OGH 7Ob51/00a

OGH7Ob51/00a29.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Julia W*****, vertreten durch ihre Mutter Cornelia W*****, diese vertreten durch Dr. Gerhard Haslbauer, Rechtsanwalt in Laakirchen, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde G*****, vertreten durch Mag. Gerlach Bachinger, Rechtsanwalt in Neuhofen a.d. Krems, wegen S 158.434,70 sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 210.434,70), über die Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 1. Dezember 1999, GZ 2 R 219/99k-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 16. Juni 1999, GZ 4 Cg 185/98t-28, zum Teil in ein Teilzwischenurteil abgeändert und zum Teil aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision und dem Rekurs wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilzwischenurteil und der angefochtene Aufhebungsbeschluss werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 41.688,20 (darin enthalten S 4.739,70 USt und S 13.250,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist Eigentümerin und Betreiberin einer Kunsteisbahn in G*****, die der Allgemeinheit gegen Entgelt zur Benützung offensteht. Ihre 60 x 30 m große Eisfläche wird von einer Bande umschlossen und kann nur durch zwei an einer der Längsseiten befindlichen Türen betreten werden. Sie wird für diverse Eissportarten verwendet, wobei etwa für das Eishockeyspiel die gesamte Eisfläche benötigt wird. Manchmal - etwa wenn Eisstock geschossen und gleichzeitig Eiskunstlauf trainiert wird - erweist es sich jedoch als zweckmäßig, die Eisfläche in zwei Bereiche aufzuteilen. Dies geschieht insbesondere auch dann, wenn beim Publikumseislauf ein geschützter Teil für Anfänger bereitgestellt werden soll. Die - in Bezug auf die Flächenaufteilung variable - Abtrennung wird dadurch vorgenommen, dass ein in einer Höhe von rund 130 cm angebrachtes, durch Fähnchen besser sichtbar gemachtes, leicht (bis auf ca 1 m) durchhängendes Seil über die Breitseite der Eisfläche gespannt wird. Das Seil lässt sich nicht dehnen, aber durch die lockere Spannung seitlich verschieben und auch hochheben; es schnellt nicht zurück. Wenn das Seil zum Durchfahren angehoben wird und jemand zugleich daran zieht, kann dadurch eine ruckartige Seilbewegung ausgelöst werden. Einen unsicheren Stand vorausgesetzt, kann dieser Ruck zum Sturz (des das Seil Anhebenden) führen. Bei durchschnittlichen Fähigkeiten zum Eislaufen hat man eine solche Standfestigkeit, dass man ohne Schwierigkeit unter dem Seil durchgehen kann, wobei der Eisläufer das Seil zwar anheben, sich aber nicht daran festhalten bzw abstützen darf, weil dadurch, wie eben erläutert, bei einer fremd verursachten Seilbewegung die Standfestigkeit beeinträchtigt werden könnte. Während des Publikumseinslaufs wird deshalb in Lautsprecherdurchsagen darauf hingewiesen, dass sich die Eisläufer nicht am Seil anhalten sollen; das Seil diene nur zur Absperrung.

Eine derartige Abtrennung der Eisfläche durch ein Seil, die rasch und flexibel erfolgen kann, ist allgemein üblich und wird auf den meisten Kunsteisbahnen im deutschsprachigen Raum praktiziert. Als Variante werden auch Kunststoffhütchen aufgestellt, die aber schwerer erkennbar sind, eine beträchtliche Stolpergefahr bergen und leichter zu Stürzen führen können. Auch eine Abtrennung durch mobile Banden wäre möglich, die aber den Nachteil einer zeitaufwendigen Aufstellung haben und daher nur in wenigen Eisstadien bei länger andauernder Verwendung, zB für das Eishockeytraining, benützt werden.

Der Eislaufsport ist eine gefahrengeneigte Tätigkeit, bei der Unfälle mit Verletzungsfolgen nicht zu vermeiden sind. Die beklagte Partei hat an mehreren Stellen ihrer Kunsteisbahn für das Publikum gut sichtbar eine Eislaufordnung angebracht, in der darauf hingewiesen wird, dass sie vom Besucher mit dem Lösen der Eintrittskarte anerkannt werde. Darin heisst es ua, dass die Benutzung der Kunsteisbahn auf eigene Gefahr erfolge und die Beklagte für Personen- und Sachschäden, die auf Mängel der Eissportanlage zurückzuführen sind, nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ihrer Organe hafte.

