OGH 4Ob109/07v

OGH4Ob109/07v10.7.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johann E*****, 2. Christoph F*****, 3. Johann G*****, 4. Alfred G*****, 5. Alois G*****, 6. Manfred G*****, 7. Jakob K*****, 8. Klaus L*****, 9. Michael L*****, 10. Georg L*****, 11. Peter W*****, Erst-, Dritt- bis Siebt- und Neunt- bis Elftkläger vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. Martin G*****, 2. Hannes L*****, 3. Werner U*****, 4. Roland W*****, alle vertreten durch Dr. Peter Bibiza, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses (Streitwert 10.000 EUR), infolge Revision des Erst-, Dritt-, Viert-, Fünft-, Sechst-, Siebt- Neunt-, Zehnt- und Elftklägers gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 9. Februar 2007, GZ 2 R 444/06t-41, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Lienz vom 31. Juli 2006, GZ 4 C 630/05k-37, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision und die Revisionsbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die ursprünglich elf Kläger und die vier Beklagten waren im August 2005 Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie streiten über die Wirksamkeit eines am 1. Juli 2005 gefassten Gesellschafterbeschlusses, mit dem der Gesellschaftsvertrag geändert wurde. Die Kläger begehren die Feststellung der Wirksamkeit dieses Beschlusses, die Beklagten bestreiten sie aus formellen und inhaltlichen Gründen. Insbesondere ist strittig, ob die Gesellschafterversammlung ordnungsgemäß einberufen war und ob mit dem Beschluss in gesellschaftsvertraglich begründete Sonderrechte des Erstbeklagten eingegriffen wurde. Zu Beginn des Verfahrens waren alle damaligen Gesellschafter in den Prozess einbezogen; die Kläger und die Beklagten ließen sich jeweils durch einen gemeinsamen Anwalt vertreten.

Mit Schriftsatz vom 18. November 2005 (ON 11) hatten der Zweit- und der Achtkläger mitgeteilt, dass sie nun von einem anderen Anwalt vertreten würden. Gleichzeitig zogen sie die Klage unter Anspruchsverzicht zurück. Der bisherige Klagsvertreter gab mit Schriftsatz vom 22. November 2005 (ON 10) bekannt, dass der Zweit- und der Achtkläger das Vollmachtsverhältnis aufgekündigt hätten. Der Achtkläger sei überdies mit 31. Oktober 2005 aus der Gesellschaft ausgetreten.

In der darauf folgenden Verhandlung vom 28. November 2005 (ON 13) erörterte die Richterin, dass die Kläger eine einheitliche Streitpartei bildeten, weswegen die Klagsrückziehung des Zweit- und des Achtklägers unbeachtlich sei. Die übrigen Kläger traten dieser Auffassung nicht entgegen. Die Beklagten vertraten demgegenüber die Ansicht, dass der Zweit- und der Achtkläger mangels wirksam erteilter Vollmacht in Wahrheit nie als Kläger aufgetreten seien; daher sei auch die Klagsrückziehung (im Ergebnis) beachtlich. Auf dieser Grundlage sei die Klage abzuweisen, da nicht alle Gesellschafter am Verfahren beteiligt seien. Auch der Achtkläger sei weiterhin Gesellschafter, da er seinen Austritt fristwidrig erklärt habe.

Am 17. Jänner 2006 wurde über das Vermögen des Zweit- und Achtklägervertreters der Konkurs eröffnet (Edikt ON 23). Mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2006 (ON 22) gab er dem Gericht namens seiner Mandanten die „Auflösung des Vollmachtsverhältnisses" bekannt und ersuchte, die weiteren Zustellungen an diese persönlich vorzunehmen. Das Gericht verfügte die Zustellung dieses Schriftsatzes an die beiden anderen Parteienvertreter sowie an den Zweit- und den Achtkläger persönlich. Diese gaben keinen neuen Vertreter bekannt und beteiligten sich auch nicht am weiteren Verfahren (dass der Zweitkläger am Deckblatt des Protokolls ON 36 angeführt ist, beruht offenkundig auf einem Irrtum; vgl S 76 dieses Protokolls = AS 813). Die weiteren Zustellungen wurden an den Zweit- und den Achtkläger persönlich vorgenommen.

