OGH 6Ob209/03h

OGH6Ob209/03h29.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Wiener Neustadt zu FN ***** eingetragenen M*****-Aktiengesellschaft mit dem Sitz in W*****, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, des Vorstandsmitglieds Manfred D*****, und des ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds Helmuth S*****, alle vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 23. Juni 2003, GZ 28 R 143/03k, 28 R 144/03g und 28 R 145/03d-29, womit 1. über die Rekurse der Gesellschaft und der Vorstandsmitglieder Helmuth S***** und Manfred D***** der Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 19. März 2003, GZ 1 Fr 2958/00k-18, bestätigt wurde, 2. über die Rekuse der Gesellschaft und des Vorstandsmitglieds Manfred D***** der Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 19. März 2003, GZ 1 Fr 2958/00k-19, bestätigt wurde, und 3. über den Rekurs der Gesellschaft und des ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes Helmuth S***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 9. April 2003, GZ 1 Fr 2958/00k-24, der Rekurs teilweise zurückgewiesen und ihm teilweise nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Der an den Obersten Gerichtshof gerichtete Antrag auf Verfahrensunterbrechung wird abgewiesen.

II. 1. Der Revisionsrekurs gegen Punkte 1. (über den Rekurs gegen den Beschluss ON 18) und 2.c der Rekursentscheidung (über den Rekurs gegen den Beschluss ON 19) wird zurückgewiesen.

2. Dem Revisionsrekurs gegen die Punkte 3.a und b der Rekursentscheidung (über den Rekurs gegen den Beschluss ON 24) wird nicht Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass sie insoweit zu lauten haben:

Der Antrag auf Einstellung des Zwangsstrafenverfahrens wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 24. 8. 2000 verhängte das Firmenbuchgericht über die damaligen Vorstandsmitglieder Manfred D***** und Helmuth S***** wegen Nichtvorlage des Jahresabschlusses zum 28. 2. 1999 die zuvor angedrohte Zwangsstrafe von je 50.000 S unter Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von je 50.000 S und der Veröffentlichung der Strafverhängung für den Fall der Nichtvorlage des Jahresabschlusses binnen zwei Monaten ab Rechtskraft des Strafbeschlusses. Das Rekursgericht bestätigte den Strafbeschluss. Der Oberste Gerichtshof änderte mit dem Beschluss vom 29. 11. 2001, 6 Ob 213/01v, das Strafausmaß auf 10.000 S ab.

Am 5. 9. 2002 ordnete das Erstgericht die Einhebung der verhängten Zwangsstrafen an.

Am 21. 10. 2002 stellten die Gesellschaft und die genannten Vorstandsmitglieder den Antrag, das Verfahren bis zur Entscheidung über präjudizielle Vorabentscheidungsverfahren zu unterbrechen. Das Erstgericht wies mit dem Beschluss vom 19. 3. 2003 (ON 18) den Unterbrechungsantrag zurück.

Mit dem weiteren Beschluss vom 19. 3. 2003 (ON 19) verhängte das Erstgericht über das Vorstandsmitglied Manfred D***** eine weitere Zwangsstrafe von 1.460 EUR wegen Nichtvorlage des Jahresabschlusses.

Mit Schriftsatz vom 20. 3. 2003 beantragte das Vorstandsmitglied Helmuth S***** die Einstellung des Firmenbuchverfahrens hinsichtlich seiner Person. Er sei aus dem Vorstand der Gesellschaft ausgeschieden und habe nunmehr weder die Verpflichtung noch die Möglichkeit zur Vorlage der Firmenbilanzen.