Am Nachmittag des 4. 1. 1998 suchte die damals 13-jährige Klägerin die Eisbahn der Beklagten auf, um Eis zu laufen. Sie betreibt das Eislaufen schon seit ihrer Kindheit und beherrscht diese Sportart "normal". Es herrschte damals starker Publikumsandrang, weshalb man die erwähnte Seilabsperrung angebracht hatte, um Kindern und Anfängern einen geschützten Bereich zu bieten. Es war etwa 1/6 oder 1/7 der gesamten Eisfläche abgetrennt, wobei sich die beiden Zugangstüren im größeren Teilbereich befanden, sodass der abgetrennte kleinere Teil nur über die Seilabsperrung erreicht werden konnte. Die Absperrung wurde häufig von Eisläufern frequentiert, die das Seil hochhoben, um die Platzbereiche zu wechseln. Die Klägerin, die bereits etwa eine Stunde lang eisgelaufen war, wollte mit einem kleinen Buben, den sie auf der Eisfläche getroffen hatte, in den kleineren Bereich wechseln. Dabei kam sie im Bereich der Seilabsperrung zu Sturz und zog sich eine schwere Verletzung am linken Bein zu.

Mit der Behauptung, sie sei durch das gespannte Seil verletzt worden, weil dieses im Zuge des Durchfahrens zurückgeschnellt sei und sie zu Boden gerissen habe, begehrt sie mit der vorliegenden Klage von der Beklagten ihre unfallskausalen Schäden ersetzt, die sie mit S 158.434,20 beziffert. Da auf Grund der erlittenen Verletzung Spät- und Dauerfolgen nicht auszuschließen seien, habe sie auch ein Interesse daran, dass die Haftung der Beklagten für zukünftige Schadenersatzansprüche festgestellt werde. Sie habe das Absperrseil - wie vorgesehen - angehoben, um darunter durchzufahren. Im Zusammenhang mit dem Seil komme es zu Verletzungen von Eisläufern dadurch, dass sich das Seil durch Aufheben und Dagegenstoßen anderer Personen in einer unkontrollierten Bewegung befinde. Zumindest ein ähnlicher Unfall sei bereits vorher dort passiert gewesen. Die Seilabsperrung habe eine atypische Gefahr dargestellt, die von ihr, der Klägerin, mangels eines anderen Zugangs zum abgetrennten Bereich nicht zu vermeiden gewesen sei. Die Beklagte sei ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Der Haftungsausschluss laut Eislaufordnung sei gesetzeswidrig.