Mit einem in das Urteil aufgenommenen Beschluss nahm das Erstgericht die Klagsrückziehung des Achtklägers zur Kenntnis, da dieser - anders als der Zweitkläger - schon vor der Klagsrückziehung aus der Gesellschaft ausgeschieden und daher nicht mehr notwendiger Streitgenosse sei. In der Sache gab es dem Klagebegehren statt. Auch der Zweit- und der Achtkläger hätten dem ursprünglichen Klagsvertreter Prozessvollmacht erteilt, und zwar über den von ihnen konkludent bevollmächtigten Erstkläger. Es seien daher alle Gesellschafter am Verfahren beteiligt gewesen. Die behaupteten formellen und inhaltlichen Beschlussmängel lägen nicht vor.

Die Entscheidung des Erstgerichts wurde den verbliebenen Parteienvertretern sowie dem Zweit- und dem Achtkläger persönlich zugestellt. Die Beklagten erhoben Berufung und Rekurs. Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs gegen die Kenntnisnahme der Klagsrückziehung nicht Folge und verwarf die Berufung wegen Nichtigkeit. Im Übrigen gab es der Berufung jedoch Folge und wies die Klage ab. Der Zweit- und der Achtkläger hätten den Erstkläger konkludent bevollmächtigt, dem Klagsvertreter Prozessvollmacht für die Klage auf Feststellung der Wirksamkeit des Beschlusses zu erteilen. Die Klagsrückziehung durch den Achtkläger sei wirksam, weil er nicht mehr Gesellschafter sei. Eine allfällige Fristwidrigkeit seines Austritts sei jedenfalls durch die nachträgliche Zustimmung aller Mitgesellschafter geheilt. Die Klage sei abzuweisen, da der strittige Gesellschafterbeschluss an einem formellen Mangel leide; die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Einberufungsfrist sei nicht eingehalten worden. Auf die behaupteten inhaltlichen Mängel komme es daher nicht an. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es zur Frage der Fristberechnung keine höchstgerichtliche Judikatur gebe.

Rechtliche Beurteilung

Die zweitinstanzliche Entscheidung wurde nur den verbliebenen Parteienvertretern zugestellt. Die dagegen erhobene Revision der sich noch am Verfahren beteiligenden Kläger und die Revisionsbeantwortung der Beklagten sind unzulässig.

1. Die Vorinstanzen und die Parteien nehmen an, dass die elf Kläger eine einheitliche Streitpartei bildeten. Diese Auffassung trifft zu: Klagen aus dem Gesellschaftsverhältnis zwischen Gesellschaftern müssen immer sämtliche Gesellschafter erfassen (RIS-Justiz RS0022165), und zwar entweder auf der Klags- oder auf der Beklagtenseite (9 ObA 94/03v). Das gilt nicht nur für Rechtsgestaltungsklagen (1 Ob 40/01s = SZ 74/81 [verst Senat]), sondern nach allgemeinen Grundsätzen immer dann, wenn das den Streitgenossen gemeinschaftliche Rechtsverhältnis seiner Natur nach nur gegen oder für alle Beteiligte festgestellt werden kann (8 Ob 574/77 = SZ 51/4; RIS-Justiz RS0035409), da sonst die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch divergierende Entscheidungen bestünde (RIS-Justiz RS0035496 T4, T5, T6, T7; zuletzt etwa 4 Ob 14/06x = Zak 2006/473 und 9 Ob 88/06s mwN). Im Gesellschaftsrecht wird ein solcher Zusammenhang insbesondere dann angenommen, wenn die Gesellschafterstellung (8 Ob 631/90 = SZ 65/60; 7 Ob 606/90 = ecolex 1990, 757 [krit Reich-Rohrwig]), das Ausmaß der Beteiligung (1 Ob 626/84 = HS 15.138; 1 Ob 266/99w = RdW 2000/517; 9 ObA 94/03v), die Geltung einer Vertragsbestimmung (RIS-Justiz RS0035521) oder - wie hier - die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses (9 Ob 1601/94) strittig ist. Damit übereinstimmend nahm der Oberste Gerichtshof das Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei auch für eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses einer GmbH & Co KG an (1 Ob 633/79 = SZ 52/134). Aufgrund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag, wonach nur die Kommanditisten die Gesellschafterversammlung bildeten, hielt er es dabei aber für ausreichend, dass sich nur die Kommanditisten am Verfahren beteiligten. Die Nichtbeteiligung der Komplementär-GmbH, deren Gesellschafter aber offenkundig ohnehin mit den Kommanditisten ident waren, schadete daher nicht. Ein solcher besonderer Sachverhalt liegt hier aber nicht vor.

