OGH 6Ob210/01b

OGH6Ob210/01b29.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Wiener Neustadt zu FN ***** eingetragenen "D*****" *****-Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in W*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft und ihres Geschäftsführers Franz N*****, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 26. März 2001, GZ 28 R 276/00i-8, womit der Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 21. Juni 2000, GZ 1 Fr 2799/00b-5, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Geschäftsführer der Gesellschaft Franz N***** und der inzwischen ausgeschiedene Geschäftsführer Dr. Thomas H***** wurden mit Beschluss des Erstgerichtes vom 10. 4. 2000 unter Androhung einer Zwangsstrafe von je 30.000 S aufgefordert, den Jahresabschluss zum 28. 2. 1999 binnen vier Wochen beim Firmenbuchgericht einzureichen. Nachdem die gesetzte Frist fruchtlos verstrichen war, verhängte das Erstgericht mit Beschluss vom 21. 6. 2000 über die beiden Geschäftsführer eine Zwangsstrafe von je 30.000 S und forderte sie unter Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von je 50.000 S auf, binnen zwei Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses der Einreichungspflicht nachzukommen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des einen (früheren) Geschäftsführers Folge und hob die über ihn verhängte Zwangsstrafe ersatzlos auf. Dem Rekurs des zweiten Geschäftsführers sowie der Gesellschaft wurde nicht Folge gegeben und der Strafbeschluss bestätigt. Dr. Thomas H***** sei zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz nicht mehr Geschäftsführer gewesen, sodass die über ihn verhängte Zwangsstrafe aufzuheben sei. Hingegen sei die über den vertretungsbefugten Geschäftsführer verhängte Zwangsstrafe wegen Verletzung der Offenlegungsvorschriften des § 277 HGB zu bestätigen. Zwar sei der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 5. 10. 1999, G 60/99, mit dem ein Individualantrag auf Prüfung der Verfassungswidrigkeit des § 280 Abs 1 HGB zurückgewiesen wurde, davon ausgegangen, dass Zwangsstrafen nach § 283 HGB reine Beugemittel seien, der Oberste Gerichtshof vertrete aber anderes. Zwangsstrafen hätten auch repressiven Charakter. Die Strafdrohung würde keinen psychologischen Druck ausüben, wenn sich die offenlegungspflichtigen Kapitalgesellschaften darauf verlassen könnten, dass verhängte Zwangsstrafen nachgesehen werden, wenn das Versäumte nachgeholt wird. Hier stelle sich die Frage der allfälligen Nachsicht einer verhängten Zwangsstrafe (wegen des Neuerungsverbotes) noch nicht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S nicht übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei.

Nach dem Aktenstand reichte die Gesellschaft am 14. 7. 2000, zeitlich somit nach dem erstinstanzlichen, aber noch vor dem zweitinstanzlichen Beschluss die "Bilanzunterlagen" zum 28. 2. 1999 beim Erstgericht ein.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragen die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer die Aufhebung der Zwangsstrafe und Einstellung des "Erzwingungsverfahrens". Hilfsweise wird der Ausspruch beantragt, dass die verhängte Zwangsstrafe nicht vollstreckt werden dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Eines Ausspruchs des Rekursgerichts über den Wert des Entscheidungsgegenstandes bedurfte es nicht. Firmenbuchsachen sind im Regelfall keine rein vermögensrechtlichen Angelegenheiten, die das Rekursgericht gemäß § 13 Abs 2 AußStrG (§ 15 FBG) zu bewerten hat. Das Rechtsmittel ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln (6 Ob 214/98h; 6 Ob 188/99m; RS0110629). Dieser ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach die österreichischen handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften und ihre Durchsetzung mit Zwangsstrafen als verfassungskonform und dem Gemeinschaftsrecht entsprechend beurteilt und in der Umsetzung der gesellschaftsrechtlichen Richtlinien (1. Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 - Publizitätsrichtlinie; 4. Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 - Bilanzrichtlinie) nach mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH; vor allem der Entscheidung vom 4. Dezember 1997, Slg 1997 I-6843 - Daihatsu - EuZW 1998, 45) keinen Eingriff in Grundrechte der MRK oder Grundwerte der Europäischen Gemeinschaft erblickt (6 Ob 101/01y mwN; RIS-Justiz RS0113282).

Der Strafbeschluss ist im Rechtsmittelverfahren auf der Sachverhaltsgrundlage der erstinstanzlichen Entscheidung zu überprüfen. Nachfolgende Ereignisse (nova producta) sind von der Neuerungserlaubnis des § 10 AußStrG nicht erfasst und unterliegen

nach ständiger Rechtsprechung dem Neuerungsverbot (6 Ob 212/99s =

ecolex 2000, 366 = RdW 2000, 157 ua). Eine Nachholung der Offenlegung

erst im Rekursverfahren kann das Rechtsmittelgericht, wie bereits die zweite Instanz zutreffend erkannte, daher nicht mehr berücksichtigen.

Auf die Frage des (auch) strafrechtlichen (repressiven oder punitiven) Charakters der Zwangsstrafe nach § 283 HGB braucht hier nicht eingegangen zu werden. Die Rechtsmittelwerber führen nur allgemein aus, nach der Entscheidung des VfGH - gemeint die Beschlüsse des VfGH vom 5. Oktober 1999, Zl G 69/99, vom 13. Oktober 1999, Zl G 61/99 ua und vom 29. November 1999, Zl G 156, 157/99 - käme der Zwangsstrafe nach § 283 HGB kein punitiver Charakter zu. Eine abschließende Stellungnahme dazu erübrigt sich hier, weil die Gesellschaft ihrer gesetzlichen Verpflichtung, wenngleich erst nach der maßgeblichen Entscheidung, ohnehin nachkam und somit ein über den Beugezweck hinausreichender Strafzweck gar nicht zum Tragen kommen konnte. Die Frage nach dem Punitivcharakter der Zwangsstrafe kann sich in einem solchen Fall erst bei ihrer Einbringung stellen. Erst dann kann geprüft werden, ob die bereits verhängte Zwangsstrafe zu vollziehen ist.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Über den im Rechtsmittel hilfsweise gestellten Antrag, auszusprechen, dass die im Erzwingungsverfahren verhängte Strafe nicht vollstreckt werden dürfe, wird das Firmenbuchgericht zu entscheiden haben.

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