OGH 8ObA117/02t

OGH8ObA117/02t19.12.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Ing. Wilhelm Sturm als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sen Y*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Aigner, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei A***** GmbH & Co, Spedition und Transporte, *****, vertreten durch Puttinger, Vogl & Partner, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wegen EUR 45.783,89 sA und Feststellung (Streitwert EUR 3.633,64), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Februar 2002, GZ 12 Ra 319/01w-36, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Juni 2001, GZ 3 Cga 108/99m-30, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.790,14 (darin EUR 298,36 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 5. 6. 1996 ereignete sich gegen Abend ein Unfall bei einer Laderampe auf einem Frachtenbahnhof in Wien, bei dem der Kläger schwer verletzt wurde. Der Kläger und Mehmet K***** waren damals beide als Kraftfahrer bei der beklagten Partei beschäftigt. Sie waren am Unfallstag gemeinsam mit dem Lkw-Zug der beklagten Partei nach Wien gefahren. Bei der Fahrt von Ried im Innkreis nach Wien fungierte der Kläger als Lenker; er hatte vor Fahrtantritt die Funktionstüchtigkeit der Anhängerbremsanlage, insbesondere der mechanischen Feststellbremsen nicht überprüft. In Wien steuerte sein Kollege den LKW und stellte ihn gegen Mittag am Frachtenbahnhof ab. Bei der Rückfahrt nach Ried hätte wieder der Kläger das Steuer übernehmen sollen.

Nach den Abkuppeln des Anhängers stellt sich dessen Luftdruckbremse automatisch fest; deren Bremswirkung geht aber nach dem Abkuppeln durch das Entweichen der Luft sukzessive verloren. Der Kläger legte deshalb unter das linke Hinterrad des Anhängers einen Metallkeil. Er versuchte auch, die mechanische Feststellbremse anzuziehen, musste aber feststellen, dass diese nicht funktionierte; der Kläger legte hierauf noch ein Holzstück unter das rechte Hinterrad. Abends kamen der Kläger und sein Kollege wieder zum Frachtenbahnhof, um den Anhänger abzuholen. Angrenzend abgestellte Fahrzeuge machten ein senkrechtes Heranfahren des Zugfahrzeuges bis zum Anhänger unmöglich. Deshalb versuchten die beiden den Anhänger händisch aus seiner Abstellposition nach vor zu ziehen, um diesen an den LKW anzuhängen. Auf dem abschüssigen Gelände kam der Anhänger in Bewegung. Der Kläger blockierte mit einem Unterlegkeil das linke Vorderrad des Anhängers, der darauf nach links einlenkte und dem Kläger an der Bordwand des daneben abgestellten Anhängers einklemmte. Als der Kläger den Bremskeil vor das Vorderrad warf, hatte sein Kollege keine Möglichkeit mehr den Unfall zu verhindern; ihm war auch nicht bekannt, dass die mechanische Feststellbremse nicht funktionierte. Zum Verhindern des ungewollten Abrollens des Anhängers wären die Bremskeile nicht bei den Vorder-, sondern bei den Hinterrädern anzulegen gewesen.

Der Kläger war bis zum Unfall bereits 7 Jahre lang als Kraftfahrer tätig und hatte schon 1 Jahr lang mit Mehmet K***** zusammengearbeitet. Beide waren gleichberechtigte Dienstnehmer der beklagten Partei, zwischen denen keine Über- und Unterordnung bestand; keinem kam Aufseherfunktion zu.