Die Auffassung der Rsp wird auch vom weit überwiegenden österreichischen Schrifttum geteilt (Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts6 [2003] Rz 201; Schubert in Fasching/Konecny 2 § 14 Rz 14; Grillberger in Rummel 3 § 1175 Rz 29; Jabornegg/Resch in Schwimann 3 § 1175 Rz 23; Torggler/Torggler in Straube 3 § 119 Rz 31 mwN; im Ergebnis - wenngleich kritisch zur Begründung der Rsp - auch Oberhammer, Die Offene Handelsgesellschaft im Zivilprozess [1998] 342 f mwN; aA Reich-Rohrwig, ecolex 1990, 757).

Anders - und mit der zitierten Rsp wohl nicht vereinbar - entschied der Oberste Gerichtshof für Klagen auf Feststellung des Bestands einer Personengesellschaft (5 Ob 501/96 = SZ 70/186). Da das Feststellungsurteil die nicht am Verfahren beteiligten Gesellschafter ohnehin nicht binde, erscheine deren Einbeziehung nicht zwingend erforderlich, „namentlich wenn sie der begehrten Feststellung nicht entgegentreten".

Dieser Auffassung ist allerdings zumindest für den hier zu beurteilenden Fall nicht zu folgen. Denn sie führte dazu, dass in einer grundlegenden Frage der Gesellschaftsorganisation - der Wirksamkeit einer Vertragsänderung - einander widersprechende Entscheidungen möglich wären. Es ist zwar daran festzuhalten, dass diese Frage nicht in einem notwendigerweise alle Gesellschafter erfassenden Anfechtungsprozess, sondern in einem Feststellungsprozess zu klären ist (1 Ob 633/79 = SZ 52/134; 8 Ob 577/83 = SZ 57/203; RIS-Justiz RS0038823; ebenso, wenngleich ohne Erörterung des Problems, die einhellige jüngere Rsp, vgl nur 4 Ob 2147/96f = SZ 69/157 und 2 Ob 281/05w = wbl 2007, 42; Nachweise zum teilweise abweichenden Meinungsstand im Schrifttum bei Torggler/Torggler aaO § 119 Rz 31 und Oberhammer aaO 356). Allerdings kann auch hier - gerade wegen der sonst nicht bestehenden Rechtskraftwirkung - nur die Beteiligung aller Gesellschafter an einem Verfahren verhindern, dass inhaltlich voneinander abweichende Entscheidungen ergehen, die jeweils inter partes binden und so zu einer faktisch nicht mehr bewältigbaren Spaltung des Rechtsverhältnisses (einem „hinkenden" Gesellschaftsvertrag) führen könnten.

2. Liegt auf Seiten der Kläger eine einheitliche Streitpartei vor, so ist - wovon auch die Vorinstanzen ausgehen - eine Klagsrückziehung durch einzelne Kläger wirkungslos (3 Ob 210/50 = SZ 23/134 mwN; RIS-Justiz RS0035688; Schubert aaO § 14 Rz 28 mwN). Zumindest der weiterhin der Gesellschaft angehörende Zweitkläger blieb daher ungeachtet der von ihm erklärten Klagsrückziehung Partei des Verfahrens.

3. Der Zweit- und der Achtkläger waren seit dem 23. November 2005 (Einlangen des Schriftsatzes ON 11) durch einen eigenen Rechtsanwalt vertreten. Dieser Anwalt zeigte mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2006 (ON 22) die Kündigung des Vollmachtsverhältnisses an, was das Erstgericht offenbar als wirksam ansah. Dabei beachtete es aber nicht, dass im vorliegenden Verfahren wegen des Streitwerts von 10.000 EUR Anwaltspflicht besteht. Die Bekanntgabe des bisherigen Vertreters war daher mangels Anzeige eines neuen Vertreters nach § 36 Abs 1 ZPO prozessual unwirksam (RIS-Justiz RS0035736). Die Vollmacht blieb daher zunächst aufrecht, Zustellungen unmittelbar an den Zweit- und den Achtkläger waren unwirksam.

4. Über das Vermögen des Zweit- und Achtklägervertreters wurde am 17. Jänner 2006 der Konkurs eröffnet (3 S 7/06h des HG Wien). Die Vorinstanzen haben die Auswirkungen dieses Umstands nicht beachtet.

Nach § 34 Abs 1 Z 4 RAO erlischt bei rechtskräftiger Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft. Diese Bestimmung wurde mit dem BRÄG 2006 (BGBl I /2005) neu gefasst und trat in dieser Form nach Art XIII § 2 dieses Gesetzes mit 1. Jänner 2006 in Kraft; zuvor hatte nur die Konkurseröffnung diese Wirkung gehabt. Das Erlöschen der Berufsberechtigung bewirkt die Unfähigkeit zur weiteren Vertretung der Partei iSv § 160 Abs 1 ZPO und führt daher nach dieser Bestimmung bei Anwaltspflicht zur Unterbrechung des Verfahrens (3 Ob 308/97h = Jbl 2000, 32; Fink in Fasching/Konecny 2 § 160 Rz 4). Die Unterbrechung erfolgt ex lege (RIS-Justiz RS0036903); die Bestellung eines mittlerweiligen Stellvertreters ändert daran nichts (RIS-Justiz RS0035720, Fink aaO Rz 8). Bei Vorliegen einer einheitlichen Streitpartei wirkt eine Unterbrechung wegen der notwendigen Einheitlichkeit des Verfahrens für alle Teilgenossen und damit für das gesamte Verfahren, auch wenn der Unterbrechungsgrund nur bei einem von ihnen eintritt (Schubert aaO § 14 Rz 34; Fink aaO § 160 Rz 11; zur Unterbrechung nach § 7 KO 2 Ob 249/00g = ecolex 2001, 435).

Bei Rechtskraft der Konkurseröffnung war jedenfalls der Zweitkläger wegen der Unwirksamkeit der von ihm erklärten Klagsrückziehung noch Partei des Verfahrens. Gleiches galt aus formeller Sicht für den Achtkläger, da die Wirksamkeit seiner Klagsrückziehung strittig war und noch Beweise zu deren Voraussetzungen (Ausscheiden aus der Gesellschaft) aufzunehmen waren. Damit wurde das Verfahren aber mit Rechtskraft der Konkurseröffnung ex lege unterbrochen. Daran hat sich seither nichts geändert; insbesondere wurde das Verfahren nicht nach § 160 Abs 1 oder 2 ZPO wieder aufgenommen.

5. Nach stRsp kann das Gericht über ein nach Eintritt der Unterbrechung eingebrachtes Rechtsmittel, solange das Verfahren nicht wieder aufgenommen ist, nicht meritorisch entscheiden; die Rechtsmittelschriften sind in einem solchen Fall zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0037023, RS0037150; Fink aaO § 163 Rz 27 mwN). Eine inhaltliche Erledigung ist nur möglich, wenn das Rechtsmittel der Sicherung der Unterbrechungswirkung oder der Klärung der Frage dient, ob überhaupt eine Unterbrechung eingetreten ist (RIS-Justiz RS0037023, insb T7, T9, T10, T11). Das ist hier aber nicht der Fall, da die (verbliebenen) Kläger ausschließlich die Sachentscheidung des Berufungsgerichts bekämpfen. Eine bloße Zurückstellung der Akten ohne Zurückweisung der Revision käme nur dann in Betracht, wenn die Unterbrechung - anders als hier - erst nach deren Einbringung eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0036752).

Aus diesen Gründen sind die Revision und die Revisionsbeantwortung als unzulässig zurückzuweisen (zu den Folgen Fink aaO § 163 Rz 27 und zuletzt 2 Ob 165/04k mwN). Eine allfällige Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung kann mangels eines zulässigen Rechtsmittels nicht wahrgenommen werden (RIS-Justiz RS0007095; zuletzt etwa 3 Ob 314/05f und 2 Ob 165/04k).

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