Die beklagte Partei beantragte, die Klage abzuweisen. Die Absperrung durch ein Seil sei üblich; das Seil sei entsprechend markiert und auffällig gewesen und habe mühelos überwunden werden können. Es habe daher keine Gefahrenquelle dargestellt, sondern vielmehr der verkehrssicheren und gefahrlosen Benützung der Eisfläche gedient. Selbst wenn man eine Haftung annehmen könnte, müsste sich die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden anrechnen lassen, weil der Sturz durch ihre Unachtsamkeit verursacht worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte zum Unfallshergang noch fest, die Klägerin habe dem kleinen Buben beim Wechseln hinter die Seilabsperrung das Seil angehoben, wobei sie beim Hochheben schon irgendwie aus dem Gleichgewicht und dann im Zuge einer ruckartigen Seilbewegung zu Sturz gekommen sei, wobei dazu nicht festgestellt werden könne, ob das Seil durch eine andere Person ruckartig bewegt worden sei, was nur vermutet werden könne. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Betreiber einer Eislaufbahn, deren Benützer ein Entgelt zu leisten haben, habe aus dem Vertragsverhältnis für die gefahrlose Benützung der Anlage zu haften. Eine vertraglich übernommene Verkehrssicherungspflicht verlange ein höheres Maß an Sorgfalt als bei Verletzung außervertraglicher Pflichten. Es seien nur atypische Gefahren zu sichern, also solche Hindernisse, die der Eisläufer ohne weiteres nicht erkennen könne oder die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden könne. Eine vollkommene Verkehrssicherheit sei nicht erreichbar. Die Verkehrssicherungspflicht dürfe nicht überspannt werden und es sei auch auf die Zumutbarkeit ihrer Einhaltung Bedacht zu nehmen. Der Klägerin sei der Nachweis, dass der Unfall durch das Verhalten bzw durch Unterlassungen der Beklagten eingetreten sei, nicht gelungen, weil die Abtrennung in zwei Eisflächen unter gewissen Umständen aus Sicherheitsgründen geboten sei. Dies sei flexibel und rasch nur durch eine Seilabsperrung möglich. Der Vorwurf der fehlenden Zutrittsmöglichkeit über die Außenbande sei nicht berechtigt, weil eine Mehrzahl von Türen aus statischen Gründen nicht vertretbar sei und "dies außerdem aus Erfahrung vom Publikum beim Wechsel der Eisbahnen ohnehin nicht angenommen" werde. Eine bessere und wirksamere Trennungsweise als jene mit dem Seil sei nicht möglich, diese Art der Abtrennung sei auch allgemein üblich. Die Seilabsperrung bringe keine atypischen Gefahrenmomente, weil das Seil wenig elastisch und gegen die Gefahr des Zurückschnellens locker gespannt sei. Beim Publikumslauf würden die Eisläufer durch die wiederholten Lautsprecherdurchsagen auch darauf aufmerksam gemacht, dass die Seilabsperrung nur zur Abgrenzung diene und man sich daran nicht anhalten solle. Dass bei einem abstützenden Anhalten am Seil eine Sturzauslösung möglich sei, wenn das Seil durch einen Dritten bewegt werde, sei evident. Damit müssten Eisläufer aber rechnen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte die Entscheidung der ersten Instanz in ein Teilzwischenurteil ab, wonach das Klagebegehren im Umfang des Leistungsbegehrens dem Grunde nach zu Recht bestehe. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens wurde das Ersturteil aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung aufgetragen; auch betreffend das Leistungsbegehren wurde dem Erstgericht eine nach Verfahrensergänzung unter Bedachtnahme auf das Teilzwischenurteil zu fällende neuerliche Entscheidung aufgetragen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes insgesamt S 260.000,-- nicht übersteige und dass die Revision gegen das Teilzwischenurteil und der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig seien.