Das Erstgericht wies das auf Schmerzengeld von S 600.000 sowie auf vermehrte Bedürfnisse und pauschale Spesen von weiteren S 30.000 gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und ließ die ordentliche Revision zu, weil zur (analogen) Anwendbarkeit des § 1014 ABGB auf arbeitsadäquate Personenschäden des als Lenker beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges tätigen Arbeitnehmers bislang keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und dieser Rechtsfrage über dem Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt. Zwar wurde die vorliegende Problematik bereits in der Entscheidung vom 18. 10. 2000, 9 ObA 150/00z = ZVR 2001/86, die gegen den Arbeitgeber geltend gemachte Schmerzengeldansprüche und geringfügige Ersatzansprüche für Aufwendungen und Auslagen eines verunglückten Kraftfahrers betraf, vom Obersten Gerichtshof ausführlich erörtert, aber schließlich als nicht entscheidungsrelevant offen gelassen. Nunmehr ist kürzlich (nach Erhebung der Revision im vorliegenden Verfahren) zu dem angesprochen Fragenkomplex - Haftung für Personenschäden eines als Lenker eines Kraftfahrzeugs tätigen Arbeitnehmers auf der Rechtsgrundlage des § 1014 ABGB - eine oberstgerichtliche Entscheidung (5. 9. 2002, 2 Ob 203/02w), die allerdings Ersatzansprüche der Unfallversicherung für an den Arbeitnehmer erbrachte Versicherungsleistungen gegen den Haftpflichtversicherer des Arbeitgebers (- und nicht wie hier Schadenersatz- insb Schmerzengeldansprüche des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber -) betraf, ergangen, in der eine solche Haftung grundsätzlich bejaht wurde.

Der erkennende Senat meint nach reiflicher Überlegung, dass den in der zitierten Entscheidung des zweiten Senates ausgedrückten Grundgedanken nicht zu folgen ist.

Vorweg ist festzuhalten, dass die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, sodass es, soweit es nicht die hier aufgeworfene Grundsatzfrage betrifft, genügt, auf diese zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Entgegen den Behauptungen in der Revisionsbeantwortung sind die Klagsansprüche nicht verjährt, weil der Kläger innerhalb der 3-jährigen Verjährungsfrist einen Verfahrenshilfeantrag gestellt hat, dem bereits ein mit der später dann vom Verfahrenshelfer eingebrachten Klage identer Entwurf angeschlossen war. Da also bereits mit dem Verfahrenshilfeantrag des Klägers Sachverhalt und Klagebegehren eindeutig individualisiert waren, die Behandlung der Klage nur am verbesserbaren Fehler der anwaltlichen Unterfertigung scheiterte und dann die Klage nach Verfahrenshilfebewilligung unverzüglich eingebracht wurde, unterbrach bereits das Einlangen des Verfahrenshilfeantrages die Verjährungsfrist, auch wenn die beigelegte Klage nur als "Klageentwurf" bezeichnet war (RIS-Justiz RS0034695; SZ 60/286; zuletzt 8 Ob 12/01z ua).

Den Revisionsausführungen ist weiters zu erwidern:

Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass nach einhelliger oberstgerichtlicher Rechtsprechung nach § 333 Abs 3 ASVG zwar das Dienstgeberprivileg dann nicht gilt, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb auf Grund gesetzlicher Vorschriften eine erhöhte Haftpflicht besteht. Der Dienstgeber haftet dann - außer im Falle vorsätzlicher Schädigung - aber nur bis zur Höhe der aus einer bestimmten Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme. Diese Ausnahmebestimmung schafft keinen neuen Haftungsgrund, sondern schließt lediglich die Anwendung des Haftungsprivilegs für einen bestimmten haftpflichtversicherungsrechtlich orientierten Bereich aus (RIS-Justiz RS0108192; SZ 70/140). Sie setzt voraus, dass der ersatzpflichtige Schaden tatsächlich von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gedeckt ist (RIS-Justiz RS0085140). Der Dienstgeber haftet also nur dann und insoweit, als eine Haftpflichtversicherung und deren Leistungspflicht bestehen; der Dienstgeber soll im Ergebnis durch die Aufhebung des Haftungsprivilegs des § 333 Abs 1 ASVG nicht belastet werden (RIS-Justiz RS0085140). Gelangt die Ausnahmeregelung des § 333 Abs 3 ASVG zur Anwendung, dann trifft den Arbeitgeber im Rahmen der Versicherungssumme einerseits die Gefährdungshaftung als Kraftfahrzeughalter einschließlich der Gehilfenhaftung des § 19 Abs 2 EKHG (SZ 71/120) und andererseits die Verschuldenshaftung, die ebenfalls die Haftung für schuldhaftes Verhalten eines Gehilfen einschließt (RIS-Justiz RS0085182).

