OGH 8Ob12/01z

OGH8Ob12/01z15.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Doris H*****, vertreten durch Dr. Hans-Peter Benischke und Dr. Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wider den Gegner der gefährdeten Partei Josef H*****, vertreten durch Dr. Johann Grasch, Rechtsanwalt in Leibnitz, wegen Aufhebung einer einstweiligen Verfügung, infolge Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 9. November 2000, GZ 1 R 124/00p-114, womit infolge Rekurses des Gegners der gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Mureck vom 8. März 2000, GZ 2 C 695/95h-97, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Gegner der gefährdeten Partei, der die Kosten seiner Revisionsrekurse selbst zu tragen hat, ist schuldig, der gefährdeten Partei die mit S 4.568,40 (darin S 761,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

In dem zwischen den Parteien anhängig gewesenen Ehescheidungsverfahren wurde über Antrag der Klägerin zur Sicherung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse durch einstweilige Verfügung ein Belastungs- und Veräußerungsverbot hinsichtlich einer bestimmten Liegenschaft des Beklagten (auf Grund Widerspruchs mit Beschluss ON 19 eingeschränkt auf ein bestimmtes Grundstück derselben) rechtskräftig erlassen. Die einstweilige Verfügung wurde "bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den fristgerecht gerichtlich geltend gemachten Aufteilungsanspruch gemäß § 95 EheG bzw für den Fall der Nichtgeltendmachung bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Scheidung" bewilligt.

Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil vom 26. 2. 1998 (ON 71) aus gleichteiligem Verschulden geschieden. Mit den dagegen erhobenen Berufungen bekämpften die Parteien jeweils nur den Verschuldensausspruch. Die Berufung der Klägerin langte am 7. 4. 1998 bei Gericht ein, jene des Beklagten am 8. 4. 1998.

Am 2. 3. 1999 beantragte die gefährdete Partei beim Bezirksgericht ihres Wohnsitzes die Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigebung eines Rechtsanwalts für das Aufteilungsverfahren. Sie legte gleichzeitig ein offenkundig von einer rechtskundigen Person verfasstes sogenanntes "Datenblatt" vor, in welchem kursorisch die Liegenschaften des Gegners der gefährdeten Partei ebenso genannt wurden wie dessen "erhebliche eheliche Ersparnisse". Der zuständigkeitshalber abgetretene Verfahrenshilfeantrag samt Beilagen langte beim Erstgericht am 5. 3. 1999 ein. Mit Beschluss vom 12. 4. 1999 bewilligte das Erstgericht die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigebung eines Rechtsanwalts. Dieser wurde am 16. 4. 1999 von seiner Bestellung verständigt.

Am 22. 12. 1999 brachte die gefährdete Partei durch ihren Verfahrenshelfer beim Erstgericht den Antrag "auf Fortsetzung des Verfahrens über den Antrag auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens" ein, mit welchem sie eine Ausgleichszahlung in der Höhe von S 1 Mio begehrte. Da der Verfahrenshelfer der Ansicht gewesen sei, die Jahresfrist des § 95 EheG sei im Zeitpunkt seiner Bestellung bereits abgelaufen gewesen, habe er vorerst einen Amtshaftungsanspruch an die Finanzprokuratur gestellt, weil die den Verfahrenshilfeantrag aufnehmende Richterin offenkundig übersehen habe, gleichzeitig einen Aufteilungsantrag zu protokollieren. Nunmehr habe die Finanzprokuratur den Anspruch abgelehnt, weil der Verfahrenshilfeantrag in Anbetracht des beigeschlossenen "Datenblatts" als gerichtliche Geltendmachung des Aufteilungsanspruchs zu qualifizieren sei.

Mit Schriftsatz vom 10. 9. 1999 (ON 90) begehrte der Gegner der gefährdeten Partei die Aufhebung der einstweiligen Verfügung, weil mehr als ein Jahr nach Rechtskraft der Scheidung vergangen sei, ohne dass ein Aufteilungsanspruch von der gefährdeten Partei geltend gemacht worden wäre. Dieser Antrag wurde der gefährdeten Partei zugestellt, die sich dazu schriftlich äußerte.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Löschung des Belastungs-, Veräußerungs- und Verpfändungsverbots bezüglich der Liegenschaft des Gegners der gefährdeten Partei ab. Das Scheidungsurteil sei am 13. 4. 1999 in Rechtskraft erwachsen. Der Verfahrenshilfeantrag für das Aufteilungsverfahren sei von der gefährdeten Partei vor Ablauf der Jahresfrist eingebracht worden.

Nachdem eine vorangegangene Entscheidung wegen der unterbliebenen Zustellung des Rekurses als nichtig aufgehoben worden war (8 Ob 213/00g), gab das Gericht zweiter Instanz nunmehr mit dem angefochtenen Beschluss dem Rekurs nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000 übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Rechtskraft des Scheidungsurteils sei mit Einbringung der beiderseits nur gegen den Verschuldensausspruch erhobenen Berufung, somit mit Ablauf des 7. 4. 1998, eingetreten. Die gefährdete Partei habe am 2. 3. 1999 den Antrag, ihr für das Aufteilungsverfahren Verfahrenshilfe zu gewähren, gestellt. Aus der Beilage zu diesem Antrag sei erkennbar, dass die gefährdete Partei die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Ersparnisse begehre und welche Vermögenswerte in das Verfahren einzubeziehen seien. Inhaltlich liege ein verbesserungsfähiger und fristwahrender Antrag nach §§ 81 ff EheG vor, der - mangels eines Verbesserungsauftrags und einer Fristsetzung durch das Erstgericht - auch rechtzeitig in dem von der gefährdeten Partei am 22. 12. 1999 eingebrachten Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens konkretisiert worden sei. Sei das Verfahren nach §§ 81 ff EheG aber fristgerecht eingeleitet worden, lägen die Voraussetzungen für die Löschung des Verfügungsverbots nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei kommt keine Berechtigung zu.