Da die beklagte Unternehmerin und die Klägerin Verbraucherin sei, sei auf ihr Vertragsverhältnis § 6 Abs 1 Z 9 KSchG anzuwenden. Eine Haftungsfreizeichnung für die Personenschäden der Klägerin auf die sich die Beklagte berufen habe, könne daher nicht Anwendung finden. Die Auffassung des Erstgerichts, dass die Absperrung der Eislauffläche mittels eines locker gespannten und entsprechend auffällig gemachten Seiles nicht als Verletzung der die Beklagten treffenden Verkehrssicherungspflicht angesehen werden könne, sei zu teilen. Das Seil stelle aber eine Gefahrenquelle dar, auf die auch der Eisläufer selbst Bedacht zu nehmen habe. Dass sich die Klägerin unzulässigerweise in den Bereich des Seiles begeben hätte, habe die Beklagte gar nicht behauptet und könne auch nicht angenommen werden. Nach den Feststellungen des Erstgerichts, die allerdings von beiden Streitteilen bekämpft würden, sei die Klägerin zu Sturz gekommen, als sie das Seil anhob und dabei - beim Hochheben - schon irgendwie aus dem Gleichgewicht und dann im Zuge einer ruckartigen Seilbewegung zu Sturz gekommen sei. Damit habe sich der Sturz der Klägerin aber genau in jener Situation ereignet, die von der Beklagten als potentiell gefährlich angesehen worden sei (aus diesem Grund seien auch Lautsprecherdurchsagen getätigt worden). Dabei könne es dahingestellt bleiben, ob die Klägerin lediglich aus Ungeschicklichkeit oder tatsächlich infolge einer ruckartigen Bewegung des Seiles zu Sturz gekommen sei. Eines Eingehens auf die diesbezüglichen Feststellungsrügen der Berufung bedürfe es deshalb nicht. Der Klägerin könne nicht vorgeworfen werden, dass sie das Seil berührt und hochgehoben habe, sei doch genau dieser Vorgang von der Beklagten vorgesehen worden. Die Beklagte habe dafür einzustehen, dass sie die Klägerin durch ihre Vorgaben in eine Situation gebracht habe, die von ihr selbst als Gefahrensituation vorhergesehen worden sei. Der Beklagten wäre es, wie sich aus dem Lichtbild AS 67 ergebe, grundsätzlich möglich gewesen, einen Zutritt zu beiden Eisflächen von außen, also durch Türen in der Außenbande, zu ermöglichen. Die Klägerin wäre dann nicht gezwungen worden, das Seil zu ergreifen. Die Beklagte werde nicht dadurch entlastet, dass in der Praxis auch beim Vorhandensein von Außenzugängen die Eisläufer unter dem Seil durchzufahren pflegen. Könne doch nicht zu Lasten der Klägerin angenommen werden, dass auch sie sich in diesem Sinne sorgfaltswidrig verhalten hätte. Somit habe die Beklagte nicht nur eine Gefahrenquelle geschaffen, sondern auch dafür gesorgt, dass sich die Klägerin in eine Gefahrensituation begeben habe müssen, um auf die kleinere abgetrennte Eisfläche zu gelangen. Das Leistungsbegehren erscheine daher dem Grunde nach berechtigt. Über das Feststellungsbegehren könne noch nicht entschieden werden, weil die Beklagte Spät- und Dauerschäden der Klägerin bestritten habe. Im fortgesetzten Verfahren werde sich das Erstgericht mit den Leistungsansprüchen der Höhe nach und mit der Frage von Spät- und Dauerfolgen auseinanderzusetzen haben.

Die Revision sei zulässig, weil die Frage, inwieweit die von zahlreichen Betreibern von Eiskunstlaufbahnen verwendete Absperrung durch ein Seil einen Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten darstelle, das vorliegende Verfahren an Bedeutung übersteige und dem Berufungsgericht eine einschlägige Judikatur des Obersten Gerichtshofs nicht bekannt sei.

Mit ihrer Revision und ihrem Rekurs macht die Beklagte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend und beantragt, das klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt primär die Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihnen keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision und der Rekurs sind zulässig und berechtigt.

Keine Berechtigung kommt allerdings der Mängelrüge der Beklagten zu, soweit diese dem Berufungsgericht vorwirft, ohne Beweiswiederholung von den erstgerichtlichen Feststellungen zum Unfallshergang (Aus-dem-Gleichgewicht-Kommen der Klägerin schon bei Hochheben des Seiles etc) abgegangen zu sein. Das Berufungsgericht, von dem diese Feststellungen - wie bereits geschildert - ohnehin wörtlich zitiert wurden (US 7, letzter Absatz), hat die Meinung vertreten, aus rechtlichen Überlegungen nicht auf die betreffende Beweisrüge der Klägerin eingehen zu müssen. Ausdrücklich und folgerichtig wird vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang auch eine bloße Ungeschicklichkeit der Klägerin im Zuge des Hochhebens des Seiles (neben einer ruckartigen Bewegung des Seiles) als Sturzursache ins Kalkül gezogen (US 13, erster Absatz). Der von der Beklagten behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Ob das Berufungsgericht, was ebenfalls als Mangelhaftigkeit gerügt wird, ohne Beweiswiederholung annehmen bzw unterstellen durfte, dass es der Beklagten möglich gewesen wäre, auch für die kleinere abgetrennte Eisfläche einen Zutritt durch eine Türe in der Außenbande zu schaffen, kann, wie die folgenden rechtlichen Erwägungen zeigen werden, dahingestellt bleiben.