Eine Verschuldenshaftung des Dienstgebers oder seines Gehilfen Mehmet K***** ist hier auszuschließen.

Einer Gefährdungshaftung der beklagten Partei als Halterin steht die Ausnahmeregelung des § 3 Z 3 EKHG entgegen, nach der die Haftung des Halters eines haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges grundsätzlich dann ausgeschlossen ist, wenn der Verletzte - wie hier - seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausübte; die beim Betrieb tätigen Personen, etwa der Lenker, haben die Folgen ihrer eigenen Tätigkeit grundsätzlich selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0108191; SZ 70/140; 71/120). Dass der Kläger beim Ankuppeln des Anhängers beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig war, ist unstrittig und unzweifelhaft. Der Kläger wendet sich in seiner Revision ausschließlich gegen die Verneinung einer zwar vom Berufungsgericht im Rahmen der allseitigen rechtlichen Beurteilung aufgeworfene, aber schließlich verworfene Haftung der beklagten Partei für Schmerzengeld des Klägers, die sich aus einer (analogen) Anwendung des § 1014 ABGB auf die vorliegende Fallkonstellation ergeben soll.

Der erkennende Senat hat hiezu erwogen:

Zwar wendet die Rechtsprechung, gebilligt von der Lehre (vgl zuletzt Faber, Risikohaftung im Auftrags- und Arbeitsrecht [2001] mit umfassender Darstellung von Lehre und Rechtsprechung), seit längerem die im letzten Halbsatz des § 1014 normierte verschuldensunabhängige Ersatzpflicht des Gewaltgebers für mit der Erfüllung des Auftrages verbundene Schäden des Gewalthabers auch auf das nicht mit Geschäftsbesorgungen verbundene Arbeitsverhältnis analog an (SZ 56/86 = DRdA 1984/1 [Jabornegg]; ZAS 1987, 85 [Kerschner] = DRdA 1988, 132 [Jabornegg]; SZ 61/45; SZ 68/212; RIS-Justiz RS0019522). Die bisher dazu ergangenen Entscheidungen haben aber - mit Ausnahme der beiden oben genannten Entscheidungen - sämtlich dienstbedingte Sachschäden des Arbeitnehmers an von ihm beigestellten bzw zu dienstlichen Zwecken verwendeten eigenen Sachen, insbesondere die Beschädigung des dienstnehmereigenen Kraftfahrzeugs, zum Gegenstand. Zwar kann nach der Rechtsprechung (so SZ 68/142 zur Geschäftsführung ohne Auftrag) grundsätzlich auch eine Körperverletzung als spezifisches Risiko einer Tätigkeit in Frage kommen und hat auch die Lehre wiederholt die Auffassung vertreten, dass sich die Haftung nach § 1014 ABGB grundsätzlich auch auf Personenschäden beziehe, meinte aber, dass der Arbeitgeber wegen § 333 ASVG im Arbeitsverhältnis nicht für Personenschäden des Arbeitnehmers verschuldensunabhängig hafte (F. Bydlinski, Die Risikohaftung des Arbeitnehmers 17; Kerschner, Die Reichweite der Arbeitgeberhaftung nach § 1014 ABGB, in Tomandl, Haftungsprobleme im Arbeitsverhältnis [1991] 65 f). Seit der mit der 48. ASVG-Novelle erfolgten Einschränkung des Haftungsprivilegs haftet aber wie erwähnt nunmehr - vom Fall vorsätzlicher Schädigung abgesehen - der Arbeitgeber für durch einen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer gedeckten Personenschaden des Arbeitnehmers bis der Höhe der aus einer bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme (DRdA 1994/11 [Apathy]; DRdA 1994/27 [Oberhofer]; zuletzt 9 ObA 150/00z).