Mit dem Beschluss vom 9. 4. 2003 (ON 24) wies das Erstgericht den Antrag auf Einstellung des anhängigen Zwangsstrafenverfahrens ab. Es sprach weiters aus, dass die mit Beschluss vom 5. 9. 2002 angeordnete Einhebung der rechtskräftig verhängten Zwangsstrafe von 10.000 S samt Einhebungsgebühr aufrecht bleibe. Da der Antragsteller die über ihn verhängte Zwangsstrafe nicht fristgerecht bezahlt habe, sei die Zwangsstrafe, die auch Strafcharakter habe, zu vollziehen.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurse der Gesellschaft und der Vorstandsmitglieder die Beschlüsse ON 18 und 19 (Punkte 1 und 2c der Rekursentscheidung). Der Rekurs gegen den Beschluss ON 24 wurde, soweit er sich gegen die Abweisung des Antrags auf Einstellung des Zwangsstrafenverfahrens richtete, zurückgewiesen (Punkt 3a). Soweit er sich gegen den Ausspruch des Erstgerichtes, dass die Zwangsstrafe samt Einhebungsgebühr aufrecht bleibe, richtete, wurde dem Rekurs mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass der Antrag auf Abstandnahme von der zwangsweisen Durchsetzung der verhängten Geldstrafe abgewiesen wurde (Punkt 3b).

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs gegen die Punkte 1., 2c und 3a seiner Entscheidung nicht zulässig, gegen Punkt 3b aber zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu den Grenzen der Entscheidungsbefugnis des Firmenbuchgerichtes über einen Antrag auf Einstellung des Zwangsstrafenverfahrens und die Berechtigung eines solchen Antrages fehle.

Der Revisionsrekurs der Gesellschaft, des aktiven Vorstandsmitglieds und des schon aus dem Vorstand ausgeschiedenen früheren Vorstandsmitgliedes wendet sich gegen die P. 1., 2c und 3a und b der Rekursentscheidung. Die Revisionsrekurswerber beantragen erkennbar 1. die Abänderung des bestätigten Beschlusses ON 18 dahin, dass das Verfahren unterbrochen werde; 2. die ersatzlose Aufhebung des bestätigten Zwangsstrafenbeschlusses ON 19 (hilfsweise die Reduzierung der Geldstrafe auf 1 EUR) und 3. die Abänderung der Rekursentscheidung in seinen Punkten 3a und b dahin, dass das Zwangsstrafenverfahren eingestellt werde. Zugleich stellen sie einen neuerlichen Unterbrechungsantrag an den Obersten Gerichtshof.

Der Revisionsrekurs ist teilweise jedenfalls (absolut) und teilweise mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig, insoweit er sich gegen die Entscheidung über den Rekurs gegen den Beschluss ON 24 wendet, zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

A. Zum Revisionsrekurs gegen die bestätigte Abweisung des Unterbrechungsantrages und zu dem an den Obersten Gerichtshof gerichteten Unterbrechungsantrag:

Die Vorinstanzen haben den Unterbrechungsantrag der Gesellschaft und ihrer Vorstandsmitglieder abgewiesen. Dagegen ist gemäß § 19 Abs 3 FBG kein Rechtsmittel zulässig, weil kein Fall einer zwingend vorgeschriebenen Verfahrensunterbrechung vorliegt (RIS-Justiz RS0106006). Ansuchen anderer Gerichte um Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) entfalten keine Bindungswirkung. § 90a GOG bindet nur das anfragende Gericht (RIS-Justiz RS0114648). Auch die relevierte, beim Verfassungsgerichtshof anhängig gewesene Staatshaftungsklage löste keine vom Gesetz zwingend angeordnete Unterbrechungspflicht aus.

B. Zum Revisionsrekurs gegen die Bestätigung der verhängten Zwangsstrafe:

1. Der Revisionsrekurs des schon aus dem Vorstand ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds ist jedenfalls unzulässig. Die angefochtene Verfügung greift nicht mehr in seine rechtlich geschützte Rechtsposition ein. Mangels Beschwer ist der Revisionsrekurs in diesem Punkt zurückzuweisen.