Gemäß § 95 EheG erlischt der Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse, wenn er nicht binnen einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wird. Nach ständiger Rechtsprechung beginnt der Lauf dieser materiellrechtlichen Ausschlussfrist mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft der Entscheidung über die Scheidung (8 Ob 2016/96w; 4 Ob 37/98i; 9 Ob 143/99s ua). Es ist ebenso gesicherte Rechtsprechung, dass formelle Rechtskraft des Scheidungsurteiles auch dann eintritt, wenn das erstinstanzliche Urteil nur im Verschuldensausspruch, nicht jedoch im Ausspruch über die Scheidung angefochten wird. Die mangelnde Anfechtung des Scheidungsausspruchs ist einem Rechtsmittelverzicht gleichzuhalten (SZ 54/166; SZ 63/47; 6 Ob 1660/95; 1 Ob 281/97y; 1 Ob 35/00d ua). Da der Beklagte grundsätzlich auch den Scheidungsausspruch hätte bekämpfen können, ist das Urteil in diesem Umfang mit Einlangen seiner nur eine Abänderung des Verschuldensausspruchs anstrebenden Berufung rechtskräftig geworden.

Auch auf die Ausschlussfrist des § 95 EheG, deren Nichtbeachtung zum Anspruchsverlust führt, werden die Verjährungsvorschriften von Lehre und Rechtsprechung sinngemäß angewandt (EvBl 1991/123 mwH; 1 Ob 536/92; 9 Ob 143/99s). Zwar unterbrechen gerichtliche Schritte, die die Geltendmachung eines Rechts bloß vorbereiten, wie etwa der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, die Verjährung grundsätzlich nicht (SZ 52/78; SZ 60/286; 4 Ob 194/00h ua), doch wird ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe dann bereits als Klage beurteilt, die den Lauf der Verjährung unterbricht, wenn sie Sachverhalt und Begehren individualisiert und deutlich erkennen lässt (SZ 60/286; 4 Ob 141/93; 1 Ob 4/94 ua). Dies gilt auch im Bereich des § 95 EheG, wenn bereits im Verfahrenshilfeantrag der Aufteilungsanspruch ausreichend deutlich dargestellt wird (9 Ob 143/99s).

Dieser Voraussetzung entspricht das dem Vermögensbekenntnis der gefährdeten Partei angeschlossene "Datenblatt", welches die der gerichtlichen Entscheidung unterworfenen Vermögensteile erkennbar auflistet und den Wunsch nach deren Aufteilung zum Ausdruck bringt. Dass der Antrag keinen formellen Aufteilungsvorschlag enthält, schadet nicht, weil nach fristgerechter Anrufung des Außerstreitgerichts zwar eine quantitative Bindung an die Parteianträge und damit an das Gebot, nicht mehr und nichts Anderes aufzuteilen als zur Masse gehörig behauptet wurde, besteht, aber den Parteien mangels Bindung des Gerichts an die Aufteilungsvorschläge eine Änderung dieser Vorschläge auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG möglich ist (6 Ob 189/97f; EvBl 2000/62). So wie ein zunächst unpräzise gestellter Aufteilungsantrag außerhalb der Frist präzisiert werden kann, kann in einem gewissen Rahmen auch der unpräzise umschriebene Gegenstand der Aufteilungsmasse noch außerhalb der Frist präzisiert werden, sofern darin keine erst nach Ablauf der Jahresfrist vorgenommene und deshalb unzulässige Ausdehnung des Antrags zu erblicken ist (8 Ob 519/93; JBl 2000, 252).

Ist aber nach den hier gegebenen Umständen des Einzelfalls der Aufteilungsantrag - ungeachtet des gegebenen Verbesserungserfordernisses - als fristgerecht eingebracht anzusehen, kommt es für den Weiterbestand der einstweiligen Verfügung schon nach deren im Einklang mit § 391 Abs 2 EO stehenden Text auf die materielle Berechtigung dieses Antrages nicht mehr an, weil darüber erst mit der als Endpunkt der Wirksamkeitsdauer bestimmten rechtskräftigen Entscheidung zu befinden ist. Dies gilt auch für die Frage der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 402, 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Die gefährdete Partei hat den Aufhebungsantrag des Gegners der gefährdeten Partei erfolgreich abgewehrt und damit in diesem Streit endgültig obsiegt. In einem solchen Fall besteht Kostenersatzpflicht des unterlegenen Antragstellers, über die gemäß § 52 Abs 1 ZPO sofort zu entscheiden ist, weil die Entscheidungsgrundlagen bereits vollständig vorliegen (vgl 4 Ob 195/98z). In gesamten Provisorialverfahren wurde eine Bewertung des Anspruchs durch die Parteien nicht vorgenommen. Die lediglich für die Frage der Zulässigkeit des Revisionsrekurses (§ 528 Abs 2 Z 1a ZPO) maßgebliche Bewertung durch das Rekursgericht stellt keine Bemessungsgrundlage für die Kostenbestimmung dar. Mangels Bewertung durch die Parteien ist die Bemessungsgrundlage gemäß § 14 lit c RATG von S 10.000 zu Grunde zu legen (8 ObA 61/98y; 8 ObA 86/98z; 9 ObA 148/99a; 8 ObA 151/00i). Es sind daher die beiden Revisionsrekursbeantwortungen der siegreichen gefährdeten Partei auf der Basis dieser Bemessungsgrundlage zu honorieren.

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