Da der Oberste Gerichtshof überdies die Auffassung vertreten hat, dass von der gesetzlichen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung keinerlei Ersatzansprüche aus Personenschäden ausgeschlossen sind (DRdA 1994/11 [Apathy]), stellt sich daher seit der 48. ASVG-Novelle die Frage, ob § 333 Abs 3 ASVG neben der Verschuldenshaftung und der Haftung des Arbeitgebers als Halter nach dem EKHG auch eine allenfalls aus § 1014 ABGB abzuleitende verschuldungsunabhängige Haftung des Arbeitgebers für Körperschäden des Arbeitnehmers umfasst. Die Lehre hat hierauf vereinzelt (Oberhofer, Der Ersatzanspruch bei Schäden wegen Tätigkeit im fremden Interesse, ÖJZ 1994, 730 ff sowie jüngst Kerschner/Wagner, Risikohaftung des Arbeitgebers bei Personenschaden des Arbeitnehmers? DRdA 2001, 568; lediglich referierend Faber aaO 332 f) § 1014 ABGB als Haftungsgrundlage bei Personenschäden des Arbeitnehmers, der beruflich als Lenker eines Kraftfahrzeuges tätig ist und daher unter den Haftungsausschluss des § 3 Z 3 EKHG fällt, nutzbar zu machen versucht. Diese Autoren meinen, dass § 1014 ABGB auch Personenschäden erfasse, der Ausschluss des Haftungsprivileges auch bei einer an sich bestehenden, aber im Einzelfall nicht greifenden Haftung für die Betriebsgefahr bestehe und § 1014 ABGB als "gesetzliche Haftpflichtbestimmung" iSd § 2 Abs 1 KHVG zu werten sei, sodass tatsächlich ein Haftpflichtversicherungsschutz bestehe.

Dieser Ansicht hat sich jüngst der zweite Senat in der bereits erwähnten Entscheidung vom 5. 9. 2002, 2 Ob 203/02w angeschlossen:

Wegen der Höherwertigkeit der Rechtsgüter Leben und Gesundheit wäre es danach ein Wertungswiderspruch, wären von der Risikohaftung des Arbeitgebers nur Sach-, nicht aber Personenschäden umfasst. Gerade bei dienstlichen Kfz-Fahrten setze der Arbeitnehmer seine höchsten Rechtsgüter zum Nutzen und nach Disposition des Arbeitgebers ein. Nach § 333 Abs 1 ASVG hafte allerdings der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer bei einem Personenschaden infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit nur dann, wenn er den Arbeitsunfall bzw die Berufskrankheit vorsätzlich verursacht habe. Dies gelte auch für die verschuldensunabhängige Risikohaftung analog § 1014 ABGB, anderenfalls wäre das Haftungsprivileg des Arbeitgebers ad absurdum geführt. Nach Wiedergabe der herrschenden Rechtsprechung zu § 333 Abs 3 ASVG idF der 48. ASVG-Novelle führt der zweite Senat - Oberhofer (aaO) und Kerschner/Wagner (aaO) folgend - aus, dass nach § 2 Abs 1 KHVG 1994 die Versicherung die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, die aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen erhoben werden, umfasse, wenn durch die Verwendung des versicherten Fahrzeuges Personen verletzt oder getötet würden. Da diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall zweifellos gegeben seien, bleibe zu prüfen, ob der Ersatzanspruch nach § 1014 ABGB ein solcher aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen sei. Darunter seien iSd § 2 Abs 1 KHVG nicht nur jene des EKHG zu verstehen, sondern auch Schadenersatznormen des ABGB (SZ 59/195), aber auch Ersatzansprüche nach § 1042 ABGB (ZVR 1987 ZVR 1987/126). Der erkennende Senat schließe sich der Ansicht Oberhofers und Kerschner/Wagners an, wonach für Ansprüche nach § 1014 ABGB analog eine Haftpflichtdeckung des Haftpflichtversicherers bestehe: Ansatz der Risikohaftung nach § 1014 ABGB seien die Zurechnungselemente der Tätigkeit im fremden Interesse und die sich daraus für den Arbeitnehmer ergebende Gefahr. Es gehe um die Verwirklichung typischer, voraussehbarer Risken der vom Auftraggeber veranlassten Tätigkeit. Der Arbeitnehmer setze dabei seine eigenen Güter im Interesse des Arbeitgebers ein, der Schadenseintritt sei im Vergleich zu seinem allgemeinen Lebensrisiko durch die aufgetragene Tätigkeit wahrscheinlicher geworden. Es gehe somit um eine Art "Betriebsgefahr". Es liege daher eine Nähe zur Gefährdungshaftung vor, was die Einordnung unter den Begriff der gesetzlichen Haftpflichtbestimmung rechtfertige. Daraus folge, dass die Spezialvorschrift des § 333 ASVG wohl § 1014 ABGB verdränge, diese Bestimmung aber dann anzuwenden sei, wenn die Ausnahmeregel des § 333 Abs 3 ASVG zum Tragen komme.

