand. Daraufhin riss er sein Fahrzeug zurück auf die rechte Fahrbahn. Kurz darauf brach das Heck des Wagens aus und prallte nach einer Schleuderung mit ca 70 bis 80 km/h gegen die Mittelleitschiene.

Auf dem Beifahrersitz befand sich die damals hochschwangere Klägerin.

Durch den Anprall des PKWs auf die Mittelleitschiene wurde die nur mit einer Schraube befestigte Verbindung auseinandergerissen, wodurch eine Leitschiene auf der Beifahrerseite in das Fahrzeuginnere drang. Das hier verwendete Verbindungssystem sieht vor, dass die Leitschienen mit sieben Flachrundschrauben der Dimension M16 x 35 verbunden werden. Die Rückhaltefunktion der Leitschiene wird nicht primär durch den Leitschienenständer bedingt, sondern durch die Zugbandwirkung des Leitschienensystems. Die Leitschiene verformt sich nämlich durch diese Eigenschaft nicht nur an der direkten Anprallstelle, sondern auch in der näheren Umgebung, was dazu führt, dass von ihr mehr Energie aufgenommen werden kann und die Kräfte auf das Fahrzeug und damit auf die Insassen geringer werden. Erforderlich für diese Zugbandwirkung ist natürlich, dass der Leitschienenverbund nicht reißt. Ziel derartiger Verbindungen ist es, die Festigkeit der Verbindung selbst ähnlich hoch zu gestalten wie das Zugband selbst. Die Verbindung mit sieben Schrauben ist nicht nur eine Herstellervorschrift, sondern auch aus technischer Sicht sinnvoll und erforderlich. Sieben Schrauben können auch eine siebenmal größere Kraft als eine Schraube von einem Leitschienenende in das andere übertragen. Bei schweren Leitschienenkollisionen kann der Mittelsteher umgebogen werden und das Leitschienenzugband die Verbindung mit diesem verlieren, doch bleibt die Zugbandwirkung der Leitschiene erhalten.

Die Verbindung der Leitschiene im gegenständlichen Fall mit nur einer Schraube entsprach nicht den Herstellervorschriften. In der im Jahre 1993 überarbeiteten Richtlinie der Forschungsgesellschaft für das Verkehrs- und Straßenwesen wird vermerkt, dass die montierbaren Leitschienen- und Sonderkunstruktionen das gleiche Rückhaltevermögen wie die anschließenden festen Konstruktionen aufweisen müssen und mit diesen kraftschlüssig zu verbinden sind.

Bei dem gegenständlichen Leitschienenbereich handelt es sich um eine sogenannte Mittelstreifenüberfahrt, die bereits im Zuge von Baumaßnahmen 1992 durch den damaligen Auftragnehmer der beklagten Partei, eine ARGE, aufgemacht worden war, d.h. die Leitschiene wurde entfernt um eine Durchfahrt zu ermöglichen. Wenn ein bestimmter Autobahnbereich im Zusammenhang mit einem Baulos an einen Auftragnehmer übergeben wird, übernimmt dieser auch die Verantwortung für die Leitschienen. Hier war die Firma R***** für die Verkehrsleiteinrichtungen verantwortlich. Die Baustelle, im Zuge derer das streitgegenständliche Überleitungsstück geöffnet worden war, war zum Unfallszeitpunkt sowohl tatsächlich als auch formell beendet und bereits wieder an die beklagte Partei übergeben.

Der zum Unfallszeitpunkt hochschwangeren Klägerin wurde durch die Leitschiene das rechte Bein im Bereich des Oberschenkels fast abgetrennt, der Oberschenkel musste in der Folge amputiert werden. Zudem musste durch den Blutverlust eine künstliche Geburt durch Kaiserschnitt vorgenommen werden. Sie erlitt durch den Unfall einen offenen Oberschenkelbruch mit Durchtrennung der Oberschenkelarterie und nachfolgender Oberschenkel‑Amputation, eine Beckenfraktur sowie einen notfallmäßigen Kaiserschnitt im letzten Drittel der Schwangerschaft mit nachfolgender schwerer Behinderung des Kindes, sowie eine Zerrung des linken Sprunggelenkes und eine Gehirnerschütterung. Die erste Behandlung erfolgte in Innsbruck, die weitere in einem Krankenhaus in Deutschland. Am Ende wurde eine prothetische Versorgung des Oberschenkelstumpfes durchgeführt, welche im Wesentlichen noch heute besteht. Die Klägerin leidet unter Phantomschmerzen am rechten Oberschenkelstumpf, zum Teil auch schneidenden Schmerzen und Beschwerden in der Passform der Prothese, welche zu ekzematösen Veränderungen führten.