2. Der Oberste Gerichtshof beurteilt in ständiger Rechtsprechung die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungsrechtlich unbedenklich und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend und erblickt in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (insbesondere der Publizitätsrichtlinie und der Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - (insbesondere vom 4. 12. 1997, Slg 1997 I-6843-Daihatsu) keinen Eingriff in Grundrechte nach der EMRK oder in Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft (RIS-Justiz RS0113282; RS0113089). Die Revisionsrekurswerber bekämpfen diese Auffassung überwiegend mit Argumenten, die der Oberste Gerichtshof in Vorentscheidungen schon behandelt und abgelehnt hat. Insoweit sie sich zur Stützung ihrer Ansicht, die Offenlegung verletze Grundrechte (insbesondere Datenschutz und die Rechte aus Art 6, 8 und 10 EMRK) und es läge kein acte clair-Fall vor, sodass der Oberste Gerichtshof eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen hätte, auf mehrere Erkenntnisse des EuGH und des EGMR berufen und daraus "neue Grundrechtsbedenken" ableiten, ist ihnen - wie schon in den Vorentscheidungen, etwa zur Auskunftspflicht nach dem Bezügebegrenzungsgesetz - die Verschiedenheit der von den Gerichtshöfen behandelten Rechtsmaterien entgegenzuhalten, insbesondere der wesentliche Unterschied, dass im hier zu entscheidenden Fall eine die Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien einfordernde Rechtsprechung des EuGH vorliegt, die keinen Zweifel darüber offen lässt, dass die Offenlegung mit den von den Rekurswerbern relevierten Grundrechten im Einklang steht.

Diese Ansicht wird durch die (neue) Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG des Rates in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (1. Richtlinie - Publizitätsrichtlinie), ABl. L 221 vom 4. 9. 2003 S. 13, mit welcher der Gesetzgeber der Gemeinschaft an der obligatorischen Offenlegung von Kapitalgesellschaften festhielt, bestätigt. Weder diesem Gesetzgeber noch dem EuGH kann unterstellt werden, sie hätten verkannt, dass es sich bei den offenzulegenden Bilanzangaben um grundrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse handle. Mit der zitierten Richtlinie vom 15. Juli 2003 ist auch der Einwand der Revisionsrekurswerber, die angeblich "aus grauer Vorzeit" stammenden Richtlinien seien längst als materiell-rechtlich derogiert anzusehen, wohl endgültig widerlegt.

Der Hinweis der Revisionsrekurswerber auf die Europäische Charta der Grundrechte der Europäischen Union geht, wie auch der Verfassungsgerichtshof unlängst in seinem Erkenntnis vom 12. 12. 2003, GZ A 2/01 ua (Abweisung der Staatshaftungsklagen) zutreffend bemerkt hat, allein deshalb fehl, weil diese Charta (noch) nicht für die Mitgliedstaaten der EU verbindlich ist. Der von den Revisionsrekurswerbern behauptete umfassende Datenschutz des Gemeinschaftsrechts ergibt sich, wie der Verfassungsgerichtshof ebenfalls (in dem eben zitierten Erkenntnis) klar gestellt hat, vielmehr aus sekundärrechtlichen Vorschriften, insbesondere der Datenschutz-Richtlinie. Diese Vorschriften stehen auf einer Stufe mit den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien und können schon deshalb kein Maßstab dafür sein, ob andere Richtlinien mit dem Primärrecht vereinbar sind. Die zum Art 8 EMRK (Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens) ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betreffen jeweils die Privatsphäre natürlicher Personen und sind auf Offenlegungspflichten von Gesellschaften nicht übertragbar.

Mit der hilfsweisen Bekämpfung der Höhe der verhängten Zwangsstrafen wird keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG geltend gemacht. Die Strafen bewegen sich durchaus im gesetzlichen Rahmen und sind schon im Hinblick auf die beharrliche Weigerung der Revisionsrekurswerber, die klare Rechtslage im Sinne der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung zur Kenntnis zu nehmen, unbedenklich.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 16 Abs 4 AußStrG und § 15 Abs 1 FBG).