Diese Ansicht ist auch auf der Grundlage der 48. ASVG-Novelle aus folgenden Gründen abzulehnen:

Auch wenn § 1014 ABGB als Einstandspflicht für die geschäftstypische Betriebsgefahr gewertet wird (SZ 56/86 uva; Strasser im Rummel ABGB I3 Rz 10 zu §§ 1014, 1015 mwN), werden alle sich aus einem Arbeitsunfall ergebenden Schadenersatzansprüche, soweit sie Personenschäden betreffen und sich gegen den Dienstgeber oder die ihm Gleichgestellten richten, abschließend durch § 333 ASVG geregelt und damit alle anderen Haftungsgründe, insbesondere auch die Bestimmungen des ABGB ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0085236; 0028584; EvBl 1973/264 = Arb 9115; SZ 54/118), soweit nicht aus dieser Bestimmung, insbesondere dessen Abs 3 und den damit im Zusammenhang stehenden Normen, wie § 3 Z 3 EKHG, anderes hervorgeht.

Die mehr als kunstvoll begründete Anwendung des § 1014 ABGB (diese sei eine "gesetzliche Haftpflichtbestimmung" iSd § 2 Abs 1 KHVG) auf alle Personenschäden im arbeitsrechtlichem Bereich, soweit sie Kraftfahrzeugunfälle betreffen, würde zu dem Ergebnis führen, dass Arbeitnehmern, die als Kraftfahrer tätig sind, stets verschuldensunabhängig Schmerzengeld zustünde. Ein solcher Regelungszweck kann § 1014 ABGB nicht unterstellt werden; hätte der Gesetzgeber solches gewollt, wäre weit näher gelegen, anlässlich der Neufassung des § 333 Abs 3 ASVG durch die 48. ASVG-Novelle die Ausnahmeregelung des § 3 Z 3 EKHG zu beseitigen, was er aber nicht getan hat. Bei Anwendung des § 1014 ABGB in diesem Bereich würde sich ein eklatanter und nicht zu rechtfertigender Wertungswiderspruch zu § 3 Z 3 EKHG ergeben: Während letztere Bestimmung sogar die Gefährdungshaftung des Halters für Personenschäden des beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs Tätigen ausschließt, würde der Arbeitgeber und dessen Haftpflichtversicherer bei Anwendung des § 1014 ABGB über die bloße Gefährdungshaftung des Halters hinaus selbst dann haften, wenn der verletzte Betriebsgehilfe selbst den Unfall verschuldet hätte. Der von der zitierten Lehre konstruierte und vom 2. Senat übernommene Haftpflichtversicherungsschutz für diesen Fall würde einen sonst nicht gebührenden Versicherungsschutz gewähren und damit eine Deckungspflicht der Versicherung, die nach dem klaren Wortlaut sogar unter dem Gesichtspunkt der Gefährungshaftung ausgeschlossen sein sollte, statuieren.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Risikohaftung des Arbeitgebers nach § 1014 ABGB unter Anwendung der Grundsätze des DHG nur dann bejaht wird, wenn der Arbeitgeber ohne den Einsatz der Sachen des Arbeitnehmers zur Besorgung der aufgetragenen Arbeit eigene Sachen hätte beistellen und damit das Schadensrisiko selbst tragen müssen (siehe RIS-Justiz RS0019589, insb DRdA 1984/1

[Jabornegg] = SZ 56/86, zuletzt 9 ObA 2136/96z und 1 Ob 11/97t; siehe

auch RIS-Justiz RS0019543, insb 9 ObA 122/98a = SZ 71/172).