Noch vor Eingehen auf die Rechtsrüge der beklagten Partei ist anzumerken, dass die in der Eislaufordnung der gegenständlichen Kunsteisbahn erfolgte Freizeichnung für leicht fahrlässig verursachte Personenschäden gemäß § 6 Abs 1 Z 9 KSchG idgF unzulässig ist (vgl JBl 1998, 511 = RdW 1998, 455 = ZVR 1999/37). Dies wird von der Revision auch gar nicht bestritten, weshalb es genügt, auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Nach stRsp trifft jeden, der eine seiner Verfügung unterliegende Anlage dem Zutritt eines Personenkreises eröffnet (ZVR 1965/188; SZ 30/22; EvBl 1969/119; ZVR 1987/104) oder auf seinen Grund einen Verkehr für Menschen unterhält (SZ 47/124; ZVR 1987/104) eine Verkehrssicherungspflicht (Reischauer in Rummel ABGB2 Rz 5 zu § 1294). Er muss die Anlage für die befugten Benützer in einem verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand erhalten (SZ 41/146; ZVR 1978/111; JBl 1980, 590; JBl 1991, 586) und vor erkennbaren Gefahren schützen (ZVR 1984/280; SZ 60/256). Nach hM ergeben sich diese Pflichten schon bei Duldung des Verkehrs (ZVR 1978/111). Entsteht, wie im vorliegenden Fall, durch das Lösen einer Eintrittskarte zum Besuch einer Eisbahn zwischen deren Betreiber und die Besucher ein Vertragsverhältnis, besteht für den Betreiber die vertragliche Nebenpflicht, die dem Besucher zur Ausübung des Eislaufsports überlassene Anlage in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu erhalten (vgl etwa 6 Ob 253/99w). Für die Verletzung dieser Schutzpflicht hat der Betreiber nach Vertragsgrundsätzen einzustehen. Er haftet demnach für das allfällige Fehlverhalten eines Gehilfen gemäß § 1313a ABGB und nicht bloß nach § 1315 leg cit (vgl SZ 51/111 ua).

Nach ständiger, von der Lehre gebilligten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dürfen die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht allerdings nicht überspannt werden, soll sie keine in Wahrheit vom Verschulden unabhängige Haftung des Sicherungspflichtigen zur Folge haben (ZVR 1989/28; RZ 1992/77; 4 Ob 124/98h; 1 Ob 338/98g). Sie findet ihre Grenze daher immer in der Zumutbarkeit möglicher Maßnahmen der Gefahrenabwehr (RIS-Justiz RS0023397 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen; vgl Reischauer aaO mwN; Harrer in Schwimann2 Rz 44, 55 zu § 1295 ABGB mwN). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (MietSlg 35.254; ZVR 1997/128 ua; RIS-Justiz RS0023726). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht kann immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden; entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (RZ 1982/50; 2 Ob 129/98d; RIS-Justiz RS0110202).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Auffassung der Revisionswerberin, das Berufungsgericht habe die sie im vorliegenden Fall treffende Verkehrssicherungspflicht überspannt, beizupflichten. Dass die auf Eisbahnen im deutschsprachigen Raum allgemein praktizierte Unterteilung der Eisfläche mittels Seilabsperrung grundsätzlich keinen Zustand schafft, der als Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht qualifiziert werden müsste, wurde ja auch vom Gericht zweiter Instanz erkannt und eingeräumt. Das Berufungsgericht erblickt eine einen Haftungsgrund darstellende Gefahrenquelle lediglich darin, dass von der beklagten Partei keine Möglichkeit geschaffen wurde, die abgetrennte kleinere Eisfläche von außen zu erreichen, sodass die Besucher und insbesondere die Klägerin gezwungen waren, unter der 1 m bis 1,3 m hohen Absperrung durchzuschlüpfen oder eben das Seil so hoch anzuheben, um darunter durchfahren zu können.