Der rechte Oberschenkelstumpf ist relativ kurz, allerdings mit übermäßig Weichteilen bedeckt. Es bestehen ekzematöse Veränderungen bzw Druckstellen, welche auf eine schlechte Passform der Prothese schließen lassen. Der Stumpf selbst ist gut durchblutet, nicht überempfindlich und im verbliebenen Hüftgelenk ausgezeichnet beweglich. Die bisherige prothetische Versorgung ist ungenügend. Die Klägerin leidet dadurch an einer Fehlhaltung der Wirbelsäule sowie an druckbedingten bzw passformbedingten Effloreszenzen mit ekzematösen Veränderungen des Stumpfes sowie an einer nunmehr neurotischen Reaktion und zwar bedingt durch die dauernde geistig‑körperlich Behinderung des beim Unfall geborenen und dauernd behinderten Kindes. Zur Verbesserung des Zustandsbildes wäre eine Änderung der Prothese nötig. Folgeschäden sind zu erwarten und können nicht ausgeschlossen werden.

Aus unfallchirurgischer sowie psychologischer Sicht sind für das erste Jahr folgende Schmerzperioden zusammengefasst und komprimiert anzunehmen:

Quälende Schmerzen und gleichsetzbare Beschwerden 3 Tage

starke Schmerzen und gleichsetzbare Beschwerden 3 Wochen

mittelgradige Schmerzen und gleichsetzbare

Beschwerden bei Überschneidung der beiden

Fachgebiete zwischen 4 und

6 Wochen

leichtgradige Schmerzen und gleichsetzbare Be-

schwerden unter geringer Überschneidung mit den

unfallchirurgischen Schmerzperioden 3 - 5 Wochen

Ab dem ersten Jahr wären unter der Annahme einer ideal passenden Oberschenkelprothese jährlich mittelgradige Schmerzen zusammengefasst und komprimiert im Ausmaß von einer Woche anzunehmen; leichtgradige Schmerzen und gleichsetzbare Beschwerden ebenfalls im Ausmaß von einer Woche. Für das zweite bis fünfte Jahr ist jährlich eine Woche mittelstarker Schmerzen anzunehmen, wobei es nur eine geringe Überschneidung der Schmerzperioden aus unfallchirurgischer und psychologischer Sicht gibt.

Ohne ausreichende Korrektur der Prothese sind folgende Schmerzperioden zusammengefasst und komprimiert anzunehmen:

Starke Schmerzen jährlich etwa 3 - 5 Tage

mittelstarke Schmerzen 2 - 3 Wochen

leichtgradige Schmerzen 2 - 4 Wochen.

Eine wirklich beschwerdefreie Zeit ist nicht anzunehmen. Die rein unfallchirurgischen Schmerzperioden sind unverändert jährlich anzunehmen, die aus psychischer Sicht anzunehmenden Schmerzperioden zwischen fünften und zehnten Jahr sind ingesamt in diesem Zeitraum mit ca 5 Wochen leichten Schmerzen anzunehmen.

Die Klägerin hat sich stets um ihre Prothese gekümmert, von seiten der orthopädischen Werkstatt wurde ihr mitgeteilt, dass sie mindestens vier bis fünf Jahre warten müsse, bis eine neue Prothese angefertigt würde. Sie wäre jederzeit bereit, sich bezüglich einer Prothese helfen zu lassen und auch die entsprechenden Institutionen aufzusuchen.

Die in den Fahrgastraum eingedrungene Leitschiene war für die schwerste Verletzung des Oberschenkels und auch die schwere Verletzung im Bereich des Beckens verantwortlich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin, wäre die Leitschiene nicht in den Fahrgastraum eingedrungen, völlig unverletzt geblieben wäre.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei durch die Bezahlung einer Maut zwischen dem Lenker des Fahrzeuges und der beklagten Partei ein privatrechtlicher Benützungsvertrag abgeschlossen worden. Aufgrund dessen sei die beklagte Partei verpflichtet gewesen, eine verkehrssichere Straße zur Verfügung zu stellen. Die beklagte Partei hafte für ein Verschulden der Personen, der sie sich zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen bedient habe, gemäß § 1313a ABGB wie für ihr eigenes. Sie hätte daher dafür Sorge tragen müssen, dass sämtliche Mittelleitschienen ordnungsgemäß montiert seien. Dies habe sie offensichtlich unterlassen und sei somit ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht ausreichend nachgekommen.