Die Übertragung dieses Grundsatzes auf Körperschäden, weil Leben und Gesundheit höherwertige Güter seien (so 2 Ob 203/02w) ist verfehlt, weil der Gesetzgeber auch in der 48. ASVG-Novelle das Haftungsprivileg des Arbeitgebers grundsätzlich weiter beibehalten wollte.

Dies wird auch durch die mit derselben Novelle eingeführte Integritätsabgeltung nach § 213a ASVG indirekt bestätigt; nur für durch grob fahrlässige Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzvorschriften verursachte besonders schwere Verletzungen sollte dem Arbeitnehmer trotz des Haftungsprivilegs des Arbeitgebers ein gewisser, dem Schmerzengeldanspruch und dem Ersatz für Verunstaltungsschädigung verwandter Ersatz (AB 1142 BlgNR 17. GP 2) zugebilligt werden.

Dagegen gebührt im Anwendungsbereich des § 333 Abs 3 ASVG dem Arbeitnehmer nach bisheriger Rechtsprechung (siehe RIS-Justiz RS0085182, insbes DRdA 1994/27 [Oberhofer], zuletzt 9 ObA 150/00z; siehe auch DRdA 1994/1 [Apathy]) Schmerzengeld ohnehin bereits bei leicht fahrlässiger Verursachung durch den Arbeitgeber als Halter und dessen Gehilfen. Zu einer weiteren unverhältnismäßigen, vom Gesetzgeber der 48. ASVG-Novelle wohl nicht beabsichtigten Privilegierung von Kraftfahrern und anderen im Auftrag des Arbeitgebers beim Betrieb von dessen Fahrzeugen beschäftigten Arbeitnehmern würde die Einbeziehung von Personenschäden aus dem Rechtsgrund der Risikohaftung nach § 1014 ABGB führen, da diesen Arbeitnehmern Schmerzengeldansprüche auch dann zustünden, wenn der Unfall ausschließlich durch ihr schuldhaftes Verhalten verursacht wurde. Hiebei würde sich eine besonders krasse, sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber jenen Arbeitnehmern ergeben, die zu den von ihnen im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses unternommenen Fahrten das eigene Fahrzeug einsetzen. Obwohl bezüglich des im Interesse des Arbeitgebers übernommenen Risikos bezüglich der eigenen Person kein ins Gewicht fallender Unterschied gegenüber einem diese Fahrt mit einem Fahrzeug des Arbeitgebers ausführenden Arbeitnehmer besteht, hätte mangels Leistungspflichtig des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers - der Arbeitgeber ist in diesem Fall wohl weder als Halter (siehe Apathy, Haftpflichtversicherungsschutz bei Beschädigung des arbeitnehmereigenen Kfz, JBl 1987, 69 [84 mwN in FN 148]) noch als mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeuges tätige Person gemäß § 2 Abs 2 KHVG mitversichert - infolge des dann zum Tragen kommenden Haftpflichtprivilegs des Arbeitgebers der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber - ausgenommen den Fall der vorsätzlichen Schädigung - keinen Schmerzengeldanspruch. Der Gesetzgeber der 48. ASVG-Nov ging daher offenbar davon aus, dass die auf einer arbeitsvertraglichen Sonderrechtsbeziehung basierende Risikohaftung des Arbeitgebers nach § 1014 ABGB keine "gesetzliche Haftpflichtbestimmung" im Sinne des § 2 Abs 1 KHVG ist. Dies erachtet auch der erkennende Senat als zutreffend, weil es sich bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung um eine obligatorische, zur Abdeckung des ganz generell mit dem Einsatz von Kraftfahrzeugen verbundenen erhöhten Gefährdungspotenzials bestimmte Versicherung handelt.

Zusammenfassend lehnt daher der erkennende Senat die von einem Teil der Lehre propagierte und vom zweiten Senat übernommene Anwendung der verschuldensunabhängigen Haftung des Arbeitgebers nach § 1014 ABGB für derartige Personenschäden des Arbeitgebers des Arbeitnehmers im Rahmen der Ausnahmebestimmung des § 333 Abs 3 ASVG ab. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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