Die damit verbundene Gefährdung des Eisläufers wird vom Berufungsgericht allerdings überschätzt. Bedenkt man, dass die Besucher der Eisbahn ohnehin durch Lautsprecherdurchsagen ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht und hingewiesen wurden, dass sie sich am Absperrseil nicht anhalten sollten, so stellt sich die Situation nicht als derart gefahrenträchtig dar, wie dies das Berufungsgericht offenbar annimmt. Waren doch die Besucher insbesondere auch auf Grund dieser Lautsprecherdurchsagen zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet (vgl Harrer aaO Rz 60 zu § 1295). Der jedermann ohne weiteres verständliche Zweck der Aufforderung, sich nicht am Seil anzuhalten, nämlich einerseits das jedenfalls für Erwachsene und größere Kinder jeweils notwendige Hochheben des Seiles nicht zu behindern und andererseits nicht selbst auf Grund der beim Hochheben entstehenden Seilbewegungen aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden, musste jeden Eisläufer, der die Absperrung passieren wollte, nämlich veranlassen, besonders darauf zu achten, weder sich noch andere in Sturzgefahr zu bringen. Jedem musste also klar sein, dass es beim Hochheben des Seiles galt, besondere Vorsicht walten zu lassen, das Gleichgewicht nicht zu verlieren, um einen Sturz zu vermeiden. Da jeder Eisläufer damit rechnen musste, dass auch ein anderer gerade unter dem Seil durchfahren wollen könnte, war jeder gehalten, sich auf Seilbewegungen von vornherein entsprechend einzustellen.

Eine solche Einsicht und ein entsprechend vorsichtiges Verhalten kann auch von einer 13-jährigen, die über ein "normales" eisläuferisches Können verfügt, ohne weiteres erwartet werden. Es kann daher tatsächlich dahingestellt bleiben, ob die Klägerin aus bloßer Ungeschicklichkeit gestürzt ist, oder (im Sinne der Beweisrüge der Klägerin in der Berufung) die Sturzursache darin lag, dass allenfalls doch - von der Klägerin unbemerkt - von einer dritten Person während des Hochhebens am Seil gezogen wurde. Verfehlt wäre es, sozusagen aus einer ex-post-Perspektive nun aus dem Sturz und dem Schadenseintritt auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu schließen (vgl Harrer aaO Rz 44 zu § 1295). Im Übrigen wurde kein weiterer ähnlicher Schadensfall zuvor oder danach festgestellt, obwohl ja feststeht, dass etwa am Unfallstag großer Publikumsandrang herrschte und die Absperrung von vielen Eisläufern passiert wurde. Dabei kann auf Grund der Widmung der abgetrennten kleineren Eisfläche für Kinder und ungeübte Eisläufer sogar angenommen werden, dass vor allem diese - ohne Probleme - in den abgetrennten Bereich wechselten.

Zieht man all dies ins Kalkül, kann die Überwindung der gegenständlichen Seilabsperrung nicht als so gefahrenträchtiges Unterfangen angesehen werden, wie dies das Berufungsgericht meint. Die Unterlassung der Schaffung eines Zuganges durch eine weitere Tür in der Bande so dass die abgesperrten Flächen getrennt begangen werden können, ist der Beklagten daher nicht vorzuwerfen. Dies umsoweniger, als ja unbekämpft feststeht, dass eine solche Zugangsmöglichkeit zum abgetrennten Teil der Eisfläche vom Publikum ohnehin nicht angenommen wird. Ganz offenbar wird also die Überwindung einer Seilabsperrung von der Allgemeinheit der Eisläufer keineswegs als so gefährlich angesehen, dass man zu ihrer Vermeidung einen entsprechenden geringen Aufwand bzw Umweg in Kauf nähme. Darauf, ob das Anbringen einer Tür im Bereich der abgesperrten Eisfläche überhaupt möglich, oder etwa im Hinblick auf die erforderliche Ausstreifung der Bande mit unzumutbarem finanziellen Aufwand verbunden wäre, kommt es daher nicht an. Auch die Verfahrensfrage, ob das Berufungsgericht nur im Hinblick auf ein im Akt erliegendes Lichtbild ohne weiteres von einer solchen Möglichkeit der Schaffung eines Zuganges durch eine Tür in der Bande ausgehen durfte, muss daher nicht weiter erörtert werden.

Zusammenfassend kann der Beklagten als Betreiberin der Eisbahn im Zusammenhang mit der gegenständlichen Seilabsperrung eine Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Klägerin unter den festgestellten Umständen nicht zum Vorwurf gemacht werden. In Stattgebung der Rechtsmittel der Beklagten war deshalb das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet. Betreffend das Revisionsverfahren waren allerdings Kosten nur für den einen erstatteten Rechtsmittelschriftsatz zuzusprechen (vgl 7 Ob 589, 590/85).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte