OGH 8ObA315/01h

OGH8ObA315/01h4.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Manfred Z*****, vertreten durch Dr. Johann Grandl, Rechtsanwalt in Mistelbach, wider die beklagten Parteien 1) Josef S*****, 2.) Gertraud S*****, vertreten durch Dr. Karl Claus, Rechtsanwalt in Mistelbach, wegen EUR 15.474,35 brutto sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. September 2001, GZ 8 Ra 207/01x-23, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. Februar 2001, GZ 9 Cga 56/00h-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 962,78 (darin EUR 160,46 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Auch im Verfahren nach dem ASGG können vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr in der Revision gerügt werden (SZ 62/157; JBl 1998, 643 uva). Ebensowenig ist der Oberste Gerichtshof Tatsacheninstanz vor der die Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft werden könnte (10 ObS 4/97d; 10 ObS 325/98m uva).

Die Vorinstanzen haben den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, weshalb es gem § 510 Abs 3 ZPO ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen. Ergänzend ist anzumerken:

Der Entlassungstatbestand des § 82 lit f GewO ist im Sinne des § 27 Z 4 AngG auszulegen. Demnach hat ein Arbeiter die Arbeit unbefugt verlassen, wenn er ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Dienstleistung unterlässt (RIS-Justiz RS0029517). Ein Fernbleiben vom Dienst ist dann gerechtfertigt, wenn der Dienstnehmer tatsächlich krank und arbeitsunfähig ist, wenn auch die Krankmeldung verspätet vorgenommen wird. Eine verspätete Krankmeldung könnte nur dann zum Anlass einer Entlassung genommen werden, wenn der Dienstnehmer wusste, dass dem Dienstgeber dadurch ein wesentlicher Schaden erwachsen werde und ihm die rechtzeitige Meldung leicht möglich gewesen wäre (RIS-Justiz RS0029527; RS0028891).

Entschuldigt ist das Fernbleiben eines Arbeitnehmers vom Dienst nicht nur dass, wenn er - objektiv betrachtet - arbeitsunfähig war, als infolge einer Erkrankung nicht oder doch nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig war, seiner bisher ausgeübten - oder sonst einer nach dem Arbeitsvertrag zu verrichtenden - Arbeitstätigkeit nachzukommen, sondern auch dann, wenn er von einem zur Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit berufenen Arzt in Krankenstand genommen wurde, obwohl objektiv dazu keine Veranlassung gegeben war, er aber auf die Richtigkeit der ausgestellten ärztlichen Bescheinigung vertrauen durfte. Dem Arbeitnehmer muss in dieser Situation in aller Regel der gute Glaube zugebilligt werden, sich für arbeitsunfähig zu halten, wenn der Arzt zur Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit gelangt. Bei diesen Regeln handelt es sich um Erfahrungssätze, die dem Arbeitgeber nicht das Recht nehmen, den Beweis anzutreten, dass der Arbeitnehmer trotz Vorlage einer entsprechenden Krankenstandsbescheinigung arbeitsfähig war und davon auch Kenntnis hatte oder nach den Umständen des Falles offenbar haben musste; dies wäre etwa der Fall, wenn der Arbeitnehmer die ärztliche Bestätigung durch bewusst unrichtige Angabe gegenüber dem Arzt erwirkt hätte (RIS-Justiz RS0028875).

Auf die in den Mittelpunkt der Revisionsausführungen gestellte Frage der rechtzeitigen Vorlage der Krankenstandsbestätigung kommt es somit nicht entscheidend an, zumal den Beklagten der Arbeitsunfall des Klägers aus eigener Wahrnehmung ebenso bekannt war, wie auf Grund des Telefonats mit dem behandelnden Arzt die Tatsache, dass der Kläger deswegen krank geschrieben war. Den Beweis, der Kläger habe erkennen können, dass er dennoch arbeitsfähig sei, haben die Beklagten im Verfahren nicht erbracht. Anhaltspunkte, der Kläger habe die Bestätigung des Arztes erschlichen, sind nicht hervorgekommen und haben bereits die Vorinstanzen darauf verwiesen, dass der Arzt den Kläger selbst untersucht hat.

Zur Passivlegitimation der Zweitbeklagten wird in der Revision nur mehr vorgebracht, der Kläger habe seinen Anspruch nicht auf die von den Vorinstanzen zu Grunde gelegte Tatsache der zwischen den Beklagten bestehenden Gütergemeinschaft gestützt. Insoweit genügt der Hinweis auf das klägerische Vorbringen in der Verhandlung vom 12. 12. 2000 (AS 28).

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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