OGH 7Ob28/04z

OGH7Ob28/04z21.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ulrike K*****, vertreten durch Mag. Franz J. Kohlbacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Wietrzyk Dullinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 28.188,32 und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil-Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 1. Oktober 2003, GZ 16 R 130/03k-13, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20. März 2003, GZ 16 Cg 49/02x-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das hinsichtlich des unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Ausspruchs, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu 1/3 nicht zu Recht bestehe, unberührt bleibt, wird im übrigen Umfang aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Als die Klägerin am 21. 2. 2001 um ca 17.30 Uhr das Geschäftslokal der Beklagten in der M*****straße in Wien betreten wollte, stieß sie im Portalbereich gegen ein Glaselement und zog sich dabei einen Nasenbeinbruch und eine Verletzung der Halswirbelsäule zu. Der Eingangsbereich des Geschäftslokals, in dem Textilien verkauft wurden, ist so ausgestaltet, dass eine ca 1,5 m breite, etwa 25 cm ansteigende Rampe vom Gehsteig zu einem (also ca 1,5 m hinter der Häuserfluchtlinie befindlichen) Glasportal führt, das aus vier etwa gleich großen Elementen im Ausmaß von je ca 75 cm Breite und 3 m Höhe besteht. Jedes der - ansonsten rahmenlosen - Glaselemente wird oben und unten von einem ca 15 cm breiten Aluminiumrahmen begrenzt. Das von außen gesehen rechte Element kann wie eine Tür nach außen geöffnet werden, während die drei übrigen Glaselemente wie eine Falttür nach links verschiebbar sind. Im Unfallszeitpunkt war das rechte Glaselement geschlossen, während die übrigen drei Elemente aufgeschoben waren.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes EUR 28.188,32 sowie die Feststellung der Haftung für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall. Das geschlossene Glaselement sei aufgrund der bereits eingetretenen Dämmerung und des regen Geschäftsbetriebs für sie nicht erkennbar gewesen. Weil ihr mehrere Personen aus dem Geschäft entgegengekommen seien, habe sie, diesen seitlich ausweichend, dort das Portal passieren wollen. Die Beklagte habe die gebotene Verkehrssicherungspflicht missachtet und das Portal erst nach dem Unfall gekennzeichnet.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Das geschlossene Glaselement hätte von der Klägerin bei gehöriger Aufmerksamkeit rechtzeitig erkannt werden können. Links und rechts des Eingangs befinde sich eine auffällige elektronische Diebstahlsicherung und das Glas sei grün-bläulich getönt; insbesondere abends sei das geschlossene Glasportal durch die Spiegelungen des künstlichen Lichts deutlich zu erkennen. Glasportale und Glastüren seien auf der Mariahilferstraße nichts Außergewöhnliches. Obwohl das Glaselement insbesondere während der kalten Jahreszeit häufig geschlossen gehalten werde, sei noch nie ein Kunde gegen die Glasscheibe geprallt. Die Klägerin, die in der kalten Jahreszeit mit geschlossenen Glastüren rechnen habe müssen, habe nicht in ihre Gehrichtung geblickt. Sie hätte daher auch allfällige Warnhinweise oder Kennzeichnungen auf der Glaseingangstür nicht gesehen, weil ihr Blick seitlich zu einer Verkäuferin gewandt gewesen sei. Sollte sie, die Beklagte, tatsächlich ihren Pflichten nicht ausreichend nachgekommen sein, wäre der Klägerin aufgrund ihrer Unachtsamkeit doch zumindest ein hohes Maß an Mitverschulden anzulasten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im Wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Innerhalb des Geschäftslokals befindet sich unmittelbar hinter der Glasscheibe eine Diebstahlsicherung aus ca 3 cm starkem Glas bzw Plexiglas in einem massiven Sockel. Die Diebstahlsicherung ist von außen erkennbar. Sie befindet sich ca 75 cm links und rechts von der seitlichen Begrenzung des Eingangs. Der Abstand zum Hineingehen zwischen der Diebstahlsicherung ist etwa 1,5 m breit. Dort befindet sich auch in der kalten Jahreszeit eine auffällige braune Fußmatte. Die stadteinwärts gehende Klägerin benützte den Gehsteig auf der Straßenseite des Geschäfts der Beklagten. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und im Verkaufslokal war die Beleuchtung angedreht. Die umliegenden Geschäfte verfügen über Lichtreklamen und beleuchtete Geschäftsschilder, die sich in den Glasscheiben spiegelten. Am betreffenden Eingangsbereich war das rechte Glaselement geschlossen, das (soll heißen was) jedoch durch seine Spiegelung, die leichte grünliche Tönung und einen seitlichen, etwa 1 cm starken schwarz-grünen Rand erkennbar (war). Weil der Klägerin einige Kunden aus dem Geschäft entgegenkamen, blieb sie kurz stehen, um sie vorbeizulassen, suchte dann den Blickkontakt zu der ihr bekannten Zeugin (Verkäuferin) Sevgül D***** und betrat die Rampe Richtung Geschäftsinneres, während sie der Zeugin grüßend zulächelte. Dazu musste sie schräg nach links über ihre Schulter schauen, da sich die Zeugin ca 6 m vom Portal entfernt links hinter der Kassa befand. Weil die Klägerin nicht nach vorne in ihre Gehrichtung, sondern nach links blickte, übersah sie, dass das rechte der vier Glaselemente des Portals geschlossen war. Obwohl sie unmittelbar vor Erreichen der Glasfront wieder nach vorne blickte, prallte sie mit dem Kopf gegen das Glaselement. Hätte sie nach vorne in ihre Gehrichtung geblickt, wäre ihr aufgefallen, dass der schmale Weg seitlich an den Diebstahlsicherungen vorbei ins Geschäftsinnere durch die Glasscheibe des Portalelements versperrt war. Das Hindernis wäre ihr dabei durch die zur Unfallszeit bereits vorhandenen Spiegelungen der Lichtreklame von der Mariahilferstraße bzw der Tönung der Scheibe oder auch der grün-schwarzen, 1 cm breiten Seitenansicht der Scheibe aufgefallen. Hätte sich im Unfallszeitpunkt ein Aufkleber oder eine sonstige Kennzeichnung auf dem Glaselement befunden, wäre der Unfall der Klägerin auch nicht zu vermeiden gewesen, da sie beim Betreten des Geschäftslokals nicht nach vorne in ihre Gehrichtung, sondern nach links zur Zeugin Sevgül D***** geblickt hat und so auch einen Aufkleber auf der Scheibe nicht rechtzeitig wahrnehmen hätte können. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richteten sich vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen könnten. Ein Glasportal, das im Unfallszeitpunkt bei ausreichendem Blick nach vorne zumindest durch die Spiegelungen, die Tönung und den seitlichen Randstreifen erkennbar gewesen wäre, biete keinen Anlass für zusätzliche Verkehrssicherungsmaßnahmen, zumal ein geschlossenes Glaselement vor allem im Winter auch nicht als ganz ungewöhnlich und an dieser Stelle nicht zu vermuten bezeichnet werden könne. Die Diebstahlsperren könnten nur dann wirksam werden, wenn das äußere linke und das äußere rechte Glaselement geschlossen seien. Der Hauptein- und -ausgang sei durch eine auffällige Fußmatte ersichtlich gewesen. Der mögliche Weg links und rechts davon, durch je einen schmalen Zwischenraum von nur ca 75 cm sei ungewöhnlich und erfordere besondere Aufmerksamkeit. Da keine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten vorliege, sei unbeachtlich, dass eine Kennzeichnung des Glaselements durch einen Aufkleber mit geringem Kostenaufwand möglich gewesen wäre. Abgesehen davon habe die Klägerin dem vor ihr liegenden Weg nicht gehörige Aufmerksamkeit geschenkt, sodass das Fehlen eines solchen Aufklebers auch nicht kausal für den Schaden der Klägerin gewesen sei.

Das Berufungsgericht, das in nichtöffentlicher Sitzung entschied, änderte das Ersturteil in ein Teil-Zwischenurteil dahin ab, dass es das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu 2/3 zu Recht bestehend feststellte (womit implizit auch ausgesprochen wurde, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu 1/3 nicht zu Recht bestehe, was durch die Klägerin unbekämpft blieb) und die Entscheidung über das Feststellungsbegehren und über die Verfahrenskosten der Endentscheidung vorbehielt, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht erachtete die Feststellungs- und Beweisrüge der Klägerin insofern als beachtlich, als es erklärte, die erstgerichtlichen Feststellungen nur mit folgenden Ausnahmen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung zu übernehmen: Von der Feststellung "dazu musste sie (die Klägerin) schräg nach links über ihre Schulter schauen", würden die Worte "über ihre Schulter" nicht übernommen. Einerseits sei nach dem Beweisverfahren die genaue Annäherungsrichtung der Klägerin nicht nachzuvollziehen, sodass nicht rekonstruierbar sei, ob und in welchem Ausmaß die Klägerin bei der Kontaktnahme mit der Zeugin den Kopf verdreht habe. Andererseits reichten die übrigen Feststellungen für die rechtliche Beurteilung aus, weil sich daraus ergebe, dass die Klägerin unmittelbar vor dem Unfall nicht in ihre Richtung geblickt habe und ihre Aufmerksamkeit abgelenkt gewesen sei. Weiters werde auch die Feststellung "hätte sich im Unfallszeitpunkt ein Aufkleber oder eine sonstige Kennzeichnung auf dem Glaselement befunden, wäre der Unfall auch nicht zu vermeiden gewesen, da die Klägerin beim Betreten des Geschäftslokals nicht nach vorne in ihre Gehrichtung, sondern nach links zur Zeugin Sevgül D***** geblickt hat und so auch einen Aufkleber auf der Scheibe nicht rechtzeitig wahrnehmen hätte können" nicht übernommen, weil sie, wie zur Rechtsrüge dargelegt werden werde, nicht entscheidungsrelevant sei. Damit erübrige sich eine Stellungnahme zur entsprechenden Beweisrüge.

In Behandlung der Rechtsrüge vertrat das Berufungsgericht im Wesentlichen die Ansicht, entgegen der Meinung des Erstgerichts habe die Beklagte Verkehrssicherungspflichten verletzt. Am auffälligsten sei für Kunden gewesen, dass sich der Eingangsbereich zwischen zwei Mauern befunden habe und auch im Winter offen gewesen sei, sodass Kunden das Geschäftslokal ohne eine Türe zu öffnen betreten und verlassen hätten können. Daher sei es als besonders gefährlich zu qualifizieren, diese Eingangsöffnung zum Teil mit einem viel geringer auffälligen Glaselement zu verschließen. Hiebei sei zu berücksichtigen, dass es einen Unterschied mache, ob der Eingangsbereich von einem Fußgänger (potenziellen Kunden) mit einem Blick wahrgenommen werde oder ob er - wie beim Lokalaugenschein - im Zentrum der Aufmerksamkeit stehe. Einem Fußgänger bzw Kunden sei nicht zuzumuten, dass er einem Geschäftseingang seine volle Aufmerksamkeit widme, weil er gerade in einer Einkaufsstraße von der Werbung bzw den Schaufenstern abgelenkt werde oder schilcht in Gedanken sei, zumal ein Geschäftseingang in der Regel nicht als gefährlicher Ort einzustufen sei. Abgesehen davon habe ein Fußgänger/Kunde auch im Winter nicht mit einem bloß teilverschlossenen Eingangsbereich rechnen müssen; dies umso weniger, als die Eingangsöffnung für ein Geschäftslokal nicht auffallend breit sei (3 m). Auch die Diebstahlsperre zeige keine markante Begrenzung an. Auch sei der Weg rechts an der Diebstahlsperre vorbei entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht als außergewöhnliche Wegstrecke zu qualifizieren. Es wäre für die Beklagte kein großer Aufwand gewesen, zur für sie erkennbar notwendigen Gefahrenbeseitigung entweder den gesamten Eingangsbereich offen zu halten oder das geschlossene Glaselement auffallend zu kennzeichnen. Das Unterbleiben derartiger Maßnahmen sei als Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zu qualifizieren. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei auch die Kausalität zu bejahen: Bei der Beweisführung für die Kausalität der Unterlassung genüge in der Regel ein höherer Grad an Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhanges. Da mit der Glasfläche die Begrenzung der Eingangsöffnung von der sichtbaren Mauer um 75 cm zur Mitte hin verengt worden sei, habe die pflichtgemäße Handlung zumindest darin bestanden, diese Glasfläche deutlich durch Markierungen in Augenhöhe (von Erwachsenen und Kindern) zu kennzeichnen und/oder den Glasrand als Begrenzung der Eingangsöffnung zu markieren. Wäre dies geschehen, so sei mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Klägerin das Glaselement in Annäherung an den Eingangsbereich wahrgenommen hätte. Die Klägerin habe auf den Eingangsbereich geachtet, weil sie einerseits aus dem Geschäft kommende Kunden vorbeigehen habe lassen und andererseits offenbar die rechte Begrenzungsmauer wahrgenommen und außerdem eine an sich mögliche Gehrichtung eingeschlagen habe. Das Erstgericht habe zwar festgestellt, dass die Klägerin einen Aufkleber auf der Scheibe nicht rechtzeitig hätte wahrnehmen können, weil sie beim Betreten des Geschäftslokals nicht in Gehrichtung, sondern nach links geblickt habe. Diese Feststellung stelle aber nicht auf die Wahrnehmung einer Kennzeichnung in Annäherung an den Eingangsbereich ab, sondern offenbar erst auf die Wahrnehmbarkeit während der letzten drei Schritte (während die Klägerin nach links zur Zeugin D***** blickte). Dafür, dass die Klägerin in Annäherung an den Eingangsbereich (noch bevor sie die "Rampe" erreicht und zur Zeugin D***** geblickt habe) eine deutliche Kennzeichnung übersehen hätte, gebe es keine Anhaltspunkte. Selbst die ausgeschiedenen Feststellungen des Erstgerichts wären in dieser Allgemeinheit nicht ausreichend gewesen, weil hiezu festgestellt hätte werden müssen, welche Gehlinie die Klägerin exakt eingehalten habe und ob danach eine Kennzeichnung aus dem Blickwinkel wahrnehmbar gewesen wäre oder nicht.

Allerdings habe auch die Klägerin einen Aufmerksamkeitsfehler zu vertreten. Hätte sie nach dem kurzen Stillstand (um die herauskommenden Kunden passieren zu lassen), vor dem Losgehen auf den Weg vor ihr geachtet und nicht nach links zur Zeugin D***** geblickt, dann hätte sie die Glasfläche wahrnehmen können. Der Sorgfaltsverstoß der Beklagten wiege jedoch schwerer, sodass eine Verschuldensteilung 2 : 1 zu deren Lasten angemessen erscheine.

Da das Erstgericht ausgehend von seiner Rechtsansicht keine Feststellungen zur Höhe des Zahlungsbegehrens und darüber getroffen habe, ob bei der Klägerin mit Dauerfolgen aus dem Unfall zu rechnen sei, werde das erstinstanzliche Urteil in ein entsprechendes Teil-Zwischenurteil abgeändert.

Zur Begründung seines Ausspruchs der Unzulässigkeit der Revision führte das Berufungsgericht aus, es sei von grundsätzlicher Rechtsprechung zur Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und zur Beweislast für eine Kausalität durch Unterlassung nicht abgewichen. Ob eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten vorliege und diese auch für den Schaden kausal gewesen sei, sei nach den Umständen des konkreten Falls zu beurteilen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision der Beklagten, die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht, zulässig und im Sinne der Rückverweisung an das Berufungsgericht auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung trifft jeden, der eine seiner Verfügung unterliegende Anlage dem Zutritt eines Personenkreises eröffnet oder auf seinem Grund einen Verkehr für Menschen unterhält, eine Verkehrssicherungspflicht (Reischauer in Rummel ABGB2 § 1294 Rz 4 mwN aus der Rsp). Wer eine Gefahrenquelle schafft, muss die notwendigen Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden (Harrer in Schwimann, ABGB2 VII § 1295 Rz 42 mwN aus der Rsp). Die Verkehrssicherungspflicht darf nicht überspannt werden, soll sie keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (RIS-Justiz RS0023950). Sie findet ihre Grenze daher immer in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (Harrer aaO § 1295 Rz 44 und 55 mwN; RZ 1982/50; ZVR 1989/28; ZVR 1993/62; RIS-Justiz RS0023397). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS-Justiz RS0023726). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht kann immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden; entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (7 Ob 51/00a, ZVR 2000/94; 6 Ob 333/00i; 7 Ob 156/01v ua). Ob eine Situation geschaffen wurde, die eine Schädigung wahrscheinlich macht (8 Ob 57/85 ua), ist nach den Umständen des konkreten Einzelfalles zu beurteilen (7 Ob 151/98a; 7 Ob 156/01v ua).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann zwar die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, das geschlossene Glaselement entsprechend zu markieren, um es auffälliger zu machen, aus den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen gebilligt werden. Auch wenn feststeht, dass das geschlossen gehaltene Glaselement aufgrund von Lichtspiegelungen als solches erkennbar gewesen wäre und auch wenn man ins Kalkül zieht, dass von jedem Fußgänger zu verlangen ist, dass er der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwendet (vgl RIS-Justiz RS0027447 und RS0023787), ist nach der festgestellten Lage der Dinge der Auffassung, es hätte noch eines deutlicheren Hinweises darauf bedurft, dass nicht der gesamte Eingangsbereich offen stand, sondern eines der Glaselemente geschlossen war, beizutreten, zumal eine solche sichernde Maßnahme keinen besonderen Aufwand erfordert hätte und der Beklagten daher auch ohne weiteres zumutbar war.