C. Zum Revisionsrekurs gegen die Entscheidung (P. 3a und b) über den Rekurs gegen den Beschluss ON 24:

Entscheidungsgegenstand ist der an das Firmenbuchgericht gerichtete Antrag auf Einstellung des Zwangsstrafenverfahrens. Die Rekurswerber stehen auf dem Standpunkt, dass verhängte Zwangsstrafenbeschlüsse nicht mehr betrieben werden dürften, wenn der seiner Organstellung verlustig gegangene Vorstand keine Möglichkeit mehr habe, die Firmenbilanzen beim Firmenbuchgericht einzureichen. Die Zwangsstrafe sei - wie der Verfassungsgerichtshof schon ausgesprochen habe - ein reines Beugemittel und keine Strafe. Wenn der Beugezweck, nämlich die Beugung des Willens des handlungspflichtigen Vorstandsmitglieds nicht erreicht werden könne, sei das Zwangsstrafenverfahren einzustellen.

Die Zurückweisung des Rekurses begründete das Rekursgericht im Wesentlichen damit, dass das Organ einer Kapitalgesellschaft im Zwangsstrafenverfahren kein Antragsrecht, sondern nur ein Anregungsrecht habe und vertrat im Übrigen die Auffassung, dass das Firmenbuchgericht nicht nur für die Verhängung der Zwangsstrafe, sondern auch für die Einleitung des Einbringungsverfahrens zuständig sei. Damit stehe dem Firmenbuchgericht auch die Befugnis zu, von der Einbringung einer verhängten Zwangsstrafe dann abzusehen, wenn sich die Einbringung nachträglich als nicht mehr zulässig erweise. Zwangsstrafen komme ausschließlich Beugecharakter zu, mangels Vorlage der abverlangten Urkunden sei der Beugezweck noch nicht erreicht worden. Damit könne aber auch von der Durchsetzung der Zwangsstrafe gegen den schon ausgeschiedenen Vorstand nicht abgesehen werden, weil sonst die angedrohte Zwangsstrafe jeder Wirkung beraubt werde, indem sie durch allenfalls auch bloß vorübergehendes Ausscheiden aus dem Vorstand vereitelt werden könnte.

I. In formeller Hinsicht ist vorauszuschicken, dass das Rekursgericht die Abweisung des Einstellungsantrags durch das Erstgericht in der Begründung zu P. 2. Seiner Entscheidung auch inhaltlich behandelt hat, insbesondere mit der Begründung, dass das Gesetz keine Beendigung des Zwangsstrafenverfahrens vorsehe und dass ein Zwangsstrafenverfahren solange fortzusetzen sei, bis der Beugezweck, nämlich die Erfüllung der Offenlegungspflicht, erreicht sei. Die von den Vorinstanzen vorgenommene Aufgliederung des Spruches war entbehrlich, schadet aber nicht, weil die mit Revisionsrekurs angefochtene Entscheidung in der Abweisung des Einstellungsantrags besteht, die zwangsläufig auch die Ablehnung der Abstandnahme von der exekutiven Hereinbringung der verhängten Geldstrafe inkludiert. Wegen der inhaltlichen Behandlung des Entscheidungsgegenstandes ist daher auch der erste Teil der Rekursentscheidung als Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses zu verstehen, sodass der Oberste Gerichtshof insgesamt in der Sache selbst entscheiden kann.