Die festgestellten Schmerzen rechtfertigten ein Schmerzengeld in der Höhe von S 1,000.000. Dies unter Berücksichtigung der im vorliegenden Fall ganz besonders qualvollen psychischen Belastungen der Klägerin insofern, als diese nicht nur selbst eine massive und gravierende körperliche dauernde Beeinträchtigung davongetragen habe, sondern zudem noch die gravierende psychische Belastung zu ertragen habe, ein schwerstbehindertes Kind zur Welt gebracht zu haben. Auch das Feststellungsbegehren sei berechtigt.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, zum Zeitpunkte des Unfalls sei das Bundesgesetz betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften (BGBl 1992/826) in Kraft gestanden. § 15 dieses Gesetzes sei zwar durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. 3. 1997 mit Ablauf des 30. 6. 1998 als verfassungswidrig aufgehoben worden, doch sei der gegenständliche Unfall nicht Anlass für die Aufhebung der zitierten Bestimmung gewesen. Nach dieser Gesetzesstelle seien die Bestimmungen des § 1319a ABGB uneingeschränkt auch auf Bundesstraßen anzuwenden, bei welchen die Erhaltung den Gesellschaften (§§ 1 und 3 leg cit) übertragen worden sei. Die beklagte Partei sei aufgrund der Bestimmung des § 3 Abs 1 leg cit gegründet worden.

Daraus folge, dass sich die beklagte Partei auf das in § 1319a ABGB normierte Haftungsprivileg berufen könne und daher nur Ersatz für jene Schäden zu leisten habe, die von ihr und ihren Leuten vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet worden seien. An den übrigen Grundsätzen und Auswirkungen einer Vertragshaftung ändere sich dadurch jedoch nichts.

Aufgrund des zwischen dem Ehegatten der Klägerin und der beklagten Partei abgeschlossenen Vertrags über die Benützung der Autobahn, sei die beklagte Partei verpflichtet, für einen sicheren Zustand der Autobahn und eine gefahrlose Benutzbarkeit zu sorgen; diese Verpflichtung beziehe sich auch auf den Zustand der Leitplanken. Im vorliegenden Fall stehe nun fest, dass nach Beendigung der Arbeiten im Jahr 1992 entgegen der Herstellervorschriften und dem technischen Erfordernis die Befestigung der Mittelleitschiene nur mit einer anstelle der vorgesehenen sieben Schrauben erfolgt sei. Die Wiederherstellung des Schienenverbundsystems sei als Maßnahme der Wiederherstellung der Straßensicherheit anzusehen, zu der die beklagte Partei aufgrund ihrer vertraglichen Vereinbarung gegenüber den Autobahnbenützern verpflichtet gewesen sei. Dass sie sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung eines selbständigen Unternehmens bedient habe, stehe der Annahme der Gehilfeneigenschaft nach § 1313a ABGB nicht entgegen. Der die beklagte Partei aufgrund der Vertragshaftung und der damit verbundenen Umkehr der Beweislast treffende Entlastungsbeweis sei allerdings nicht erbracht worden. Da § 1298 ABGB (in seiner Fassung vor der Novelle BGBl I 1997/6) grobe Fahrlässigkeit unterstelle, wäre es ihre Sache gewesen, einen Sachverhalt nachzuweisen, der nur als leicht fahrlässig zu qualifizieren sei. Hier sei der beklagten Partei aber grobes Verschulden anzulasten, weil die Herstellung der Mittelleitschiene mit lediglich einer anstelle der vorgeschriebenen sieben Schrauben erfolgt sei.

Hinsichtlich der Höhe des Schmerzengeldes verwies das Berufungsgericht auf die zutreffende Begründung des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, dass unter Berücksichtigung der äußerst schweren Verletzungsfolgen und der schweren Behinderung des Kindes das zugesprochene Schmerzengeld von S 1,000.000 vertretbar sei. Es dürfe nicht übersehen werden, dass neben den körperlichen Schmerzen, denen die zum Unfallszeitpunkt 33jährige Klägerin Zeit ihres Lebens ausgesetzt sein werde, sie auch immer mit dem Bewusstsein einer erheblichen körperlichen Behinderung leben werde müssen. Dazu komme noch der Umstand der schweren Behinderung des Kindes. Auch diese aus der eigenen Verstümmelung und der schwersten Behinderung des Kindes resultierenden seelischen Belastungen hätten bei der globalen Bemessung des Schmerzengeldes Berücksichtigung zu finden.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage, ob und inwieweit trotz Anwendbarkeit des § 15 des Bundesgesetzes betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaft in Verbindung mit § 1319a ABGB die übrigen Kriterien und Folgen einer Vertragshaftung herangezogen werden könnten, eine oberstgerichtliche Judikatur nicht vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren ganz, hilfsweise, dass das Zahlungsbegehren abgewiesen werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, selbständige Unternehmer gehörten nicht zu den Leuten des Wegehalters im Sinne des § 1319a ABGB. Übertrage der Wegehalter seine Pflichten einem selbständigen Unternehmer, so hafte er nur für Auswahlverschulden oder Verletzung einer etwaigen Aufsichtspflicht.

Es sei auch unrichtig, dass § 1298 ABGB grobe Fahrlässigkeit unterstelle; vielmehr obliege dem Geschädigten die Beweislast für das Vorliegen eines höheren Grades des Verschuldens.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes sei die Frage der Unfallswahrscheinlichkeit im Rahmen der Voraussehbarkeit eines Schadenseintrittes wesentlich. Damit grobe Fahrlässigkeit vorliege, müsse zusätzlich zu der extremen Abweichung von der gebotenen Sorgfalt noch der Eintritt eines Schadens geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen sein.

Schließlich hätten die Vorinstanzen durch den Zuspruch eines Schmerzengeldes von S 1,000.000 den gesetzlichen Ermessensspielraum überschritten.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

§ 15 des Bundesgesetzes betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaft (BGBl Nr 826/1992) wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes G 1383/95, G 233/97 = VfSlg 14.801 = ZVR 1997/91 mit Ablauf des 30. 6. 1998 aufgehoben. Da der hier zu beurteilende Tatbestand aber vor der Aufhebung verwirklicht wurde und nicht Anlassfall für die Aufhebung war, ist diese Bestimmung hier anzuwenden (Walter/Mayer, Grundriss des österr. Bundesverfassungsrechts9, Rz 1131 und 1170). Nach dieser Norm finden die Bestimmungen des § 1319a ABGB "uneingeschränkt" Anwendung, d.h. es besteht nicht nur eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, sondern wird auch für Gehilfen dann gehaftet, wenn es sich um "Leute" im Sinne des § 1319a ABGB handelt. Wenngleich die Haftung nach § 1319a ABGB die Haftung aus anderen Haftungstatbeständen - insbesondere die Haftung ex contractu - unberührt lässt (RIS‑Justiz RS0023459; zuletzt 2 Ob 33/01v), wurde durch § 1319a ABGB eine Ausweitung der durch diese Bestimmung normierten Haftungsbeschränkungen - also auch der Haftung nur für Leute - auch auf Mautstraßen bewirkt (vgl VfSlg 14.801). Werden aber die Aufgaben des Wegehalters durch einen selbständigen Unternehmer besorgt, so gehört dieser nicht mehr zu den Leuten des Wegehalters (RIS‑Justiz RS0029995; ZVR 1990/120). In diesem Fall haftet der Wegehalter nur, wenn er den Unternehmer nicht sorgfältig ausgewählt oder eine Überwachungspflicht verletzt hat (Harrer in Schwimanný, ABGB, Rz 13 zu § 1319a mwN). Eine grob fahrlässige Verletzung dieser Überwachungspflicht durch die beklagte Partei ist aber hier zu bejahen. Im Hinblick auf die hohe Gefahr, die - wie sich gezeigt hat und auch offenkundig ist - von nicht ausreichend verbundenen Leitschienen ausgeht, stellt es eine außergewöhnliche Sorglosigkeit dar, wenn deren Verbindung vor Übergabe an den allgemeinen Verkehr vom Wegehalter selbst nicht zumindest oberflächlich überprüft wird. Die Unterlassung einer derartigen Überprüfung stellt ein der beklagten Partei anzulastendes grobes Verschulden dar. Sollte aber durch Leute der beklagten Partei eine Überprüfung erfolgt und der Fehler nicht entdeckt worden sein, würde dies ein grobes Verschulden der Leute der beklagten Partei darstellen, das ebenfalls haftungsbegründend wäre. Das von der beklagten Partei verwendete Argument der Unwahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes ist nicht überzeugend, andernfalls wäre jede Sicherung der seitlichen Begrenzung einer Autobahn entbehrlich, weil es immer unwahrscheinlich ist, dass sich der Unfall gerade dort ereignet, wo er letztlich stattfand und nicht früher oder später.

Daraus folgt, dass die Vorinstanzen die Haftung der beklagten Partei, der an sich das Haftungsprivileg des § 1319a ABGB zukommt, zu Recht bejaht haben. Fragen der Beweislast stellen sich hier nicht, sie kommen nämlich erst dann zum Tragen, wenn der Sachverhalt unklar geblieben ist (Rechberger in Rechbergerý, ZPO, Vor § 266 Rz 8), was hier aber nicht der Fall ist.

Auch gegen die Höhe des der Klägerin zugesprochenen Schmerzengeldes bestehen keine Bedenken, insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden. Zu den auf die eigene schwere Verletzung der Klägerin zurückzuführenden Schmerzen kommen noch die seelischen Schmerzen wegen der Behinderung des Kindes, weshalb gegen die hohe Bemessung des Schmerzengeldes hier keine Bedenken bestehen.

Der Revision der beklagten Partei war deshalb keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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