Die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichts, auf die erstgerichtliche Feststellung, wonach eine solche Kennzeichnung durch einen Aufkleber oä den gegenständlichen Unfall nicht verhindert hätte, da die Klägerin aufgrund ihrer Blickrichtung den Aufkleber nicht rechtzeitig wahrnehmen hätte können, komme es nicht an, hält allerdings einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht stand. Die Überlegung, die betreffende Feststellung müsse sich nur auf die letzten drei Schritte der Klägerin beziehen; aus den erstgerichtlichen Feststellungen lasse sich schließen, dass die Klägerin zuvor den Eingangsbereich beobeachtet habe und ihr daher mit großer Wahrscheinlichkeit eine Markierung des betreffenden Glaselements aufgefallen wäre, findet in den Feststellungen des Erstgerichts keine Deckung: Feststeht, dass die Klägerin stadteinwärts ging und daher zunächst den geöffneten Teil des Geschäftseingangs passieren wollte. Weiters steht fest, dass sie (nur) deshalb nicht dort eintrat, weil gerade Kunden das Geschäft verließen. Hätte sie den Eingangsbereich beobachtet, wäre es doch naheliegend gewesen, den linken Eingangsbereich zu benützen und nicht erst den Weg der das Geschäft verlassenden Kunden zu kreuzen und zu versuchen, rechts an diesen vorbei einzutreten. Nach dem unbekämpft festgestellten Sachverhalt kann daher keine Rede davon sein, dass die Klägerin, wie das Berufungsgericht unterstellt, mit großer Wahrscheinlichkeit dem Eingangsbereich zunächst doch Aufmerksamkeit geschenkt hätte. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass das Berufungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung selbst davon ausgeht, dass die Angabe der Klägerin, eine Lichtspiegelung im betreffenden Glaselement sei nicht vorhanden gewesen, keine Wahrnehmung, sondern eine (unrichtige) Schlussfolgerung darstellt. Unrichtig ist es daher auch, dass der betreffenden Feststellung ebenso wie der Feststellung, die Klägerin habe in Annäherung an die Glasscheibe nicht nach vorne, sondern über ihre linke Schulter geblickt, keine Entscheidungsrelevanz zukäme. Ausgehend von diesen Feststellungen wäre nämlich der Beweis, dass der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens der Beklagten eingetreten wäre (sog rechtmäßiges Alternativverhalten; vgl etwa 2 Ob 20/99a, ZVR 1999/97 uva; RIS-Justiz RS0027364; RS0022908; Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/60 ff; Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 1311 Rz 8; Harrer in Schwimann ABGB2 VII §§ 1301 f Rz 47 ff; Welser in Koziol/Welser II12 298 jeweils mwN) als gelungen anzunehmen. Da diese Feststellungen also sehr wohl entscheidungswesentlich sind, wird von der Revisionswerberin zu Recht gerügt, dass das Berufungsgericht von diesen Feststellungen abgegangen ist (sie "nicht übernommen hat"), ohne eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und eine Beweiswiederholung vorzunehmen. Das Abgehen von den Denkgesetzen nicht widersprechenden Feststellungen des Erstgerichts begründet ohne Wiederholung sämtlicher zu diesem Thema aufgenommener Beweise eine von der Revisionswerberin ausdrücklich geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens iSd § 503 Z 2 ZPO und muss daher zur Aufhebung des Berufungsurteils und Rückverweisung der Sache an das Gericht zweiter Instanz führen (RIS-Justiz RS0043461 und RS0043057 jeweils mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Um die Frage, ob ein rechtmäßiges Alternativverhalten der Beklagten den gegenständlichen Unfall, wie das Berufungsgericht angenommen hat, verhindern hätte können, zu klären, wird eine entsprechende Beweiswiederholung bzw -ergänzung vorzunehmen sein.

In Stattgebung der Revision war daher spruchgemäß zu entscheiden. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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