II. 1. Zwangsstrafen gemäß § 283 HGB, die über Organe von Kapitalgesellschaften zur Durchsetzung ihrer Offenlegungspflichten verhängt werden, sind jedenfalls primär Beugemittel. Ob sie daneben auch Strafcharakter haben, ist hier aber nicht zu entscheiden, weil die von den Revisionsrekurswerbern angestrebte Einstellung des Zwangsstrafenverfahrens mit der Rechtsfolge, dass auch eine rechtskräftig verhängte Zwangsstrafe nicht exekutiv einbringlich zu machen ist, jedenfalls nicht in einem gesonderten, von einem Exekutionsverfahren losgelösten Verfahren vor dem Firmenbuchgericht zu erfolgen hat. Der Oberste Gerichtshof hat zwar schon mehrfach ausgesprochen, dass sich die Frage nach dem repressiven Charakter der Zwangsstrafe erst bei ihrer Einbringung stelle und dass über den Rechtsmittelantrag, es möge ausgesprochen werden, dass die im Erzwingungsverfahren verhängte Strafe nicht vollstreckt werden dürfe, das Firmenbuchgericht zu entscheiden habe (6 Ob 204/01w; 6 Ob 210/01b) bzw dass über einen solchen Rechtsmittelantrag erst anlässlich der Vollstreckung zu entscheiden sei (6 Ob 298/01v). Mit diesen Entscheidungen wurde aber keineswegs die verfahrensrechtliche Frage der zulässigen Verfahrensart und der Zuständigkeit des Firmenbuchgerichtes abschließend geklärt, sondern nur ausgesprochen, dass über die in einem Rechtsmittelverfahren gestellten Einstellungsansträge nicht das Rechtsmittelgericht zu entscheiden hat.

2. Die angestrebte Einstellung des Verfahrens durch Abstandnahme von der zwangsweisen Einbringung der rechtskräftig verhängten Zwangsstrafe und ein formeller Einstellungsbeschluss mit der Wirkung, dass künftig keine Zwangsstrafenbeschlüsse gegen das ausgeschiedene Organ der Kapitalgesellschaft ergehen dürfen, können mangels gesetzlicher Grundlage aus folgenden Gründen nicht in einem gesonderten, vom Firmenbuchgericht geführten Verfahren verfügt werden:

Gemäß § 1 Z 2 GEG 1962 sind Geldstrafen aller Art, die von den Gerichten verhängt wurden, von Amts wegen einzubringen. Erlegt der Zahlungspflichtige die geschuldeten Beträge nicht sogleich, so hat der gerichtliche Kostenbeamte nach § 6 Abs 1 GEG 1962 im Justizverwaltungsverfahren einen Zahlungsauftrag, der nach dem Gesetz "ein Exekutionstitel im Sinne der Exekutionsordnung" ist, zu erlassen. § 9 GEG regelt die Stundung und den Nachlass der durch Zahlungsauftrag vorgeschriebenen Beträge. Dessen Abs 5 bestimmt aber, dass die Abs 1 bis 4 ua nicht für Geldstrafen jeder Art gelten. Anträge auf Stundung oder gänzliche Nachsicht einer verhängten Geldstrafe sind Justizverwaltungssachen, über die im Verwaltungsweg zu erkennen ist, wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst unter Hinweis auf ein einschlägiges Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 26. 2. 1992, Zl 92/01/0039, aussprach (3 Ob 5/94p). Ein solcher auf die Bestimmungen des GEG gestützter Antrag wurde hier nicht gestellt. Die Rekurswerber wandten sich mit ihrem Anliegen an das für die Verhängung der Zwangsstrafe zuständige Firmenbuchgericht.

Der konstitutive Zwangsstrafenbeschluss ist nicht schon selbst der Exekutionstitel. Erst der im Justizverwaltungsverfahren erlassene Zahlungsauftrag ist der Titel für die exekutive Durchsetzung der Strafe. In diesem Exekutionsverfahren betreibt der durch die Einbringungsstelle oder die Finanzprokuratur vertretene Bund die Einbringung (§ 11 GEG).

Die Erlassung des Zahlungsauftrags durch den Kostenbeamten ist gemäß § 234 Z 1 Geo vom Richter anzuordnen, hier also vom Firmenbuchgericht. Das Rekursgericht hat allein daraus abgeleitet, dass das Firmenbuchgericht auch in weiterer Folge für das Verfahren über die Durchsetzung der Zwangsstrafe zuständig sei und dass es über Einstellungsanträge (Aufhebungsanträge) im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden hätte. Dieser Ansicht kann jedenfalls für die Zeit nach Erlassung eines Zahlungsauftrags nicht zugestimmt werden:

Die dargestellte, für Geldstrafen aller Art geltende gesetzliche Rechtslage normiert weder im HGB noch im FBG für Zwangsstrafen nach § 283 HGB einen Einstellungsanspruch, über den in einem speziellen und vom Firmenbuchgericht durchzuführenden Durchsetzungsverfahren zu entscheiden wäre, wie es den Rekurswerbern vorschwebt. Es ist auch kein Rechtsschutzbedürfnis erkennbar, einen solchen Anspruch und das Verfahren im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung zu institutionalisieren. Die Zwangsstrafe in der Titelhöhe des Zahlungsauftrags ist im Exekutionsverfahren einbringlich zu machen. Ein nach Schaffung des Exekutionstitels eingetretener, anspruchsvernichtender Umstand kann mit Oppositionsklage gemäß § 35 EO geltend gemacht werden. Ein klagestattgebendes Urteil spricht rechtsgestaltend aus, dass der betriebene Anspruch (hier der Strafverfolgungsanspruch) materiell-rechtlich erloschen ist und führt unmittelbar zur Einstellung der Anlassexekution (§ 35 Abs 4 EO; SZ 60/88). Vor Einleitung einer Exekution kann der Verpflichtete mit negativer Feststellungsklage (§ 228 ZPO) das Erlöschen des Exekutionstitels feststellen lassen, weil ihm nicht zugemutet werden kann, eine Exekutionsführung abzuwarten (SZ 54/85). Ab Anhängigkeit eines Exekutionsverfahrens ist aber nur mehr die Oppositionsklage zulässig (7 Ob 344/97g). Der Verpflichtete kann freilich auch mit einem Oppositionsgesuch nach § 40 Abs 1 EO die Einstellung der Exekution beantragen, die aber nur mit Zustimmung des betreibenden Gläubigers erreicht werden kann. Diese dem zur Zahlung einer Zwangsstrafe Verpflichteten vom Gesetz eingeräumten prozessualen Möglichkeiten sprechen gegen ein im Gesetz nicht vorgesehenes Einstellungsverfahren beim Firmenbuchgericht. Die These der Einheit des Verhängungsverfahrens und des Durchsetzungsverfahrens (Exekutionsverfahrens) in einem einheitlichen, vom Firmenbuchgericht durchzuführenden Verfahren entbehrt einer gesetzlichen Grundlage und einer stichhältigen Begründung:

Wohl wurde zu den Beugemitteln des § 19 AußStrG - etwa zur Durchsetzung eines gerichtlichen Besuchsrechtes - judiziert, dass von der Anordnung und dem Vollzug von Maßnahmen abzustehen sei, wenn damit der angestrebte Zweck nicht erreichbar sei (RIS-Justiz RS0008614) und dass die Anwendung von Zwangsmitteln (im Sinne einer Verhängung von Beugemitteln) nicht zu erfolgen habe, wenn die zu erzwingende Leistung unmöglich geworden ist (RS0007310). Mit diesen in Rechtsfürsorgeverfahren (Pflegschaftsverfahren) ergangenen Entscheidungen ist das amtswegige Zwangsstrafenverfahren zur Erzwingung der Offenlegungspflichten von Kapitalgesellschaften aber nicht (völlig) vergleichbar. Hier geht es nicht um der clausula rebus sic stantibus unterliegende Dauerrechtsverhältnisse von Personen, die unter dem besonderen Fürsorgeschutz stehen, sondern um die Durchsetzung einer im öffentlichen Interesse verhängten Zwangsstrafe außerhalb eines Rechtsfürsorgeverfahrens. Das Gesetz stellt dem Verpflichteten in den §§ 35 und 40 EO ausdrücklich Rechtsbehelfe zur Verfügung, wenn der betriebene Anspruch infolge eines nachträglich aufgetretenen Umstands nicht mehr besteht. Da der Aufhebungsgrund - hier das Erlöschen des Strafverfolgungsanspruchs - seine Grundlage durchaus auch in streitigen Tatumständen haben kann (etwa weil die Frage der konstitutiv wirkenden Abberufung des Vorstands oder des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft strittig ist), ist es folgerichtig, darüber im streitigen Oppositionsverfahren zu entscheiden und nicht in einem außerstreitigen Firmenbuchverfahren. Selbst bei den im Rechtsfürsorgeverfahren verhängten Beugemitteln ist es zweifelhaft, ob das Außerstreitgericht zur Entscheidung über die Aufhebung einer rechtskräftig verhängten Beugestrafe, für die schon ein Zahlungsauftrag erlassen und dieser allenfalls auch schon exekutiv betrieben wurde, legitimiert ist. Aus den Gründen der Entscheidung 7 Ob 503/93 (= EvBl 1993/104) geht nur hervor, dass die zur Durchsetzung des Besuchsrechtes des Vaters über die Mutter verhängten Beugestrafen rechtskräftig waren, nicht aber, dass schon Zahlungsaufträge erlassen worden waren. Vor diesem Zeitpunkt kann die Zuständigkeit des Außerstreitgerichts und die Zulässigkeit des Außerstreitverfahrens zur Aufhebung von Beugestrafen bejaht werden, wie dies aus der Entscheidungsbegründung des 7. Senats über die Aufhebungsgründe in analoger Anwendung des § 359 Abs 2 EO abgeleitet werden kann. Nach Erlassung eines Zahlungsauftrags und insbesondere nach Einleitung eines Exekutionsverfahrens trifft dies aber nicht mehr zu. Die Frage des Erlöschens des betriebenen Strafverfolgungsanspruchs liegt dann in der alleinigen Entscheidungskompetenz des Exekutionsgerichtes.

III. Der vorliegende Einstellungsantrag ist nicht in eine Oppositionsklage oder ein Oppositionsgesuch umzudeuten, die gemäß §§ 40a JN bzw § 44 JN an das Exekutionsgericht überwiesen werden könnten:

Der Einstellungsantrag zielt auf die Einstellung des Verfahrens über die mit Beschluss des Firmenbuchgerichtes vom 24. 8. 2002, GZ 1 Fr 2958/00k, verhängten Zwangsstrafe (die mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 29. 11. 2001, AZ 6 Ob 213/01v, auf 10.000 S herabgesetzt worden war), womit die Offenlegung des Jahresabschlusses zum Stichtag 28. 2. 1999 erzwungen werden soll. Das Erstgericht hatte am 5. 9. 2002 die Einhebung der Zwangsstrafe angeordnet. Der Zahlungsauftrag wurde am 9. 9. 2002 erlassen. Zur Hereinbringung der titelmäßigen Geldschuld führt der Bund zu 14 E 918/03v des Bezirksgerichtes Donaustadt gegen die Gesellschaft und den ausgeschiedenen Vorstand Exekution. Dagegen haben die Gesellschaft und das Vorstandsmitglied am 29. 8. 2003 zu 14 C 3/03d eine Oppositionsklage, verbunden mit einem Oppositionsgesuch, eingebracht. Dieses Verfahren ist noch anhängig. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass die Revisionsrekurswerber mit ihrem aufrecht erhaltenen Einstellungsantrag ganz bewusst parallel und kumulativ zum Oppositionsstreit die Einstellung des Zwangsstrafenverfahrens im Firmenbuchverfahren anstreben, sodass eine Überweisung gemäß § 44 JN nicht in Frage kommt. Ein überwiesener Einstellungsantrag müsste vom Exekutionsgericht wegen des schon gestellten Oppositionsgesuches zurückgewiesen werden. Das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit läge auch bei der Behandlung des Einstellungsantrages als Klage vor (zur Umdeutung eines Antrages in eine Klage und Überweisung in das andere Verfahren gemäß § 40a JN: RS0111494).

Mangels gesetzlicher Grundlage ist der an das Firmenbuchgericht gestellte Einstellungsantrag zurückzuweisen, ohne dass in der Sache über den Einstellungsgrund und die damit verbundenen Rechtsfragen nach dem Charakter der Zwangsstrafen und dem Wegfall des Beugezwecks abzusprechen ist (ebenso 6 Ob 208/03m).

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